Andreas Theißen

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Andreas Theißen (* 1972 in Berlin) ist ein deutscher Kommunalpolitiker (NPD) und Rechtsextremist. Er war zeitweise stellvertretender Leiter des Bundesordnungsdienstes seiner Partei. Derzeit fungiert er als Büroleiter von Udo Pastörs und Stadtvertreter in Lübtheen. Sein langjähriges Engagement in der Neonazi-Szene und mehrere Strafverfahren machten ihn überregional bekannt.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theißen war von 1992 bis 1994 Funktionär („Unterführer“) der mittlerweile verbotenen neonazistischen Wiking-Jugend.[1][2] Er nahm an Veranstaltungen[3] in der Lüneburger Heide teil und pflegte Kontakte zur Nationalistischen Front, so der NPD-Verbotsantrag der Bundesregierung von 2001. In den 1990er Jahren gehörte er einer Wehrsportgruppe um Gerd Ulrich an.[4] Wegen des Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz wurde er 1999 vom Amtsgericht Hagenow zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf Bewährung verurteilt.[5]

Er stand mit seiner in der Szene aktiven Familie[6][3] in Kontakt mit dem mittlerweile verbotenen neonazistischen Verein Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) und organisierte[7] dort Zeltlager. Die völkische-nationale Erziehung von Kindern in dieser Region sorgte für überregionales Medieninteresse.[8] Röpke stellte nach jahrelangen Recherchen zu Theißens Engagement in der HDJ fest, sie wollten mit ihrer „nationalistische[n], antidemokratische[n] Bildungsdressur [...] die Kader von morgen schulen.“[5] Nach der Historikerin Sandra Pingel-Schliemann und dem Sozialpädagogen Karl-Georg Ohse (2006) sei Theißen ein „bundesweit bekannte[r] Neonazi[]“.[9]

2008 wurde Theißen vom Amtsgericht Schwerin wegen Körperverletzung und Nötigung – er griff als Mitglied des Ordnungsdienstes einen NDR-Kameramann an –[10][11] zu einer Geldstrafe i.H.v. 1.000 Euro verurteilt. Die Berufung vor dem Landgericht Schwerin wurde 2009 zurückgewiesen.[12] Zeitweise war Theißen unter Manfred Börm[13] stellvertretender Leiter des Bundesordnungsdienstes der Partei.[14] Er trat wiederholt bei, zum Teil in Verfassungsschutzberichten erwähnten Demonstrationen, etwa gemeinsam mit Jürgen Gansel, René Despang und Udo Pastörs bei der Spontandemo „Willkür durch Polizei und Justiz“ der Jungen Nationaldemokraten (JN) auf.[15]

Theißen engagierte sich in der Vergangenheit bei Wahlkämpfen[16] u. a. der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2006 im Wahlkreis Parchim II (5,8 Prozent der Erststimmen)[2] und im Jahr 2011 im Wahlkreis Ludwigslust III (6,2 Prozent der Erststimmen). Er gilt als Weggefährte der NPD-Funktionäre Udo Pastörs und Stefan Köster; er war NPD-Kreisvorsitzender[17] Westmecklenburg und ist angestellter[11] Wahlkreisbüroleiter[5] von Udo Pastörs,[18] dem Fraktionsvorsitzenden der NPD im Landtag Mecklenburg-Vorpommern, in Lübtheen. Bei den Kommunalwahlen in Mecklenburg-Vorpommern 2009[14] wurde er in den Stadtrat von Lübtheen gewählt.[19] 2014 konnte er sich erneut einen Platz sichern, fungiert seitdem als Vorsitzender der zweiköpfigen Fraktion (mit der Ehefrau von Pastörs) und ist in mehreren Ausschüssen vertreten.[20] Er gilt als ein Beispiel für das neue „Kümmerer“-Image der Partei.[21]

Er war Mitinitiator des Pegida-Ablegers MVgida[22], der mittlerweile vom Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern beobachtet wird[23]. Bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2016 kandidiert er auf Listenplatz 6 seiner Partei.[24]

Theißen, gelernter Zimmermann und Forstwirt, ist mit der Tochter Birkhild des Verlegers Uwe Berg (Uwe Berg-Verlag)[3][25] aus Toppenstedt verheiratet, ist Vater von sechs Kindern und lebt seit 1999 in Lübtheen in Mecklenburg-Vorpommern.[2] Er arbeitet als Zimmermann, Baumpfleger und Baumkontrolleur.[26] Die Ansiedlung von NPD-Kadern in Norddeutschland sei Teil einer Strategie des „nationalen Widerstand[s]“, so Beobachter.[27]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Arne Lehmann: Region Lübtheen. In: Hubertus Buchstein, Gudrun Heinrich (Hrsg.): Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Demokratie und Rechtsextremismus im ländlichen Raum (= Wochenschau Wissenschaft). Wochenschau Verlag, Schwalbach 2010, ISBN 978-3-89974-578-8, S. 247 ff.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Andrea Röpke: Heimlich, still und leise. Wie NPD-Aktivisten in der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) Kinder zu Neonazis erzieht. In: Mathias Brodkorb, Volker Schlotmann (Hrsg.): Provokation als Prinzip. Die NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Adebor Verlag, Banzkow 2008, ISBN 978-3-9809375-5-9, S. 104.
  2. a b c Arne Lehmann: Region Lübtheen. In: Hubertus Buchstein, Gudrun Heinrich (Hrsg.): Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Demokratie und Rechtsextremismus im ländlichen Raum (= Wochenschau Wissenschaft). Wochenschau Verlag, Schwalbach 2010, ISBN 978-3-89974-578-8, S. 265.
  3. a b c Andrea Röpke, Andreas Speit: Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene. Links, Berlin 2011, ISBN 978-3-86153-615-4, S. 212.
  4. Zeitleiste Rechtsterrorismus. Dossier Rechtsextremismus, Bundeszentrale für politische Bildung, 27. August 2013.
  5. a b c Andreas Speit: „Auf kommunaler Ebene Ausgrenzung unterlaufen“. Kommunale Dominanzbemühungen der NPD in Regionen von Mecklenburg-Vorpommern. In: Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15911-9, S. 232.
  6. Andrea Röpke: Heimlich, still und leise. Wie NPD-Aktivisten in der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) Kinder zu Neonazis erzieht. In: Mathias Brodkorb, Volker Schlotmann (Hrsg.): Provokation als Prinzip. Die NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Adebor Verlag, Banzkow 2008, ISBN 978-3-9809375-5-9, S. 110.
  7. Arne Lehmann: Region Lübtheen. In: Hubertus Buchstein, Gudrun Heinrich (Hrsg.): Rechtsextremismus in Ostdeutschland. Demokratie und Rechtsextremismus im ländlichen Raum (= Wochenschau Wissenschaft). Wochenschau Verlag, Schwalbach 2010, ISBN 978-3-89974-578-8, S. 286.
  8. Marie Schumann: Hilfe und Hetze. Zeit Online, Nr. 20, 7. Mai 2008.
  9. Sandra Pingel-Schliemann, Karl-Georg Ohse: Der Wahlerfolg der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. In: Deutschland Archiv, 39 (2006) 6, 968 (969).
  10. Thomas Niehoff, Andrea Röpke: »Der gelenkte Mob«. In: Andrea Röpke, Andreas Speit (Hrsg.): Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft. 3. Auflage, Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-564-5, S. 205.
  11. a b Andrea Röpke, Andreas Speit: Mädelsache! Frauen in der Neonazi-Szene. Links, Berlin 2011, ISBN 978-3-86153-615-4, S. 213.
  12. dpa: Richterin lehnt Berufung ab. In: Nordkurier, 9. Juli 2009.
  13. Andrea Röpke: Brauner Wachdienst. Blick nach Rechts, 4. Juli 2007.
  14. a b Oliver Cruzcampo: Andreas Theißen – die rechte Hand Udo Pastörs´ (Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.endstation-rechts.de. Endstation Rechts, 13. Dezember 2010.
  15. Bundesministerium des Innern (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2008. 2. Auflage, Berlin 2013, S. 98.
  16. Thomas Niehoff: Von nationaldemokratischen Kreidefressern. Über Gewalt, Angsträume und die NPD. In: Mathias Brodkorb, Volker Schlotmann (Hrsg.): Provokation als Prinzip. Die NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Adebor Verlag, Banzkow 2008, ISBN 978-3-9809375-5-9, S. 124.
  17. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2013. 2. Auflage, Schwerin 2014, S. 70.
  18. Marc Brandstetter: „Das Finanzwesen der NPD – Wie die Demokratie ihre Feinde finanziert“. In: Ministerium des Innern des Landes Brandenburg (Hrsg.): Verfassungsfeinde und das Kapital. Finanzströme im Rechtsextremismus. Dresden 2012, S. 37.
  19. Marc Brandstetter: Mit Bratwurst und Kuchen gegen das verhasste „System“. Die gesellschaftliche Verwurzelung des Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern In: Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (Hrsg.): Rechtsextremismus zwischen „Mitte der Gesellschaft“ und Gegenkultur. Dresden 2013, S. 54.
  20. Jetzt geht es an die Arbeit. In: Schweriner Volkszeitung, Ausgabe Hagenow, 1. Juli 2014, S. 11.
  21. Dominik Cziesche, Gunther Latsch, Conny Neumann, Irina Repke, Steffen Winter: Die netten Rechten. In: Der Spiegel, 29. Mai 2006, Nr. 22, S. 40 f.
  22. Rike Schröder: Aggressive Fremdenfeinde. Blick nach Rechts, 19. Juli 2016.
  23. Marc Brandstetter: Landesverfassungsschutz beobachtet NPD-Tarnorganisation Mvgida (Memento des Originals vom 8. August 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.endstation-rechts.de. Endstation Rechts, 27. Januar 2016.
  24. Marc Brandstetter: Warum die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern über das Schicksal der NPD entscheidet. Vorwärts/Blick nach Rechts, 20. Juli 2016.
  25. Antwort der Landesregierung Niedersachsen auf eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Pia-Beate Zimmermann (LINKE) vom 5. Juli 2012: Völkische Brauchtumsfeste und NS-nahes Versandantiquariat, Niedersächsischer Landtag, Drucksache 16/5103, 9. August 2012, S. 1 f.
  26. Andrea Röpke: Immobilienkäufe durch Rechtsextremisten. In: Stephan Braun, Alexander Geisler, Martin Gerster (Hrsg.): Strategien der extremen Rechten. Hintergründe – Analysen – Antworten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-531-15911-9, S. 253.
  27. Philipp Wittrock: Siegeszug der braunen Siedler. Spiegel Online, 26. September 2009.