Staatliches Doping in der DDR

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Staatsplanthema 14.25 war die Bezeichnung für die staatlichen Vorgaben, die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zum Aufbau eines umfassenden Systems des staatlich organisierten und geförderten Dopings führten, also des systematischen Einsatzes leistungssteigernder Methoden und Medikamente bei Leistungssportlern sowie der Entwicklung entsprechender Substanzen. Es gehörte im Rahmen des jährlichen Volkswirtschaftsplans zum "Komplex 08" (sog. Sportkomplex), der sich neben dem Dopingthema 14.25 auch mit dem Stütz- und Bewegungssystem (14.26), Gleitreibung - bezogen auf Kufen für Wintersportgeräte sowie mit Bildmessverfahren (14.28) beschäftigte.[1]

Doping vor 1974

Bereits vor dem Staatsplan gab es eine weitreichende Dopingpraxis. Diese vollzog sich in unterschiedlichen Phasen. Während des ersten, als präanabole Phase bezeichneten, Zeitabschnitts wurde vor allem von Aufputschmitteln wie Amphetaminen Gebrauch gemacht. Diese hatten den Vorteil der guten Zugänglichkeit und schnellen Wirksamkeit. Sie wiesen jedoch großes Suchtpotenzial auf. Ab 1964 ist von einer vorerst dezentralen anabolen Phase die Rede, in der das Hormondoping immer mehr praktiziert wurde und nach und nach Testosteron in reiner Form und dessen Derivate den Dopingalltag in der DDR prägten. Spätestens ab 1968 hatte sich der Gebrauch anabol-androgener Substanzen im ganzen Hochleistungsbereich des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) durchgesetzt.[2]

Staatsplan

Gründe für den Plan

Grund für den „Staatsplan“ war der zunehmende Verlust der Kontrolle des SED-Staats über die Dopingvorgänge. Da ab 1974 verbesserte Dopingkontrollen bei internationalen Wettkämpfen erfolgten, die nun auch Anabolika nachweisen konnten, befürchtete die Sportführung, das durch den Leistungssport gewonnene internationale Ansehen der DDR könnte durch Dopingfälle von DDR-Sportlern beschädigt werden.[3][4]

Umsetzung und Durchführung des Plans

Demzufolge entstand am 23. Oktober 1974 der Staatsplan zur konsequenten Zentralisierung der Erforschung und Anwendung des Dopings, der die Dopingpraxis konspirativ weiterführen sollte. Die Grundlage dafür bildete ein Beschluss des Zentralkomitees der SED vom 14. Juni 1974, der auf einer Vorlage der Leistungssportkommission der DDR basierte.

Die Gesamtverantwortung und Entscheidungsbefugnis unterlag Manfred Ewald. In Abstimmung mit dem Vizechef des Sportmedizinischen Dienstes (SMD) Höppner und dem stellvertretenden Direktor des FKS Lehnert wurden Richtlinien für „unterstützende Mittel“ (UM) jeweils für 4-Jahreszyklen bestimmt und Anwendungskonzeptionen erarbeitet. Es bildete sich die Arbeitsgruppe „unterstützende Mittel“. Zu deren Aufgaben zählte unter anderem die Erforschung der Entwicklung von Kraftfähigkeiten in den Bereichen Wurf, Stoß und Sprung. Des Weiteren sollte der Einsatz von „UM“ im Bereich der Ausdauer im Schwimmen und Skifahren im Training sowie im Wettkampf geprüft werden. Auch die Verwendung und Entwicklung von „UM“ für die Verkürzung von Lernzeiten, insbesondere im Turnen, bildete einen Aufgabenbereich der Forschungsgruppe. Höppner war darüber hinaus zuständig für Ausreisekontrollen, speziell vor allen Wettkämpfen im Ausland. Lehnert war wie Buggel und Donath ebenfalls in die Pro-Doping-Forschung und Prävention von Dopingfolgen involviert.

Höppner übergab in Berlin gegen Quittung zugelassene und ungesetzliche Präparate, die unter Mitwirkung Buggels produziert wurden, an Verbandsärzte oder Vertreter, welche diese mit Namenslisten und Dosieranweisungen persönlich in die Sportärztlichen Hauptberatungsstellen übermittelten. Von dort aus wurden die „UM“ an Sektionsärzte und schließlich an die Trainer übergeben, welche zusammen die Dosierung für den jeweiligen Sportler festlegten, als auch Wirksamkeit und Gesundheitszustand der Athleten überwachten. Aus deren Hand erhielt letztendlich der Großteil der Sportler die Präparate. In dieser Form hatten die Dopingstrukturen spätestens von 1974 bis zum Ende der DDR Gültigkeit.[5]

Beteiligte Personen, Kooperationspartner und Mitwisser

Packung Oral-Turinabol (DDR-Museum Berlin)

Die Initiative des zentral gesteuerten Dopings ging von der Sportführung der DDR aus und war damit auch höchsten Parteigremien und staatlichen Stellen bekannt bzw. wurde von diesen gebilligt, auch wenn man Doping offiziell ablehnte. Bei dem Staatsplan handelte es sich um vorgegebene Aufgaben, die von den Forschungseinrichtungen erfüllt werden sollten.[6]

Zu den am Staatsplan beteiligten Einrichtungen zählten unter anderem das Forschungsinstitut für Körperkultur und Sport in Leipzig, das Zentralinstitut für Mikrobiologie und experimentelle Therapie in Jena und die Militärmedizinische Akademie Bad Saarow im Bereich der Forschung sowie der VEB Jenapharm und das Arzneimittelwerk Dresden als Hersteller der verwendeten Präparate. Hauptsächlich eingesetzt wurden Anabolika, wie die in der DDR entwickelten Substanzen Oral-Turinabol, Androstendion und Mestanolon.

Die ranghöchsten Funktionäre, die für ihre Rolle im Rahmen des Dopingsystems der DDR wegen Beihilfe zur Körperverletzung nach der Wende rechtskräftig zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden, waren Manfred Ewald, Präsident des Deutschen Turn- und Sportbunds (DTSB) und später auch des Nationalen Olympischen Komitees der DDR, Manfred Höppner, der Vizechef des Sportmedizinischen Dienstes der DDR, und Lothar Kipke, der Chefarzt des Deutschen Schwimmsport-Verbandes der DDR.

Weitere beteiligte Personen und Mitwisser waren unter anderem Günter Erbach (Direktor der Forschungsstelle der Deutschen Hochschule für Körperkultur in Leipzig), Horst Röder (Vizepräsident des DTSB), Hans Schuster (Direktor des sportmedizinischen Dienstes) und Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit und Vorsitzender der Sportvereinigung Dynamo.

Ermittlungen nach 1990 ergaben, dass wahrscheinlich rund 400 Ärzte, Trainer und Funktionäre direkt in das System involviert waren.[7] Die Zahl der betroffenen Sportler, die zum Zeitpunkt des Dopings zum Teil minderjährig waren und oft nicht über den Charakter der ihnen verabreichten Präparate aufgeklärt wurden, wird auf 7.000 bis 10.000 geschätzt, von denen bei mindestens einem Prozent von körperlichen oder psychischen Spätfolgen auszugehen ist.[7][8]

Der 1999 gegründete Verein Doping-Opfer-Hilfe unterstützt ehemalige Sportler, die von den Folgen des Dopings im DDR-Sport betroffen sind.

Für ihre Haltung gegen das staatlich verordnete Doping wurden Henner Misersky und seine Tochter Antje Harvey 2012 in die Hall of Fame des deutschen Sports der Deutschen Sporthilfe aufgenommen. Bereits in den Jahren 2005 und 2009 erhielten beide die Heidi-Krieger-Medaille des Vereins Doping-Opfer-Hilfe.[9][10]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Klaus Latzel: Staatsdoping. 2009, S. 99.
  2. Klaus Latzel, Lutz Niethammer (Hrsg.): Hormone und Hochleistung. 2008, S. 70–72.
  3. Klaus Latzel: Staatsdoping. 2009, S. 65–67.
  4. Spitzer: Doping in der DDR. 1998, S. 54.
  5. Klaus Latzel, Lutz Niethammer (Hrsg.): Hormone und Hochleistung. 2008, S. 70/71.
  6. Klaus Latzel: Staatsdoping. 2009, S. 169.
  7. a b Barbara Bürer und Nils Klawitter: Seit 1990 schmückt sich der Westen mit den Sportlern aus DDR-Produktion. Ihre Schöpfer stehen nun vor Gericht In: Die Zeit. Ausgabe vom 19. März 1998
  8. Udo Scheer: Nimm das, ist gut für dich. Ines Geipel klagt an: Doping in der DDR In: Die Welt. Ausgabe vom 1. September 2001
  9. http://www.tagesspiegel.de/sport/auszeichnung-fuer-dopingopfer/626664.html
  10. http://www.dradio.de/dlf/sendungen/sport/1021541/