Landgericht Hanau (1822–1850)

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Das Landgericht Hanau war ein kurhessisches Landgericht, ein Gericht erster Instanz, mit Sitz in Hanau, das von 1822 bis 1850 bestand.

Voraussetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis zum Tod des Kurfürsten Wilhelm I. 1821 war im Kurfürstentum Hessen ein gewaltiger Reformstau aufgelaufen, da dieser nach seiner Rückkehr aus dem Exil auf den Thron 1813 viele Reformen rückgängig gemacht und persönlich im 18. Jahrhundert verhaftet geblieben war. Der neue Kurfürst, Wilhelm II., war nicht weniger autokratisch als sein Vater, aber gewillt, den Staat zu modernisieren. Die Staatsverwaltung wurde nach preußischem Muster 1822 reformiert, wobei nun auch Rechtsprechung und Verwaltung getrennt wurden.

Die bisherigen Ämter wurden zu größeren Kreisen zusammengelegt, und die erstinstanzliche Rechtsprechung in der Fläche des Landes in Justizämter, die in der Regel jeweils für den Bereich eines ehemaligen Amtsbezirks zuständig waren, im Umfeld der größeren Städte dagegen in Landgerichte, die Zuständigkeitsbereiche mehrerer der bisherigen Ämter vereinigten, ausgegliedert.[1]

Gründung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge dieser Neuorganisation wurde auch ein Landgericht Hanau geschaffen, dem die Rechtsprechung in der Stadt Hanau und den beiden bisherigen Ämtern Büchertal und Windecken übertragen wurde.[2]

Weitere Entwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Eingliederung der zweitgrößten Gemeinde, der Stadt Windecken, in diesen Gerichtsbezirk wurde jedoch bereits nach einem Jahr revidiert und ein eigenständiges Justizamt Windecken im Umfang des vormaligen Amtes Windecken eingerichtet.[3] Die entsprechenden Gemeinden wurden dazu aus dem Bezirk des Landgerichts Hanau wieder ausgegliedert (siehe: Übersicht).

Ende[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge der Neuorganisation von Verwaltung und Rechtsprechung im Kurfürstentum Hessen nach der Revolution von 1848 wurde auch die Gerichtsverfassung aufgrund § 14 Gesetz vom 31ten Oktober 1848 über die Einrichtung der Gerichte und der Staatsbehörde bei den Gerichten[4] neu strukturiert: Die Landgerichte wurden aufgelöst und in mehrere Justizämter zerlegt[5], deren Bezirke kleiner waren, als die der Vorgängergerichte. So entstanden aus dem Landgericht Hanau zum 1. Juli 1850 das Justizamt Hanau I und das Justizamt Hanau II.[6]

Gerichtsbezirk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gerichtsbezirk des Landgerichts Hanau lag im Bezirk des Obergerichts für die Provinz Hanau und umfasste die Gemeinden[7]:

Gemeinde Herkunft[8] Zugang Abgang Nach
Bruchköbel Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Dörnigheim Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Eichen Amt Windecken 1822 1823 Justizamt Windecken
Erbstadt Amt Windecken 1822 1823 Justizamt Windecken
Großauheim Amt Büchertal 1823 1850 Justizamt Hanau I
Großkrotzenburg Amt Büchertal 1823 1850 Justizamt Hanau I
Hanau Stadt Hanau 1823 1850 Justizamt Hanau I
Hochstadt Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Kesselstadt Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Kilianstädten Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Marköbel Amt Windecken 1822 1823 Justizamt Windecken
Mittelbuchen Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Niederdorfelden Amt Windecken 1822 1823 Justizamt Windecken
Niederissigheim Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Niederrodenbach Amt Büchertal 1823 1850 Justizamt Hanau I
Oberdorfelden Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Oberissigheim Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Oberrodenbach Amt Büchertal 1823 1850 Justizamt Hanau I
Ostheim Amt Windecken 1822 1823 Justizamt Windecken
Roßdorf Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Rüdigheim Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Rumpenheim Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Wachenbuchen Amt Büchertal 1822 1850 Justizamt Hanau II
Windecken Amt Windecken 1822 1823 Justizamt Windecken

Gebäude[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Hanauer Gerichte hatten seit 1835 ihren Sitz im Altstädter Rathaus und erhielten 1842 ein Gerichtsgebäude im Bangert. Dies war ein freistehender, dreigeschossiger Bau mit einem großen Sitzungssaal, der in seiner Höhe zwei Stockwerke einnahm. Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg bei den Luftangriffen auf Hanau zerstört.

Wissenswert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das heutige, gleichnamige Landgericht Hanau entstand als zweitinstanzliches Gericht erst 1879[9] und hat – außer dem Sitz – mit dem kurhessischen Landgericht Hanau nichts zu tun.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Heribert Reus: Gerichte und Gerichtsbezirke seit etwa 1816/1822 im Gebiete des heutigen Landes Hessen bis zum 1. Juli 1968. Hg.: Hessisches Ministerium der Justiz, Wiesbaden [1984].

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. § 51 Verordnung vom 29ten Juni 1821 die Umbildung der bisherigen Staatsverwaltung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 12 vom Juni 1821, S. 29–61 (40).
  2. Verordnung zum 30ten August 1821 die neue Gebietseintheilung betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 15 vom August 1821, S. 69–76 (76).
  3. Bekanntmachung des Justizministeriums vom 6ten Februar 1823, wegen der Bildung eines Justizamtes Windecken. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 1 vom Januar 1823, S. 6.
  4. Gesetz vom 31ten Oktober 1848 über die Einrichtung der Gerichte und der Staatsbehörde bei den Gerichten. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 31, Oktober 1848, S. 163–176.
  5. Verordnung vom 21ten März 1850 die Auflösung der Landgerichte in Justizämter betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 3, März 1850, S. 15–18.
  6. Verordnung vom 21ten März 1850 die Auflösung der Landgerichte in Justizämter betreffend. In: Sammlung von Gesetzen etc. für Kurhessen Nr. 3, März 1850, S. 15–18 (18).
  7. Reus [ohne Seitenangabe], Abschnitt Landgericht Hanau.
  8. Reus [ohne Seitenangabe], Abschnitte: Landgericht Hanau, Justizamt Hanau I, Justizamt Hanau II und Justizamt Windecken.
  9. § 1 Verordnung, betreffend die Errichtung der Amtsgerichte vom 26. Juli 1878. In: Gesetz-Sammlung für die Königlich Preußischen Staaten Nr. 25, S. 275–283 (281).