„Integral der Bewegung“ – Versionsunterschied
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Version vom 6. März 2020, 21:41 Uhr
Ein Integral der Bewegung oder erstes Integral (englisch first integral) ist für ein gegebenes dynamisches System eine Funktion, die längs einer Bahnkurve des Systems konstant ist[1][2][3][4][5]. Beispielsweise ist die Gesamtenergie eines isolierten Systems nach dem Energieerhaltungssatz unveränderlich und ein bedeutendes Integral der Bewegung.
Die Bewegungskonstanten, wie die Integrale auch genannt werden, haben in den Erhaltungsgrößen fundamentale Vertreter, müssen aber anders als diese die Bewegung nicht einschränken, sondern sind eher Klassifikationsmerkmale eines Bewegungstyps[1]. So entscheidet beim Kowalewskaja-Kreisel die Kowalewskaja-Konstante über die Stabilität des Kreisels und die Spezifische Bahnenergie eines Himmelskörpers darüber, ob seine Keplerbahn ellipsen-, hyperbel- oder parabelförmig verläuft. Häufig lassen die Integrale auf den weiteren Bahnverlauf schließen und helfen bei der Lösung der Bewegungsgleichungen.[1]
Definitionen
In der Literatur finden sich unterschiedlich formulierte Definitionen: (t ist die Zeit, x ∈ V ⊆ ℝⁿ der Ort und v die Zeitableitung von x)
- Ein Integral der Bewegung eines Bewegungstyps ist eine Funktion F(x,v), die auf einer beliebigen Bahn des Bewegungstyps konstant ist und nur von der Bahn als Ganzem und damit allein von den Anfangsbedingungen abhängt.[1]
- Das Integral der Bewegung ist eine Funktion der Koordinaten, die entlang einer Phasenraum-Trajektorie konstant bleibt.[4]
- Ein Integral der Bewegung ist für ein gegebenes dynamisches System jede reellwertige, unendlich oft differenzierbare Funktion (∈ C∞), die längs der Integralkurven des dem System zugrunde liegenden Vektorfelds konstant ist.[3]
- Ein erstes Integral einer gewöhnlichen Differentialgleichung D(t,x,v) = 0 ist eine (nicht konstante) stetig differenzierbare Funktion F(t,x), die auf einer Lösung x(t) von D lokal konstant ist.[5]
- Erste Integrale des zweiten Newtonschen Gesetzes Kraft gleich Masse mal Beschleunigung heißen Gleichungen der Form F(x,v,t) = const. von der Beschaffenheit, dass die Zeitableitung dF/dt vermöge des Newtonschen Gesetzes identisch verschwindet.[2]
Allgemeines
Die Punktmechanik betrachtet die Bewegung von Massenpunkten, bei denen ein erstes Integral nur vom Ort und der Geschwindigkeit des Punkts abhängt aber entlang einer Bahnkurve unveränderlich ist. Der Wert der Konstanten steht daher mit den Anfangsbedingungen fest, also der Ausgangsposition und der Anfangsgeschwindigkeit. Können für ein derartiges System sechs unabhängige Integrale gefunden werden, so kann aus ihnen der Ort als Funktion der Zeit und der Anfangsbedingungen bestimmt werden, womit die Bahnkurve vollständig bekannt ist.[2]
In physikalischen Gesetzen sind Bewegungsgleichungen in der Regel Systeme von Differentialgleichungen zweiter Ordnung, wie Newton’s Gravitationsgesetz oder das Coulomb-Gesetz. Eine nur vom Ort und der Geschwindigkeit abhängende Konstante lässt sich in solchen Systemen durch fortgesetzte Zeitableitung der Bewegungsgleichung in eine Taylor-Reihe entwickeln, siehe Lösung des N-Körper-Problems mit einer Taylor-Reihe. Meist wird unter einem ersten Integral jedoch eine Funktion verstanden, die in einfacher Weise aus elementaren Funktionen ihrer Argumente aufgebaut ist, wobei gelegentlich auch noch eine Quadratur auszuführen ist.[2]
Generell bleiben die Größen nur unter speziellen, idealisierten Bedingungen – im mathematischen Modell – unveränderlich, so auch im eingangs genannten Beispiel der Gesamtenergie eines isolierten Systems, denn die Unterdrückung jedweder Wechselwirkung des Systems mit seiner Umgebung lässt sich in der Realität nur temporär und näherungsweise sicherstellen, siehe Irreversibler Prozess.
Eine explizite Abhängigkeit der Integrale von der Zeit wie im letzten der folgenden Beispiele ist je nach Quelle erlaubt[2][5] oder nicht[1][6] und werden auch Bewegungskonstante genannt[7] oder davon unterschieden[6].
Beispiele
Bei konstanter Beschleunigung ist , wo c eine Konstante ist und die Überpunkte die zweite Zeitableitung bilden. Die Funktion
ist dann ein Integral der Bewegung, was sich durch Ableitung nach der Zeit nachprüfen lässt. Ein harmonischer Oszillator ist ein schwingfähiges System, dass der Differentialgleichung gehorcht. Hier ist
Bewegungskonstante. Existiert ein Potential , wo der Strich ’ die Ableitung nach x anzeigt und das Minuszeichen Konvention ist, findet sich das Integral
In diesen Beispielen kann x auch für einen n-dimensionalen Vektor stehen, wo dann der Strich ’ die Gradientenbildung anzeigt.
Die letzte Form entsteht bei einer Bewegung eines Massenpunktes in einem Potentialfeld, wie das Schwerefeld eines ist, wo dann der erste Summand im Bewegungsintegral die kinetische Energie, der zweite die potentielle Energie und das Integral die Gesamtenergie des Massenpunkts darstellt[1]. Wenn das Potentialfeld radialsymmetrisch ist, der Gradient also proportional zum Ortsvektor ist, mit skalarem c und Komponenten , dann sind die Differenzen
Konstanten der Bewegung. Im dreidimensionalen Raum unserer Anschauung sind dies die Komponenten des Drehimpulses, der demnach in einem Zentralkraftfeld ein Integral der Bewegung ist.
Ein Beispiel mit expliziter Abhängigkeit des Integrals von der Zeit liefert die gleichförmige Bewegung . Bei ihr ist
konstant.
Methoden der Gewinnung der Integrale
Folgende Methoden sind bei der Gewinnung der Integrale gebräuchlich:
- Bei der mehr oder weniger systematischen Suche nach Zusammenhängen in experimentellen oder numerisch simulierten Daten können Konstanten auffallen und im Nachhinein als solche anhand der Bewegungsgleichungen mathematisch nachgewiesen werden.
- In der Kreiseltheorie wurden mit Erfolg allgemeine, mit Parametern versehene Ansätze gemacht und anhand der Bewegungsgleichungen diejenigen Parameter gesucht, die auf Konstanten führen.
- Im Lagrange-Formalismus weisen zyklische Koordinaten auf erste Integrale hin.
- Mit dem Hamilton-Jacobi-Formalismus werden systematisch zyklische Koordinaten konstruiert, wobei sich das Auffinden eines Integrals auf die Lösung der Hamilton-Jacobi-Differentialgleichung verlagert.
Fußnoten
- ↑ a b c d e f Falk (1966), S. 18 ff.
- ↑ a b c d e Stäckel (1908), S. 462 ff.
- ↑ a b Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 2. Auflage. Band 3 (Inp bis Mon). Springer Spektrum Verlag, Mannheim 2017, ISBN 978-3-662-53501-1, S. 2, doi:10.1007/978-3-662-53502-8.
- ↑ a b Integral der Bewegung. In: Lexikon der Physik. Spektrum Akademischer Verlag, 1998, abgerufen am 4. März 2020.
- ↑ a b c N. N. Ladis: First integral. In: Encyclopedia of Mathematics. Springer Nature in Kooperation mit der European Mathematical Society, 15. Januar 2015, abgerufen am 6. März 2020 (englisch).
- ↑ a b Constant of motion. Wikipedia, 5. November 2019, abgerufen am 6. März 2020 (englisch).
- ↑ Konstante der Bewegung. In: Lexikon der Physik. Spektrum Akademischer Verlag, 1998, abgerufen am 4. März 2020.
Literatur
- Gottfried Falk: Theoretische Physik auf der Grundlage einer allgemeinen Dynamik. Elementare Punktmechanik. 1. Band. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 1966, DNB 456597212, S. 18 ff., doi:10.1007/978-3-642-94958-6.
- Paul Stäckel, redigiert von Felix Klein und Conr. Müller: Encyklopädie der Mathematischen Wissenschaften mit Einschluss ihrer Anwendungen. Mechanik. Hrsg.: Akademien der Wissenschaften zu Göttingen, Leipzig, München und Wien. Vierter Band, 1. Teilband, Art. 6.1: Punktdynamik. B. G. Teubner Verlag, 1908, ISBN 978-3-663-16021-2, S. 462 ff., doi:10.1007/978-3-663-16021-2 (wikisource.org [abgerufen am 24. Januar 2020]).