Repair-Café
Ein Repair-Café (weitere gebräuchliche Namen: Reparatur-Café, Reparier-Bar, Elektroniksprechstunde, Reparatur-Treff, Elektronikhospital oder Café Kaputt und Ähnliches) ist ein Veranstaltungsformat mit temporär eingerichteter Selbsthilfewerkstatt zur Reparatur defekter Alltags- und Gebrauchsgegenstände und kleinem Verpflegungsangebot, meist in Form von Kaffee und Kuchen.[1]
Organisation
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die meisten veranstaltenden Initiativen in Deutschland sind Teil des Netzwerks Reparatur-Initiativen.[2] Auf internationaler Ebene agiert das niederländische Netzwerk Stichting Repair Café.[3]
Reparatur-Veranstaltungen verstehen sich sowohl als Beitrag gegen industrielle Strategien zu einem geplanten Zerfall oder einer Unbrauchbarkeit von Produkten oder Teilen davon (Geplante Obsoleszenz) als auch als gelebte Praxis, ein Zeichen gegen die Wegwerfgesellschaft zu setzen und Müll zu vermeiden.[4][5][6]
Repair-Cafés werden im Regelfall von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern gestaltet, vor- und nachbereitet. Neben der technischen und Ressourcenschutz-Komponente können sie auch soziale Treffpunkte für Menschen aus unterschiedlichsten Zusammenhängen sein.[7] Das Konzept kann an den schulischen Kontext angepasst werden und in die Schulbildung integriert werden.[8]
Einige Repair-Cafés haben sich als „Radioklinik“ entsprechend spezialisiert[9] oder als „MakerSpaces“ damit begonnen, Ersatzteile mittels 3D-Druck zu replizieren.[10]
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Erste Veranstaltungen, bei denen Alltagsgegenstände gemeinschaftlich repariert wurden, gibt es schon länger, seit 2002 die Reparaturtage im Kempodium in Kempten.[11] 2009 verschriftlichte die niederländische Umweltjournalistin Martine Postma das Konzept unter dem Namen Repair Café und stellt seither eine Anleitung zum Gründen eines Repair Cafés unter einer Franchise-Lizenz zur Verfügung.[12][13] Sie fand zahlreiche Nachahmer in ihrem Heimatland und andernorts. Im März 2016 hatten sich weltweit 1000 Repair Cafés registriert.[14] Anfang 2020 waren es 2000.[15]
In Deutschland sind rund 500 Initiativen tätig,[16] die meisten davon organisiert im Netzwerk Reparatur-Initiativen. Das von der Stiftung „Anstiftung“[17] koordinierte Netzwerk befördert mit Beratung, Informationsmaterialien, Vernetzungstreffen und einer Online-Infrastruktur den Wissensaustausch der Aktiven und beteiligt sich unter anderem am Runden Tisch Reparatur[18] und an den Abfallvermeidungsdialogen des Umweltbundesamts und Bundesumweltministeriums.[19] Initiativen in der Gründungsphase erhalten auf der Netzwerk-Plattform kostenfreie Informationen zum Start.[20]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Rundfunkberichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Andrea Baier, Christa Müller und Karin Werner: Revolution mit Hammer und Lasercutter, SWR2 vom 3. Juli 2017
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Andrea Baier, Tom Hansing, Christa Müller, Karin Werner (Hg.): Die Welt reparieren. Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis. transcript, Bielefeld 2016, ISBN 978-3-8376-3377-1, https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/33/c5/66/oa97838394337756M8AKjytxHVOy.pdf.
- Maria Grewe: Teilen, Reparieren, Mülltauchen. Kulturelle Strategien im Umgang mit Knappheit und Überfluss. transcript, Bielefeld 2017, ISBN 978-3-8376-3858-5.
- Stefan Krebs, Gabriele Schabacher, Heike Weber (Hg.): Kulturen des Reparierens. Dinge – Wissen – Praktiken, transcript, Bielefeld 2018, ISBN 978-3-8376-3860-8, PDF
- Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis (Hg.): Reparieren. Projekte, Orte und Akteure einer Bewegung. München 2014, https://anstiftung.de/jdownloads/reparatur-initiativen/anstiftung_reparatur_broschuere_rz_download_korr_2.pdf.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Netzwerk Reparatur-Initiativen
- Stiftung Repair Café
- Offinne Repaircafes Österreich
- Stiftung für Konsumentenschutz: 99 Repair Cafés in der Schweiz
- Karte mit Repaircafes zum Ergänzen bei repaircafe.vonmorgen.org
- Teddy ohne Kulleraugen, Stecker wackelt? Reparieren statt wegwerfen. in web.archive.org; ursprünglich Berliner Morgenpost, 14. Juli 2014.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Andrea Baier, Christa Müller, Karin Werner (Hrsg.): Stadt der Commonisten. Neue urbane Räume des Do it yourself. Bielefeld 2013, ISBN 978-3-8394-2367-7, S. 171 f.
- ↑ reparatur-initiativen.de
- ↑ repaircafe.org
- ↑ Niko Paech: Befreiung vom Überfluss. Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie. München 2012, ISBN 978-3-86581-181-3, S. 60 f., S. 121, S. 133.
- ↑ Anja Humburg: Reparaturkultur. In: Make: 5/2015, S. 103 f.
- ↑ Gabi Schlag, Dörte Wustrack: Reparieren statt Wegwerfen - Gegen den geplanten Produkttod. Auf: swr.de, 16. Dezember 2013.
- ↑ TV Halle: Bericht über das Repair Café Halle
- ↑ Janina Klose, Magdalena Meißner, Laura Beyeler, Luisa Stuhr, Melanie Jäger-Erben: Reparaturbildung gestalten: Erfahrungsberichte & Anregungen für Lehrende. wbv Publikation, Bielefeld 2023, ISBN 978-3-7639-7614-0, doi:10.3278/9783763976140 (wbv.de [abgerufen am 19. Dezember 2023]).
- ↑ Radioklinik Linsengericht/Hessen
- ↑ Repair Café Kuringen using 3D printer
- ↑ Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis (Hrsg.): Reparieren. Projekte, Orte und Akteure einer Bewegung. München 2014, S. 70.
- ↑ Anja Humburg: Reparaturkultur. In: Make: 5/2015, S. 99.
- ↑ www.repaircafe.org/winkel
- ↑ Stichting Repair Café: 1000 Repair Cafés weltweit, 8. März 2016. Abgerufen am 23. Februar 2022.
- ↑ Stichting Repair Café: Das Jahr 2020 beginnt mit 2000 Repair Cafés!, 7. Januar 2020. Abgerufen am 23. Februar 2022.
- ↑ www.reparatur-initiativen.de
- ↑ www.anstiftung.de
- ↑ www.runder-tisch-reparatur.de
- ↑ www.umweltbundesamt.de
- ↑ www.reparatur-initiativen.de