Klaus Nomi
Klaus Nomi (* 24. Januar 1944 in Immenstadt im Allgäu; † 6. August 1983 in New York; bürgerlich Klaus Sperber) war ein im Bereich der Popmusik tätiger deutscher Countertenor.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Klaus Sperber wurde in Immenstadt geboren und wuchs in Ratholz auf. Seine Mutter war kriegsbedingt aus Essen geflohen. Als er vier Jahre alt war, zogen sie nach Langschede, später dann zurück nach Essen.[1] Sperber interessierte sich, inspiriert durch die Musik im Elternhaus, schon als Jugendlicher für Opern- und Popmusik und entdeckte sein Talent als Opernsänger. Anfänglich scheiterten alle Versuche, als Opernsänger Fuß zu fassen, und so erlernte er zunächst den Beruf des Konditors. Er arbeitete daneben als Statist an den Essener Bühnen und absolvierte danach seine Gesangsausbildung in Berlin, wo er an der Deutschen Oper nebenbei als Platzanweiser arbeitete.[2] Zu dieser Zeit sang er auch Opernmelodien und Arien im Berliner Kleist-Kasino, einem überwiegend von homosexuellen Gästen frequentierten Nachtclub. Obwohl er einige Semester lang an einer Musikhochschule studierte, wurde er von keinem Theater angenommen.
1973 zog er nach New York, das damalige Mekka der Kreativszene. Sperber bewegte sich in den Künstlerkreisen des East Village. In den ersten Jahren schlug er sich mit Aushilfsjobs durch und eröffnete später eine Konditorei, mit der er unter anderem das Guggenheim Museum mit Linzer Torten und Zitronenkuchen belieferte.[3] Parallel ließ er seine Stimme (Tenor) von Ira Siff zum Kontertenor ausbilden. Sperber nahm um diese Zeit den Künstlernamen Klaus Nomi an, welcher von der Science-Fiction-Zeitschrift Omni inspiriert war.[4] Er trat auf Kellerbühnen auf und entwickelte sich mit seinem außergewöhnlichen Auftreten und Talent zu einer Underground-Attraktion.
1978 wurde David Bowie auf ihn aufmerksam, weil ihm der außergewöhnliche Stil Nomis gefiel und ihn inspirierte. Bowie engagierte ihn 1979 gemeinsam mit Joey Arias als Backgroundsänger für einen Auftritt bei der NBC-Show Saturday Night Live, was für Nomi den ersten kleinen Durchbruch zur Popwelt bedeutete und ihm zu einem Plattenvertrag verhalf. Als „singender Konditor“ wurde er zu einigen Fernsehshows eingeladen. Dabei gelang ihm ein Coup, als er den Beginn eines Konzertes in New York geschickt etwa zwei Stunden nach der Ausstrahlung der Fernsehshow legte, was kurz darauf zu einem Menschenauflauf vor der Konzerthalle und einem ausverkauften Saal führte. Eine Zeit lang wohnte Nomi mit dem homosexuellen Filmemacher Rosa von Praunheim in der Lower East Side zusammen.[5]
Die Eigenkomposition Keys of Life, seine erste Single, erschien 1980. Zu Beginn der 1980er-Jahre hatte Nomi seinen ersten Auftritt im deutschen Fernsehen, in der Show Bio’s Bahnhof. Etwa 1982 wurde bei Nomi HIV – damals noch nahezu unbekannt – diagnostiziert. Ende des Jahres unternahm er eine kleine Tournee durch Europa und trat dabei mit seiner Interpretation der Arie Oh What Power Art Thou (Cold Song) aus der Oper King Arthur von Henry Purcell auch bei Eberhard Schoeners Klassik-Rock-Nacht in München und mit seinem Lied Total Eclipse in Thomas Gottschalks erster „Na sowas!“-Sendung auf. Die Aufzeichnung des Auftritts bei Schoener zeigt bereits einen stark angegriffenen und geschwächten Klaus Nomi. Die kleine Auftrittsserie wurde zu seiner Abschiedstour. Als Nomi Deutschland verließ, wusste er bereits, dass er nicht zurückkommen würde.
Klaus Nomi starb am 6. August 1983 im Memorial Sloan-Kettering Cancer Center an den Folgen seiner HIV-Infektion. Er gilt als eines der ersten prominenten AIDS-Opfer.[3] Seine Asche wurde über New York verstreut.[6]
Musikalischer Stil und Image
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nomis musikalischer Stil ist eine Mischung aus New Wave im Stil der Sparks und Oper. Sein Repertoire umfasste unterschiedliche Musikgattungen und -stile. Neben Eigenkompositionen (z. B. Keys of Life) und Stücken, die aus dem künstlerischen Dunstkreis des Dada stammen (u. a. Total Eclipse und Simple Man von Kristian Hoffman), die stark vom New Wave beeinflusst waren, interpretierte Nomi vor allem bekannte Pop-Songs (Chubby Checkers The Twist, Marlene Dietrichs Falling In Love Again / Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt) und Opernarien (beispielsweise Henry Purcells Death und Cold Song, Saint-Saëns Samson and Delilah). Seine einzige veröffentlichte rein deutschsprachige Single ist Der Nußbaum von Robert Schumann.
Seine Bühnenshow war retro-futuristisch an Science-Fiction-Visionen der 1920er-Jahre (v. a. Metropolis) ausgerichtet; weiß geschminktes Gesicht (Kabuki-Maske) mit schwarzen Lippen, ergänzt durch kubistische Kleidungsstücke und Frisuren waren sein Markenzeichen. Der Countertenor-Gesang war bis dato zwar bekannt, nicht jedoch im Pop-Zusammenhang. Seine stilistische Ausrichtung erinnert dabei in vielerlei Hinsicht an Peter Gabriel und David Bowie, die ähnlich wegweisend in dieser Musikepoche gewesen sind. Besonders typisch für Klaus Nomi waren seine roboterhaften Bewegungen auf der Bühne sowie ein übertrieben harter deutscher Akzent beim Vortrag der englischsprachigen Titel.[3]
Diskografie
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Alben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- CD und LP Klaus Nomi, 1981
- CD und LP Simple Man, 1982
- CD und LP Encore, 1983 (posthum)
- CD Collection, 1991 (posthum)
- CD Klaus Nomi, 1994 (posthum)
- CD Eclipsed, (posthum)
- CD ZABAKDAZ, (posthum 2008, auch The unfinished Opera genannt, enthält Demos und Fragmente einer Oper, die von George Elliott und Page Wood aufgearbeitet wurden)
- Live-LP In Concert, 1986 (posthum)
- Ses 20 Plus Belles Chansons, 1994 (posthum)
Tribute
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Für den im November 1983 veröffentlichten französischen Spielfilm Auf das, was wir lieben wurde Klaus Nomis Interpretation des Cold Song als Filmmusik verwendet.
Olga Neuwirth arrangierte 1998 unter dem Titel Hommage à Klaus Nomi vier Lieder für Countertenor und kleines Ensemble, diese wurden auf den Salzburger Festspielen uraufgeführt. Fünf weitere Songs von Neuwirth nach Nomi wurden 2008 beim Festival Märzmusik im Rahmen der Berliner Festspiele präsentiert. 2009 folgte eine Fassung für Kammerorchester mit insgesamt elf Liedern, die von Jochen Kowalski und dem Radio-Symphonieorchester Wien uraufgeführt wurde.[7]
Im Jahr 2001 veröffentlichte die deutsche Band Rosenstolz zusammen mit Marc Almond eine Coverversion von Nomis Stück Total Eclipse und erreichte damit Platz 22 in den deutschen Charts.[8]
Andreas Scholl widmete Klaus Nomi seine Version der durch Nomi als Cold Song bekannt gewordenen Arie What power art thou aus King Arthur von Henry Purcell.[9][10]
Die Staatsoper Unter den Linden in Berlin inszenierte in der Spielzeit 2023/2024 unter dem Titel „Don't You Nomi?“ eine Mischung aus Schauspiel, Oper und Performance zu Klaus Nomis Leben und Sterben. Verschiedene Lieder von Klaus Nomi wurden dabei vom deutschen Countertenor Nils Wanderer interpretiert.[11]
Film
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- The Nomi Song. 2004, Dokumentarfilm von Andrew Horn. Gewinner des Teddy Awards der Internationalen Filmfestspiele Berlin als bester Dokumentarfilm, 2004.[12][13]
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Monika Hempel: Klaus Nomi. Stimme im Orbit. Reiffer, Meine 2024, ISBN 978-3-910335-44-8.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Offizielle Website
- Klaus Nomi bei IMDb
- Klaus Nomi bei Discogs
- Galaktischer Pierrot, zeit.de, 6. August 2008
- Thomas Mau: 06.08.2013 - Der Todestag des Sängers Klaus Nomi. WDR ZeitZeichen vom 6. August 2013 (Podcast).
- The Nomi Song, Film von Andrew Horn über Klaus Nomi
- Es ist höchste Zeit, Klaus Nomi ein queeres Gedenken zu bereiten, queer.de, 11. Juni 2023
- Warum Berlin eine Klaus-Nomi-Gedenktafel an der Deutschen Oper braucht., queer.de vom 6. August 2023
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Klaus Schmidt: Klaus Nomi: Der wohl schrillste Sänger, den das Allgäu jemals hervorbrachte. allgäu.life . 23. Januar 2019. Abgerufen am 31. März 2020.
- ↑ Torsten Eßer: Vom Konditor zum Kultstar – Klaus Nomi. In: wdr.de. WDR, 25. Juli 2023, abgerufen am 6. August 2023.
- ↑ a b c Simon Broll: Stimm-Exzentriker Klaus Nomi: Der singende Weltraumroboter. In: Einestages, Spiegel Online vom 5. August 2013.
- ↑ WDR5 Podcast über Klaus Nomi. Abgerufen am 3. Oktober 2023.
- ↑ Heute gibt es Linzer Torte. Der Spiegel, abgerufen am 14. November 2022.
- ↑ Simon Broll: Countertenor Klaus Nomi: Exzentrischer Sänger erobert New York. In: Der Spiegel. 5. August 2013, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 6. August 2023]).
- ↑ olga neuwirth – works
- ↑ Rosenstolz & Marc Almond. Total Eclipse. In: Offizielle Deutsche Charts. Abgerufen am 23. Oktober 2019.
- ↑ Andreas Scholls Hommage an Klaus Nomi auf der 17. Operngala für die AIDS-Stiftung. Abgerufen am 6. August 2023.
- ↑ Klaus Nomi: Watch the Final, Brilliant Performance of a Dying Man | Open Culture. Abgerufen am 6. August 2023 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Don't you Nomi? | Staatsoper Berlin. Abgerufen am 13. Dezember 2023.
- ↑ Teddy Award Berlinale, The Nomi Song
- ↑ Website zum Film thenomisong.com , abgerufen am 23. Juli 2022.
Personendaten | |
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NAME | Nomi, Klaus |
ALTERNATIVNAMEN | Sperber, Klaus |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Sänger, Countertenor und Popsänger |
GEBURTSDATUM | 24. Januar 1944 |
GEBURTSORT | Immenstadt im Allgäu, Deutsches Reich |
STERBEDATUM | 6. August 1983 |
STERBEORT | New York City, Vereinigte Staaten |