Bodo-saltans-Virus

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Bodo-saltans-Virus

BsV-Partikel mit einem blütenartig
geöffnetem „Stargate“ (Sternentor).[3]

Systematik
Klassifikation: Viren
Realm: Varidnaviria[2]
Reich: Bamfordvirae[2]
Phylum: Nucleocytoviricota[2]
Klasse: Megaviricetes[2]
Ordnung: Imitervirales[2]
Familie: Mimiviridae[1]
Unterfamilie: Klosneuvirinae[1]
Gattung: Theiavirus
Art: Theiavirus salishense[1]
Taxonomische Merkmale
Symmetrie: ikosaedrisch
Wissenschaftlicher Name
Theiavirus salishense[1]
Kurzbezeichnung
BsV
Links

Bodo-saltans-Virus (BsV, wissenschaftlich Theiavirus salishense) ist eine Spezies von Riesenviren im Phylum Nucleocytoviricota (früher Nucleocytoplasmic large DNA viruses, NCDLV) der Familie Mimiviridae, Unterfamilie Klosneuvirinae.[4][5] Diese wurde in einem Süßwasserteich in British Columbia entdeckt. Der natürliche Wirt von BsV ist die Spezies Bodo saltans,[6] verschiedene Stämme von BsV können auch andere Spezies der Gattung Bodo befallen. Diese Wirte sind Einzeller, die zu den Kineto­plas­tiden zählen. Die meisten bis dato bekannten anderen Mitglieder der Mimiviridae infizieren stattdessen Amöben der Gattung Acanthamoeba.[3][7]

Die Virusspezies wurde am 8. April 2023 vom International Committee on Taxonomy of Viruses (ICTV) bestätigt.[8]

Beschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(A) zeigt ein reifes BsV-Virion.
(B) zeigt eine gesunde Zelle von Bodo saltans.
(C) und (D) zeigen den Zustand nach der Infektion, die Assemblierung und die Reifung der Virionen in einer Zelle von B. saltans.[3]
Neu gebildete BsV-Virionen im Inneren eines Vesikels. Am Apex des linken unteren Virions befindet sich ein geschlossenes Stargate (schwarze Pfeilspitze).[3]

Die Virus­partikel (Virionen) von BsV ähneln denen der Mimi­viren und besitzen wie diese auf dem Kapsid eine seesternartige Struktur, „englisch Stargate“ (Sternentor) genannt. Sie haben einen Durchmesser von ca. 300 nm. BsV-Virionen re­pli­zieren sich in für Mimiviridae typischerweise in zyto­plasma­tischen Virusfabriken.[3]

Kreisförmige Darstellung des linearen BsV-Genoms.[3]

Das Genom von BsV ist linear und besteht aus doppel­strängi­ger DNA (dsDNA). Es hat eine Länge von 1.385.869 bp (Ba­sen­paaren). Der GC-Gehalt liegt bei 25,3 %. Nach den Un­ter­suchungen sollte das Genom aus 1.227 offenen Leserahmen (englisch openreading frames, ORFs) bestehen und vorhergesagt 1.207 Pro­teine kodieren. Bei 27 % dieser kodierten Proteine wurde Homologie zu bekannten eukaryotischen Sequenzen gefunden, bei mehr als der Hälfte gibt es keine er­kenn­baren Übereinstimmungen. Die kodierten Proteine sind beteiligt an der DNA-Replikation und -Reparatur, der RNA-Synthese und -Modifikation. Außer­dem gibt es Translationsproteine und Kapsidproteine.[3][7][9]

Anders als bei anderen bekannten Riesenviren gibt es keine Gene für tRNAs. Da BsV keine an der Proteinsynthese beteiligten Enzyme kodiert, muss das Virus bei zu diesem Zweck Wirts-tRNAs verwenden.[3][7]

Gene, die ein System zur Fusion von Membranen kodieren, könnten durch horizontalen Gentransfer vom eukaryotischen Wirt abstammen. Diese könnten es den Virionen ermöglichen, in die Wirtszelle einzudringen.[3][7]

Mobile genetische Elemente sind in großer Zahl vorhanden, einschließlich selbstspleißender Proteine (sogenannte Inteine), sowie als Ribozyme wirksame Sequenzen, die sich aus der RNA herausspleißen können. Solche mobilen genetischen Elemente hatte man zuvor noch nie bei anderen Riesenviren gefunden.[3][7]

Von einem Protein, das an der Bekämpfung der Wirtsabwehr beteiligt sein könnte, sind 148 Kopien vorhanden. Nach Ansicht der Autoren wurde dieses Gen wiederholt dupliziert, da eine größere Menge davon benötigt wurde, damit sich das Virus gut in den Wirtszellen replizieren kann. Eine ähnliche Vervielfachung von Genen, die einen Antagonisten eines Immunproteins des Wirts kodieren, wurde auch im Genom des Vacciniavirus (ebenfalls ein NCLDV aus der Familie der Poxviridae) beobachtet.[3][7][10]

Wirte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der BsV-Stamm NG1 (BsV-NG1) infiziert den Bodo saltans-Stamm NG (CCCM6296), aber nicht HFCC12.[3]

Isolation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bodo saltans Stamm wurde von Deeg et al. 2014 aus einer Wasserprobe isoliert, die in der Nähe der Sedimentoberfläche des (eutrophischen) Teichs im Nitobe Memorial Garden (NG) auf dem Gelände der University of British Columbia westlich von Vancouver, Kanada, entnommen wurde. Die Viruskonzentrate wurden an 11 Süßwasserstandorten im Süden von British Columbia, Kanada, gesammelt. Die Kulturen von Bodo saltans NG wurden mit etwa 2 × 105 Zellen/mℓ mit dem gepoolten Viruskonzentrat von allen 11 Standorten beimpft.[3][6]

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gattungsname Theiavirus ist benannt nach Theia aus der griechischen Mythologie, die zu den zwölf Titanen gehört.[4] Das Artepitheton salishense ist eine latinisierte Form, offensichtlich benannt nach den Küsten-Salish, einer Gruppe von Ureinwohnern im Entnahmegebiet der Proben, bzw. nach der Salish Sea, dem Meeresgebiet zwischen Vancouver Island und dem US-Bundesstaat Washington, und damit ebenfalls indirekt nach den Küsten-Salish.

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Phylogenetischer Baum, ermittelt anhand der Translatiopnsenzyme. MVc: Megavirus chilense, AMoV: Moumouvirus moumou, ApMV: Mimivirus bradfordmassiliense, CatV: „Catovirus“, BsV: Theiavirus salishense, HokV: „Hokovirus“, KloV: „Klosneuvirus“ (KlosnV), IndV: „Indivirus“, CroV: Rheavirus sinusmexicani.[3]

Die nächsten Verwandten von BsV sind unter anderem die in Klosterneuburg per Metagenomik gefundenen Viren „Klosneuvirus“ (KnV bzw. KlosnV), „Hokovirus“ (HokV), „Catovirus“ (CatV) und „Indivirus“ (IndV). Mit ihnen zusammen gehört BsV zur Familie der vom ICTV bestätigten Familie Mimiviridae, Unterfamilie Klos­neu­virinae.[11]

Meist zeigt sich eine engere Verwandtschaft der Klosneuviren zu den Mimiviren als zum Cafeteria-roenbergensis-Virus (wissen­schaftlich Rheavirus sinusmexicani, Unterfamilie Aliimimivirinae, Cafeteriaviren).[3] Manche Autoren betonen eine engere Ver­wandt­schaft der Klosneuviren mit den Cafeteriaviren und „Namao-Virus“ und schlugen daher zuvor vor, beide Kladen in einer gemeinsame Unterfamilie „Aquavirinae“ zusammenzufassen.[12][13]

Während das NCBI das Bodo-saltans-Virus (BsV) als Spezies in der Gattung „Klosneuvirus“ sieht,[5] fanden Disa Bäckström et al. (2019), Fig. 3, eine Phylogenie der Klosneuviren, in der „Catovirus“ den nächsten Verwandten von BsV unter den vier ursprünglichen Klosneuviren darstellt.[14] Weitere Kladogramme zur inneren Systematik der Klosneuviren finden sich unter Klosneuvirus §Systematik.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c ICTV: Master Species Lists § ICTV Master Species List 2022 MSL38 v1 (xlsx), 8. April 2023.
  2. a b c d e ICTV: ICTV Master Species List 2019.v1, New MSL including all taxa updates since the 2018b release, March 2020 (MSL #35).
  3. a b c d e f g h i j k l m n o Christoph M. Deeg, Cheryl-Emiliane T. Chow, Curtis A. Suttle: The kinetoplastid-infecting Bodo saltans virus (BsV), a window into the most abundant giant viruses in the sea. In: eLife. 7. Jahrgang, 27. März 2018, S. e33014, doi:10.7554/eLife.33014 (englisch, elifesciences.org).
  4. a b Frank O. Aylward, Jônatas S. Abrahão, Corina P. D. Brussaard C, Matthias G. Fischer, Mohammad Moniruzzaman, Hiroyuki Ogata, Curtis A. Suttle: Create 3 new families, 3 subfamilies, 13 genera, and 20 new species within the order Imitervirales (phylum Nucleocytoviricota) and rename two existing species (zip:docx). Vorschlag 2022.004F an das ICTV vom Oktober 2021.
    Anm.: Entgegen Vorschlag (Tbl. 1) wurde die Gattung Mimivirus nicht in die Unterfamilie Megamimivirinae aufgenommen. Phylogenetische Analysen zeigten zu deren Mitgliedern einen größeren Abstand als diese untereinander.
  5. a b NCBI Taxonomy Browser: Bodo saltans virus (species); abgerufen am 2. August 2019.
  6. a b NCBI Taxonomy Browser: Bodo saltans Ehrenberg (species), Nucleotide: MF782455.1 & NC_075036.1: Bodo saltans virus strain NG1, complete genome.
  7. a b c d e f Vincent Racaniello, David Tuller, Gertrud U. Rey: Bodo saltans virus, an abundant giant aquatic Mimivirus. Virology Blog, 28. Dezember 2017.
  8. ICTV: Current ICTV Taxonomy Release: Taxonomy Browser. Abgerufen am 1. Mai 2023.
  9. David M. Needham, Susumu Yoshizawa, Toshiaki Hosaka, Camille Poirier, Chang Jae Choi, Elisabeth Hehenberger, Nicholas A. T. Irwin, Susanne Wilken, Cheuk-Man Yung, Charles Bachy, Rika Kurihara, Yu Nakajima, Keiichi Kojima, Tomomi Kimura-Someya, Guy Leonard, Rex R. Malmstrom, Daniel R. Mende, Daniel K. Olson, Yuki Sudo, Sebastian Sudek, Thomas A. Richards, Edward F. DeLong, Patrick J. Keeling, Alyson E. Santoro, Mikako Shirouzu, Wataru Iwasaki, Alexandra Z. Worden: A distinct lineage of giant viruses brings a rhodopsin photosystem to unicellular marine predators. In: PNAS, 23. September 2019, ISSN 0027-8424; doi:10.1073/pnas.1907517116, inklusive Supplement 1 (xlsx).
  10. Vincent Racaniello, Alan Dove, Rich Condit, Kathy Spindler: Pox has got a squeeze-box, seals are gonna sneeze all night. This Week in Virology, 2. September 2008.
  11. Frederik Schulz, Natalya Yutin, Natalia N. Ivanova, Davi R. Ortega, Tae Kwon Lee, Julia Vierheilig, Holger Daims, Matthias Horn, Michael Wagner, Grant J. Jensen, Nikos C. Kyrpides, Eugene V. Koonin, Tanja Woyke: Giant viruses with an expanded complement of translation system components. In: Science. Band 356, Nr. 6333, 7. April 2017, ISSN 0036-8075, S. 82–85, doi:10.1126/science.aal4657, PMID 28386012.
  12. List of the main “giant” viruses known as of today. (PDF; 0,3 MB) Centre national de la recherche scientifique, Université d’Aix-Marseille, 18. April 2018.
  13. List of the main “giant” viruses known as of today (March 2019). (PDF) Centre national de la recherche scientifique, Université d’Aix-Marseille, März 2019.
  14. Disa Bäckström, Natalya Yutin, Steffen L. Jørgensen, Jennah Dharamshi, Felix Homa, Katarzyna Zaremba-Niedwiedzka, Anja Spang, Yuri I. Wolf, Eugene V. Koonin, Thijs J. G. Ettema: Virus Genomes from Deep Sea Sediments Expand the Ocean Megavirome and Support Independent Origins of Viral Gigantism. In: mBio, Band 10 Nr. 2, 2019; doi:10.1128/mBio.02497-18.