Anouk Ricard

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Anouk Ricard mit dem Spezialpreis der Jury beim Comicfestival von Angoulême (2023)

Anouk Ricard (* 28. Dezember 1970 in Istres) ist eine französische Illustratorin, Comicautorin und Animatorin. Hauptsächlich auf dem Gebiet des Bilderbuchs und Comics tätig, verfasste und illustrierte sie über 40 Werke, die teilweise in mehrere Sprachen übersetzt wurden.

Ricards humoristische Arbeiten zeichnen sich durch bunte Farben sowie einen kindlichen, oftmals als „naiv“ bezeichneten Stil aus.[1][2][3] Ihre von anthropomorphen Charakteren bevölkerten Kinderbücher und Comics sind dem „Funny Animals“-Genre zuzuordnen.

Für ihr Comic-Debüt Anna und Froga (2004–2012) und die einbändige Abenteuergeschichte Patti et les fourmis (2010) erhielt sie insgesamt drei Nominierungen für den Jugendpreis des Comicfestivals Angoulême. Ihre Arbeitswelt-Satire Coucous Bouzon (2011) wurde mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Prix BD der Libération und dem dBD Award in der Kategorie „Bestes humoristisches Buch“.[4][5] Für ihr Gesamtwerk erhielt Ricard 2018 den Prix Schlingo.[6]

Die Redaktion der französischen Ausgabe von GQ zählte Ricard zu den „25 lustigsten Französinnen“ 2014.[7]

Nur ein Bruchteil ihres Gesamtwerks erschien bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt in deutscher Übersetzung: Einzelne Beiträge wurden in den Comicmagazinen Strapazin und Orang (die Science-Fiction-Persiflage Planet) publiziert, zudem brachte Le Monde Diplomatique einen ganzseitigen Strip (Ducky Coco). Auch in der Anthologie Asterix – Die Hommage war Anouk Ricard vertreten. Als Alben kamen bislang die ersten zwei Bände von Anna und Froga bei Reprodukt sowie die Comicstrip-Sammlung Die Experten (für alles) in der Edition Moderne heraus.

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die aus Südfrankreich stammende Anouk Ricard studierte zwei Jahre an der Kunsthochschule von Aix-en-Provence.[8] An der Straßburger Kunsthochschule (heute Teil der Haute école des arts du Rhin) erwarb sie im Jahre 1995 ihr Illustrationsdiplom.[9] Sie zog nach Marseille und widmete sich vorwiegend der Illustration von Bilderbüchern. Zu ihren ersten Arbeiten zählen das zusammen mit Geneviève Noël geschaffene Kinderbuch Charlotte la marmotte (1999) und das in Kollaboration mit Elsa Devernois entstandene En route, Zoé ! (1999). Ende 1999 entstand unter dem Namen Les Aventures de Pafy, Pouly, Catty, Blatty auch Ricards erstes eigenes Bilderbuch.

Nach ihrer Rückkehr nach Straßburg im Jahr 2004 begann Ricards Arbeit bei Capsule Cosmique, einer für Kinder und Jugendliche geschaffenen Comic-Zeitschrift. In dem vergleichsweise erfolgreichen, aber kurzlebigen und 2006 wieder eingestellten Magazin feierte sie mit Anna und Froga (bzw. Anna et Froga im französischen Original) ihr Comic-Debüt.[10][11] Ihre von den Alltagserlebnissen eines Mädchens und ihrer vermenschlichten Tierfreunde erzählende Reihe wurde ab 2007 vom Pariser Verlagshaus Sarbacane neu aufgelegt und bis 2012 fortgesetzt. Die Reihe gehört zu den bekanntesten Werken der Autorin und wurde unter anderem ins Spanische, Italienische und Englische übersetzt.

Anouk Ricard mit ihrem Hund Pedro auf dem Arm
Ricard mit ihrem Hund Pedro (2010)

2010 erschien Ricards einbändiger Kindercomic Patti et les fourmis, der wieder eine weibliche Hauptfigur hatte und sich um die Abenteuer eines auf Insektengröße geschrumpften Grundschulmädchens drehte. Mit dem an die Fernsehkrimiserie Derrick angelehnten episodenhaften Comic Commissaire Toumi (2008) und ihrer mehrfach ausgezeichneten Büro-Satire Coucous Bouzon (2011) richtete sich Ricard an ein älteres Publikum.

Weitere Erwachsenen-Comics erschienen in unterschiedlichen Verlagen: 2013 brachte Les Requins Marteaux Ricards Porno-Parodie Planplan culcul heraus. 2012 und 2017 veröffentlichte der Verlag Cornelius die auf echten Pressemeldungen basierenden[12] Comicstrip-Sammelbände der Reihe Faits divers.

In Zusammenarbeit mit dem französischen Autor Christophe Nicolas entstanden 2017 und 2018 vier Kinderbücher: Princesse caca, Coco bagarre, Mimi commande und Ouin-ouin chagrin.

Es folgten außerdem Kollaborationen mit dem Künstler und Illustrator Étienne Chaize sowie die per Crowdfunding finanzierten Comicbuchprojekte Anouk Ricard.jpg (2019) und Animan (2022). Als Animatorin beteiligte sich Ricard beispielsweise 2006 an einer Episode der auf M6 ausgestrahlten Fernsehsendung Avez-vous déjà vu..? und der mehrteiligen Hip-Hop-Dokumentation Lost in California aus dem Jahre 2022.[13][14][15][16]

Die Autorin lebt gegenwärtig in Lyon und hat einen Hund namens Pedro.[12] Mit ihrem Ehemann, dem Berufsmusiker Franceso Rees, komponierte sie zwischenzeitlich unter dem Namen Frouky auch elektronische, französischsprachige Lieder.[17]

Vorbilder und Einfluss[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während des Brooklyn Comics and Graphics Festivals in New York wurde Ricard 2012 zu ihren eigenen Vorbildern befragt: Neben ihrer Verehrung für die Peanuts von Charles M. Schulz bezeichnete die Comiczeichnerin Quinos Malfalda und die deutsch-japanische Zeichentrick-Fernsehserie Die Biene Maja als Inspiration.[18] Als weitere Einflüsse nannte sie auch Klassiker des frankobelgischen Comics wie Asterix, Lucky Luke, Albert Enzian und die Schlümpfe.[19][20]

Im Hinblick auf ihren eigenen Humor nannte sie Daniel Goossens und die Werke des absurdistischen Comicautors Pierre La Police als Vorbilder.[21] Zu ihren beliebtesten jüngeren Autoren zählte sie beispielsweise den australischen Comickünstler Simon Hanselmann und Antoine Marchalot.[12]

Anouks Arbeiten hatten wiederum Einfluss auf andere Kunst- und Kulturschaffende: Anlässlich der Veröffentlichung seines Comics Die Vögel - fliegen hoch! meinte Tocotronic-Schlagzeuger Arne Zank, „bei den Kinderbüchern ist Anouk Ricard das Schönste, was ich je gesehen habe“.[22]

Der belgische Illustrator Léo Gillet und die französische Kreativschaffende Jenny Lelong bezeichneten Anouk Ricard als Inspiration.[23][24] Nando von Arb, seines Zeichens Illustrator und Autor der Graphic Novel Drei Väter, gab in einem Interview an, Comics von Ricard zu lesen.[25] Auch der französische Kinderbuch-Autor Marc Boutavant bezeichnete die Autorin als Einfluss für seine eigenen Werke.[26]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Verleihung des Prix Schlingo an Ricard für ihr Comicbuch Fait Divers 2 und ihr Gesamtwerk (2018)

Anna et Froga: Tu veux un chwingue ? (zu Deutsch Anna und Froga: Kaugummi?), der erste Band ihrer Kindercomic-Reihe, wurde 2008 auf dem Internationalen Comicfestival von Angoulême von einer Jury aus Kindern und Jugendlichen zwischen neun und 14 Jahren für den Jugendpreis des Festivals nominiert. Im Folgejahr erhielt auch der zweite Band diese Nominierung.[27]

Mit Patti et les fourmis kam Ricard 2011 erneut auf diese Auswahlliste.[28] 2012 wurde Coucous Bouzon für den Prix du meilleur album (zu Deutsch Preis für das beste Album), die „Königskategorie“ des Angoulême-Festivals, nominiert.[29] Coucous Bouzon wurde 2012 mit dem Prix BD, dem Publikumspreis der französischen Tageszeitung Libération, prämiert.[30] Weiterhin erhielt der Band den in Zusammenarbeit des Comicfestivals von Angoulême und dem Französischen Institut von Krakau organisierten Sonderpreis „Le choix polonais“ (zu Deutsch „Die polnische Wahl“).[31]

Für ihre Comicstrip-Sammlung Faits divers 2 im Speziellen und ihr Gesamtwerk im Allgemeinen wurde die Autorin 2018 mit dem Prix Schlingo ausgezeichnet.[32]

Im Jahr 2023 erhielt Ricard beim Comicfestival von Angoulême den Spezialpreis der Jury für ihren Einzelband Animan.[33]

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Comicbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Anna und Froga“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Anna et Froga : Tu veux un chwingue ?, Sarbacane, Oktober 2007
    • Anna und Froga: Kaugummi?, Reprodukt, November 2015 (Dt. Ausgabe)
  • Anna et Froga : Qu'est-ce qu'on fait maintenant ?, Sarbacane, Mai 2008
    • Anna und Froga: Und was jetzt?, Reprodukt, März 2016 (Dt. Ausgabe)
  • Anna et Froga : Frissons, fraises et chips, Sarbacane, Mai 2009
  • Anna et Froga : Top niveau, Sarbacane, Oktober 2010
  • Anna et Froga : En vadrouille, Sarbacane, April 2012
  • Anna et Froga : L'intégrale !, Sarbacane, Oktober 2014 (Sammelband)

„Fait Divers“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Faits divers, Cornelius, September 2012
  • Faits divers 2, Cornelius, Oktober 2017

„Les Expertes (en tout)“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Les Experts (en tout), Casterman, Januar 2015
  • Les Experts (en tout): Tome 2, Casterman, Januar 2018
    • Die Experten (für alles), Edition Moderne, Oktober 2021 (unvollständige dt. Sammelausgabe)

Einzelbände[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Commissaire Toumi, Sarbacane, Oktober 2008
  • Patti et les fourmis, Gallimard Jeunesse, Januar 2010
  • Coucous Bouzon, Gallimard Jeunesse, September 2011
  • Planplan culcul, Les Requins Marteaux, November 2013
  • Anouk_Ricard.jpg, L’Articho, November 2019
  • Boule de feu (mit Étienne Chaize), Éditions 2024, Juni 2021
  • Animan, Exemplaire Editions, September 2022

Bilderbücher (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Charlotte la marmotte (mit Geneviève Noël), Nathan Jeunesse, Februar 1999
  • En route, Zoé ! (mit Elsa Devernois), Epigones, März 1999
  • Le Zoo de Zoé (mit Elsa Devernois), Epigones, Oktober 1999
  • Les Aventures de Pafy, Pouly, Catty, Blatty, Editions du Rouergue, September 1999
  • Comme un grand, Editions du Rouergue, November 2010
  • Dame Tartine, Editions Milan, September 2010
  • Dansons la capucine, Casterman, April 2012
  • Princesse caca (mit Christophe Nicolas), Les Fourmis Rouges, April 2017
  • Coco bagarre (mit Christophe Nicolas), Les Fourmis Rouges, April 2017
  • Ouin-Ouin chagrin (mit Christophe Nicolas), Les Fourmis Rouges, Mai 2018
  • Mimi commande (mit Christophe Nicolas), Les Fourmis Rouges, Mai 2018

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Anouk Ricard – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kurzbiografie von Anouk Ricard. In: cornelius.fr. Abgerufen am 28. September 2022 (französisch).
  2. Dessine-moi Le Lac des cygnes (Memento vom 17. Oktober 2021 im Internet Archive)
  3. The Weekender: Brace yourselves my little piglets, here's The Weekender. In: It's Nice That. 30. August 2013, abgerufen am 28. September 2022 (englisch).
  4. Maroulf: DBD Awards 2011. In: generationbd.com. 7. Januar 2010, abgerufen am 1. November 2022 (französisch).
  5. Le palmarès des dBD Awards 2011. In: toutenbd.com. 7. Januar 2010, abgerufen am 1. November 2022 (französisch).
  6. Biografischer Abriss über Anouk Ricard. In: Edition Moderne. Abgerufen am 28. September 2022.
  7. Thibaud Michalet, Gonzague Dupleix, Antoine Jaillard, Jacques Braunstein: Les 25 françaises les plus drôles. In: gqmagazine.fr. 21. Mai 2014, abgerufen am 1. November 2022 (französisch).
  8. Ricard, Anouk. In: firn-frontignan.fr. Abgerufen am 8. November 2022 (französisch).
  9. Auteur : Anouk Ricard. In: bdtheque.com. Abgerufen am 9. November 2022 (französisch).
  10. Liste aller „Capsule Cosmique“-Magazine, 2004-2006. In: BDGest. Abgerufen am 28. September 2022 (französisch).
  11. Anouk Ricard / Anna e Froga. In: bilbolbul.net. 2014, abgerufen am 1. November 2022 (englisch).
  12. a b c Milie: Coups de cœur BD made in Lyon – épisode 3. In: citycrunch.fr. 10. Oktober 2017, abgerufen am 1. November 2022 (französisch).
  13. Patricia Lucas: Anouk Ricard. In: patricia-lucas.com. Abgerufen am 1. November 2022 (französisch).
  14. IMDb-Eintrag zur Ricards Animationsarbeit bei „Avez-vous déjà vu..?"“ In: imdb.com. Abgerufen am 1. November 2022 (englisch).
  15. Lost in California. In: arte.tv. 2022, abgerufen am 1. November 2022.
  16. Lost in California: 1. und 2. Staffel. In: arte.tv. 2022, abgerufen am 1. November 2022.
  17. Morgan Di Salvia: « L’important c’est l’histoire qu’on raconte ». In: ActuaBD. 9. Juli 2009, abgerufen am 28. September 2022 (französisch).
  18. Villa Albertine: 'Espresso Interviews' with Anouk Ricard auf YouTube, 14. November 2012, abgerufen am 8. Januar 2023 (englisch; An Interview with Anouk Ricard Author of 'Anna and Froga').
  19. Romain Gallissot: Anouk Ricard dans le grand monde des petits. In: BoDoï. 24. Februar 2010, abgerufen am 24. Oktober 2022 (französisch).
  20. Zu Asterix siehe auch Anouk Ricard: Sa vie / Son œuvre / Son Astérix, in: Générations Astérix, Editions Albert René / Goscinny-Uderzo, 2019, S. 42 f. Die gekürzte deutsche Ausgabe des Sammelbandes enthält Anouk Ricards Comic, nicht jedoch den Kommentar der Autorin (Asterix – Die Hommage, Editions Albert René / Goscinny-Uderzo / Egmont Ehapa, 2019, S. 25).
  21. Marc A. Bertin: Maximale vis comica. In: junkpage.fr. 30. September 2022, abgerufen am 24. Oktober 2022 (französisch).
  22. „Alles Selbstbewusste, Professionelle, Fingerfertige stößt mich ab“. In: comic.de. 4. August 2021, abgerufen am 1. November 2022.
  23. Markéta Kosinová: Quaint Moments. In: swarmmag.com. 21. Dezember 2020, abgerufen am 1. November 2022 (englisch).
  24. Nick Rowan: Illustrator Jenny Lelong (Niniwanted) creates colorful works with a “naive pop” style. In: tinyworkshops.com. 16. Oktober 2021, abgerufen am 1. November 2022 (englisch).
  25. Nando von Arb: Rons Comic im Mai: Nando von Arb. In: ronorp.net. 3. Mai 2021, abgerufen am 1. November 2022.
  26. Anita Loughrey: SCBWI Bologna 2008 Author-Illustrator Interview: Marc Boutavant. In: cynthialeitichsmith.com. Januar 2008, abgerufen am 1. November 2022 (englisch).
  27. Damien Canteau: Anna et Froga, l'intégrale. 10. Oktober 2014, abgerufen am 28. September 2022 (französisch).
  28. Laurence Le Saux: Le Festival d’Angoulême dévoile son cru 2011. In: telerama.fr. 8. Dezember 2020, abgerufen am 1. November 2022 (französisch).
  29. Benjamin Roure: Angoulême 2012 : la sélection officielle. In: bodoi.info. 6. Dezember 2011, abgerufen am 1. November 2022 (französisch, Der Preis ging in diesem Jahr an Guy Delisle und seinen journalistischen Comicband „Chroniques de Jérusalem“).
  30. L’auteur / illustrateur Anouk Ricard. In: seuiljeunesse.com. Abgerufen am 1. November 2022 (französisch).
  31. Anouk Ricard « Les Bobies ». In: Transposition. Oktober 2022, abgerufen am 1. November 2022 (englisch).
  32. Romain Gallissot: Anouk Ricard, un prix et une nouveauté pour démarrer l’année ! In: bodoi.info. 6. Februar 2018, abgerufen am 1. November 2022 (französisch).
  33. Dean Simons: AWARDS ROUNDUP: Angoulême Awards 2023. In: comicsbeat.com. 15. Februar 2023, abgerufen am 24. April 2024 (englisch).