Karl Brendel

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Karl Brendel ist das Pseudonym für den schizophrenen Holzschnitzer Karl Genzel (* 21. März 1871 in Mühlhausen/Thüringen; † 21. August 1925 in Eickelborn), das Hans Prinzhorn in seinem Buch Bildnerei der Geisteskranken verwandte.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl Genzel wuchs gemeinsam mit drei Brüdern und fünf Schwestern als Sohn eines Bauvogts und Fuhrunternehmers in Mühlhausen auf. Von sechs bis zum Alter von vierzehn besuchte er die Schule und machte danach eine Maurerlehre. Ab 1892 wurde er mehrfach wegen Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung, Kuppelei und Widerstand gegen die Staatsgewalt zu Geldstrafen oder Gefängnis verurteilt. 1895 heiratete er eine 16 Jahre ältere Witwe mit drei Kindern und zog mit der Familie nach Bochum. Hier wurden 1895 und 1901 die gemeinsamen Töchter geboren. Bei einem Arbeitsunfall im Jahr 1900 wurde sein linker Oberschenkel schwer verletzt, so dass das Bein 1902 amputiert werden musste. Ebenfalls im Jahr 1902 wurde seine Ehe geschieden.

Er schlug sich als Hausierer durch und gelangte dabei bis nach Lothringen. Wegen Bettelei und Körperverletzung wurde er 1906 verhaftet. Da er bei seiner Verhaftung psychisch auffällig wurde, wies man ihn zuerst in die psychiatrische Anstalt in Merzig ein und verlegte ihn später in das Krankenhaus Lengerich (Westfalen). Mit der Diagnose Dementia praecox wurde er im Jahr 1907 von dort in die Provinzial-Heilanstalt Eickelborn bei Lippstadt eingewiesen. Dort wechselten Zustände großer „Produktivität, Wutanfälle, halluzinatorische Erlebnisse und Freiheitsbegehren mit Tatenlosigkeit und Resignation“. Er sonderte sich in seiner Zelle ab um zu schnitzen, zu zeichnen und Texte zu verfassen, „tobt im Wahn gegen Verfolger und nackte Frauen, klebt geschickt Tüten (mehrere Tausend täglich), durchblättert Zeitschriften, formt Figuren aus gekautem Brot, schält Weiden, näht Säcke, verziert Hausschuhe und entdeckt (um 1912) das Holzschnitzen; er wütet gegen die Unfreiheit, bleibt tagelang im Bett liegen, philosophiert, liest die Bibel, streitet, schlägt, schnitzt, schwatzt, stopft, schweigt, schreibt, schimpft ... jahrzehntelang“.[1] Im November gelang ihm ein Fluchtversuch und er schlug sich bis Mühlhausen durch, wo er Unterschlupf bei seinen Verwandten fand. Nach einem Schlaganfall brachte man ihn nach Eickelborn zurück, wo er ein halbes Jahr später am 21. August 1925 verstarb.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Karl Brendel und sein Werk, bestehend aus vierundzwanzig Skulpturen und acht Zeichnungen, wurden 1920 von Hans Prinzhorn entdeckt, als dieser Objekte für seine entstehende Sammlung von Arbeiten psychisch Erkrankter suchte. Brendel begann 1912 Figuren aus gekautem Brot zu formen und später wandte er sich, gefördert von einem Angehörigen des Pflegepersonals, der Holzschnitzerei zu. Seine ersten Werke waren flache Reliefs, oftmals mit gemusterten Rändern. Brendel schnitzte in harten Hölzern, das er nachträglich bemalte oder lackierte. Seine späteren Werke zeigen phantasievolle Tiere und Skulpturen mit unterschiedlichen Ansichten, die seine religiösen Wahnvorstellungen wiedergeben und häufig männliche und weibliche Geschlechtsmerkmale gemeinsam zeigen. Seine Werke wurden schon früh in die Nähe exotischer „Stammeskunst“ gerückt.[2]

Ausstellungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • 2019: die sammlung prinzhorn.! art brut vor der art brut. Museum Gugging, Maria Gugging, Österreich[3]
  • 2014/2015: Uniform und Eigensinn. Militarismus, Weltkrieg und Kunst in der Psychiatrie. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg
  • 2013: Geistesfrische. Alfred Kubin und die Sammlung Prinzhorn. Landesgalerie Linz
  • 2009/2010: Surrealismus und Wahnsinn. Sammlung Prinzhorn, Heidelberg
  • 2005: Im Rausch der Kunst. Kunstpalast, Düsseldorf[4]
  • 1980: Die Prinzhorn – Sammlung. Bilder, Skulpturen, Texte aus Psychiatrischen Anstalten (ca. 1890-1920). Heidelberger Kunstverein, Kunstverein in Hamburg
  • Zwei seiner Arbeiten, eine Katze und der Kopf mit abnehmbarer Hirnschale, wurden vom Heidelberger Klinikdirektor Carl Schneider und einem Funktionär der NSDAP für die Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937 ausgewählt und dort gezeigt.[5] In der Ausstellung wurden die von den Nationalsozialisten abgelehnten jüdischen, marxistischen und pazifistischen Künstler radikal angegriffen und die Werke der Art Brut-Künstler diffamiert.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bettina Brand-Claussen: „KnochenWeltMuseumTheater“. Holzskulpturen von Karl Genzel aus der Prinzhorn-Sammlung. In: Ingried Brugger u. a. (Hrsg.): Kunst & Wahn. DuMont, Köln 1997, ISBN 3-7701-4274-8, S. 218–239.
  • Barbara Freeman: Biographies of Outsider Artists. In: Maurice Tuchman (Hrsg.): Parallel Visions. Modern Artists and Outsider Art. Princeton University Press, Princeton, NJ 1992, ISBN 0-691-03213-0, S. 26.
  • Hans Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken. 5. Auflage, Springer, Wien 1997, ISBN 3-211-82976-8.
  • John Maizels (Hrsg.): Raw Vision Outsider Art Source Book. Raw Vision, Radlett 2002, ISBN 0-9543393-0-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Karl Brendel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bettina Brand-Claussen: „KnochenWeltMuseumTheater“. Holzskulpturen von Karl Genzel aus der Prinzhorn-Sammlung. In: Ingried Brugger u. a. (Hrsg.): Kunst & Wahn. DuMont, Köln 1997, S. 223
  2. Bettina Brand-Claussen: „KnochenWeltMuseumTheater“. Holzskulpturen von Karl Genzel aus der Prinzhorn-Sammlung. In: Ingried Brugger u. a. (Hrsg.): Kunst & Wahn. DuMont, Köln 1997, S. 219
  3. Museum Gugging: Pressemitteilung zur Ausstellungdie sammlung prinzhorn.! art brut vor der art brut. Abgerufen am 20. Dezember 2022
  4. kunstaspekte.art: Karl Genzel. Abgerufen am 20. Dezember 2022
  5. Bettina Brand-Claussen: „KnochenWeltMuseumTheater“. Holzskulpturen von Karl Genzel aus der Prinzhorn-Sammlung. In: Ingried Brugger u. a. (Hrsg.): Kunst & Wahn. DuMont, Köln 1997, S. 226