Jervisit

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Jervisit
Jervisit aus der Seula-Mine, Mount Camoscio, Baveno, Provinz Verbano-Cusio-Ossola, Piemont, Italien
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1980-012[1]

IMA-Symbol

Je[2]

Chemische Formel
  • NaSc3+[Si2O6][3][1]
  • (Na,Ca,Fe2+)(Sc,Mg,Fe2+)[Si2O6][4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Silikate und Germanate
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/F.01-150[5]

9.DA.25
65.01.3c.06
Kristallographische Daten
Kristallsystem Monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe C2/c (Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15[3]
Gitterparameter a = 9,85 Å; b = 9,04 Å; c = 5,31 Å
β = 106,6°[3]
Formeleinheiten Z = 4[3]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 6[5]
Dichte (g/cm3) gemessen: 3,22[6]; berechnet: 3,272[6] bis 3,31[4]
Spaltbarkeit Vollkommen nach {110}
Farbe Hellgrün
Strichfarbe weiß[7]
Transparenz durchscheinend bis undurchsichtig
Glanz Glasglanz[4]
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,683[7]
nβ = 1,715[7]
nγ = 1,724[7]
Doppelbrechung δ = 0,041[7]
Optischer Charakter zweiachsig negativ[7]

Jervisit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“ mit der chemischen Zusammensetzung NaSc3+[Si2O6][3] und damit chemisch gesehen ein Natrium-Scandium-Silikat. Strukturell gehört Jervisit zu den Ketten- und Bandsilikaten.

Jervisit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt kleine Splitter mit einer Größe von unter einem Millimeter auf länglichen Kristallen.[4]

Mit einer Mohshärte von 6 gehört der Jervisit zu den mittelharten Mineralen.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Mineral wurde 1982 von M. Mellini, S. Merlino, R. Renaldi und P. Orlandi zum ersten Mal beschrieben. Sie benannten das Mineral Jervisit nach William P. Jervis. William P. Jervis war Konservator des Museo Industriale Italiano di Torino und Autor eines Buches über italienische Minerale.[8]

In der Erstbeschreibung beschrieben Mellini, Merlino, Renaldi und Orlandi Jervisit mit der chemischen Zusammensetzung (Na0,43Ca0,31Fe2+0,14) (Sc0,66Fe2+0,15Mg0,19)Si2O6. Zudem gaben sie an, Jervisit sei das natürliche Analogon zu NaScSi2O6.[8]

Bis heute existieren zwei Schreibweisen der chemischen Formel: Die International Mineralogical Association (IMA) gibt in ihrer Liste der Mineralen die Formel NaSc3+Si2O6 an,[1] das Handbook of Mineralogy der Mineralogical Society of America gibt dagegen (Na,Ca,Fe2+)(Sc,Mg,Fe2+)Si2O6 an.[4]

2006 erschien von Merlino und Orlandi eine neue Veröffentlichung im Periodico di Mineralogia. Darin beschrieben sie weitere Fundorte und korrigierten chemische und kristallographische Daten.

Jervisit ist eines von nur rund 14 bekannten Sc-Mineralen und mit Davisit das zweite aus der Pyroxengruppe.[9]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da der Jervisit erst 1980 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten „Lapis-Mineralienverzeichnis“, das sich im Aufbau noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer VIII/F.01-150. In der Lapis-Systematik entspricht dies der Klasse der „Silikate“ und dort der Abteilung „Ketten- und Bandsilikate“, wo Jervisit zusammen mit Aegirin, Aegirin-Augit, Augit, Davisit, Diopsid, Esseneit, Grossmanit, Hedenbergit, Jadeit, Johannsenit, Kanoit, Klinoenstatit, Klinoferrosilit, Kosmochlor, Kushiroit, Namansilit, Natalyit, Omphacit, Petedunnit, Pigeonit, Spodumen und Tissintit die Gruppe mit der Systemnummer VIII/F.01 bildet.[5]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[10] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Jervisit ebenfalls in die Abteilung „Ketten- und Bandsilikate (Inosilikate)“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Struktur der Silikat-Ketten beziehungsweise -Bänder, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Ketten- und Bandsilikate mit 2-periodischen Einfachketten Si2O6; Pyroxen-Familie“ zu finden ist, wo es zusammen mit Aegirin, Jadeit, Kosmochlor, Namansilit und Natalyit die „Na-Klinopyroxene, Jadeitgruppe“ mit der Systemnummer 9.DA.25 bildet.

In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Jervisit die System- und Mineralnummer 65.01.03c.06. Dies entspricht ebenfalls der Klasse der „Silikate“ und dort der Abteilung „Kettensilikatminerale“. Hier findet er sich innerhalb der Unterabteilung „Kettensilikate: Einfache unverzweigte Ketten, W=1 mit Ketten P=2“ in derGruppe „C2/c Klinopyroxene (Na-Klinopyroxene)“, in der auch Jadeit, Aegirin, Namansilit, Kosmochlor und Natalyit eingeordnet sind.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jervisit kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe C2/c (Raumgruppen-Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15 mit den Gitterparametern a = 9,85 Å; b = 9,04 Å, c = 5,31 Å und β = 106,6 Å sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Jervisit sind sechs Fundstellen bekannt.[11]

Die Typlokalität sowie vier weitere Fundstellen befinden sich in Provinz Verbano-Cusio-Ossola im Norden von Italien. In der Umgebung von Baveno wurde in Feriolo im Ratti-Steinbruch und Oltrefiume im Locatelli-Steinbruch sowie in der Seula-Mine Jervisit gefunden. Bei Omegna in Agrano wurde das Mineral sowohl im Agrano-Granit-Steinbruch als auch Giacomini-Steinbruch gefunden. Letzteres ist die Typlokalität.[11]

Einen Fundort des Minerals gibt es auch in Kanada. Dort wurde es in der Provinz Ontario in Thunder Bay District bei Walsh Township gefunden.[11]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Frank C. Hawthorne, H. D. Grundy: Refinement of the crystal structure of NaScSi2O6. In: Acta Crystallographica. B29, 1973, S. 2615–2616, doi:10.1107/S0567740873007156 (englisch, researchgate.net [PDF; 619 kB; abgerufen am 5. Mai 2024]).
  • M. Mellini, S. Merlino, P. Orlandi, R. Rinaldi: Cascandite and jervisite, two new scandium silicates from Baveno, Italy. In: American Mineralogist. Band 67, 1982, S. 599–603 (englisch, rruff.info [PDF; 667 kB; abgerufen am 5. Mai 2024]).
  • N. Morimoto: Nomenclature of pyroxenes. In: Mineralogical Magazine. Band 52, 1988, S. 535–550 (englisch, rruff.info [PDF; 921 kB; abgerufen am 5. Mai 2024]).
  • Stefano Merlino, Paolo Orlandi: Jervisite, NaScSi2O6: a new occurrence, chemical data and crystal structure. In: Periodico di Mineralogie. Band 75, Nr. 2–3, 2006, S. 189–194 (englisch, dst.uniroma1.it [PDF; 100 kB; abgerufen am 5. Mai 2024]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Jervisit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: March 2024. (PDF; 3,8 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, März 2024, abgerufen am 5. Mai 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 5. Mai 2024]).
  3. a b c d e Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 621 (englisch).
  4. a b c d e Jervisite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF]).
  5. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  6. a b Jervisit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 5. Mai 2024.
  7. a b c d e f Jervisitee. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 5. Mai 2024 (englisch).
  8. a b M. Mellini, S. Merlino, P. Orlandi, R. Renaldi: Cascandite and jervisite, two new scandium silicates from Baveno, Italy. In: American Mineralogist. Band 67, 1982, S. 599–603 (englisch, minsocam.org [PDF; 422 kB; abgerufen am 5. Mai 2024]).
  9. David Barthelmy: Mineral Species containing Scandium (Sc). In: webmineral.com. Abgerufen am 5. Mai 2024 (englisch).
  10. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 5. Mai 2024 (englisch).
  11. a b c Fundortliste für Jervisit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 5. Mai 2024.