Jürgen Domes

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Jürgen Domes (um 1995)
Jürgen Domes verfasste eine Reihe von Buchpublikationen, hier einige aus der Zeit von 1964 bis 1992

Jürgen Otto Domes (* 2. April 1932 in Lübeck;[1]22. September 2001[1] in Sulzbach/Saar) war ein deutscher Politikwissenschaftler. Er nahm als erster in Deutschland das sozialwissenschaftliche Studium Chinas auf und initiierte mit einer in den 1960er Jahren zunächst am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin angesiedelten und ab 1975 an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken verorteten Arbeitsstelle „Politik Chinas und Ostasiens“ einen neuen, regionalwissenschaftlichen Studiengang. Den Gegenstand dieses Studienganges bezeichnete Domes in Abgrenzung zur Sinologie, die sich mit klassischer Sprache, Kultur und Geschichte Chinas beschäftige, als „gegenwartsbezogene China-Forschung“.[2] Der Studiengang blieb lange Zeit in den sinologischen Seminaren ebenso wie in den Sozialwissenschaften, denen China-Forschung als ein exotisches Unterfangen erschien, umstritten. Während die wissenschaftlichen Arbeiten von Domes außerhalb Deutschlands weltweit Anerkennung fanden, setzte sich die „gegenwartsbezogene China-Forschung“ als ein universitäres Fach samt der von Domes entwickelten Terminologie erst nach seinem Tode auch in Deutschland durch.

Leben

Domes studierte Politikwissenschaft, Evangelische Theologie, Geschichte und Soziologie an den Universitäten Marburg und Heidelberg. 1960 promovierte er bei Dolf Sternberger mit einer Arbeit über „Das Freiwilligengesetz im zweiten Deutschen Bundestag – Eine Studie zum Oppositionsverhalten des Parlaments“. Seit 1964 lehrte er am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, wo er 1967 zum Thema „Vertagte Revolution – Der Einfluss von Struktur, Organisation und Herrschaftsmethoden der Kuomintang auf den Entwicklungsprozess in China als Beispiel für die Politik nicht-totalitärer Einheitsparteien in Entwicklungsländern“ habilitierte.[3] 1968 war er Gastdozent an der University of South Carolina[4].

1975 wechselte er als Nachfolger von Christian Graf von Krockow und Karl Kaiser an die Universität des Saarlandes. Dort lehrte er Politikwissenschaft und war er Direktor der Arbeitsstelle „Politik Chinas und Ostasiens“.[5] Er war u. a. 1986/87 Dekan der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät.

Am 19. November 1976 wurde Domes zudem mit Clemens Christians und Thomas Nipperdey einer der drei Vorsitzenden des 1970 gegründeten Bundes Freiheit der Wissenschaft (BFW), eines Vereins zur Bildungspolitik als Reaktion auf die Studentenbewegung. Das Amt behielt er bis 1982.

Ab 1981 war Domes Mitglied der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste.[6]

Jürgen W. Falter nannte Domes einen „liberalen Erzkonservativen“; er habe einen „internationalen Ruf“. Eberhard Sandschneider bezeichnete ihn als „Pionier der internationalen Chinaforschung“, der mit „präzise analysierenden 150 Publikationen Maßstäbe“ gesetzt habe.[7]

Der Historiker und Publizist Götz Aly schreibt in seiner Publikation von 2007 Unser Kampf 1968, Domes sei mit seinen Publikationen über China schon Ende der 1960er Jahre „ein Experte von hohen Graden“ gewesen und ein „Wissenschaftler, der empirisch sorgfältig arbeitete und umsichtig urteilte. Keinesfalls trübte schäumender Antikommunismus seinen Blick.“[8]

Auszeichnungen

  • 1975: Sophie-Charlotte-Medaille für Kunst und Wissenschaft[9]

Literatur

  • Jürgen W. Falter und Eberhard Sandschneider (Hrsg.): Politik in China. Beiträge zur Analyse chinesischer Politik. Zum 60. Geburtstag von Jürgen Domes, in Reihe: Empirische und methodologische Beiträge zur Sozialwissenschaft, herausgegeben von Jürgen W. Falter und Rainer B. Pelka, Band 9, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, New York, Paris, Wien 1992, ISBN 978-3-631-44450-4
  • Eberhard Sandschneider (Hrsg.): The Study of Modern China (Festschrift zum 65. Geburtstag von Jürgen Domes), C. Hurst & Co. Publishers Ltd., London 1999, ISBN 1-85065-422-0
  • Akademische Gedenkfeier für Universitätsprofessor Dr. Jürgen Domes, Reihe Universitätsreden der Universität des Saarlandes, Universitätsverlag des Saarlandes, Saarbrücken 2006
Commons: Jürgen Domes – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Robert Ash: In Memoriam Jürgen Domes (1932-2001). In: China information, A Journal on Contemporary China Studies, Vol. 15, No. 2 (2001), S. 153
  2. Jürgen Domes: T’aiwan im Wandel. Politische Differenzierung und Opposition, 1978-1980, Saarbrücker Politikwissenschaft, Band, 2, Verlag Peter Lang, Frankfurt am Main und Bern 1982, ISBN 3-8204-5989-8, S. 9
  3. Fakultätssitzungen vom 30. November 1966, 1. und 15. November 1967, Findbuch im Archiv der FU Berlin, S. 81 und 87f., Abruf am 19. Mai 2020
  4. Mitteilungen der USC, 26. April 1968 (Memento vom 18. November 2016 im Internet Archive)
  5. Harro von Senger: Etikettierung der chinesischen Geschichte. Besprechung des Buches von Jürgen Domes und Marie-Luise Näth Geschichte der Volksrepublik China, in: Neue politische Literatur, Heft 1, Darmstadt, 1994, S. 114
  6. Webseite der Akademie, Abruf am 1. Oktober 2019
  7. „In memoriam Professor Jürgen Domes“, in: campus – Zeitschrift der Universität des Saarlandes Nr. 1/2003
  8. Götz Aly: Unser Kampf 1968. Fischer-Verlag, Frankfurt am Main, 2007, Taschenbuchausgabe, 4. Auflage 2018, ISBN 978-3-596-17778-3, S. 111, S. 115
    S. auch Leseprobe zu Unser Kampf 1968, Teil 1 bei Perlentaucher.de vom 11. Februar 2008, Abruf am 23. April 2021.
  9. Redaktionsbüro Harenberg: Knaurs Prominentenlexikon 1980. Die persönlichen Daten der Prominenz aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Mit über 400 Fotos. Droemer Knaur, München/Zürich 1979, ISBN 3-426-07604-7, Domes, Jürgen Otto, S. 86.