Skiflug-Weltmeisterschaft 1977

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Die 4. Skiflug-Weltmeisterschaft wurde vom 17. bis zum 20. Februar 1977 erstmals auf dem Vikersundbakken[1] im norwegischen Vikersund ausgetragen. Insgesamt starteten 41 Springer aus zwölf Nationen. Frauen waren zur damaligen Zeit noch nicht zum Skispringen oder gar zum Skifliegen zugelassen. Auch einen Teamwettkampf gab es noch nicht. Der Sieger Walter Steiner war der erste Skispringer, der zum zweiten Mal Skiflugweltmeister werden konnte.

Favoriten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Weltmeisterschaft gestaltete sich zum Aufeinandertreffen fast aller Spitzenspringer der Sprungsaison 1976/77. Ausgerechnet der aktuelle Vierschanzentourneesieger aber fehlte, Jochen Dannebergs alte Knieverletzung war wieder aufgebrochen. Die DDR-Mannschaftsführung ließ daraufhin den Thüringer pausieren. Somit rückte vor allem ein Springer in den Fokus, der bei der ersten Skiflug-Weltmeisterschaft schon einmal ganz oben stand: der Schweizer Walter Steiner. Nach seinem zweiten Platz bei der Vierschanzentournee waren seine Leistungen weiterhin stabil und Anfang Februar 1977 hatte er in überzeugender Manier mit großem Vorsprung die Schweizer Springertournee gewonnen. Dabei war er bei drei von vier Wettbewerben siegreich.[2] Ein weiterer Siegfavorit war der Unglücksrabe der Vierschanzentournee, Toni Innauer. Nach seinem Missgeschick in Bischofshofen hatte der Vorarlberger nun ausreichend Motivation, sich beim zweiten Saisonhöhepunkt gut in Szene zu setzen. Aber auch Mannschaftskamerad und Olympiasieger Karl Schnabl und Altmeister Reinhold Bachler waren zum erweiterten Favoritenkreis zu zählen. Trotz der Abwesenheit von Danneberg hatte auch die DDR-Auswahl ein namhaftes Aufgebot am Start: mit Glaß, Duschek und Meisinger waren drei Top-Ten-Springer der Vierschanzentournee nominiert, hinzu kam mit Falko Weißpflog ein ausgewiesener Skiflieger, der im Vorjahr bei der Skiflugwoche in Oberstdorf kurzzeitig mit 174 m den Weltrekord hielt. Allerdings übertrumpfte ihn Toni Innauer auf derselben Veranstaltung noch mit seinem Traumflug von 176 m. Nicht ganz abzuschreiben waren die Norweger um Johan Sætre und Per Bergerud, aus der sowjetischen Mannschaft hatten bis dahin Borowitin und Iwanow den stärksten Eindruck hinterlassen.

Modus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Athleten sprangen an drei Wettkampftagen jeweils drei Mal, von denen der beste Sprung in die Wertung einging. Für den Durchschnittswert aus den zehn weitesten Sprüngen je Durchgang, egal ob gestürzt oder gestanden, wurde eine Weitenpunktzahl von 120 Punkten vergeben. Dazu kamen noch die Haltungsnoten. Gesamtsieger wurde der Springer mit den meisten Punkten aus allen drei Wettkampftagen.[3]

1. Sprungtag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei idealen Bedingungen ohne viel Wind und Temperaturen um die −6 °C setzte sich für ihn selbst etwas überraschend Skiflug-Weltrekordler Toni Innauer an die Spitze der Gesamtwertung. Nachdem im ersten Durchgang Alexej Borowitin aus der Sowjetunion mit 144 m die Führung übernommen hatte, konterte Innauer im zweiten Durchgang mit 145 m und ähnlichen Haltungsnoten, sodass er sich mit einem halben Punkt Vorsprung vor den Springer aus der Sowjetunion schob. Zwar konnte Borowitin im dritten Durchgang mit 146 m die Tageshöchstweite erreichen, doch durch den höchsten Durchschnittswert von 132 m reichte es in diesem Versuch nur zu 188 Punkten, was keine Verbesserung darstellte. Topfavorit Walter Steiner, der im Training bei der Schanzenrekordweite von 160 m gestürzt war, kam mit einem Flug auf 142 m auf dem dritten Platz ein. Dahinter lagen drei DDR-Springer, wobei sich als bester Vertreter Thomas Meisinger platziert hatte.[3]

Platz Name Land Punkte
01 Toni Innauer Osterreich Österreich 189,5
02 Alexei Borowitin Sowjetunion 1955 Sowjetunion 189,0
03 Walter Steiner Schweiz Schweiz 186,0
04 Thomas Meisinger Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 184,5
05 Henry Glaß Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 181,5
06 Martin Weber Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 173,5
07 Per Bergerud Norwegen Norwegen 169,0
08 Leoš Škoda Tschechoslowakei Tschechoslowakei 168,0
08 Bogdan Norčič Jugoslawien Jugoslawien 168,0
10 Tapio Räisänen Finnland Finnland 165,0

2. Sprungtag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der zweite Sprungtag wirbelte das Gesamtklassement ob seiner Wetterbedingungen gehörig durcheinander. Schneetreiben und Wind machten den Springern zu schaffen und Toni Innauer war letztlich das prominenteste Opfer. Nachdem er im ersten Durchgang nur eine Weite von 90 m verbuchen konnte, segelte er im zweiten Durchgang immerhin auf 132 m, was in der Tageswertung den elften Rang bedeutete. Dadurch rutschte der Vorarlberger in der Gesamtwertung auf den vierten Platz ab. In den Blickpunkt des Geschehens rückten dafür andere Springer. Der Tschechoslowake František Novák setzte bereits im ersten Durchgang mit 143 m ein großes Achtungszeichen. Durch den geringen Durchschnittswert des Durchgangs erzielte er dabei einen so hohen Punktwert, dass er diesen mit seinen 145 m im dritten Durchgang nicht mehr übertraf. Die 143 m toppte Walter Steiner im zweiten Durchgang mit der Tageshöchstweite von 148 m. Aufgrund des höheren Durchschnittswertes im zweiten Durchgang reichte es aber für den Schweizer nicht, an Novak vorbeizuziehen. Im dritten Durchgang gelang Harald Duschek die zweithöchste Tagesweite von 147 m, die ihn mit einem Punkt Vorsprung vor Novak den Tagessieg bescherte. Für den Finnen Räisänen reichten im dritten Durchgang 142 m, um sich noch an Steiner vorbeizuschieben und den dritten Platz zu belegen. In der Gesamtwertung hatte sich aber der Schweizer durch seine Konstanz auf den ersten Platz geschoben, gefolgt von Henry Glaß und Alexej Borowitin. Da Innauer mit 1,5 Punkten Rückstand nur knapp hinter dem sowjetischen Springer lag, sah er seine Medaillenchancen noch gewahrt.[4]

Zwischenstand nach 2 Springen
Pos. Springer Punkte
01. Steiner 373,5
02. Glaß 361,0
03. Borowitin 358,5
04. Innauer 357,0
05. Duschek 355,5
06. Räisänen 354,0
07. Weber 351,0
08. Novák 349,5
09. Skoda 347,5
10. Meisinger 344,0
Platz Name Land Punkte
01 Harald Duschek Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 192,5
02 František Novák Tschechoslowakei Tschechoslowakei 191,5
03 Tapio Räisänen Finnland Finnland 189,0
04 Walter Steiner Schweiz Schweiz 187,5
05 Juri Iwanow Sowjetunion 1955 Sowjetunion 183,0
06 Josef Samek Tschechoslowakei Tschechoslowakei 180,5
07 Henry Glaß Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 179,5
07 Leoš Škoda Tschechoslowakei Tschechoslowakei 179,5
09 Martin Weber Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 177,5
10 Alexei Borowitin Sowjetunion 1955 Sowjetunion 169,5

3. Sprungtag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am letzten Flugtag hatte die Jury nach den eher bescheidenen Leistungen des Vortages den Anlauf verlängert, eine Entscheidung, die sich fast rächen sollte. Neben dem neuen Schanzenrekord von 157 m durch den Tschechoslowaken Novak segelten nicht weniger als neun Springer über die 140-m-Marke, sieben davon über den kritischen Punkt von 142 m. Dies führte dazu, dass die Jury vor den beiden letzten Springern zusammentrat um über einen Abbruch des Durchganges zu beraten. Letzten Endes wurden auch die letzten zwei verbliebenen Springer hinuntergeschickt und erst danach der Anlauf verkürzt. Auswirkungen hatte dieses hohe Niveau des ersten Durchganges dennoch. Bedingt durch den sehr hohen Durchschnittswert von 147 m erhielt Novak für seinen Rekordflug nur 10 zusätzliche Weitenpunkte, was dazu führte, dass der Tagessieger Steiner mit seinen 151 m des zweiten Durchgangs 8,5 Punkte mehr als der Tschechoslowake erhielt. Vom deutlich abfallenden dritten Durchgang profitierte vor allem der Tageszweite Innauer. Mit seinen 148 m lag er deutlich über der Durchschnittsweite von 135 m. Nach eigenen Aussagen von Innauer trug aber auch Steiner dazu bei, der mit einem Sicherheitssprung von 136 m den Durchschnittswert nicht in die Höhe trieb.[5]

Platz Name Land Punkte
01 Walter Steiner Schweiz Schweiz 191,0
02 Toni Innauer Osterreich Österreich 190,0
03 František Novák Tschechoslowakei Tschechoslowakei 182,5
04 Alexei Borowitin Sowjetunion 1955 Sowjetunion 181,5
05 Henry Glaß Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 180,5
06 Thomas Meisinger Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 179,0
07 Harald Duschek Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 178,0
07 Juri Iwanow Sowjetunion 1955 Sowjetunion 177,5
09 Martin Weber Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 176,0
10 Tapio Räisänen Finnland Finnland 174,5

Gesamtergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei höchst unterschiedlichen Tagesbedingungen setzte sich am Ende der stabilste Springer durch, WM-Favorit Walter Steiner. Während seine kürzeste Weite 131 m betrug, hatten alle anderen Konkurrenten an mindestens einem Tag einen Durchhänger. Durch seinen letzten Flug ersegelte sich Toni Innauer noch die Silbermedaille, nach dem Wettbewerbsverlauf war daran schon fast nicht mehr zu glauben. Bronze gewann mit Henry Glaß der beständigste Springer aus der DDR, die als einzige Auswahl alle vier Springer in den Top Ten hatte. Darüber hinaus war die DDR die einzige Nation, die bis dahin bei allen Skiflug-Weltmeisterschaften eine Medaille geholt hatte. Die Überraschung der Weltmeisterschaft war letztlich der neue Schanzenrekordhalter František Novák aus der Tschechoslowakei, der bei einem besseren ersten Wettkampftag noch Chancen auf eine Medaille gehabt hätte.[5] Zu den Enttäuschungen zählten vor allem die Gastgeber aus Norwegen, die nicht einen Springer in den Top Ten hatten. Ein besseres Mannschaftsergebnis der Österreicher wurde auch durch eine um sich greifende Grippe verhindert.[6]

Platz Name Land Gesamtpunkte
01 Walter Steiner Schweiz Schweiz 564,5
02 Toni Innauer Osterreich Österreich 547,0
03 Henry Glaß Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 541,5
04 Alexei Borowitin Sowjetunion 1955 Sowjetunion 539,5
05 Harald Duschek Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 533,5
06 František Novák Tschechoslowakei Tschechoslowakei 532,0
07 Tapio Räisänen Finnland Finnland 528,5
08 Martin Weber Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 527,0
09 Thomas Meisinger Deutschland Demokratische Republik 1949 DDR 523,0
10 Leoš Škoda Tschechoslowakei Tschechoslowakei 517,5
11 Juri Iwanow Sowjetunion 1955 Sowjetunion 513,0
12 Per Bergerud Norwegen Norwegen 488,0
13 Josef Samek Tschechoslowakei Tschechoslowakei 487,5
14 Pekka Hyvärinen Finnland Finnland 466,5
15 Sergei Saitschik Sowjetunion 1955 Sowjetunion 465,5
16 Robert Mösching Schweiz Schweiz 459,5
17 Bogdan Norčič Jugoslawien Jugoslawien 459,0
18 Wladimir Bubenow Sowjetunion 1955 Sowjetunion 445,5
19 Ján Tánczos Tschechoslowakei Tschechoslowakei 440,0
20 Reinhold Bachler Osterreich Österreich 434,0
21 Johan Saetre Norwegen Norwegen 431,5
22 Odd Brandsegg Norwegen Norwegen 428,5
23 Lennart Elimä Schweden Schweden 421,5
24 Alfred Grosche Deutschland BR BR Deutschland 415,5
25 Karl Lustenberger Schweiz Schweiz 399,0
26 Branko Dolhar Jugoslawien Jugoslawien 392,5
27 Janez Loštrek Jugoslawien Jugoslawien 389,5
28 Frank Rombach Deutschland BR BR Deutschland 389,0
29 Finn Halvorsen Norwegen Norwegen 386,5
30 Kari Ylianttila Finnland Finnland 358,5
31 Jim Maki Vereinigte Staaten USA 348,0
32 Karl Schnabl Osterreich Österreich 287,0
33 Roger Ruud Norwegen Norwegen 254,5
34 Hans Millonig Osterreich Österreich 235,0
35 Seppo Reijonen Finnland Finnland 210,0
36 Rudi Tusch Deutschland BR BR Deutschland 124,5
37 Christer Jolevi Schweden Schweden 121,5
38 Marko Mlakar Jugoslawien Jugoslawien 118,0
39 Jim Denney Vereinigte Staaten USA 113,0
40 Chris McNeill Vereinigte Staaten USA 108,5
41 Ken Harkins Vereinigte Staaten USA 106,5
41 Slawomir Kardas Kanada Kanada 106,5

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. skisprungschanzen.com
  2. Neue Zeit vom 8. Februar 1977, S. 6.
  3. a b Neues Deutschland vom 19. Februar 1977, S. 5.
  4. Innauer "Hoffe auf Medaille". In: Arbeiter-Zeitung. Wien 20. Februar 1977, S. 13.
  5. a b Neues Deutschland vom 21. Februar 1977, S. 7.
  6. Toni holte noch Silber. In: Arbeiter-Zeitung. Wien 21. Februar 1977, S. 11.