Logistische Funktion für den Fall

Die logistische Funktion charakterisiert eine stetige eindimensionale Wahrscheinlichkeitsverteilung (die logistische Verteilung) und ist eine funktionelle Darstellung von Sättigungsprozessen aus der Klasse der sogenannten Sigmoidfunktionen mit unbegrenzter zeitlicher Ausdehnung.
Der Graph der Funktion beschreibt eine S-förmige Kurve, ein Sigmoid. Heute ist der Name logistische Kurve eindeutig der S-Funktion zugeordnet, wohingegen noch bis ins 20. Jahrhundert gelegentlich auch der Logarithmus mit dem italienischen Namen der logistischen Kurve (curva logistica) belegt wurde.
Die Funktion wird manchmal auch mit Expit bezeichnet, da die Umkehrfunktion der logistischen Funktion die Logit-Funktion ist.
Die logistische Funktion, wie sie sich aus der diskreten logistischen Gleichung ergibt, beschreibt den Zusammenhang zwischen der verstreichenden Zeit und einem Wachstum. Hierzu wird das Modell des exponentiellen Wachstums modifiziert durch eine sich mit dem Wachstum verbrauchende Ressource, die eine obere Schranke darstellt.
Zur Anfangszeit ist der Funktionswert nicht 0, sondern es gilt
.
Es gilt:
- Die obere Schranke
bildet eine Grenze für den Funktionswert
.
- Das Wachstum
ist proportional zu:
- dem aktuellen Bestand
,
- der noch vorhandenen Kapazität

- und einer Wachstumskonstanten
.
Diese Entwicklung wird daher durch eine Bernoullische Differentialgleichung der Form

mit einer Proportionalitätskonstanten
beschrieben. Das Lösen dieser Differentialgleichung ergibt:

Am Anfang ist das Wachstum klein, da die Population und somit die Zahl der sich vermehrenden Individuen gering ist. In der Mitte der Entwicklung (genauer: im Wendepunkt) wächst die Population am stärksten, bis sie durch die sich erschöpfenden Ressourcen gebremst wird.
Beispiel einer Epidemie: Krankheits- und Todesfälle (schwarz) im Verlauf der Ebolafieber-Epidemie in Westafrika bis Juli 2014 (annähernd logistische Funktionen)
Die logistische Gleichung beschreibt einen sehr häufig auftretenden Zusammenhang, wie der Beschreibung einer Population von Lebewesen, beispielsweise einer idealen Bakterienpopulation, die auf einem Bakteriennährboden begrenzter Größe wächst. Ein weiteres Beispiel ist (annähernd) die Verbreitung einer Infektionskrankheit mit anschließender permanenter Immunität, bei der mit der Zeit eine abnehmende Anzahl für die Infektionskrankheit anfällige Individuen übrig bleiben. Eine Anwendung findet die logistische Funktion auch im SI-Modell der mathematischen Epidemiologie.
Die Funktion findet weit über den Modellen aus der Biologie hinaus Anwendung. Auch der Lebenszyklus eines Produktes im Markt kann mit der logistischen Funktion nachgebildet werden. Weitere Anwendungsbereiche sind Wachstums- und Zerfallsprozesse in der Sprache (Sprachwandelgesetz, Piotrowski-Gesetz) sowie die Entwicklung im Erwerb der Muttersprache (Spracherwerbsgesetz).
Sei
.
ist stetig. Es gilt, die Differentialgleichung

zu lösen.
Die Differentialgleichung lässt sich mit dem Verfahren „Trennung der Variablen“ lösen. Es gilt
für alle
, also ist die Abbildung

auf den reellen Zahlen wohldefiniert.
Nach der Trennung der Variablen ist die Lösung
der obigen Differentialgleichung also identisch mit der Lösung der Differentialgleichung

Durch Partialbruchzerlegung ergibt sich

Nach dem Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung ist das obige Integral

wobei

Es gilt also, die Funktionsgleichung

zu lösen, solange die
zwischen
und
liegen, was wegen der Voraussetzung
angenommen werden kann. Dabei ist
der natürliche Logarithmus. Die Anwendung der Exponentialfunktion auf beiden Seiten führt zu

und anschließende Kehrwertbildung zu

Wir bringen nun die
auf die linke Seite, bilden dann erneut den Kehrwert, und erhalten schließlich

und daraus

Setzen wir die Definition von
in die gefundene Lösung (**) ein, so kommen wir zur oben behaupteten Lösung der logistischen Differentialgleichung:

An dieser Funktionsgleichung liest man leicht ab, dass die Werte immer zwischen
und
liegen, weshalb die Lösung für alle
gilt. Das kann man im Nachhinein natürlich auch durch Einsetzen in die Differentialgleichung bestätigen.
Zur Bestimmung des Wendepunktes der Lösungsfunktion
bestimmen wir zunächst mittels Produktregel die Ableitungen

und bestimmen die Nullstelle
der zweiten Ableitung:




Damit kennen wir den Funktionswert im Wendepunkt und stellen fest, dass die Population im Wendepunkt gerade die halbe Sättigungsgrenze überschreitet. Zur Bestimmung von
verwenden wir für
die Lösungsformel und rechnen wie folgt:





Für
folgt mit
weiter:

Damit ist der Wendepunkt vollständig bestimmt und es gibt nur diesen einen. Durch Einsetzen von
in die erste Ableitung erhält man die maximale Wachstumsgeschwindigkeit:


Aus

folgt:


oder auch:
,
wobei
die oben berechnete Wendestelle ist:

- Nicholas F. Britton: Essential Mathematical Biology. 3. printing. Springer, London u. a. 2005, ISBN 1-85233-536-X, (Springer undergraduate mathematics series).
- Norman R. Draper, Harry Smith: Applied Regression Analysis. 3rd Edition. Wiley-Interscience, New York NY u. a. 1998, ISBN 0-471-17082-8, (Wiley Series in Probability and Statistics. Texts and References Section).
- Volker Oppitz, Volker Nollau: Taschenbuch Wirtschaftlichkeitsrechnung. Quantitative Methoden der ökonomischen Analyse. Carl Hanser Verlag, München u. a. 2004, ISBN 3-446-22463-7.
- Volker Oppitz: Gabler-Lexikon Wirtschaftlichkeitsrechnung. Mit Anwendersoftware für Praxis und Studium. Gabler-Verlag Wiesbaden 1995, ISBN 3-409-19951-9
- Peter Schönfeld: Methoden der Ökonometrie. 2 Bände. Vahlen, Berlin u. a. 1969–1971.