Punktgruppe

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Eine Punktgruppe ist ein spezieller Typus einer Symmetriegruppe der euklidischen Geometrie, der die Symmetrie einer Punktmenge (beispielsweise eines Körpers) beschreibt. Die Punktgruppe einer Symmetriegruppe enthält die so genannten Ableitungen der affinen Elemente einer Symmetriegruppe.

In der Kristallographie stellt jede der 32 möglichen Kristallklassen eine Punktgruppe dar. Deren Bestimmung ist somit ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Bestimmung der Raumgruppe, die die Symmetrie eines Kristalls beschreibt.

In der Molekülphysik sind Punktgruppen unentbehrlich, um aus spektroskopischen Daten auf die Symmetrie eines Moleküls zu schließen, oder um anhand der bekannten Symmetrie physikalische Eigenschaften vorherzusagen.

Mathematische Grundlagen

Die Symmetriegruppe eines Körpers wird mathematisch als Menge aller möglichen Symmetrieoperationen beschrieben. Mit Symmetrieoperationen sind dabei euklidische Bewegungen gemeint, die den Körper auf sich abbilden. Zu unterscheiden sind dabei gerade Bewegungen, welche die Orientierung erhalten und ungerade, welche die Orientierung umkehren, z. B. Spiegelungen an Ebenen.

Mögliche Symmetrieoperationen in Punktgruppen im dreidimensionalen, euklidischen Vektorraum sind die Identitätsabbildung, Punktspiegelung an einem Inversionszentrum, Spiegelung an einer Spiegelebene, Drehung um eine Drehachse, sowie als Kombination daraus eine Drehspiegelung. Wenn man das Hintereinanderausführen von Symmetrieoperationen als additive Verknüpfung auffasst, erkennt man, dass eine Menge von Symmetrieoperationen eine (in der Regel nicht kommutative) Gruppe ist. Die Elemente einer Punktgruppe sind die Bilder der Symmetriegruppe unter dem Ableitungs-Homomorphismus. Diese Abbildung ist nicht injektiv, da beispielsweise sowohl Translationen als auch die Identitätsabbildung auf ihre linearen Teile abgebildet werden, welche in beiden Fällen die Identität der Punktgruppe darstellt. Punktgruppen enthalten mindestens einen Punkt, der Fixpunkt aller Symmetrieoperationen ist. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Symmetriegruppe keine Translationen enthält, also immer bei beschränkten Körpern.

Internationale Nomenklatur

Es finden zwei Symbolsysteme breite Anwendung: In der Kristallographie hat sich das von Carl Hermann und Charles-Victor Mauguin abgeleitete System durchgesetzt, das die Zähligkeit der Symmetrie in den Vordergrund setzt, die Hermann-Mauguin-Symbolik. In der Molekülphysik ist die Symbolik von Arthur Schoenflies weit verbreitet, die auf den zugrundeliegenden Symmetrieelementen beruht, die Schoenflies-Symbolik..

Hermann-Mauguin-Symbolik

  • Zähligkeit der Achse: im Kristall nur 1, 2, 3, 4 oder 6, sonst auch 5, 7, …
  • Drehinversionsachse: − (über der Zahl)
  • Symmetrieebene: m
  • Kombination Drehachse/Ebene: /

Dabei wird in der internationalen Form nicht für alle Achsen eine Angabe gemacht, sondern verkürzt dargestellt (gekürzte Hermann-Mauguin-Symbolik), z. B. mmm statt 2/m 2/m 2/m

Schoenflies-Symbolik

  1. Gruppe
  2. Symmetrie
    • horizontale Symmetrieebene: h
    • vertikale Symmetrieebene: v
    • diagonale Symmetrieebene: d
    • Inversionszentrum: i
    • Spiegelebene: s

Dabei wird dem Gruppensymbol je nach Bedarf die Zähligkeit der Achse und/oder ein Symbol für andere Symmetrieelemente als Index angehängt, z. B. D2h

Kristallographische Bedeutung / Kristallklassen

Nicht alle Symmetrien eines Moleküls sind mit der Symmetrie eines Kristalls vereinbar: Wie Pierre Curie erkannte, sind in einem Kristall nur 6-, 4-, 3-, 2-zählige Drehachsen möglich (Drehungen um 60, 90, 120 bzw. 180 und jeweils Vielfache davon). Die Angabe einer 1-zähligen Drehachse bedeutet, dass ein Körper keine Drehsymmetrie besitzt. Eine 5-, 7- oder höherzählige Drehachse gibt es in Kristallen nicht, weil damit keine vollständige Raumausfüllung möglich wäre. Dennoch wurde eine 5-zählige Symmetrie in manchen metallischen Gläsern gefunden.

Es gibt im endlichdimensionalen Raum nur endlich viele mit Kristallsymmetrie verträgliche Punktgruppen. Speziell im dreidimensionalen euklidischen Raum gibt es 32 davon.

Die möglichen Symmetrien eines Kristalls werden mit den 230 kristallographischen Raumgruppen beschrieben. Können die Rotationsteile der Symmetrieoperationen zweier Raumgruppen bei beliebiger Basenwahl zur Übereinstimmung gebracht werden, so werden sie derselben geometrischen Kristallklasse, entsprechend einer der 32 kristallographischen Punktgruppen, zugeordnet. Fordert man, dass es sich dabei um eine primitive Basis handelt, so erhält man 73 arithmetische Kristallklassen, die den geometrischen Kristallklassen entsprechen, aber zusätzlich Gitterzentrierung besitzen. So entsprechen z. B. der geometrischen Kristallklasse 2 die arithmetischen Kristallklassen P2 und C2.

Weil das Beugungsbild von Kristallen in der Röntgenbeugung bei Abwesenheit anomaler Streuung immer ein Inversionszentrum enthält, werden Kristalle einer von 11 zentrosymmetrischen kristallographischen Punktgruppen zugeordnet, die auch als Lauegruppen bezeichnet werden.

Wichtige Punktgruppen (Tabellen)

Punktgruppen und Kristallklassen
Kristallsystem Kristallklasse Schoenflies Hermann-Mauguin Hermann/Mauguin Kurzsymbol Beispiel
Triklin triklin-pedial C1 Axinit
triklin-pinakoidal Ci Anorthit
Monoklin monoklin-sphenoidisch C2 Zucker
monoklin-domatisch Cs Skolezit
monoklin-prismatisch C2h Gips
Orthorhombisch rhombisch-disphenoidisch D2 Epsomit
rhombisch-pyramidal C2v Struvit
rhombisch-dipyramidal D2h Topas
Tetragonal tetragonal-pyramidal C4 Wulfenit
tetragonal-disphenoidisch S4 Gahnit
tetragonal-dipyramidal C4h Scheelit
tetragonal-trapezoedrisch D4 Phosgenit
ditetragonal-pyramidal C4v Diaboleit
tetragonal-skalenoedrisch D2d oder Chalkopyrit
ditetragonal-dipyramidal D4h Zirkon
Trigonal trigonal-pyramidal C3 Gratonit
rhomboedrisch C3i Dolomit
trigonal-trapezoedrisch D3 oder oder Quarz
ditrigonal-pyramidal C3v oder oder Turmalin
ditrigonal-skalenoedrisch D3d oder oder Calcit
Hexagonal hexagonal-pyramidal C6 Nephelin
trigonal-dipyramidal C3h Li2O2
hexagonal-dipyramidal C6h Apatit
hexagonal-trapezoedrisch D6 Hochquarz
dihexagonal-pyramidal C6v Wurtzit
ditrigonal-dipyramidal D3h oder Benitoit
dihexagonal-dipyramidal D6h Apatit
Kubisch tetraedrischpentagondodekaedrisch T NaBrO3
disdodekaedrisch Th Pyrit
pentagonikositetraedrisch O Melanophlogit
hexakistetraedrisch Td Sphalerit
hexakisoktaedrisch Oh Diamant
Punktgruppen und Molekülsymmetrie
Schoenflies H. / M. Symmetrieelemente Molekülbeispiele
Punktgruppen geringer Symmetrie
C1 C1 CHFClBr
Cs ≡ S1 σ ≡ S1 BFClBr, SOCl2
Ci ≡ S2 i ≡ S2 1,2-Dibrom-1,2-Dichlorethan, meso-Weinsäure
ebene Drehgruppen SO(2)
C2 C2 H2O2, S2Cl2
C3 C3 Triphenylmethan, N(GeH3)3
C4 C4 12-Krone-4
C5 C5 15-Krone-5
C6 C6 18-Krone-6
Drehgruppen mit vertikalen Spiegelebenen
C2v ≡ D1h C2, 2σv H2O, SO2Cl2, o-/m-Dichlorbenzol
C3v C3, 3σv NH3, CHCl3, CH3Cl, POCl3
C4v C4, 4σv SF5Cl, XeOF4
C5v - C5, 5σv Corannulen, C5H5In
C6v C6, 6σv Benzol-hexamethylbenzol-chrom(0)
C∞v - C, ∞σv lineare Moleküle wie HCN, COS
Drehgruppen mit horizontalen Spiegelebenen
C2h ≡ D1d ≡ S2v C2, σh, i Oxalsäure, trans-Buten
C3h ≡ S3 C3, σh Borsäure
C4h C4, σh, i Polycycloalkan C12H20
C6h C6, σh, i Hexa-2-propenyl-benzol
Drehspiegelgruppen
S4 S4 Tetraphenylmethan, Si(OCH3)4
S6 ≡ C3i S6 Hexacyclopropylethan
Diedergruppen
D2 ≡ S1v 3C2 Twistan
D3 C3, 3C2 Tris-chelatkomplexe
D4 C4, 4C2 -
D6 C6, 6C2 Hexaphenylbenzol
Diedergruppen mit horizontalen Spiegelebenen
D2h S2, 3C2, 2σv, σh, i Ethen, p-Dichlorbenzol
D3h S3, C3, 3C2, 3σv, σh BF3, PCl5
D4h S2, C4, 4C2, 4σv, σh, i Re2(CO)10
D5h - S2, C5, 5C2, 5σv, σh IF7
D6h S2, C6, 6C2, 6σv, σh, i Benzol
D∞h - S2, C, ∞σv lineare Moleküle wie Kohlendioxid, Ethin
Diedergruppen mit diagonalen Spiegelebenen
D2d ≡ S4v S4, 3C2, 2σd Propadien, Cyclooctatetraen, B2Cl4
D3d ≡ S6v S6, C3, 3C2, 3σd, i Cyclohexan
D4d ≡ S8v - S8, C4, 4C2, 4σd Cyclo-Schwefel (S8)
D5d ≡ S10v - S10, C5, 5C2, 5σd Ferrocen
Tetraedergruppen
T 3S4, 4C3, 3C2 Pt(PF3)4
Th 4S6, 4C3, 3C2, 3σh, i Fe(C6H5)6
Td 3S4, 4C3, 3C2, 6σd Methan, Phosphor (P4), Adamantan
Oktaedergruppen
O 3C4, 4C3, 6C2 -
Oh 4S6, 3S4, 3C4, 4C3, 6C2, 3σh, 6σd, i SF6, Cuban
Ikosaedergruppen
I - 12S10, 10S6, 6C5, 10C3, 15C2 Fulleren-C20 (Pentagondodekaeder)
Ih - 12S10, 10S6, 6C5, 10C3, 15C2, 15σv, i Fulleren-C60
räumliche Drehgruppen SO(3)
Kh - ∞C, ∞σ, i einatomige Teilchen wie Helium, Elementarteilchen