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Sturmtief Xavier

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Xavier
Xavier über Norddeutschland (KNMI-Analyse, 5.10. 12 UTC)
Xavier über Norddeutschland (KNMI-Analyse, 5.10. 12 UTC)
Xavier über Norddeutschland (KNMI-Analyse, 5.10. 12 UTC)
Windstärke schwerer Sturm
Daten
Beginn 4. Oktober 2017
Ende 6. Oktober 2017
minimaler Luftdruck 985 hPa
Spitzenbö (Flachland) 136 km/h (Berlin-Wannsee)
Spitzenbö (Bergland)[1] 201 km/h (Schneekoppe)
Folgen
Betroffene Gebiete Deutschland, Polen, Tschechien
Opfer 9[2][3]
Schadenssumme 324 Mio. Euro(Perils)[4]
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Das Sturmtief Xavier war ein schnellziehender, schwerer Sturm[5] mit Orkanböen, der in der Zeit vom 4. bis zum 6. Oktober 2017 über das nördliche und östliche Mitteleuropa zog und große Schäden verursachte. Perils beziffert den versicherten Schaden mit 324 Mio. Euro.[4] Neun Menschen starben durch Wirkungen des Sturms, sieben in Deutschland, zwei in Polen.

Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Sturmtief Xavier bewegte sich in der Nacht vom 4. auf den 5. Oktober 2017 über Großbritannien zur Nordsee und erreichte am späten Vormittag das deutsch-dänische Grenzgebiet. Die Entwicklung erfolgte typisch nach einer Shapiro-Keyser-Zyklogenese.[6] Im Verlauf des 5. Oktober verstärkten sich die Sturmfelder auf der West- und Südflanke. Der Sturm erreichte gegen Mittag den Nordwesten Deutschlands (Niedersachsen, Schleswig-Holstein) und überquerte am Nachmittag Sachsen-Anhalt und die südlichen Bereiche Mecklenburg-Vorpommerns.[7] Gegen Abend herrschte in Brandenburg, Berlin, Thüringen und Sachsen schwerer Sturm (10 Bft), teilweise mit Orkanböen (12 Bft). Die stärkste Bö im Flachland wurde mit 136 km/h in Berlin-Wannsee registriert, auf dem Brocken waren es 177 km/h.[8][9]

Im weiteren Verlauf wurde von der polnischen Wetterwarte Schneekoppe auf der Grenze zu Tschechien die stärkste Bö mit 201 km/h gemessen. Dies ist nach den 216 km/h, die während des Orkan Kyrill dort gemessen wurden, der zweithöchste im Bergland seit Beginn der Aufzeichnungen gemessene Wert.[1]

Auswirkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutschland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Berlin, Hamburg, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kamen durch das Sturmtief sieben Menschen ums Leben.[2][10] In Berlin wurde die Journalistin Sylke Tempel von einem Baum erschlagen.

Umgestürzte Bäume vor der Berliner Gedächtniskirche

Weil die Bäume – anders als bei späten Herbststürmen – noch voll belaubt waren, boten sie dem Sturmtief große Angriffsflächen. Daher kam es verbreitet zu Windbruch. Die Bahn stellte den Verkehr auf vielen Strecken ein.[11] 240 Fern- und 7800 Regionalverkehrszüge fielen aus, 500 Schadstellen im Netz wurden registriert.[12] 400 Passagiere wurden aus dem Eurocity von Amsterdam nach Berlin kurz nach der niederländisch-deutschen Grenze evakuiert.[10] Die Deutsche Bahn sowie Privatbahnen richteten in etlichen großen Bahnhöfen als beheizten Aufenthalt für gestrandete Passagiere während der Nächte Hotelzüge ein.

In Berlin und Potsdam wurde für mehrere Stunden während des Berufsverkehrs die Berliner Stadtautobahn und beide Flughäfen gesperrt und der oberirdische öffentliche Nahverkehr eingestellt.[13][14] Die Berliner Feuerwehr arbeitete in dieser Zeit über 3000 wetterbedingte Einsätze ab.[15][16]

Umgestürzter Verladekran auf der Niedersachsenbrücke in Wilhelmshaven

An der Niedersachsenbrücke im Hafen von Wilhelmshaven stürzte der Sturm einen über 1000 Tonnen schweren Verladekran in die Jade. Der Schaden wurde auf über eine Million Euro geschätzt.[17]

Mehrere Bahnstrecken wurden so stark beschädigt, dass sich der Verkehr erst in den folgenden Wochen normalisierte,[18][19] es kam noch zwei Wochen später zu Behinderungen.[20]

Polen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Polen wurden zwei Menschen durch den Sturm getötet (Woiwodschaft Lebus, Woiwodschaft Großpolen) und 39 verletzt. Besonders betroffen waren der Westen und Süden des Landes. Gesperrt waren mehrere Nationalstraßen und Bahnlinien.[21][22]

Vorübergehend waren rund 800.000 Bewohner ohne Strom. Rund 40.000 Helfer waren im Einsatz, die Einsatzkräfte wurden zu rund 10.000 Einsätzen in Polen gerufen.[3]

Tschechien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Tschechien rückten die Feuerwehren zu hunderten Einsätzen aus. Ein Regionalzug fuhr bei Bělá u Staré Paky gegen einen umgestürzten Baum. Mehrere Bahnstrecken und Straßen wurden wegen umgestürzter Bäume komplett gesperrt.[3][23]

Versicherte Schäden[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gesamtschaden in Europa beläuft sich auf rund 500 Mio. USD,[24] wovon die Versicherer rund 350 Mio. Euro bezahlten.[25] Der Großteil entstand in Deutschland. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beziffert ihm mit 280 Mio. Euro für die Sachversicherung.[26] Kurz nach dem Ereignis waren die Versicherungsmathematiker von Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) noch von einem Schaden unter 200 Mio. Euro ausgegangen[27].

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Sturmtief Xavier – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Na Sněžce dosahoval vítr rychlosti 200 km/hod, Česká televize / ČT24, 6. Oktober 2017. Abgerufen am 8. Oktober 2017. (tschechisch) 
  2. a b „Xavier“: Mehrere Tote, Verkehrschaos und Rettungskräfte im Dauereinsatz. In: sueddeutsche.de. 2017, ISSN 0174-4917 (sueddeutsche.de [abgerufen am 6. Oktober 2017]).
  3. a b c Zwei Tote wegen Sturm „Xavier“. (noen.at [abgerufen am 6. Oktober 2017]).
  4. a b Losses. Abgerufen am 28. Mai 2021.
  5. Adrian Leyser: Sturmtief XAVIER - der Tag danach. In: Thema des Tages. Deutscher Wetterdienst, 6. Oktober 2017, abgerufen am 7. Oktober 2017.
  6. Melvyn Shapiro, Heini Wernli, Jain-Wen Bao, John Methven, Xiaolei Zou: A Planetary-Scale to Mesoscale Perspective of the Life Cycles of Extratropical Cyclones: The Bridge between Theory and Observations. In: The Life Cycles of Extratropical Cyclones. American Meteorological Society, Boston, MA, 1999, ISBN 978-1-935704-09-6, S. 139–185, doi:10.1007/978-1-935704-09-6_14 (springer.com [abgerufen am 6. Oktober 2017]).
  7. Sturmtief Xavier und wie darüber vom DWD vorab informiert wurde. Deutscher Wetterdienst, 5. Oktober 2017, abgerufen am 6. Oktober 2017.
  8. Severe storm XAVIER in Germany: Verification of MeteoGroup’s warnings. 6. Oktober 2017, abgerufen am 6. Oktober 2017 (englisch).
  9. „Xavier“ weht mit 137 km/h vor Berlin. n-tv Nachrichtenfernsehen, 5. Oktober 2017, abgerufen am 6. Oktober 2017.
  10. a b 7 people die as storm causes chaos in Germany. In: Mail Online. (dailymail.co.uk [abgerufen am 6. Oktober 2017]).
  11. Stuttgarter Nachrichten, Stuttgart, Germany: Newsblog zum Sturmtief „Xavier“: Bahnverkehr von Berlin nach Süden wieder aufgenommen. In: stuttgarter-nachrichten.de. (stuttgarter-nachrichten.de [abgerufen am 6. Oktober 2017]).
  12. „Xaviers“ Schadensbilanz. In: Der Spiegel. Nr. 42, 2017, S. 27 (online).
  13. Gudrun Mallwitz: Orkan „Xavier“ legt Berlin lahm. In: Berliner Morgenpost. 6. Oktober 2017, abgerufen am 9. Oktober 2017.
  14. Potsdam – Sturmchaos legt Verkehr in Potsdam lahm. In: Märkische Allgemeine. 5. Oktober 2017, abgerufen am 9. Oktober 2017.
  15. Sturm beschädigt über 20 000 Bäume Berlin.de das offizielle Hauptstadtportal. Abgerufen am 10. Oktober 2017.
  16. Ende des Ausnahmezustands Pressemitteilung der Berliner Feuerwehr. Abgerufen am 10. Oktober 2017.
  17. Sturmtief „Xavier“: Tonnenschwerer Hafenkran stürzt in die Jade Spiegel Online vom 5. Oktober 2017. Abgerufen am 20. Dezember 2017.
  18. Sturm „Xavier“: Bahnverkehr normalisiert sich allmählich. In Tiroler Tageszeitung online (tt.com), 7. Oktober 2017.
  19. Fünf Tage nach Sturm „Xavier“: Bahnverkehr normalisiert sich langsam. In: Epoch Times online, 10. Oktober 2017.
  20. Xavier: Bahn muss noch mal sperren. In: Nordwest Zeitung online, 13. Oktober 2017.
  21. Wojciech Tomaszewski: Tędy idzie Xavier. Huragan uderzył w lubuskie, wielkopolskie i łódzkie. Setki tysięcy ludzi bez prądu. Wichura zmiata nawet ciężarówki In: wolnosc24.pl, 5S Media Sp. z o.o., 5. Oktober 2017. Abgerufen am 8. Oktober 2017. (polnisch) 
  22. Nawet 16 godzin opóźnień na kolei. Wszystko z powodu orkanu Ksawery In: Gazeta Wrocławska, Polska Press Sp. z o.o., 5. Oktober 2017. Abgerufen am 8. Oktober 2017. (polnisch) 
  23. Vichr lámal stromy a omezil provoz vlaků, některé domy jsou bez proudu, Mladá fronta DNES, 6. Oktober 2017. Abgerufen am 8. Oktober 2017. (tschechisch) 
  24. TOPICS Geo Naturkatastrophen 2017. Abgerufen am 9. März 2021.
  25. https://www.swissre.com/dam/jcr:bab49919-2c0f-4ed6-afc4-f7f7b954382c/sigma1_2018_de.pdf; abgerufen am 9. März 2021
  26. https://www.gdv.de/resource/blob/63612/9bf0708f9a0017e98b878078894c7e52/naturgefahrenreport-2020---serviceteil-data.pdf; abgerufen am 9. März 2021
  27. Alle reden vom Wetter. Die Bahn auch. In: dw.com. 6. Oktober 2017, abgerufen am 18. Februar 2024.