Saugluftbremse

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. Januar 2014 um 01:57 Uhr durch Gürbetaler (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
An diesen Drehschemelwagen der Rhätischen Bahn sind deutlich die seitlich angebrachten Vakuumbehälter für die Saugluftbremse zu erkennen.

Die Saugluftbremse ist eine im Eisenbahnbetrieb zur Bremsung der Züge eingesetzte Betriebsbremse für Triebfahrzeuge und Wagen. Im Gegensatz zur heute überwiegend eingesetzten Druckluftbremse funktioniert die Saugluftbremse nicht durch einen Überdruck, sondern durch einen Unterdruck gegenüber dem herrschenden Umgebungsluftdruck. Die Bremse erhielt ihren Namen nach dem zur Erzeugung des Unterdruckes eingesetzten Luftsauger. Die in der Schweiz gebräuchliche Bezeichnung Vakuumbremse wurde früher auch in Deutschland verwendet.

Funktionsprinzip

Ejektor (Luftsauger) der Saugluftbremse bei der Lokomotive 252.008 der Tschechoslowakischen Staatsbahnen

Bei der Saugluftbremse entsteht die Bremskraft dadurch, dass auf die beiden Seiten des Bremszylinderkolbens ein unterschiedlich hoher Unterdruck einwirkt.

Um die Saugluftbremse als durchgehende Zugbremse einzusetzen, werden alle Fahrzeuge des Zuges mit einer Saugluftleitung (Schweiz: Vakuum-Hauptleitung) verbunden. Der mechanische Teil der Saugluftbremse ist ähnlich dem der Druckluftbremse. Nach der Wirkungsweise unterscheidet man nicht selbsttätige und selbsttätige Bremsen. Beide Bauarten entsprechen in ihrem Aufbau der direkt wirkenden bzw. der indirekt wirkenden Druckluftbremse.

Nicht selbsttätig wirkende Saugluftbremse

Bei der nicht selbsttätig wirkenden Saugluftbremse muss zum Bremsen ein Unterdruck im Bremszylinder und in der Saugluftleitung hergestellt werden. Um die Bremse zu lösen, öffnet man ein Ventil, das die Leitung mit dem atmosphärischen Luftdruck verbindet. Bei vollem Druckausgleich sind die Bremsklötze von den Radreifen wieder gelöst.

Die nicht selbsttätig wirkende Saugluftbremse war 1889 mitverantwortlich für den Eisenbahnunfall von Armagh, der 80 Menschenleben kostete.[1] Die nicht selbsttätige Saugluftbremse ist nicht als Betriebsbremse bei Eisenbahnen zugelassen.

Selbsttätig wirkende Saugluftbremse

Prinzip der selbständig wirkenden Saugluft- oder Vakummbremse

Die selbsttätig wirkende Saugluft- oder Vakuumbremse, auch automatische Vakuumbremse (aV) genannt, arbeitet ähnlich wie eine Druckluftbremse mit Zweikammerbremszylinder wie z. B. die Kunze-Knorr-Güterzug- oder Kunze-Knorr-Personenzugbremse. Der mechanische Teil der Saugluftbremsanlage mit Bremsgestänge, Bremsklötzen etc. entspricht weitestgehend den bei Druckluftbremsen angewandten Konstruktionen.

Evakuieren bzw. Lösen

Die Vakuumpumpe auf dem Triebfahrzeug saugt (evakuiert) über ein Rückschlagventil aus dem ganzen System die Luft ab, wodurch ein Vakuum aufgebaut wird. Bei Dampflokomotiven wird der Unterdruck mit einem Ejektor erzeugt, der mit dem Führerbremsventil vereinigt ist. Über die Hauptluftleitung werden die Unterkammern der Bremszylinder und über Rückschlagventile die Oberkammern und die Sonderbehälter evakuiert. Beim waagrecht montierten Bremszylinder hält eine Rückholfeder bzw. beim senkrecht montierten Bremszylinder das Eigengewicht des Kolbens diesen in der Lösestellung. Die Bremse ist betriebsbereit bzw. gelöst, wenn zwischen dem atmosphärischen Druck und dem System eine Druckdifferenz von 52 cm Hg erzeugt ist und zwischen Unter- und Oberkammern der angeschlossenen Bremszylinder Druckausgleich herrscht. Auf dem Triebfahrzeug begrenzt ein Regulierventil die Druckdifferenz zwischen dem atmosphärischen Luftdruck und der Hauptluftleitung auf 52 cm Hg. Ein Rückschlagventil verhindert bei Stillstand der Vakuumpumpe das unkontrollierte Eindringen von Außenluft.

Bremsen

Mit dem Führerbremsventil wird das Vakuum in der Hauptluftleitung und den Unterkammern der Bremszylinder durch dosiertes Einlassen von Außenluft vermindert. Der Unterdruck von 52 cm Hg in den Oberkammern und den Sonderbehältern bleibt dank der automatisch wirkenden Abdichtung durch die eingebauten Rückschlagventile erhalten. Infolge des Druckunterschieds in den beiden Kammern wird die Kraft der Rückholfeder bzw. das Eigengewicht des Kolbens überwunden und dieser bewegt sich in die Bremsstellung.

Bei einer Schnell- oder Notbremsung wird die Saugluftleitung unmittelbar mit der Außenluft verbunden. So wird der Unterdruck in kürzester Zeit zerstört und die maximale Bremswirkung erzielt. Erfolgt eine Zugtrennung, baut sich der Unterdruck an der Trennstelle ebenfalls sofort ab.

Vor- und Nachteile gegenüber der Druckluftbremse

Bremskupplungsschläuche einer Ge 4/4 II der Rhätischen Bahn. Die Kupplungs­schläuche der Vakuum-Hauptluftleitung (V) sind an den Verstärkungen mit ringförmigen Stahlgerippe zu erkennen. Mit der Druckluft-Speiseleitung (D) können Wagen mit vakuumgesteuerter Druckluftbremse versorgt werden.
  • Die Saugluftbremse lässt sich gut regulieren und insbesondere stufenweise lösen. Sie ist unerschöpfbar. Diese Vorteile fielen nicht mehr ins Gewicht, als die mehrlösige Druckluftbremse eingeführt wurde.
  • Wegen ihres einfachen Aufbaus ist die Saugluftbremse unempfindlich und leicht zu warten. Es können keine Funktionsstörungen durch in der Luftleitung gefrierendes Kondenswasser auftreten.
  • Während die Druckluftbremse Bremszylinderdrücke von mehreren Bar ermöglicht – üblich sind bis zu 3,8 bar – ist die Druckdifferenz bei der Saugluftbremse von vornherein durch den atmosphärischen Luftdruck (etwa 1 bar) begrenzt; tatsächlich werden sogar nur etwa 0,7 bar erzielt. Um eine vergleichbare Bremskraft (gleich Druckdifferenz mal Kolbenfläche) zu erreichen, müssen die Bremszylinder ungefähr den zweieinhalbfachen Durchmesser aufweisen.
  • Die Saugluftbremse reagiert träger.
  • Die Durchschlagsgeschwindigkeit der Vakuumbremse beträgt in der Regel 15 m/s, bei einer Schnellbremsung ca. 200 m/s. Sie ist somit geringer als bei der Druckluftbremse.
  • Ein mechanischer Gleitschutz lässt sich bei der Saugluftbremse nicht realisieren.
  • Bei Dampfbetrieb ist der hohe Dampfverbrauch des Ejektors von Nachteil.

Vakuumgesteuerte Druckluftbremse

Die vakuumgesteuerte Druckluftbremse hat gegenüber der reinen Vakuumbremse den Vorteil, dass sie mit einem Gleitschutzregler ausgerüstet werden kann. Bei Triebfahrzeugen ist die Kombination mit einer Rangier- und einer Schleuderbremse möglich. Das Fahrzeug benötigt jedoch Druckluft, die entweder vom einem Luftpresser oder von der Speiseleitung geliefert wird.

Die vakuumgesteuerte Druckluftbremse ist zusätzlich zur reinen Vakuumbremse mit einem Vakuumsteuerventil ausgerüstet. Dieses hat die gleiche Funktion wie das Steuerventil der Druckluftbremse.

Siehe auch Abschnitt Vakuumsteuerventil im Artikel Steuerventil (Eisenbahn)

Bauformen und Verbreitung

Rollschemel der Preßnitztalbahn mit deutlich sichtbaren Vakummbremszylindern

Über die Namen der Hersteller der jeweiligen Bremsausrüstungen werden die Hardy-Saugluftbremse und Körting-Saugluftbremse unterschieden.

Beide Bauformen sind noch auf einigen Strecken der sächsischen Schmalspurbahnen (z.B. Döllnitzbahn, Lößnitzgrundbahn, Weißeritztalbahn, Preßnitztalbahn) sowie bei der Museumseisenbahn Bruchhausen-Vilsen im Einsatz zu erleben.
Siehe auch: Schmalspurbahnen in Sachsen

In Österreich wurden ab 1891 bis zu Beginn des Zweiten Weltkriegs bei den Vorgängerbahnen der heutigen Österreichischen Bundesbahnen Saugluftbremsen der Bauformen Hardy und Körting eingesetzt. Reisezugwagen für den internationalen Verkehr waren zusätzlich zur Saugluftbremse mit der Druckluftbremse ausgerüstet. Bei Schmalspurbahnen ist die Saugluftbremse immer noch weit verbreitet, z. B. bei der Mariazellerbahn oder den Waldviertler Schmalspurbahnen.

In der Schweiz waren um das Jahr 1900 Vakuum- und Druckluftbremse bei Schmalspurbahnen etwa gleich häufig verbreitet. Anlässlich von Modernisierungen des Rollmaterials wechselten seither die meisten Bahnen zur Druckluftbremse. Abgesehen von Museumsbahnen trifft man saugluftgebremste Züge bei der Rhätischen Bahn, der Matterhorn-Gotthard-Bahn, der Montreux–Berner Oberland-Bahn und bei den Transports publics Fribourgeois an.

In Großbritannien (inklusive Irland) und in den britischen Kolonien war die automatische Vakuumbremse Standard. Allmählich wurde sie durch die Druckluftbremse abgelöst, im Vereinigten Königreich ab den 1970er Jahren. Bei den Indian Railways und in Südafrika kommt die Saugluftbremse nach wie vor zum Einsatz.[1]

Literatur

  • Bundesamt für Verkehr: Fahrdienstvorschriften. Bern, 2012. R 300.14 Beilage 1 Abschnitt 7
  • Heinz Russenberger: Saugluft- oder Vakuumbremse. In: Vierachsige Reisezugwagen der SBB von 1912 – 1929 (= Loki-Spezial). Nr. 31. Lokpress, Zürich, ISBN 978-3-9523386-2-9, S. 10–11.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Vacuum brake in englischsprachiger Wikipedia, abgerufen am 18. Januar 2014