„Revolution in Ägypten 2011“ – Versionsunterschied

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Die drei Präsidenten [[Gamal Abdel Nasser]], [[Anwar as-Sadat]] und Muhammad Husni Mubarak des modernen Ägyptens seien für die desolate Lage in Ägypten verantwortlich. Ihre Apparate haben sechzig Jahre lang das politische Geschehen monopolisiert. Oppositionsparteien haben nur drei Prozent der Mandate im Parlament. Einzig die [[Muslimbruderschaft]] verfügt über eine gut organisierte Mitgliederbasis, hält sich aber bei den Protesten auffällig abseits.<ref name="ts"></ref>
Die drei Präsidenten [[Gamal Abdel Nasser]], [[Anwar as-Sadat]] und Muhammad Husni Mubarak des modernen Ägyptens seien für die desolate Lage in Ägypten verantwortlich. Ihre Apparate haben sechzig Jahre lang das politische Geschehen monopolisiert. Oppositionsparteien haben nur drei Prozent der Mandate im Parlament. Einzig die [[Muslimbruderschaft]] verfügt über eine gut organisierte Mitgliederbasis, hält sich aber bei den Protesten auffällig abseits.<ref name="ts"></ref>

Ende 2010 fanden die, von Wahlbetrug geprägten, letzten [[Parlamentswahlen in Ägypten 2010|Parlamentswahlen]] statt. Dabei errang die [[Nationaldemokratische Partei (Ägypten)|Nationaldemokratische Partei]] von Hosni Mubarak 420 der 508 Sitze.


== Chronologie ==
== Chronologie ==

Version vom 29. Januar 2011, 21:44 Uhr

Datei:25th Demonstration Against The Government in Cairo in Tahrir square.png
Demonstration auf dem At-Tahrir-Platz in Kairo, 25. Januar 2011

Die Unruhen in Ägypten 2011 (arabisch يوم الغضب Yaum al-Ghadab, DMG yaum al-ġaḍab ‚Tag des Zorns‘) sind ein durch die Revolution in Tunesien 2010/2011 inspiriertes Aufbegehren weiter Teile der Bevölkerung Ägyptens. Die Proteste breiten sich seit dem 25. Januar 2011 aus.

Hintergrund

Die Massenproteste richten sich vor allem gegen Präsident Muhammad Husni Mubarak, der seit Oktober 1981 regiert.

Politische Karikatur
Spezialeinheiten der ägyptischen Polizei
Demonstranten mit ihren Forderungen am At-Tahrir-Platz
Karikatur zur Internet-Abschaltung
Bericht von Al Jazeera

Die Demonstranten beklagen sich vor allem über Armut, Arbeitslosigkeit, den Sicherheitsapparat, ein schlechtes Bildungssystem – ein Drittel der Einwohner kann nicht lesen und schreiben[1], sowie steigende Preise für Lebensmittel und andere Produkte und Korruption und Raffgier in Justiz, Verwaltung und Teilen der Wirtschaft.

Die drei Präsidenten Gamal Abdel Nasser, Anwar as-Sadat und Muhammad Husni Mubarak des modernen Ägyptens seien für die desolate Lage in Ägypten verantwortlich. Ihre Apparate haben sechzig Jahre lang das politische Geschehen monopolisiert. Oppositionsparteien haben nur drei Prozent der Mandate im Parlament. Einzig die Muslimbruderschaft verfügt über eine gut organisierte Mitgliederbasis, hält sich aber bei den Protesten auffällig abseits.[1]

Ende 2010 fanden die, von Wahlbetrug geprägten, letzten Parlamentswahlen statt. Dabei errang die Nationaldemokratische Partei von Hosni Mubarak 420 der 508 Sitze.

Chronologie

Dienstag, 25. Januar

Proteste am 25. Januar 2011 in Kairo

Die Massenproteste begannen in der Hauptstadt Kairo in der Nähe des Obersten Gerichts und setzten sich am Parlament fort. Die Polizei- und Sicherheitskräfte mit bis zu 30.000 Mann setzten Wasserwerfer und Tränengas ein, um die Demonstranten zu vertreiben. [2] Es gab etwa 500 Festnahmen in Kairo und weitere etwa 350 Festnahmen im übrigen Land. [3] Auch in den Städten Alexandria, Mansura und Ismailiyya sowie in Assuan, Asyut und al-Mahdiyya gab es Demonstrationen.

Nach Angaben aus Kreisen des Innenministeriums soll es 500 Festnahmen gegeben haben. Aus Sicherheitskreisen verlautete, innerhalb von zwei Tagen seien landesweit sogar 860 Demonstranten festgenommen worden.

Bei Massenprotesten in der ägyptischen Hafenstadt Sues eröffnete die Polizei das Feuer auf Demonstranten. Dabei wurden zwei Demonstranten getötet. Ein weiterer 45-jähriger Demonstrant wurde mit Gummigeschossen am Bauch getroffen und starb an inneren Blutungen in einer Klinik. Ein Polizist erlag seinen Verletzungen. [4]

Mittwoch, 26. Januar

Nachdem sich tausende junger Demonstranten offenbar über das soziale Netzwerk Facebook und das Mikroblogging-Netzwerk Twitter verabredet hatten, wurden beide Dienste in Ägypten gesperrt. [5] Bei Massenprotesten in der Hafenstadt Suez wurden 55 Demonstranten und 15 Polizisten durch Steinwürfe verletzt. Die wütende Menge zündete auch eine Polizeistation und weitere staatliche Gebäude an. [6][7] Auch ein Gebäude der Regierungspartei Nationaldemokratische Partei (NDP) in Sues wurde angezündet. [7]

In einem in der Newsweek erschienen Artikel machte Mohammed el-Baradei US-Außenministerin Hillary Clinton schwere Vorwürfe wegen deren zu zurückhaltender Kritik am Verlauf der ägyptischen Parlamentswahlen Ende 2010[8].

Donnerstag, 27. Januar

Nachdem die Aktienkurse an der Ägyptischen Börse innerhalb von 15 Minuten um 6,25 Prozent gefallen waren, wurde der Handel ausgesetzt. [6] Der Börsenindex fiel mit 5.916,74 Punkten auf ein 6-Monats-Tief. Seit Jahresanfang hatte er über 17 Prozent verloren. [9]

Die Regierung ließ über die staatliche Rundfunkgesellschaft Egyptian Radio and Television Union (ERTU) verbreiten, dass sich die Ägyptische Volksversammlung am Sonntag mit der Armutsbekämpfung, dem Gesundheitssystem und einer Anhebung des staatlichen Mindestlohns beschäftigen wolle. [9]

Das Auswärtige Amt gab eine Reisewarnung heraus, nach der Reisende Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig meiden [...] und die örtliche Medienberichterstattung aufmerksam verfolgen sollten. [10]

Am Abend traf der ehemalige Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und Träger des Friedensnobelpreises Mohammed el-Baradei in Kairo ein, dessen Kandidatur für das Amt des ägyptischen Präsidenten durch die von Mubarak geänderte Verfassung faktisch aussichtslos geworden war. El-Baradei bot sich als Anführer eines friedlichen Wechsels an.[11]

Nach der Auffassung des israelischen Journalisten Gil Yaron hält Israel dem ägyptischen Präsidenten die Treue; eine ägyptische Revolution werde aus Angst vor einer möglichen Machtübernahme durch islamisch motivierte Politiker für unmöglich erklärt. Dies isoliere den demokratischen israelischen Staat, während Medien in Europa die Proteste in Ägypten bejubelten. [12]

Eine halbe Stunde vor Mitternacht wurde auf Anweisung der Regierung Ägypten nahezu komplett vom Internet getrennt. Das geschah durch Löschung der Routen-Einträge des Border Gateway Protocols bei fast sämtlichen ägyptischen Internet Service Providern. Ausgenommen von der Abschaltung des Internets war lediglich Noor Data Networks, ein relativ kleiner ISP, zu dessen Kunden unter anderem die ägyptische Börse zählt. Auch die SMS- und BlackBerry-Kommunikation wurde unterbunden. Im Laufe des Freitags wurden außerdem in bestimmten Regionen die Mobilfunknetze abgeschaltet. [13]

Freitag, 28. Januar

Die ägyptische Regierung hat an diversen Stellen die Freitagsgebete verboten, um so die Organisation weiterer Proteste zu erschweren.[14] Es gab Berichte, wonach der Friedensnobelpreisträger Mohammed el-Baradei unter Hausarrest gestellt worden sei.[15] Nach gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten verhängte die ägyptische Regierung eine nächtliche Ausgangssperre, die aber von den Protestierenden weitgehend ignoriert wurde. Am frühen Abend wurde die Parteizentrale der Nationaldemokratischen Partei (NDP) in Kairo in Brand gesetzt.[16] Abends rückten Armeeeinheiten in gepanzerten Fahrzeugen in Kairo ein und sicherten laut dem Staatsfernsehen unter anderem das der brennenden Parteizentrale unmittelbar gegenüber liegende Ägyptische Museum. Bereits zuvor hatten Demonstranten das Museum vor dem Feuer und vor Plünderungen geschützt.[17]

Der Parteichef der Wafd-Partei, Sayyid al-Badawi, forderte eine Übergangsregierung und sprach sich für Neuwahlen und eine Verfassungsänderung aus.[18]

In einer Fernsehansprache am späten Abend rechtfertigte Präsident Mubarak das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte. Er kündigte für den nächsten Tag eine Regierungsumbildung an und sagte demokratische und wirtschaftliche Reformen zu. Seinen eigenen Rücktritt schloss er jedoch aus. Nach der Rede gingen in der Nacht die Proteste weiter und die Demonstranten forderten erneut den Rücktritt des Staatschefs. Insgesamt kamen nach offiziellen Angaben an diesem Freitag und der darauf folgenden Nacht zum Samstag bei den bisher schwersten Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften 35 Menschen ums Leben. Nach Medienangaben gab es fast hundert Tote und tausende Verletzte. Der amerikanische Präsident Barack Obama, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderten ein Ende der Gewalt und mahnten die Einhaltung der Bürgerrechte an – insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Informations- und Versammlungsfreiheit. [19]

Samstag, 29. Januar

In einem mit al-Jazeera geführten Interview sagte Mohammed el-Baradei, er wisse nichts von einem Hausarrest. Die Proteste würden so lange andauern, bis der Präsident zurückgetreten sei. Das politische System müsse sich ändern, bevor Ägypten voran kommen könne. Mubaraks Fernsehansprache bezeichnete er als enttäuschend.[20]

Die Regierung um Premierminister Ahmad Nazif trat, wie Mubarak in seiner Ansprache angekündigt hatte, zurück.[21] Ahmed Ezz, Gründer des Stahlunternehmens Al Ezz Industries hat sich aus der Nationaldemokratischen Partei zurückgezogen. Ezz gilt als enger Vertrauter von Gamal Mubarak.

Husni Mubarak hat erstmals während seiner Amtszeit einen Vizepräsidenten ernannt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Mena soll dieses Amt der bisherige Chef des Nachrichtendienstes Dschihaz al-Muchabarat al-Amma, Generalleutnant Omar Suleiman, übernehmen.

Das Amt des neuen Ministerpräsidenten nimmt demnach der frühere Luftfahrtminister Ahmad Schafiq ein.[22]

Die meisten Demonstranten fassen dies aber als Ablenkungsmanöver auf und fordern stattdessen den Sturz Mubaraks.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Tag des Zorns – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Arabiens Zentrum will den Wandel Die Zeit-Online, 27. Januar 2011)
  2. spiegel.de - Krawalle in Kairo - Tausende Ägypter marschieren gegen Mubarak vom 25. Januar 2011
  3. Tagesschau - Proteste und Zusammenstöße in Ägypten - Tausende trotzen dem Demonstrationsverbot vom 25. Januar 2011
  4. spiegel.de - Ägyptens Regierung will Proteste ersticken vom 26.Januar 2011
  5. AFP - Erneut Proteste und gewaltsame Zusammenstöße in Ägypten vom 26. Januar 2011
  6. a b bild.de - Ägypten neue Proteste gegen Mubarak - Chaos in Kairo geht weiter vom 27. Januar 2011
  7. a b spiegel.de - Unruhen in Ägypten - Polizei jagt Demonstranten durch die Nacht vom 27. Januar 2011
  8. Mohamed ElBaradei: The Return of the Challenger
  9. a b spiegel.de - Aufstand gegen Mubarak-Diktatur - Ägyptens Proteststurm lässt Börsenkurse abstürzen vom 27. Januar 2011
  10. Auswärtiges Amt - Sicherheitshinweise zu Ägypten vom 27. Januar 2011
  11. Yassin Musharbash: Mubaraks Widersacher mischt sich ein. (HTML) Spiegel Online, abgerufen am 27. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
  12. Gil Yaron, Jerusalem: Israel hält Ägyptens Diktator die Treue. (HTML) Spiegel Online, abgerufen am 27. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
  13. Ägypten ist offline und ohne Mobilfunk. Abgerufen am 29. Januar 2011.
  14. http://www.heise.de/newsticker/meldung/Aegypten-ist-offline-1179102.html
  15. Friedensnobelpreisträger El Baradei unter Hausarrest gesetzt. (HTML) Focus, abgerufen am 28. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
  16. Der Standard: Proteste eskalieren, Ausgangssperre verhängt, 28. Januar 2011
  17. Financial Times Deutschland
  18. Oppositionelle Wafd-Partei fordert Übergangsregierung
  19. Mubarak will Regierung umbilden - Proteste gehen weiter. (HTML) Frankfurter Allgemeine Zeitung, abgerufen am 29. Januar 2011 (sprache:, deutsch).
  20. Protesters back on Egypt streets
  21. n-tv.de - Regierung in Kairo zurückgetreten vom 29.Januar 2011
  22. http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/schlaglichter_nt/article12383796/Mubarak-ernennt-neue-aegyptische-Fuehrung.html