Marinefunksendestelle Rhauderfehn

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Marinefunksendestelle Rhauderfehn
DHO38
Bild des Objektes
Datei:Marinesender DHO38 Längstwellensender der Marine.jpg
Basisdaten
Ort: Rhauderfehn
Land: Niedersachsen
Staat: Deutschland
Höhenlage: m ü. NHN
Koordinaten: 53° 4′ 55,2″ N, 7° 36′ 57,6″ O
Verwendung: Fernmeldeanlage, Militär
Zugänglichkeit: Sendeanlage öffentlich nicht zugänglich
Besitzer: Deutsche Marine
Daten zur Sendeanlage
Anzahl an Türmen/Masten: 8
Höhe der Türme/Masten: 8×352,8 m
Bauzeit: 1977–1982
Betriebszeit: seit 1982
Wellenbereich: VLF-Sender
Sendetyp: Rundfunk
Positionskarte
Marinefunksendestelle Rhauderfehn (Niedersachsen)
Marinefunksendestelle Rhauderfehn (Niedersachsen)
Marinefunksendestelle Rhauderfehn
Lokalisierung von Niedersachsen in Deutschland

Die Marinefunksendestelle Rhauderfehn mit dem Rufzeichen DHO38 ist ein Längstwellensender der Deutschen Marine, die dem Marineunterstützungskommando untersteht. Die offizielle Bezeichnung der NATO lautet NATO VLF / MSK Marinefunksendestelle Rhauderfehn. Diesen Namen trägt sie seit dem 18. Dezember 1981. Bei der einheimischen Bevölkerung ist die Anlage unter der Bezeichnung „Die Türme“ bekannt.

Der Sender befindet sich in der Nähe von Saterland-Ramsloh im Landkreis Cloppenburg (Niedersachsen). Durch das Gelände der Marinefunksendestelle verlaufen die Grenzen der beiden Landkreise Cloppenburg und Leer. Fünf Antennen stehen in Ostfriesland, drei auf Cloppenburger Gebiet.

Anlage

Die Masten der Marinefunkstelle gehören zu den höchsten militärisch genutzten Bauwerken des kontinentalen Westeuropas. Sie stehen mit 352,8 Metern an fünfter Stelle der größten Bauwerke in Deutschland. Die acht rot-weißen Masten sind bis zu einer Entfernung von mehr als 30 Kilometern zu sehen.

Das Gelände der Marinefunkstelle umfasst ein Gebiet von etwa 540 Hektar. Das gesamte Gelände ist von einem 12 km langen Sicherheitszaun umgeben und mit einem Wege- und Straßennetz von ca. 26 km Länge erschlossen.

Die besondere Leitfähigkeit des Westermoors spielte bei der Standortwahl eine wichtige Rolle. Der feuchte Boden ermöglicht die für die Abstrahlung von Längstwellen erforderliche gute Erdung, zudem können sich die Längstwellen aufgrund der flachen Geländestruktur optimal ausbreiten. Zur Herstellung einer Sendeverbindung zu getauchten U-Booten sind zum einen eine niedrige Sendefrequenz und zum anderen eine hohe abgestrahlte Sendeleistung erforderlich. Nur auf diese Weise ist die benötigte hohe Empfangsfeldstärke zu erreichen. Aus technischen und wirtschaftlichen Überlegungen wurde die Antennenanlage als strahlungsgekoppeltes System errichtet. Um eine hohe Verfügbarkeit zu gewährleisten, ist die Sendeanlage doppelt vorhanden. Je zwei Antennengruppen mit je vier Antennen, zwei Schutzbauten und zwei Betriebszentralen.

Die gesamte Haustechnik mit der Luft- und Kühlanlage sowie die Wasser- und Stromversorgung sind derart ausgelegt, dass die Marinefunksendeanlage bei Störungen der öffentlichen Versorgung autark ist. Vier Dieselgeneratoren, einer davon als Reservesystem, im Untergeschoss eines jeden Schutzbaues, mit einer Leistung von je 550 kVA, übernehmen bei einem Netzausfall automatisch die komplette Energieversorgung. Im Normalfall wird die Energieversorgung der Sendeanlage durch eine 20-kV-Zuleitung aus dem öffentlichen Netz der EWE AG sichergestellt. Die Trink- und Brauchwasserversorgung wird vom öffentlichen Wasserversorgungsnetz gespeist. Bei einem möglichen Ausfall steht ein Trinkwasserbehälter bereit. Für Kühlkreisläufe, Löschanlagen und die sanitären Einrichtungen stehen je zwei Brunnen mit entsprechenden Pumpanlagen bereit.

Sender

Die Sendeanlage mit ihren acht 100-kW-Sendeverstärkern ist für Frequenzen von 14 kHz bis 50 kHz ausgelegt und sendet zurzeit auf der Frequenz 23,4 kHz mit einer Sendeleistung von 800 kW. Technisch ist es möglich, auf mehreren Frequenzen im Längstwellenbereich zu senden. Die letzte Stufe des Sendeverstärkers ist (noch) ein einstufiger Röhrenverstärker mit Siedekühlung.

Gesendet werden codierte Meldungen an U-Boote der Deutschen Marine und anderer NATO-Länder. Aufgrund der sehr niedrigen Sendefrequenz verbunden mit einer hohen Sendeleistung ist der Sender weltweit und bis zu einer Wassertiefe von etwa 30 m zu empfangen.

Antennen

Einzelner Mast

Der Sender benutzt acht identische Schirmantennen, die jeweils von 352,8 Meter hohen Stahlrohrmasten getragen werden. Jeder Mast hat einen Durchmesser von 2,20 Meter. Die Zylinderkonstruktionen haben dabei, je nach lokaler Beanspruchung, Wandstärken von 8 mm bis 13 mm. Die einzelnen Masten stehen auf jeweils einem etwa 3 Meter hohen zylindrischen Keramikisolator, einem sogenannten Fußpunktisolator, der aus 16 keramischen Vollkernstützen in zwei Ebenen besteht. Der Fußisolator ist für eine Belastung von 4000 Tonnen ausgelegt und kann eine Spannung von 250 kV sicher isolieren. Die Sendemasten werden von je neun Abspannseilen (Pardunen) auf drei Ebenen fixiert. Diese Seile sind auf drei Ebenen und um 120 Grad versetzt um die Masten angeordnet und werden von zwölf Dachseilen gehalten.

Jeder der Masten stellt ein eigenes Antennensystem dar, es sind keine Antennendrähte zwischen den Mastspitzen gespannt.

Die Antennenstruktur besitzt, wie bei Längstwellensendern üblich, eine Rundstrahlungs-Charakteristik.

Im Inneren der Antennen sind für Inspektions- und Wartungsarbeiten ein Aufzug und eine Leiter vorhanden. Der Aufzug wird über ein Schneckengetriebe auf und ab bewegt, das in eine im Inneren des Mastes befindliche Zahnstange greift. Eine Fahrt vom Fußpunkt bis zur Dachluke des Sendemastes dauert 18 Minuten. Es ist Vorschrift, dass Personen, die den Aufzug benutzen, Rettungsgeschirr am Körper tragen. Maximal drei Personen passen in den Aufzug. Alle 60 Meter gibt es Gitterebenen im Mast, auf denen Abseilmaterial und Verbandzeug lagert.

Zwischen den vier Abspannpunkten sind an der Außenseite der Masten vier Schwingungsdämpfer (auf den Bildern als Verdickungen zu erkennen), sogenannte Schwingungstilger, angebracht. Diese sind mit einem speziellen Granulat gefüllt und verhindern die Entstehung von Schwingungen, die bereits bei relativ niedrigen Windgeschwindigkeiten auftreten könnten. Sie erhalten den stabilen Stand der Konstruktion auch bei Sturm. Die Gesamtmasse eines Mastes einschließlich der Einbauten und Seile beträgt je 475 Tonnen.

Abstimmanlagen

Abstimmmittel-Häuser

Zur Abstimmung der Antennen befindet sich neben jedem Mast ein Antennenabstimmmittel-Haus von der Größe eines kleinen Wohnblocks. Diese enthalten meterhohe Kondensatoren und Induktivitäten sowie anderes Gerät. Damit können die, bezogen auf die Wellenlänge, mechanisch zu kurzen Antennen elektrisch „verlängert“ werden. Die Abstimmmittel dienen der Anpassung des Eingangswiderstandes der Antenne an die Impedanz des Sendeverstärkers.

Erdnetz

Das Erdnetz soll für eine möglichst gute Einleitung des Antennenstromes in den Erdboden sorgen. Um jede der acht Mastantennen sind etwa 30 cm unterhalb der Erdoberfläche 200 Erddrähte strahlenförmig ausgelegt. Diese je 400 m bis 450 m langen Drähte haben einen Querschnitt von 3,5 mm und enden in einer 3 m langen Erdungsstange aus rostfreiem Stahl. Als Korrosionsschutz dient ein 1,5 mm starker Bleimantel, der die Beständigkeit des Erdnetzes gegen das aggressive Moorwasser sichert. Die gesamte Bodenfläche rund um den Einflussbereich der Schirmantennen ist vom Erdnetz abgedeckt. Zwischen zwei benachbarten Masten sind die zusammenstoßenden Enden der Erddrähte miteinander verschweißt und nutzen eine gemeinsame Erdung.

Chronik

Datum Bauabschnitt
Januar 1966 Beginn der Planung
September 1977 Beginn der Bauarbeiten
1. Mai 1982 Beginn des Probebetriebes
9. Dezember 1982 Indienststellung
1. Januar 1984 Aufnahme des operativen Betriebes

Kosten

Bauabschnitt Kosten
Entwicklung 7,4 Mio DM
Beschaffung der Geräte 47,8 Mio DM
Infrastruktur 126,6 Mio DM
Gesamt 181,8 Mio DM

Signal

Das Signal von DHO38 ist ein MSK-codiertes Signal mit 200 Baud. Der Sender kann mit jedem Empfänger oder Konverter, der die Frequenz 23,4 kHz aufnimmt, empfangen werden. Ein AM-Empfänger liefert ein zirpendes Geräusch.

Da alle Sendungen von DHO38 verschlüsselt sind, deren Entschlüsselung praktisch unmöglich ist und sie keine Informationen für zivile Nutzer enthalten, beschränkt sich eine zivile Nutzung des Signals von DHO38 auf sehr rudimentäre Zwecke, wie Funkpeilung, Untersuchung der Ausbreitungsbedingungen etwa zur Funkwetterprognose und der Detektion größerer Metallansammlungen im Boden, da diese die Ausbreitungsrichtung und Polarisation der Wellen von DHO38 beeinflussen.

Kritik

Die Marinefunkstelle blieb aus militärischen Gründen lange Zeit ein weißer Fleck auf der Landkarte. Waren die Saterländer 1973 noch froh, dass sie einen an gleicher Stelle geplanten Bombenabwurfplatz verhindert hatten, besteht nun die Besorgnis, die durch das Bauwerk hervorgerufene Strahlenbelastung könne eine Gesundheitsgefahr darstellen. Daneben existiert das Risiko, in einem Krisen- oder Kriegsfall ein Angriffsziel darzustellen.

Während der Planungs- und Bauphase des Senders wurden von verschiedenen Organisationen Bedenken über die Umweltverträglichkeit der Anlage geäußert. Durch die äußerst restriktiven Zugangsbeschränkungen haben sich jedoch über die Jahre in diesem Teil des Westermoores viele Tier- und Pflanzenarten angesiedelt, die andernorts nicht oder nur noch selten anzutreffen sind. Der Bund für Vogelschutz gibt an, 34 Brutvogelarten gezählt zu haben.

Siehe auch