St. Leonhard (Tholbath)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Kirche St. Leonhard von Nordosten
Die Kirche von Süden
Rundbogenfries an der Apsis mit den Menschen- und Tierköpfen
Das Portal auf der Südseite
„Sonnengucker“ über dem Portal

Die „KettenkircheSt. Leonhard ist eine Leonhard von Limoges geweihte, aus der Zeit der Romanik stammende Filialkirche und ehemalige Wallfahrtskirche in Tholbath, einem Gemeindeteil von Großmehring im südöstlichen Landkreis Eichstätt im Naturpark Altmühltal (Bayern).

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kirchlich bildete Tholbath seit alters her, nachgewiesen für 1559, eine Filiale der Pfarrei Theißing im Bistum Regensburg. Der Sakralbau des Dorfes, die „Kettenkirche“ St. Leonhard, ist „eine der interessantesten romanischen Bauten der Umgebung Ingolstadts.“[1] Sie wurde vom Eichstätter Bischof Otto zwischen 1183 und 1195 geweiht und wird als Überbleibsel einer Burganlage des Ortsadels angesehen. Die 95 Steinmetzzeichen vor allem an der Südostseite des Chores lassen vermuten, dass die Regensburger Dombauhütte am Bau beteiligt war und etwa die Hälfte der Steinmetzen aus Italien stammte.[2]

Baubeschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Saalkirche aus regelmäßigen Kalkstein-Quadern hat im Osten einen eingezogenen, halbrunden Chor mit Halbkuppel. Der runde Chorbogen sitzt auf romanischen Chorbogen-Pfosten mit Kalkssteinkämpfern auf. Das Langhaus ist flachgedeckt. Dessen Grundriss misst außen 8,5 mal 6,5 und innen 6,5 mal 4,5 Meter, die Mauerhöhe beträgt beim Langhaus sechs und bei der Apsis fünf Meter.[3] Der aus Kalkstein gemeißelte Rundbogenfries außen am Chor ruht auf 15 unterschiedlich gestalteten Menschen- und Tierköpfen. Das Gewände des romanischen Chorfensters, dem mittleren von ursprünglich drei Fenstern, ist dreifach gestuft mit Halbkugelreihen aus Kalkstein.[4]

Die Fenster des Langhauses wurden in der Barockzeit (18. Jahrhundert) ausgebrochen. Dagegen wurden schmale romanische Fenster zugemauert.

Das Portal der Kirche befindet sich auf der Südseite. Es besteht aus zwei Säulenreihen mit „unförmigen“ kletternden Tieren (Löwen). Im Rundbogen der Portalwölbung haben sich die Tierfiguren und ein Männerkopf noch erhalten, während an den Seiten des Portals nur noch Reste dieser Figuren zu sehen sind.[5] Das Tympanon besteht aus einem Relief, das den lehrenden Christus mit einem Buch zeigt, flankiert von zwei Männern ebenfalls mit Büchern und deshalb als Evangelisten gedeutet.[6] Im Scheitelbogen des zugemauerten romanischen Fensters oberhalb des Portals ist ein bärtiger Wächterkopf zu sehen. Auf der Westseite erhielt die Kirche 1907 als Ersatz für einen 1861 abgebrochenen Dachreiter einen quadratischen Turm mit aufgesetztem Oktogon, bekrönt von einer neubarocken Zwiebelhaube. Die an der Nordostseite angebaute Sakristei wurde ebenfalls 1861 entfernt und durch eine Sakristei im Untergeschoss des Turmes ersetzt.[7]

Besonderheiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die in Höhe des Dachaufsatzes rund um die Kirche girlandenartig aufgehängte Eisenkette erinnert an die jahrhundertealte Leonhardswallfahrt. Am Leonharditag (6. November) fand hier bis 1940 eine Pferdesegnung statt. Votivgaben, blecherne Pferdchen, die an dieser Kette hingen, sind heute verschwunden.[8] Wann die Kette angebracht wurde, ist nicht überliefert; die älteste Zeichnung des Kirchleins von 1844 zeigt sie mit Kette, eine Zeichnung von 1890 ohne Kette.[9]
  • An der Westwand ist in etwa fünf Meter Höhe eine kopflose Figur mit einem Stab in der Rechten eingemauert, die wohl den hl. Leonhard oder den hl. Laurentius als früheren Kirchenpatron darstellt.[10]
  • Über dem Portal befindet sich vermutlich eine der ältesten, jedoch nicht mehr vollständig erhaltenen Sonnenuhren Deutschlands.
  • Im Unterbau des Turmes wird ein früher an der Westseite eingemauerter Grabstein eines römischen Legionärs auf dem Marsch (mit heute fehlendem linken Bein) aufbewahrt.[11]
  • Gemäß der Haager Konvention von 1954 ist die Kirche in die Liste der schützenswerten Kulturgüter aufgenommen.[12]

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Votivbilder und St. Leonhard Figur

Das Altarbild des über einem alten steinernen Blockaltar aufgebauten kleinen, mit reichem Schnitzwerk verzierten viersäuligen Barockaltars (um 1760/70) zeigt ein wohl zeitgleich entstandenes Ölgemälde mit dem Kirchenpatron in Mönchskleidung vor einem Kloster, vermutlich dem Kloster Scheyern. Die beiden flankierenden barocken Holzfiguren stellen die römischen Märtyrer und Wetterpatrone Johannes und Paulus dar. Die vor dem Chor stehenden Prozessionsstangen zeigen kniende, Kerzenleuchter haltende Engel in Chorkleidung (aus Holz; um 1640/50). An Figuren birgt die Kirche außerdem eine Madonna aus der Barockzeit und zwei Leonhard-Statuen. Der Kreuzweg wurde von unbekannter Hand 1760/70 gemalt. Die zehn Votivtafeln an der nördlichen Innenwand wurden insbesondere bei Viehkrankheiten dem hl. Leonhard als Viehpatron dargebracht; sie sind zwischen 1838 und 1942 gemalt worden. Das Wandkreuz über dem Eingang an der Südwand stammt aus dem letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts.[13]

Sage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um die Entstehung der Kirche rankt sich folgende Sage:

Einst lebten in Tholbath und Weißendorf zwei Riesen, die sich jeweils eine Kirche bauten. Dadurch kam es zu einem Wettstreit, wessen Kirche zuerst fertig würde. Als der Weißendorfer Riese sah, dass die Kirche in Tholbath schon fast fertig war, schleuderte er einen Stein auf sie. Er verfehlte sie jedoch und traf stattdessen den anderen Riesen, der dadurch ein Bein verlor – daher der Grabstein mit dem (scheinbar) einbeinigen Mann darauf.[14][15]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Gustav von Bezold und Berthold Riehl (Bearbeiter): Die Kunstdenkmale des Königreiches Bayern. Die Kunstdenkmale des Regierungsbezirkes Oberbayern. 1. Theil. Stadt und Bezirksamt Ingolstadt, Bezirksämter Pfaffenhofen, Schrobenhausen, Aichach, Friedberg, Dachau. München 1895, S. 90 f.
  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bayern IV: München und Oberbayern. München, Berlin 2006, S. 1265.
  • Franz Dietheuer: Die romanische Kirche zu Tholbath mit ihren Steinmetzzeichen. In: Ingolstädter Heimatblätter (Beilage zum Donaukurier), 22 (1959), S. 28 ff.
  • Erich Mandel: 800 Jahre St. Leonhardskirche Tholbath 1190 1990. Baldham [1990], 18 Seiten.
  • Der Eichstätter Raum in Geschichte und Gegenwart. Eichstätt: Sparkasse 1973, S. 156, 2. Auflage 1984, S. 290 f.
  • Peter Leuschner: Romanische Kirchen in Bayern. Pfaffenhofen 1981, S. 11 f.
  • Josef Reichart: Von romanischen Kirchen unserer Gegend. Die Steinfigur auf der Westseite der Tholbather Kirche. In: Sammelblatt des Histor. Vereins Ingolstadt 87 (1978), S. 319–321.
  • Johannes Hofmann: Die Nebenkirche St. Leonhard zu Tholbath. In: Kirchen der Pfarrei Theißing. Regensburg 2008, S. [21]–28.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dehio, S. 1265
  2. Mandel, S. 9; Dehio, S. 1265
  3. Mandel, S. 8
  4. Dehio, S. 1265; Kirchen der Pfarrei Theißing, S. 23, 25
  5. Leuschner, S. 11
  6. Bezold/Riehl, S. 91
  7. Eichstätter Raum, S. 290; Mandel, S. 4–11; Kirchen der Pfarrei Theißing, S. 21 f.
  8. Mandel, S. 3, 7 f.
  9. Mandel, S. 6, 18
  10. Reichart, S. 319
  11. Eichstätter Raum, S. 290; Mandel S. 14
  12. Kirchen der Pfarrei Theißing, S. 21 f.
  13. Mandel, S. 15–17; Kirchen der Pfarrei Theißing, S. 25, 27
  14. Die Kirchen in Tollbath und Weissendorf bei Ingolstadt. auf books.google.de
  15. Kurt Scheuerer: Sagen aus Ingolstadt und der Region – Die zwei Riesen von Tholbath und Weißendorf auf www.ingolstadt.de

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: St. Leonhard – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 48° 49′ 20,2″ N, 11° 13′ 34,1″ O