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Kurt Eisner

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Kurt Eisner

Kurt Eisner (* 14. Mai 1867 in Berlin; † 21. Februar 1919 in München, ermordet) war ein sozialistischer deutscher Politiker (zunächst als Mitglied der SPD, dann ab 1917 der USPD). Während der wilhelminischen Ära des deutschen Kaiserreichs hatte er sich auch als monarchiekritischer Journalist und Schriftsteller einen Namen gemacht.

Historische Bedeutung erlangte er vor allem als Anführer der Novemberrevolution von 1918 in Bayern. Eisner war nach dem Ersten Weltkrieg der erste Ministerpräsident des von ihm ausgerufenen „Freistaates“, der bayerischen Republik. Wenige Wochen nach dem tödlichen Attentat des rechtsextremen Graf Arco-Valley auf Eisner mündete die Revolution in die kurzlebige Münchner Räterepublik.

Leben

Entwicklung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges

Eisner wurde als Sohn des jüdischen Textilfabrikanten Emanuel Eisner geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Berlin. Hier besuchte er das Askanische Gymnasium. Nach dem Abitur 1886 studierte er in Berlin Philosophie und Germanistik, gab das Studium aber nach Vorbereitungsarbeiten für eine Dissertation über Achim von Arnim 1889 auf.

In den 1890er Jahren arbeitete Eisner als Journalist für eine Reihe von Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem für die Frankfurter Zeitung und die Hessische Landeszeitung. Nicht nur in literarischen Kreisen erregten seine geschliffenen Nietzsche-Kritiken hohe Aufmerksamkeit. 1892 heiratete er Elisabeth Hendrich. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor.

Sozialdemokratischer Journalist für den Vorwärts

Aufgrund von zeitkritischen Betrachtungen in einer Berliner Zeitschrift wurde er – noch als Feuilletonredakteur – in einem Majestätsbeleidigungsprozess zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung warb die SPD um ihn, obwohl er dem in der Partei zu der Zeit vorherrschenden Marxismus, wenn nicht ablehnend, so doch reserviert gegenüberstand. Eisner leitete seine Ideale eher aus der Aufklärungsphilosophie Immanuel Kants ab und war besonders in seiner Marburger Zeit bei der Hessischen Landeszeitung vom Neukantianismus Hermann Cohens und Paul Natorps geprägt worden. Wie die „roten Kantianer“ Karl Vorländer und Franz Staudinger versuchte Eisner durch eine „Synthese von Kant und Marx“ die Philosophie der Marburger Schule mit der politischen Praxis der Sozialdemokratie zu verbinden:

„Denn sachlich gehört Marx zu Kant, in die Reihe der großen Aufklärer des 18. Jahrhunderts, wie tief und entscheidend er immer […] von Hegel beeinflußt ist.“

Kurt Eisner: Kant. In: Kurt Eisner: Gesammelte Schriften. Bd. 2, S. 165–186, hier S. 165.

Daher war die SPD die Partei, deren politischen Zielen Eisner am nächsten stand, wenn auch seine Konzeption eines ethischen Sozialismus in der um die Jahrhundertwende laufenden Revisionismusdebatte zwischen Eduard Bernstein und seinen orthodox-marxistischen Kritikern um Karl Kautsky zu Konflikten führen musste. Eisner wurde von Wilhelm Liebknecht, dem Chefredakteur des SPD-Zentralorgans Vorwärts im Spätsommer 1898 als Redakteur der Zeitung und Nachfolger Adolf Brauns angeworben und trat im Dezember desselben Jahres in die Partei ein. Eisners Anstellung in der Redaktion des Vorwärts war durch Liebknechts Bestreben bestimmt, das Niveau des Parteiblattes zu verbessern:

„Eisner von Marburg kommt auf meinen Wunsch nach Berlin an den ‚Vorwärts‘. Das ist eine scharfe Klinge, die wir da gewonnen haben, und die hoffentlich auch manchen Kopf abschlägt. Möglich, daß es uns endlich gelingt, das Blatt journalistisch zu heben.“

Wilhelm Liebknecht: Brief an Max Quarck, Berlin, 23. November 1898.

Da Liebknecht, der nominelle Chefredakteur, wegen seines Reichstagsmandats sein Amt nicht voll ausfüllte, wuchs Eisner wegen seiner journalistischen Erfahrung in der bürgerlichen Presse, auch in verantwortlicher Position, in der Vorwärts-Redaktion rasch eine Führungsrolle zu, die auch seine Kritiker anerkannten:

„Wir haben Opportunisten am ‚Vorwärts‘ genug und das geistige Haupt der Redaktion, Eisner, hat leider nicht einmal die nöthigen parteihistorischen und theoretischen Kenntnisse, sonst wäre er ein Nr. 1 Mann.“

August Bebel: Brief an Victor Adler, Berlin, 23. Oktober 1899.

Kurz nach dem Tod Wilhelm Liebknechts im August 1900 schrieb Eisner die erste ausführliche Biographie über dessen Leben und Wirken. Seine Führungsrolle in der Vorwärts-Redaktion blieb auch nach dem Tod des Chefredakteurs informell, da die Leitung der Parteizeitung formal auf das gleichberechtigte Redakteurskollektiv übertragen wurde. Von den elf Redakteuren gruppierten sich vier um Eisner und seinen Kollegen Georg Gradnauer, so dass Eisners Einfluss auf den Kurs der Zeitung durch diese Mehrheit in der Regel gesichert war, zumal er sich – anders als die meisten anderen Redakteure ohne politisches Mandat, Funktionärsposten oder Wahlkampfaufgaben – voll auf die journalistische Arbeit konzentrieren konnte. Aus den Konflikten innerhalb der Redaktion und mit der Parteiführung erwuchs, nach mehreren Kontroversen, sowohl mit Eduard Bernstein, als auch mit den orthodoxen Marxisten in der SPD, der Vorwärts-Konflikt des Jahres 1905. Als zur Lösung der Redaktionsproblematik geplant wurde, mehrere Redakteure zu entlassen, die Eisners Mehrheitsrichtung angehörten, um sie durch orthodoxe Marxisten zu ersetzen, entschloss sich die Redaktionsmehrheit, selbst zu kündigen.

Unabhängig, aber unsicher: Von Berlin nach München

Die Vorwärts-Redaktion rückte in der Folge nach links, Eisner blieb für anderthalb Jahre Schriftsteller und Journalist ohne feste Anstellung, aber in den Diensten der Partei. In dieser Zeit entstanden die Schriften Der Sultan des Weltkrieges und Das Ende des Reiches; Eisners begonnene Arbeit mit dem Titel Der Adel. Zur Geschichte einer herrschenden Klasse wurde jedoch nie fertiggestellt, ebenso die geplante Deutsche Literaturgeschichte für das Volk. Im Oktober 1906 nahm Eisner das Angebot an, ab März 1907 Chefredakteur der Fränkischen Tagespost in Nürnberg zu werden, erneut als Nachfolger Adolf Brauns. Als Eisner Berlin verließ, war seine Ehe bereits zerrüttet; seine Ehefrau Elisabeth blieb mit den Kindern zurück. Später, zu Beginn der Novemberrevolution, äußerte sich Eisner zu seinen Beweggründen des Umzugs nach Bayern, dass die Leute dort viel freiheitlicher gesinnt seien, weil ihnen die preußische „Überdisziplin“ fremd sei.

Von 1907 bis 1910 war Eisner Chefredakteur der sozialdemokratischen Fränkischen Tagespost. Die Entfremdung zu seiner Familie setzte sich fort, als sein Verhältnis zu seiner Mitarbeiterin Else Belli bekannt wurde, der Tochter des „roten Feldpostmeisters“ Joseph Belli. Die Beziehung wurde unter dem Wortspiel casus belli vor allem parteiintern skandalisiert und führte dazu, dass Eisners Ernennung zum Dessauer SPD-Kandidaten für die Reichstagswahl 1912 letztlich scheiterte. Auch seine Stellung am Nürnberger Parteiblatt wurde durch Klatsch und Tratsch problematisch, so dass Eisner 1910 anlässlich einer negativen Jahresbilanz der Tagespost zurücktrat und erneut – diesmal nach München – umzog.

In München zog Eisner mit Else Belli zusammen, die er 1917 – nach der endgültigen Scheidung von seiner ersten Frau – heiratete, und mit der er zwei Töchter hatte. Ab 1910 arbeitete Eisner als freier Mitarbeiter der Zeitung Münchner Post und publizierte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften als Schriftsteller, Journalist und Theaterkritiker: Nun strebe er nach Unabhängigkeit, die er in den SPD-Zeitungen ebensowenig gefunden hatte wie zuvor in der bürgerlichen Presse. Dazu gründete er seine eigene Agentur, eine Pressekorrespondenz unter dem Titel Arbeiter-Feuilleton, die sozialdemokratische Parteiorgane, vor allem die zahlreichen kleineren Blätter, mit Feuilletonartikeln versorgte, die auf diesem Wege weite Verbreitung fanden. Durch seine feuilletonistische Arbeit verstärkte sich sein Kontakt zum damals breit gefächerten Münchner Künstler- und Intellektuellenmilieu. Er blieb bis 1917 weiterhin politischer Mitarbeiter der SPD, betrieb Wahlkampf, äußerte sich in Bildungsfragen und auf außenpolitischem Gebiet, wenn auch aufgrund der beruflichen Selbständigkeit, in verringertem Maße.

Während des Weltkrieges

Am 27. Juli 1914 hielt Eisner die Rede bei der zentralen Friedenskundgebung der Münchner Sozialdemokratie. Darin sah er im zaristischen Russland die größte Gefahr für den Frieden und forderte Frankreich, England und Deutschland auf, gemeinsam „die Kriegsfurie“ zu „erwürgen“. Wenn der Krieg aber einmal ausgebrochen sei, so der von einer russischen Aggression überzeugte Eisner, müsse man das Vaterland verteidigen. Darin der von der Reichsregierung gesteuerten manipulativen Informationspolitik erlegen, begrüßte er bei Kriegsbeginn die Zustimmung der Reichstagsfraktion seiner Partei zu den ersten Kriegskrediten, um den „Vernichtungskrieg gegen den Zarismus“ zu führen.

Nachdem Eisner allerdings den Verlauf und die Hintergründe des Kriegsausbruchs kritisch zu hinterfragen begann, wandelte er sich ab 1915 zum radikalen Pazifisten, „in letzter Konsequenz sogar zum unbarmherzigen Systemkritiker, ja zum Revolutionär“ (Grau). Eisner wurde ein erklärter Gegner der deutschen Kriegspolitik während des weiteren Verlaufs des Krieges. Während er 1914 noch der nationalen Propaganda einer angeblichen Kriegsschuld Russlands glaubte – eine Propaganda, die der traditionell Zarismus-feindlichen Sozialdemokratie entgegen kam – , war er ab Frühjahr 1915 überzeugt davon, dass es Deutschland gewesen sei, das den Weltkrieg vom Zaun gebrochen hatte. Damit stellte er sich gegen die Haltung der Mehrheit der SPD-Fraktion im Reichstag und im bayrischen Landtag. Gemeinsam mit anderen Kriegsgegnern – von Clara Zetkin über Albert Einstein bis zu Ludwig Quidde – wurde er Mitglied im Bund Neues Vaterland, in dem sich Pazifisten mit unterschiedlichen politischen Weltanschauungen sammelten. 1917 spaltete sich von der SPD im Zuge des zunehmenden Widerstands gegen die Burgfriedenspolitik – auch von sozialdemokratischen Mandatsträgern – der Antikriegs-Flügel als Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) ab. Eisner gehörte zu deren führenden Begründern in Bayern, reiste auch zur Gründungsversammlung zu Ostern 1917 nach Gotha. Seit 1917 war er die Leitfigur der von ihm aufgebauten Münchner USPD.

Der Keim der Münchner USPD und die eigentliche Basis von Eisners politischer Tätigkeit – zu einem bedeutenden Teil Aufklärungsarbeit über die Kriegsursachen – waren allerdings die Diskussionsabende im Gasthaus „Zum goldenen Anker“, die vom 7. Dezember 1916 an wöchentlich von Eisner geleitet wurden und vor dem Januarstreik 1918 bis zu 150 Teilnehmer anzogen. Vor allem Jugendliche der SPD-Jugend, vielfach Kriegsheimkehrer, die wegen schwerer Verletzungen kriegsuntauglich geworden waren, bildeten zunächst den Kern der Gruppe, auf die Eisner „den Eindruck eines pensionierten Schulrats oder Professors machte, der von einem Tisch am Kopfende des Versammlungslokals aus die einführende Rede hielt, auf deren Grundlage dann in die Diskussion eingetreten wurde.“ (Grau) Zu den später hervorgetretenen Teilnehmern gehörten Felix Fechenbach, Oskar Maria Graf, Erich Mühsam, Johann Unterleitner, Ernst Toller, Joachim Kain, Sarah Sonja Lerch und Josef Sontheimer, politisch eine heterogene Gruppe zwischen gemäßigter Sozialdemokratie, Kommunismus und Anarchismus, daneben „merkwürdige Menschen mit anthroposophischen Ideen und pazifistische Dichter“. (Graf)

Nachdem Eisner im Januar 1918 den Streik der Münchner Munitionsarbeiter als Teil der reichsweiten Januarstreikwelle, bei der Demokratisierung und ein Verständigungsfriede gefordert wurde, organisiert hatte, wurde er am 31. Januar 1918 in München verhaftet und zu Gefängnis verurteilt, aus dem er am 14. Oktober des Jahres – als das Kriegsende mit dem sich abzeichnenden Zusammenbruch der Westfront kurz bevorstand – entlassen wurde, weil die USPD ihn als Kandidaten für eine Nachwahl zum Reichstag aufstellen wollte.

Novemberrevolution in München

Briefmarke der Bayrischen Republik - mit dem nachträglichen Aufdruck „Volksstaat Bayern“ - nach der Absetzung des abgebildeten Königs Ludwig III.

Im Verlauf der vom Kieler Matrosenaufstand ausgehenden reichsweiten Novemberrevolution zum Ende des Ersten Weltkrieges war Eisner der führende Kopf der revolutionären Umwälzungen in Bayern, die München noch vor der Reichshauptstadt Berlin erreichten. Eisner führte zusammen mit dem Vertreter des revolutionären Flügels des Bayerischen Bauernbundes, Ludwig Gandorfer, im Anschluss an eine Massenkundgebung auf der Theresienwiese am 7. November 1918 einen stetig größer werdenden Demonstrationszug zuerst zu den Garnisonen Münchens und dann ins Stadtzentrum an, ohne auf nennenswerten Widerstand zu treffen. In der Nacht zum 8. November 1918 rief er in der ersten Sitzung der Arbeiter- und Soldatenräte im Mathäserbräu die Republik Bayern als Freistaat aus (sinngemäß „frei von Monarchie“) und erklärte das herrschende Königshaus der Wittelsbacher für abgesetzt. Eisner wurde vom Münchner Arbeiter- und Soldatenrat zum ersten Ministerpräsidenten der neuen bayerischen Republik gewählt und bildete kurz darauf ein Regierungskabinett aus Mitgliedern der SPD und der USPD, in dem er neben seinem Amt des Regierungschefs auch den Posten des Außenministers einnahm. Der entthronte König Ludwig III. floh zuerst an den Chiemsee und dann nach Österreich.

Am 14. November 1918 lud Eisner den von ihm wegen seiner schriftstellerischen und rhetorischen Begabung geschätzten anarchistischen Theoretiker Gustav Landauer nach München ein und bat ihn, „durch rednerische Betätigung an der Umbildung der Seelen mit[zu]arbeiten“. Landauer folgte diesem Ruf. Er wurde nach dem Tod Eisners ab dem 7. April 1919 als Beauftragter für Volksaufklärung einer der tragenden Köpfe der „ersten“ Münchner Räterepublik.

In Eisners rund 100-tägiger Amtszeit als Ministerpräsident Bayerns blieben weitere umstürzende Veränderungen aus, da die Regierung, besonders von den SPD-Ministern, nur als ein Provisorium bis zur angesetzten Landtagswahl betrachtet wurde und zudem verschiedene Vorstellungen über die genauen Strukturen des kommenden Staates zu Konflikten führten. Ein wesentlicher Streitpunkt dabei war die Auseinandersetzung um die Frage der Einführung einer parlamentarischen oder einer Rätedemokratie. Eisner selbst vertrat eine Zwischenposition. Er betrachtete die Räte als eine beratende und kontrollierende Instanz gegenüber einem noch zu wählenden Parlament, wollte ihnen jedoch auf Dauer keine legislative oder exekutive Gewalt übertragen. Die Macht der Räte zum Beginn der Revolution verteidigte er als ein Mittel der Erziehung der Bevölkerung zur Demokratie.

„Die Revolution ist nicht die Demokratie. Sie schafft erst die Demokratie.“

Kurt Eisner

Die Banken sowie die großen Industrie- und Witschaftsunternehmen blieben unter der Regierung Eisners unangetastet. Deren geplante Sozialisierung wurde aufgeschoben. Die monarchistischen Beamten in Justiz und Bürokratie behielten im Wesentlichen ihre Stellungen und verhielten sich abwartend. Lediglich einige soziale und gesellschaftliche Veränderungen zugunsten der bis dahin eher benachteiligten Bevölkerungsschichten, vor allem der Arbeiter, wurden umgesetzt, etwa durch die Einführung des Achtstundentags und des Frauenwahlrechts sowie durch die Abschaffung der kirchlichen Schulaufsicht. Gleichwohl verprellte Eisner damit die einflussreiche katholische Kirche und das konservative Bürgertum, die ihre Vertretung in der Bayerischen Volkspartei sahen. Kardinal Faulhaber prangerte Eisners Regierung als die „von Jehovas Zorn“ an.

Außenpolitisch vertrat Eisner zeitweise separatistische Bestrebungen. Er konnte seine Vorstellungen einer Donauföderation zwischen Österreich, Bayern und der neu ausgerufenen tschechoslowakischen Republik ebensowenig durchsetzen wie die Forderung, dass die Weimarer Verfassung erst nach Zustimmung der Länder gültig werden sollte. Beides scheiterte am Widerstand der Reichsregierung.

Um die von den den alliierten Siegern der Ententemächte postulierte Kriegsschuld des Deutschen Reiches (und damit seiner preußischen Führung in der Person des Kaisers) zu beweisen und dadurch bessere Friedensbedingungen für Bayern zu erreichen, veröffentlichte Eisner die geheimen Gesandtschaftsberichte der bayerischen Regierung. Damit machte er sich die führenden Militärs, die ihm sowieso argwöhnisch bis ablehnend gegenüber gestanden hatten, endgültig zum Feind. Auch von vielen reichspatriotisch und nationalistisch gesinnten Bürgern wurde er deswegen als Verräter angesehen, da er in ihren Augen auf diese Weise versucht habe, einen Teil Deutschlands gegen einen anderen auszuspielen. Am 25. November 1918 geriet er deswegen mit der SPD-geführten Reichsregierung unter Friedrich Ebert in Berlin in einen offenen Konflikt.

Auch von der revolutionären Linken um den anarchistischen Schriftsteller Erich Mühsam und die erst Anfang Januar 1919 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) unter dem Münchner Vorsitz von Max Levien wurde Druck auf die instabile Regierung aus SPD und USPD ausgeübt. Bei dem Versuch von etwa 4000 Arbeitslosen, am 7. Januar 1919 das Sozialministerium in München zu besetzen, blieben nach dem gewaltsamen Eingreifen der Polizei drei Tote und acht Verwundete zurück. Eisner ließ darauf führende KPD-Mitglieder und Anhänger des Revolutionären Arbeiterrates (RAR) als vermeintliche Hintermänner der Unruhen kurzfristig verhaften, unter ihnen auch Mühsam und Levien, die wenig später auf Druck einer Demonstration wieder frei gelassen wurden. Nach diesen Ereignissen riefen die KPD, Anarchisten und der RAR zum Boykott der anstehenden Landtagswahl auf. Kurt Eisner genoss zwar immer noch Ansehen als Anführer der Revolution, jedoch trat er in den Augen der radikalen Linken zu unentschieden gegen die Übermacht der Mehrheits-SPD in der Regierung um seinen Innenminister und politischen Rivalen Erhard Auer auf. In seinen Entscheidungen erschien Eisner ihnen zu schwankend und nicht durchsetzungsfähig genug, um die revolutionären Forderungen wirklich umsetzen zu können. Viele zweifelten auch zunehmend seinen Willen dazu an.

Vor den bayerischen Landtagswahlen am 12. Januar 1919 schätzte Eisner trotz der zunehmenden Kritik an seinen Maßnahmen die politischen Verhältnisse noch so ein, dass er meinte, die große Mehrheit der bayerischen Bevölkerung stünde hinter ihm und der USPD, wobei er sich allerdings insbesondere in der großen Wählerschicht der Landbevölkerung entscheidend irren sollte. Nachdem die USPD bei den Wahlen mit nur 2,5 Prozent der Stimmen eine erdrutschartige Niederlage hatte hinnehmen müssen, sah sich Eisner Rücktrittsforderungen ausgesetzt, denen er sich aber bis zum ersten Zusammentreten des neuen Landtages widersetzte.

Die SPD unter dem Vorsitz Erhard Auers kam auf 33 Prozent und die konservative Bayerische Volkspartei (BVP), die zusammen mit rechtsnationalistischen Kreisen eine auf die Person Eisners ausgerichtete antisemitische Diffamierungskampagne gegen die „jüdisch-bolschewistische“ Revolution in der Hauptstadt ausgelöst hatte, auf 35 Prozent.

Ermordung Eisners

Am 21. Februar 1919 verließ Eisner die Räume des Bayerischen Ministeriums des Äußeren, in denen er letzte Hand an seine Rücktrittsrede gelegt hatte, die er um 10 Uhr im neu konstituierten Bayerischen Landtag verlesen wollte. Er wurde begleitet von seinem Sekretär Felix Fechenbach und Benno Merkle, seinem Mitarbeiter im Bayerischen Außenministerium, sowie von zwei Leibwächtern. Fechenbach hatte aufgrund der feindseligen Stimmung gegen Eisner und verschiedener in den vergangenen Tagen bekanntgewordener Morddrohungen Eisner dringend geraten, den Weg durch den rückwärtigen Eingang des Hotels Bayerischer Hof zu wählen, was dieser mit der Bemerkung ausschlug: „Man kann einem Mordanschlag auf die Dauer nicht ausweichen, und man kann mich ja nur einmal totschießen.“ Auf dem Weg durch die Promenadestraße (heute Kardinal-Faulhaber-Straße) wurde Eisner von dem völkisch-nationalistischen Studenten (man kann ihn dem Umfeld der Thule-Gesellschaft zuordnen) und zu dieser Zeit beurlaubten Leutnant im Königlich Bayerischen Infanterie-Leib-Regiment Anton Graf von Arco auf Valley aus unmittelbarer Nähe mit zwei Schüssen in Rücken und Kopf erschossen. Eisner war sofort tot. Graf Arco nannte später unter anderem einen „Geheimnisverrat Eisners an die Alliierten“ als Motiv für sein Attentat. Unmittelbar nach dem Mord wurde der Attentäter durch mehrere Schüsse von den beiden Leibwächtern Eisners lebensgefährlich verletzt und festgenommen. Er überlebte durch eine Notoperation des berühmten Chirurgen Ferdinand Sauerbruch.

Der Metzgergeselle Alois Lindner, ein Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats (RAR), erschoss zwei Stunden nach dem Attentat auf Eisner aus Rache von der Zuschauertribüne des Landtags aus zwei konservative Abgeordnete (Major v. Jareiss und Heinrich Osel, beide BVP), da er die Hintermänner des Attentats in deren Kreisen vermutete. Auch der SPD-Vorsitzende Erhard Auer wurde niedergeschossen. Die konstituierende Landtagssitzung wurde nach diesen tumultartigen und unter den Anwesenden Panik auslösenden Ereignissen vertagt. Auer überlebte seine Verletzungen ebenfalls nach einer Notoperation durch Dr. Sauerbruch.

Münchener Kurt-Eisner-Denkmal von 1989 mit dem Umriss des ermordeten Eisner am Tatort des Attentats

Aus der Befürchtung heraus, rechtsextreme Kreise könnten einen Putschversuch wagen, wurde von der USPD in München der Generalstreik ausgerufen, bürgerliche Zeitungen wurden verboten und ihre Redaktionen besetzt. Die provisorische Regierungsgewalt übernahm vorübergehend der vom Rätekongress eingesetzte Zentralrat der bayerischen Republik unter dem Vorsitz von Ernst Niekisch (SPD, später USPD), der die politische Handlungsfähigkeit des zunächst führungslos gewordenen Freistaats erhalten sollte.

Am Tatort des Eisner-Attentats in der umbenannten Kardinal-Faulhaber-Straße erinnert seit 1989 eine in den Gehsteig eingelassene Reliefplatte an den Mord.

Der Leichnam Kurt Eisners wurde am 26. Februar 1919 in einem beispiellosen Trauerzug, an dem rund 100.000 Menschen beteiligt gewesen sein sollen, von der Theresienwiese zum Münchner Ostfriedhof überführt. Dort wurde in einem kleineren Kreis die Leiche eingeäschert und die Asche beigesetzt; Trauerreden hielten Hans Unterleitner und Hugo Haase (USPD), Max Levien (KPD) und Gustav Landauer. Seine Urne wurde 1933 durch Anordnung der Nationalsozialisten auf den Neuen Israelitischen Friedhof (am Münchener Nordfriedhof) in ein Gemeinschaftsgrab mit Gustav Landauer umgebettet (dieser war nach der Niederschlagung der Räterepublik am 2. Mai 1919, also etwa zehn Wochen nach Eisner, von Freikorpssoldaten ermordet worden).

Weitere Entwicklung nach Eisners Tod: Münchner Räterepublik, Arco-Valley-Prozess

Nach der Ermordung Eisners verschärften sich die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern einer pluralistischen Demokratie und denen einer sozialistischen Räterepublik in Bayern. Der Rätekongress und der Landtag sprachen sich gegenseitig eine Legitimation zur Regierungsbildung ab. Gegen die Wahl von Martin Segitz (SPD) zum Ministerpräsidenten durch den Rätekongress am 1. März 1919 wählte der Landtag am 17. März Johannes Hoffmann (SPD) zum Regierungschef des Freistaats. Dessen SPD-dominierte, von der BVP-Fraktion tolerierte Minderheitsregierung in der Koalition mit Bayerischem Bauernbund und vorerst noch der USPD, geriet jedoch in die Defensive und musste nach Bamberg ausweichen.

Die erste Regierung der Münchner Räterepublik, in der Mitte sitzend: Erich Mühsam

In der Landeshauptstadt wurde am 7. April 1919 die Münchner Räterepublik ausgerufen, worauf die USPD-Mitglieder aus der Landesregierung austraten. Die Regierung der Räterepublik war zunächst dominiert von anarchistischen und pazifistischen Intellektuellen, unter ihnen Gustav Landauer, Erich Mühsam und dem Nachfolger Eisners im Vorsitz der USPD, Ernst Toller, – danach von Mitgliedern der KPD wie Eugen Leviné, Max Levien oder Rudolf Egelhofer. Auch andere bayerische Städte schlossen sich der Räterepublik an. Nach wenigen Wochen wurde sie von rechtsnationalistischen Freikorps- und Reichswehrverbänden im Dienst der SPD-geführten „Bamberger Landesregierung“ und der ebenfalls SPD-geführten Reichsregierung Anfang Mai 1919 blutig niedergeschlagen. Im Rahmen von Kämpfen nahmen Rotgardisten 10 Geiseln aus der rechtsextremen Thule-Gesellschaft und deren Umfeld gefangen und ermordeten diese später im Luitpold-Gymnasium. Mehr als 2200 – auch vermeintliche – Anhänger der Räterepublik fielen der Rache der Freikorps zum Opfer. Die meisten Anführer der Revolutionäre wurden ermordet, von Standgerichten zum Tode oder bei anderen Gerichtsverfahren zu langen Haftstrafen verurteilt.

Nach dem Ende dieser relativ kurzen sozialistischen Periode in der bayerischen Geschichte, die mit Eisners Ministerpräsidentschaft begonnen hatte, entwickelte sich Bayern zu einer konservativ-reaktionären „Ordnungszelle“ innerhalb des deutschen Reichs während der Weimarer Republik. In München begann in den 1920er Jahren, begünstigt durch eine nach der Revolution verbreitete antikommunistische und antisemitische Stimmungslage in der Öffentlichkeit, auch der politische Aufstieg Adolf Hitlers und seiner NSDAP.

Graf Arco-Valley, der Attentäter, wurde des Mordes angeklagt. Da er direkt nach dem Attentat selbst angeschossen und schwer verletzt worden war, begann sein Prozess vor dem Volksgericht, einem Sondergericht mit standrechtsähnlicher Verhandlungsführung, erst acht Monate nach der Niederschlagung der dem Tod Eisners folgenden Räterepublik in Bayern – und fast ein Jahr nach dem Attentat. Der Richter Georg Neithardt führte die Verhandlung oberflächlich. Hinweisen auf Verbindungen zu führenden Militärs und zum völkisch-rechtsextremen Geheimbund der Thule-Gesellschaft, einer Keimzelle der späteren NSDAP, wurde nicht weiter nachgegangen. Arco wurde letztlich als Einzeltäter verurteilt. In der Urteilsbegründung hieß es, dass die Tat „nicht niederer Gesinnung“ entsprungen sei, sondern „glühender Liebe zum Vaterland“. Trotz dieser im Grunde mit den Motiven des Mörders sympathisierenden Richteraussage wurde gegen Arco vom Gericht am 16. Januar 1920 das Todesurteil ausgesprochen. Die Bayerische Landesregierung begnadigte ihn allerdings bereits am darauffolgenden Tag aufgrund des Richtervotums bezüglich Arcos Motiven zu lebenslanger Festungshaft in der Festung Landsberg am Lech, von wo er im Zuge einer Amnestierungswelle im April 1924 entlassen und im Oktober 1927 endgültig begnadigt wurde.

Werke (Auswahl)

  • Psychopathia spiritualis. Friedrich Nietzsche und die Apostel der Zukunft. Leipzig 1892.
  • Wilhelm Liebknecht. Sein Leben und Wirken. Buchhandlung „Vorwärts“, Berlin 1900 [2. Aufl. 1906].
  • Taggeist. Culturglossen. Berlin 1901.
  • Der Zukunftsstaat der Junker. Manteuffeleien gegn die Sozialdemokratie im preußischen Herrenhaus am 11. und 13. Mai 1904. Buchhandlung „Vorwärts“, Berlin 1904.
  • Der Geheimbund des Zaren. Der Königsberger Prozeß wegen Geheimbündelei, Hochverrat gegen Rußland und Zarenbeleidigung vom 12. bis 25. Juli 1904. Buchhandlung „Vorwärts“, Berlin 1904.
  • Der Sultan des Weltkrieges. Ein marokkanisches Sittenbild deutscher Diplomaten-Politik. Kaden, Dresden 1906.
  • Das Ende des Reiches. Deutschland und Preußen im Zeitalter der großen Revolution. Berlin 1907.
  • Gesammelte Schriften. 2 Bände, Berlin 1919.
  • Die Götterprüfung. Eine weltpolitische Posse in fünf Akten und einer Zwischenaktspantomime. Paul Cassirer, Berlin 1920 (Online).
  • Die halbe Macht den Räten. Ausgewählte Aufsätze und Reden. Hrsg. von Renate und Gerhard Schmolze, Köln 1969.
  • Sozialismus als Aktion. Ausgewählte Aufsätze und Reden. Hrsg. von Freya Eisner, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1975.
  • Zwischen Kapitalismus und Kommunismus. Hrsg. von Freya Eisner, Frankfurt am Main 1996.

Literatur

  • Bernhard Grau: Kurt Eisner: 1867–1919. Eine Biografie. München 2001, ISBN 3406471587 (Weblinks: Inhalt, PDF, 92 KB; Rezension. In: Die Zeit 13/2001, S. 25f.).
  • Hans Beyer: Die Revolution in Bayern 1918/19. 2. Auflage, Berlin (Ost) 1988, ISBN 3326003285.
  • Freya Eisner: Kurt Eisner: die Politik des libertären Sozialismus. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1979, ISBN 3518104225.
  • Allan Mitchell: Revolution in Bayern 1918/1919. Die Eisner-Regierung und die Räterepublik. Beck, München 1967 (zuerst Princeton 1965).
  • Oskar Maria Graf: Wir sind Gefangene. Neuauflage, München 2002, ISBN 3423016124 (mit verschiedenen Untertiteln seit 1927 mehrfach neu erschienen).

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