„Lenkungsabgabe“ – Versionsunterschied

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Darüber hinaus besteht bei Lenkungssteuern grundsätzlich das Problem, dass sich ihre Wirkungen nur schwer abschätzen lassen. Falsch eingeschätzte [[Preiselastizität]]en, [[Steuerüberwälzung]]en, Gewöhnungs- und [[Substitutionseffekt]]e können dazu führen, dass die beabsichtigte Lenkungswirkung schwächer oder stärker ausfällt als beabsichtigt.<ref name="grunow2018_37-49"/> In der [[Umweltpolitik]] ist daher, neben dem preisorientierten Instrument der [[Umweltabgabe]]n, auch der mengenorientierte Ansatz des [[Emissionshandel]]s verbreitet, der es erlaubt, treffsicher Emissionsmengen zu begrenzen, dafür aber zu zusätzlichen Preisschwankungen führen kann (→&nbsp;[[Preis-Standard-Ansatz]]).
Darüber hinaus besteht bei Lenkungssteuern grundsätzlich das Problem, dass sich ihre Wirkungen nur schwer abschätzen lassen. Falsch eingeschätzte [[Preiselastizität]]en, [[Steuerüberwälzung]]en, Gewöhnungs- und [[Substitutionseffekt]]e können dazu führen, dass die beabsichtigte Lenkungswirkung schwächer oder stärker ausfällt als beabsichtigt.<ref name="grunow2018_37-49"/> In der [[Umweltpolitik]] ist daher, neben dem preisorientierten Instrument der [[Umweltabgabe]]n, auch der mengenorientierte Ansatz des [[Emissionshandel]]s verbreitet, der es erlaubt, treffsicher Emissionsmengen zu begrenzen, dafür aber zu zusätzlichen Preisschwankungen führen kann (→&nbsp;[[Preis-Standard-Ansatz]]).

Um überhaupt eine Lenkungswirkung zu erzielen, muss die Steuer [[Steuermerklichkeit |merklich]] sein. D.&nbsp;h., der Steuerträger muss eine durch die Steuer hervorgerufene Preisänderung bemerken und sein Verhalten ändern. Im Beispiel einer Energiesteuer sollte er in den Situationen, in denen er über seinen Energieverbrauch entscheidet, die Steuer bzw. den durch sie bewirkten Preisanstieg in seine Entscheidung miteinbeziehen.<ref name="doering2015">{{Literatur |Autor=Thomas Döring |Titel=Öffentliche Finanzen und Verhaltensökonomik – Zur Psychologie der budgetwirksamen Staatstätigkeit |Datum=2015 |Verlag=Springer |ISBN=978-3-658-09913-8 |DOI=10.1007/978-3-658-09913-8 |Seiten=29, 71–77, 98–99, 247}}</ref>


=== Deutschland ===
=== Deutschland ===

Version vom 16. Februar 2021, 22:27 Uhr

Lenkungsabgabe oder auch Lenkungssteuer ist eine Abgabe, die als Hauptzweck nicht die Erzielung von Einnahmen hat, sondern in erster Linie das Ziel verfolgt, das Verhalten der Abgabepflichtigen in eine bestimmte, vom Gesetzgeber gewünschte Richtung zu lenken.[1] Der Begriff ist nicht scharf abgrenzbar, weil viele Steuergesetze durch ihre Ausgestaltung eine Verhaltenslenkung bewirken, die nicht immer ausdrücklich angestrebt ist (Ausweichreaktionen).[2] Die Pigou-Steuer ist ein Unterfall der Lenkungsabgaben bei negativen externen Effekten.

Ein Beispiel einer Lenkungssteuer ist die Kraftfahrzeugsteuer. Sie ist in Deutschland so ausgestaltet, dass ein Anreiz geboten wird, bei der Neuanschaffung eines Autos ein möglichst schadstoffarmes Modell auszuwählen. Autos mit hohem Schadstoffausstoß hingegen werden auch hoch besteuert. Analog dazu besteht in Österreich für Kraftfahrzeuge die Normverbrauchsabgabe.

Das Steuersystem kann nicht nur die Belastung unerwünschten Verhaltens, sondern auch die Förderung erwünschten Verhaltens durch Steuervergünstigungen vorsehen. So wird zum Beispiel in Deutschland der Verkauf von Büchern mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz belastet und so indirekt subventioniert.[3]

Fiskal- und Lenkungszweck

Mit Entstehung frühneuzeitlicher Staaten waren Steuern Finanzierungsinstrument des Staates, ihre Erhebung war allein mit fiskalischen Zwecken verbunden. Im 18. Jahrhundert erkannte man, dass sich die ohnehin fast immer mit Steuern verbundene ausweichende Wirkung auf Wirtschaftssubjekte für außerfiskalische, lenkende Zwecke einsetzen ließ. In der konkreten Gestaltung von Steuersystemen traten die Lenkungszwecke im 20. Jahrhundert allmählich neben die fiskalischen.[4]

Zwischen Fiskal- und Lenkungszweck gibt es ein Spannungsverhältnis: Der Erfolg beim Lenkungszweck ist bei einer Lenkungssteuer mit einem Misserfolg beim Einnahmeerzielungszweck verbunden. Das Steueraufkommen sinkt, wenn die Steuerpflichtigen sich wie gewünscht verhalten.[4] So ging beispielsweise der Zigarettenkonsum in Deutschland nach der Erhöhung der Tabaksteuer im März 2004 vorübergehend deutlich zurück.

Darüber hinaus besteht bei Lenkungssteuern grundsätzlich das Problem, dass sich ihre Wirkungen nur schwer abschätzen lassen. Falsch eingeschätzte Preiselastizitäten, Steuerüberwälzungen, Gewöhnungs- und Substitutionseffekte können dazu führen, dass die beabsichtigte Lenkungswirkung schwächer oder stärker ausfällt als beabsichtigt.[4] In der Umweltpolitik ist daher, neben dem preisorientierten Instrument der Umweltabgaben, auch der mengenorientierte Ansatz des Emissionshandels verbreitet, der es erlaubt, treffsicher Emissionsmengen zu begrenzen, dafür aber zu zusätzlichen Preisschwankungen führen kann (→ Preis-Standard-Ansatz).

Um überhaupt eine Lenkungswirkung zu erzielen, muss die Steuer merklich sein. D. h., der Steuerträger muss eine durch die Steuer hervorgerufene Preisänderung bemerken und sein Verhalten ändern. Im Beispiel einer Energiesteuer sollte er in den Situationen, in denen er über seinen Energieverbrauch entscheidet, die Steuer bzw. den durch sie bewirkten Preisanstieg in seine Entscheidung miteinbeziehen.[5]

Deutschland

In Deutschland besagt die Legaldefinition von Steuern unter anderem, dass einer ihrer Zwecke die Erzielung von Staatseinnahmen sein muss, dies muss aber nicht Hauptzweck sein (§ 3 AO).[6] Rechtlich ist inzwischen auch durch das Bundesverfassungsgericht geklärt, dass der Zweck der Einnahmeerzielung hinter dem Zweck der Verhaltslenkung zurücktreten darf. Der Lenkungszweck muss in dem der Steuer zugrunde liegenden Gesetz klar erkennbar sein.

Die Einnahmeerzielung kann so lange Nebenzweck sein, wie überhaupt noch eine objektive Ertragsrelevanz der Norm besteht. Das bedeutet, so lange auf jeden Fall mit einem Steueraufkommen gerechnet werden kann, bleibt die Steuereigenschaft erhalten. Eine Lenkungssteuer muss also, wie jede Steuer, dazu geeignet sein Einnahmen zu erzielen; die Lenkungswirkung, auch wenn sie Hauptzweck der Steuer ist, darf die Verwirklichung des fiskalischen Zwecks nicht ganz verhindern. Es ist nicht zulässig, dass das besteuerte Verhalten vollständig erdrosselt wird, der besteuerte Tatbestand nicht mehr eintritt und das Steueraufkommen deswegen auf Null sinkt.[6]

Zwar darf im Einzelfall die Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen überschritten werden, die Steuerhöhe darf aber nicht dazu führen das generell die meisten potentiell Steuerpflichtigen aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sind ihre besteuerte Tätigkeit ganz einzustellen. Die Lenkungssteuer soll unerwünschtes – etwa umweltschädliches – Verhalten beschränken, darf aber kein faktisches Verbot für den „durchschnittlichen Steuerpflichtigen“ mittels Steuergesetzgebung sein. Eine solche Erdrosselungssteuer wäre verfassungswidrig (Erdrosselungsverbot).[6]

Der Lenkungszweck kann nur der Rechtfertigung einer Steuer dienen, wenn sie auch zur Lenkung geeignet ist. Das wäre zum Beispiel dann nicht der Fall, wenn es keine Ausweichmöglichkeiten gibt.[4]

Einnahmenverwendung

Staatsfinanzierung

In der Regel dienen die Einnahmen aus Lenkungssteuern der Staatsfinanzierung und fließen in den allgemeinen Haushalt.

Rückvergütung

Es gibt Lenkungsabgaben, wie z. B. die VOC-Abgabe in der Schweiz, deren Ertrag vollumfänglich an die Bevölkerung verteilt wird. In diesem Fall fällt der Einnahmeerzielungszweck weg. Idealziel einer Rückvergütung ist die Schaffung von positiven Anreizen: Man belohnt Leute, die sich im gewünschten Sinne verhalten, die verfügbaren Einkommen werden erhöht. Eine Rückverteilung von Lenkungssteuern wird oft auch als steuerliche Subvention bezeichnet. Ob diese Bezeichnung sinnvoll ist, hängt davon ab, ob man darunter nur direkte Transfers öffentlicher Mittel an Private versteht oder auch den Verzicht des Staates auf Einnahmen zur Förderung von Kaufkraft und Arbeitsplätzen (Doppelte Dividende).

Im offiziellen Sprachgebrauch der deutschen Bundesregierung werden solche Einnahmeverzichte als „subventionsähnliche Tatbestände“ bezeichnet.[7] Im Unterschied zu den fiskalischen Steuern (wie Einkommens- und Umsatzsteuer), die hauptsächlich zur Finanzierung der Staatsaufgaben dienen, soll mit der Lenkungssteuer Konsumverhalten gelenkt werden. Die Alkopopsteuer als Sondersteuer etwa leistet indirekt einen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge und damit zum Gemeinwohl, weil Jugendliche wegen des hohen Preises weniger gesundheitsschädliche Produkte konsumieren.[1]

Beispiele

Dem Zweck des Gesundheitsschutzes dienen Zuckersteuern oder Alkopopsteuern. Zum Zweck des Umweltschutzes werden zum Beispiel Luftverkehrabgaben oder Abfallabgaben erhoben.

Deutschland

Zu den wichtigsten Lenkungssteuern in Deutschland zählen die Mineralölsteuer, die dem Umweltschutz dienen soll, und die Tabaksteuer, deren Hauptzweck der Gesundheits- und Jugendschutz ist. Mitte der 2000er Jahre betrug das Aufkommen aus der Mineralölsteuer um die 40 Mrd. Euro, das aus der Tabaksteuer ging gegen 15 Mrd. Euro. Das Steueraufkommen steht dem Bund zu (→ Bundessteuer). Eine Untersuchung des Finanzwissenschaftlichen Instituts Köln kam zu dem Ergebnis, dass Anhebungen der Tabaksteuer, besonders kurz nach der Erhöhung, einen deutlichen Lenkungseffekt auslösten. Hinsichtlich der Mineralölsteuer konnte des Institut keine deutlichen Lenkungswirkung bis 1998 feststellen, nach Erhöhungen kam es zu leichten Nachfragerückgängen, sonst aber wuchs der Verbrauch kontinuierlich. Nach der Erhöhung im Zuge der ökologischen Steuerreform 1999 kam es dann zu länger anhaltenden Nachfragerückgängen.[3]

Den Ländern fließen die Einnahmen aus der Biersteuer (Gesundheits- und Jugendschutz, Aufkommen Mitte der 2000er Jahre unter 800 Mio. Euro, mit fallender Tendenz) und der Wettsteuer (Jugendschutz, Aufkommen um 1,8 Mrd. Euro) zu.[3]

Schweiz

In der Schweiz gibt es eine Reihe von Lenkungsabgaben, die dem Umweltschutz dienen sollen, darunter die VOC-Abgabe oder die CO2-Abgabe auf Brennstoffe.

Abgaben auf Plastik und Plastiksteuer

Nach den Erfolgen bei lenkungswirkenden Abgaben auf Plastiktüten in Irland, der Verantwortung bei der Vermüllung der Weltmeere durch Plastik und den sich erhöhenden Werten von Mikroplastik in Böden, Flüssen und Seen wird eine Plastiksteuer mit Lenkungswirkung erwogen. In der von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger im Herbst 2017 vorgeschlagenen EU-weiten Steuer auf Plastik auch wegen der Verbreitung von Plastikmüll sehen Kritiker wie der Erste Vizepräsident der Kommission Frans Timmermans die „Absicht, dass die Leute das nicht mehr verwenden“; die Einnahmen würden in einer perfekten Welt sinken, wären also nicht dauerhaft zur Finanzierung der EU geeignet. Mit einer Plastikstrategie der EU sollen als Alternative bis zum Jahr 2030 sämtliche Plastikprodukte recyclingfähig werden. Die deutsche Bundesumweltministerin Svenja Schulze bevorzugte eine Steuerung mit dem neuen Verpackungsgesetz zu mehr Abfallvermeidung, mehr Recycling und den Bewusstseinswandel der Verbraucher. Der Bundesvorsitzende der Grünen und ehemalige Umweltminister in Schleswig-Holstein Robert Habeck sprach sich für eine Steuer mit Lenkungswirkung und gegen die bisherige steuerliche Begünstigung bei der Produktion von Kunststoffen aus,[8] sieht hier einen Ausgleich der Einnahmeverluste des Staates von mindestens 780 Millionen Euro. Anstatt von Appellen und einer Privatisierung von Politik gebe es eine Pflicht der Regierung.[9] Der deutsche Entwicklungsministers Gerd Müller sah ebenfalls Handlungsbedarf des Gesetzgebers, sei es in Form einer Plastiksteuer oder reduzierter Mehrwertsteuersätze für Recycling-Plastik.[10]

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. a b Arbeitsblatt-Lenkungsteuer: Konsum lenken und Gesundheit schützen Bundesfinanzministerium/AG Jugend und Bildung e.V. (PDF) April 2007, abgerufen 14. Juli 2013
  2. Zu Einzelheiten Simon Kempny, Steuerrecht und Verfassungsrecht, StuW 2014, S. 185 (188).
  3. a b c Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.): Das Aufkommen und die Wirkungsweise von Lenkungssteuern und Steuervergünstigungen in Deutschland. WD 4 – 048/07, 2007 (bundestag.de [PDF; 195 kB]).
  4. a b c d Stefan Grunow: Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Steuerlast und Steuererhebung (= Recht der Steuern und der öffentlichen Finanzordnung. Band 15). Nomos, 2018, ISBN 978-3-8452-9144-4, S. 37–49.
  5. Thomas Döring: Öffentliche Finanzen und Verhaltensökonomik – Zur Psychologie der budgetwirksamen Staatstätigkeit. Springer, 2015, ISBN 978-3-658-09913-8, S. 29, 71–77, 98–99, 247, doi:10.1007/978-3-658-09913-8.
  6. a b c Henning Tappe, Rainer Wernsmann: Öffentliches Finanzrecht. C. F. Müller, 2019, ISBN 978-3-8114-9174-8, §4 Staatliche Einnahmen.
  7. 19. Subventionsbericht der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 15/1536 (PDF; 2,6 MB, S. 16)
  8. Umweltministerin Schulze lehnt Plastiksteuer ab, Die Zeit, 11. Mai 2018
  9. Robert Habeck und Oliver Krischer: Umweltschutz - Weg vom Wegwerfplastik, hin zur grünen Chemiewende!, Der Tagesspiegel, 22. Mai 2018.
  10. Minister Müller offen für Plastiksteuer. In: Süddeutsche Zeitung – sz.de. 17. Mai 2018, abgerufen am 10. Oktober 2020.