Benutzer:Wilhelm-Conrad/Baustelle/Zentrifugalkraft

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Ein Passagier in einem rotierenden Kettenkarussell wird durch die Zentrifugalkraft nach außen gedrängt.

Die Zentrifugalkraft (von lateinisch centrum, Mitte und fugere, fliehen), auch Fliehkraft, ist eine Trägheitskraft, die radial von der Rotationsachse nach außen gerichtet ist. Sie wird durch die Trägheit des Körpers verursacht. Die Auswirkungen des ersten newtonsches Gesetzes sind im Alltag vielfach erlebbar, beispielsweise wenn beim Kettenkarussell die Sitze nach außen gedrängt werden, die Wäsche in der Wäscheschleuder trockener wird, oder sich der Zweiradfahrer „in die Kurve legen“ muss. Die Zentrifugalkraft ergibt sich aus der Zentrifugalbeschleunigung durch Multiplikation mit der Masse.

Die Zentrifugalkraft kann mit zwei unterschiedlichen Konzepten gedeutet werden:

Im mitrotierenden Bezugssystem mit Ursprung auf der Rotationsachse (z. B. auf einem Karussell) erscheint die Fliehkraft nach außen gerichtet. Wenn auf ein Objekt eine Kraft entgegengesetzter Richtung und gleichen Betrags, die Zentripetalkraft, einwirkt (z. B. durch einen Sitz auf dem Karussell), bleibt es in diesem Bezugssystem in Ruhe.

In einem Inertialsystem erkennt man, dass die nach innen gerichtete Zentripetalkraft auf das Objekt einwirkt, was ihn auf der Kreisbahn hält. Die Kreisbewegung ist eine beschleunigte Bewegung. Der Widerstand, den das Objekt aufgrund seiner Trägheit der Zentripetalkraft entgegensetzt, erscheint als Zentrifugalkraft.

Der Betrag der Zentrifugalkraft und der Zentripetalkraft ist

Dabei ist die Winkelgeschwindigkeit der Rotation. ist die Masse des Objekts. Und ist der Abstand zwischen der Rotationsachse und dem Objekt (und damit hier der lokale Krümmungsradius der Bahn des Objekts). Die (Bahn-) Geschwindigkeit des Objekts im Inertialsystem ist . Damit ist [1]

Daraus folgt z. B., dass bei einer Kurvenfahrt, bei der eine bestimmte Zentrifugalkraft nicht überschritten werden darf (z. B. weil sonst die Spur nicht mehr gehalten werden könnte), die höchste Bahngeschwindigkeit außen und die höchste Winkelgeschwindigkeit innen erreicht werden kann.


Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zentrifugalkraft wurde erstmals 1669 in einem Brief von Christian Huygens an den Sekretär der Royal Society Henry Oldenbourg abgeleitet, auch in dessen Horologium Oscillatorium von 1673 ohne Ableitung erwähnt und ausführlich in dessen nachgelassener Schrift von 1703 De Vis Centrifuga (aus dem Jahr 1659). Isaac Newton beschrieb die Zentrifugalkraft erst nach Huygens, aber unabhängig von diesem.[2]

Die sich durch die Zentrifugalkraft ausbildende Form der Flüssigkeitsoberfläche in einem rotierenden, offenen Wassereimer wurde von Isaac Newton als Nachweis der Existenz eines absoluten Raumes gedeutet.

D'Alembertsche Trägheitskraft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zentrifugalkraft bei einer Kreisbewegung

Beschreibt der Schwerpunkt eines Körpers mit der Masse in einem Inertialsystem eine gekrümmte Bahn, so ist dafür eine Zentripetalkraft erforderlich. Gemäß dem zweiten newtonschen Gesetz ergibt sich eine dazu proportionale Zentripetalbeschleunigung , die zum Krümmungsmittelpunkt der Bahn gerichtet ist:

Diese Grundgleichung der Mechanik kann auf die Form:

gebracht werden.

Das negative Produkt aus Masse und Zentripetalbeschleunigung wird formal als Kraft aufgefasst[3] und als Zentrifugalkraft bezeichnet.[4] Ein dynamisches Problem kann somit auf ein statisches Gleichgewicht aus äußerer Kraft und Trägheitskraft zurückgeführt werden:[5]

Im Sinne des dynamischen Gleichgewichts ist die Zentrifugalkraft stets entgegengesetzt gleich groß wie die Zentripetalkraft.[6] Die Summe der Kräfte ist somit Null, wenn man die (d'Alembertsche) Trägheitskraft mit einschließt.

Die Zentrifugalkraft im d'Alembertschen Sinn ist immer an die Zentripetalkraft gekoppelt, gewissermaßen deren Spiegelbild. Das unterscheidet sie von der Scheinkraft, die nur dann berücksichtigt werden muss, wenn man die newtonsche Bewegungsgleichung in einem beschleunigten und rotierenden Bezugssystem formuliert.[5] Im Spezialfall eines rotierenden Bezugssystems, in dem der Körper ruht, wobei der Ursprung des Bezugssystems im Krümmungsmittelpunkt liegt, sind beide Definitionen identisch.

Der Betrag von Zentripetalkraft bzw. Zentrifugalkraft berechnet sich aus der Bahngeschwindigkeit und dem Krümmungsradius der Bahn :

Motorrad bei stationärer Kurvenfahrt

Als Beispiel für die Umwandlung eines dynamischen Problems in ein statisches sei die Berechnung der Schräglage eines Motorradfahrers bei stationärer Kurvenfahrt gezeigt. Wenn das Motorrad nicht umkippen soll, muss die resultierende Kraft aus Fliehkraft und Gewichtskraft durch den Radaufstandspunkt gehen. Die Zentripetalkraft wirkt in der Straßenebene und braucht beim Momentengleichgewicht um den Radaufstandspunkt nicht berücksichtigt zu werden. Für die Schräglage ergibt sich

mit der Erdbeschleunigung und der Radialbeschleunigung .

Scheinkraft bei translatorisch und rotatorisch bewegtem Bezugssystem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Funken eines Winkelschleifers

Scheinkräfte müssen immer dann berücksichtigt werden, wenn man Bewegungen in einem Bezugssystem beschreibt, das selbst gegenüber dem Inertialsystem beschleunigt wird. Betrachtet man z. B. die Funken, die sich von einer Schleifscheibe lösen im Inertialsystem, so bewegen sich diese geradlinig, da sie kräftefrei sind. Im rotierenden Bezugssystem der Schleifscheibe wird die Relativbeschleunigung der Teilchen dagegen mit einer Scheinkraft erklärt.

Notation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um zwischen den Größen eines Objektes (z. B. Ort, Geschwindigkeit) in zwei Bezugssystemen zu unterscheiden, wird die normale Notation im Inertialsystem verwendet und das nichtinertiale Bezugssystem erhält den gleichen Buchstaben mit einem Apostroph (engl. prime). Letzteres wird dann auch als „gestrichenes Bezugssystem“ bezeichnet.[7]

Bedeutung
Position des Objektes in S (Inertialsystem).
Relativposition des Objektes in S' (Nicht-Inertialsystem).
Geschwindigkeit des Objektes in S
Relativgeschwindigkeit des Objektes in S'
Beschleunigung des Objektes in S
Relativbeschleunigung des Objektes in S'
Position des Ursprungs von S' in S
Geschwindigkeit des Ursprungs von S' in S
Beschleunigung des Ursprungs von S' in S
Winkelgeschwindigkeit des Systems S' in S
Winkelbeschleunigung des Systems S' in S

Das zweite newtonsche Gesetz gilt in seiner ursprünglichen Form nur im Inertialsystem. Die Impulsänderung ist in diesem Bezugssystem proportional zur äußeren Kraft :

.

Möchte man eine analoge Bewegungsgleichung in einem Bezugssystem aufstellen, das kein Inertialsystem ist, müssen Scheinkräfte berücksichtigt werden. Dazu wird die Beschleunigung im Inertialsystem durch Größen ausgedrückt, die in einem beschleunigten Bezugssystem gegeben sind:

[8]

Multipliziert man mit der Masse und löst man nach dem Term mit der Relativbeschleunigung auf, so erhält man:

Das Produkt aus Masse und Relativbeschleunigung entspricht der Summe der in diesem Bezugssystem wirkenden Kräfte. Diese setzen sich aus den äußeren Kräften und den Scheinkräften zusammen.

Der Term ist die Zentrifugalkraft, die berücksichtigt werden muss, wenn der Impulssatz im beschleunigten Bezugssystem angewandt wird. Diese Kraft ist unabhängig davon, ob eine Zentripetalkraft vorhanden ist oder nicht. Die Zentrifugalkraft ist senkrecht zur Winkelgeschwindigkeit im Bezugssystem radial nach außen gerichtet.

Rotierendes Bezugssystem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rotationen um eine ortsfeste Achse werden häufig in einem Bezugssystem beschrieben bei dem Ursprung auf der Rotationsachse liegt. Bei konstanter Winkelgeschwindigkeit vereinfacht sich die Bewegungsgleichung:

Ruht ein Körper relativ zu einem rotierenden Bezugssystem, kompensieren sich die Fliehkraft und die nach innen gerichtete Zentripetalkraft.

In diesem Spezialfall sind die Scheinkraft im rotierenden Bezugssystem und die d'Alembertsche Trägheitskraft identisch.

Fehlt die äußere Kraft, z.B. bei den Funken die sich ablösen, unterscheiden sich die Definitionen:

Die Zentrifugalkraft ist nach dieser Definition an das Bezugssystem gekoppelt aber unabhängig davon, ob eine äußere Kraft vorhanden ist oder nicht.

Damit ein Körper relativ zu einem rotierenden Bezugssystem, dessen Ursprung selbst unbeschleunigt ist, in Ruhe gehalten wird, müssen sich die Fliehkraft und die nach innen gerichtete Zentripetalkraft kompensieren. Anschaulich formuliert: Wenn ein Objekt auf einer rotierenden Scheibe „stehen bleiben“ soll, muss etwas das Objekt festhalten. Die Fliehkraft und die Zentripetalkraft addieren sich zu Null, sodass der Körper „in Ruhe“, also an derselben Stelle der Scheibe bleibt.

Beschreibt man das Objekt auf einer rotierenden Scheibe in einem Inertialsystem, so möchte sich der Körper gemäß Trägheitssatz nicht auf einer Kreisbahn, sondern unter Beibehaltung seiner Geschwindigkeit geradeaus weiterbewegen; es wirkt auf ihn aber weiter dieselbe „nach innen“ gerichtete Zentripetalkraft. Diese ist im Gegensatz zur Fliehkraft keine Trägheitskraft, sondern eine in jedem Bezugssystem zu berücksichtigende äußere (reale) Kraft, die bewirkt, dass der Körper ständig nach innen beschleunigt und damit auf eine Kreisbahn gezwungen wird. Sie ist in Richtung Rotationszentrum gerichtet und sorgt durch die Zentripetalbeschleunigung dafür, dass sich ein Objekt auf einer gekrümmten Bahn bewegt.

Die Zentrifugalkraft ist entscheidend an das Bezugssystem gekoppelt. Für einen Körper, der mit einem Bezugssystem mitrotiert, ist die Zentripetalkraft, die erforderlich ist, um ihn auf der gekrümmten Bahn zu halten, entgegengesetzt gerichtet, aber vom selben Betrag wie die Zentrifugalkraft, die er in diesem Bezugssystem spürt. Die folgenden Beispiele sollen die Unterschiede zwischen den beiden Betrachtungsweisen verdeutlichen. Sie beschränken sich der Einfachheit halber auf den Spezialfall, dass der Ursprung des rotierenden Bezugssystems selbst unbeschleunigt ist.

  • Wird ein Insasse zum Beispiel durch einen Sicherheitsgurt, durch Haftreibung auf dem Sitz, durch Kontaktkräfte etc. in einem Auto festgehalten, so übt das aus Sicht dieser Person eine der Zentrifugalkraft entgegengesetzte, gleich große Kraft auf ihn aus. Diese Kraft dient gerade als Zentripetalkraft, um den Insassen auf derselben gekrümmten Bahn zu halten, die das Auto durchläuft. In diesem Sinne sind Zentrifugalkraft und Zentripetalkraft einander entgegengesetzte, gleich große Kräfte.
  • Liegt jedoch auf dem Beifahrersitz ein Apfel, so sieht der Fahrer in jeder Kurve, wie der Apfel im Auto zur Seite beschleunigt wird. Hier wird die Beschleunigung des Apfels mit einer Scheinkraft erklärt, der keine gleich große Zentripetalkraft entgegensteht.
  • Bei einem Astronauten, der in einem Satelliten die Erde umkreist ist die Gravitationsbeschleunigung für die Raumkapsel und ihn gleich groß und sorgt als Zentripetalbeschleunigung dafür, dass beide die gleiche Kreisbahn um die Erde durchlaufen. Bei Beschreibung dieser Kreisbahn in einem Satellitensystem mit dem Ursprung im Erdmittelpunkt wirken zwei Kräfte auf den Astronauten: die Gravitationskraft und die Zentrifugalkraft. Dabei hebt die Zentrifugalkraft gerade die Schwerkraft auf.[9]

Zusammenhang mit der Zentripetalkraft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um einen Pfosten rotierender Ball, der von einer Feder (einfaches Modell eines Fadens) gehalten wird. Kraft (1) ist die Zentrifugalkraft. Alle anderen Kräfte sind entweder die Zentripetalkraft oder deren Reaktio, da sie auf einer Wirkungslinie liegen.

Die Zentrifugalkraft wird in manchen Texten als „Gegenkraft“ oder „Reaktionskraft“ zur Zentripetalkraft beschrieben;[10][11] dabei wird auf das dritte newtonsche Gesetz verwiesen. In dieser Sichtweise übt die Feder eine Zentripetalkraft auf die Kugel aus, sodass diese auf eine Kreisbahn gezwungen wird, und umgekehrt zieht auch die Kugel an der Feder. Diese Reaktionskraft der Kugel auf das Seil wird manchmal als „reaktive Zentrifugalkraft“ bezeichnet.[12]

Andere Autoren wenden jedoch ein, dass diese Kraft nicht mit den in rotierenden Bezugssystemen auftretenden Trägheits- bzw. Scheinkräften verwechselt werden darf und verweisen auf einen Widerspruch zum dritten newtonschen Gesetz, da Zentripetalkraft und Zentrifugalkraft am selben Körper angreifen, dagegen müssen Kräftepaare, die als „Actio und Reactio“ bezeichnet werden, an verschiedenen Körpern angreifen.[13] Die Trägheits- bzw. Scheinkräfte repräsentieren ein scheinbares Kräftegleichgewicht eines Körpers (nämlich die Kugel), und hängen von der Wahl des Bezugssystems ab. Dagegen stellen Reaktionskräfte im Sinne des dritten Gesetzes eine Wechselwirkung zwischen zwei unterschiedlichen Körpern (Feder und Kugel) dar, die unabhängig vom Bezugssystem auftritt.

Der Faden, der einen Körper auf einer Kreisbahn hält, wird durch die Reaktionskraft zur Zentripetalkraft (Kraft (3) im nebenstehenden Bild) und die Kraft (4) (Zentripetalkraft) gespannt. Dies kann z. B. auch mit einer Federwaage unabhängig vom Bezugssystem gemessen werden. Nur im Spezialfall eines mit dem betrachteten Körper mitrotierenden Bezugssystems sind die Reaktion der Zentripetalkraft (3) und die Zentrifugalkraft (1) in Betrag und Richtung gleich, sonst jedoch nicht. Ihre Angriffspunkte sind dagegen immer verschieden.

Überträgt man nebenstehendes Bild auf einen Menschen, der um einen Pfosten rotiert (die Feder symbolisiert den Arm, der Ball den Körper), so entspricht es der Alltagssprache, dass man eine nach außen ziehende Fliehkraft spürt und man diese durch das Festhalten an dem Pfosten ausgleichen muss. In dem Fall, dass man Kraft (1) und (3) nicht unterscheidet und mögliche Widersprüche zum Wechselwirkungsprinzip ignoriert, ist eine solche Aussage auch möglich. Bei näherer Betrachtung ist das Gefühl, nach außen gezogen zu werden, keine Kraft, sondern man spürt eine Dehnung im Arm. Diese wird durch die Zentripetalkraft (4) bzw. deren Reactio (3) hervorgerufen.

Zentrifugalpotential[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da die Zentrifugalkraft, genau wie die Gravitationskraft proportional zur Masse des Körpers ist, lässt sich die Zentrifugalbeschleunigung ähnlich wie die Erdbeschleunigung als Ortsfaktor deuten, der an einem gegebenen Ort die Beschleunigung angibt, die ein Körper aufgrund der Zentrifugalkraft an diesem Ort erführe.

     (weil die Geschwindigkeit ist, wenn Winkelgeschwindigkeit und Radiusvektor senkrecht aufeinander stehen).

Die Energie im Zentrifugalpotential ist gleich der kinetischen Energie:

Praktische Beispiele[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Rotierende Flüssigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wasseroberfläche in einem rotierenden Gefäß
Rühren in einem Wasserglas

Bei einem mit Wasser gefüllten zylinderförmigen Gefäß, das um eine senkrechte Achse rotiert, nimmt die Wasseroberfläche eine gekrümmte Form an, wobei der Wasserstand außen höher ist als in der Mitte. Die Wasserteilchen werden durch eine Zentripetalkraft auf eine Kreisbahn gezwungen. Im stationären Zustand muss die Vektorsumme von Zentrifugalkraft und Gewichtskraft an jedem Punkt der Oberfläche auf dieser senkrecht stehen. Es gilt dieselbe Formel, die bereits beim Motorradfahrer abgeleitet wurde, wobei r den Abstand von der Rotationsachse bezeichnet. ist der Winkel der Wasseroberfläche gegenüber der waagrechten.

Da sich die Geschwindigkeit aus der Winkelgeschwindigkeit der Flüssigkeit berechnen lässt, ergibt sich:

Der Tangens des Winkels ist die Steigung der Wasseroberfläche. Da die Zentrifugalkraft proportional zum Radius ist, hat die Oberfläche die Form eines Rotationsparaboloides und deren Querschnitt die Gleichung:

Die parabolische Form einer Licht reflektierenden Flüssigkeitsoberfläche findet Anwendung bei den flüssigen Spiegeln astronomischer Spiegelteleskope, die im einfachsten Fall aus Quecksilber bestehen.

Schleudern von Wäsche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Waschmaschine mit einem Trommeldurchmesser von 50 cm macht im Schleudergang 1200 Umdrehungen pro Minute. Die Zentrifugalbeschleunigung für ein mitrotierendes Wäschestück ergibt sich zu

Hierbei ist die Winkelgeschwindigkeit. ist eine Umdrehung pro Minute.

Das Ergebnis entspricht etwa dem 400-fachen der Erdbeschleunigung. Auf eine Socke an der Trommelwand wirkt somit eine Zentrifugalkraft, die 400-mal so groß ist wie ihre Gewichtskraft.

Achterbahn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Zentrifugalkraft ist für der Konstruktion von Achterbahnen von Bedeutung, bei denen für den menschlichen Körper unangenehme Kräfte möglichst vermieden werden sollen, aber solche, die der Schwerkraft entgegenwirken und somit ein Gefühl der Schwerelosigkeit erzeugen, erwünscht sind.[14] Beispielsweise ergibt sich bei kreisförmigen Loopings, bei denen im höchsten Punkt gerade Schwerelosigkeit erzeugt wird, am Einstiegspunkt ein abrupter Anstieg der Beschleunigung um , sodass für den mitbewegten Körper plötzlich die fünffache Gewichtskraft als Trägheitskraft auftritt. Deshalb wurde vom Achterbahnkonstrukteur Werner Stengel für Loopings eine Klothoiden-Form (Cornu-Spirale) der Bahnkurve entwickelt, bei der der Krümmungsradius umgekehrt proportional zur Bogenlänge ist, was zu einem sanften Anstieg der im Fahrzeug auftretenden Trägheitskräfte führt. Die Klothoide war zuvor schon im Straßenbau benutzt worden.

Technische Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Technische Anwendungen der Zentrifugalkraft sind die Zentrifuge, der Fliehkraftabscheider, das Fliehkraftpendel und der Fliehkraftregler.

Agena-Raketenstufe am Sicherheitsband, zweiter Versuch mit Gemini-12
O’Neill-Kolonie
Freier Fall im rotierenden Bezugssystem

Zentrifugalkraft als Ersatz für die Schwerkraft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für künftige Raumstationen unterschiedlicher Größe hat man geplant, die Zentrifugalkraft als Ersatz für die Schwerkraft zu verwenden, weil längere Schwerelosigkeit der Gesundheit des Menschen schaden kann. Der erste, relativ vorsichtige Versuch, in einem bemannten Raumfahrzeug gesteuert Zentrifugalkraft zu erzeugen, fand im Jahre 1966 statt. Dabei hat man die Gemini 11-Kapsel mit der Agena-Raketenstufe durch ein 30 Meter langes Sicherheitsband verbunden und beide Objekte mit etwa einer Umdrehung alle sechs Minuten um den gemeinsamen Schwerpunkt rotieren lassen. In einer rotierenden Raumstation würde ein Bleilot an jedem Ort von der Rotationsachse weg zeigen, aber frei fallende Gegenstände würden sich von der Lotrichtung immer mehr in einer entgegen die Rotationsrichtung der Raumstation gerichteten Richtung entfernen. Diese Abweichung kann als eine Folge der Corioliskraft aufgefasst werden. Die Form dieser Fallkurve, eine Kreisevolvente, ist von der Rotationsgeschwindigkeit der Raumstation völlig unabhängig, während ihr Größenmaßstab vom Radius der anfänglichen Kreisbahn abhängt. Von einem nichtrotierenden Bezugssystem aus gesehen würden sich frei fallende Gegenstände mit konstanter Geschwindigkeit auf einer geraden Linie tangential zu ihrer vorherigen Kreisbahn bewegen. Bei einem horizontalen Wurf in der Raumstation, entgegen der Rotationsrichtung der Raumstation und mit der Rotationsgeschwindigkeit der Raumstation, würde der geworfene Gegenstand ständig waagrecht weiter fliegen, solange man den Luftwiderstand vernachlässigen kann. Von einem nichtrotierenden Bezugssystem aus gesehen, würde dieser Gegenstand einfach stillstehen, während sich die Raumstation weiter dreht.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Szabo: Einführung in die Technische Mechanik. Springer, 2003, ISBN 3-540-44248-0 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. John Herivel The Background of Newton’s Principia, John Herivel Newton’s Discovery of the law of Centrifugal Force, The Isis Bd. 51, 1960, S. 546.
  3. Dietmar Gross, Werner Hauger, Jarg Schrader, Wolfgang A. Wall: Technische Mechanik: Band 3: Kinetik. Gabler Wissenschaftsverlage, 2008, S. 191 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). „Wir schreiben nun und fassen das negative Produkt aus der Masse und der Beschleunigung formal als eine Kraft auf, die wir […] D'Alembertsche Trägheitskraft nennen: . Diese Kraft ist keine Kraft im Newtonschen Sinne, da zu ihr keine Gegenkraft existiert (sie verletzt das Axiom actio=reactio!); wir bezeichnen sie daher als Scheinkraft.“
  4. Martin Mayr: Technische Mechanik: Statik, Kinematik - Kinetik - Schwingungen, Festigkeitslehre. 6. überarbeitete Auflage. Hanser, 2008, ISBN 978-3-446-41690-1.: (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche) „Bei der Bewegung auf einer gekrümmten Bahn tritt zusätzlich die Normal- oder Zentripetalbeschleunigung auf. Die zugehörige Trägheitskraft nennen wir Zentrifugalkraft
  5. a b Cornelius Lanczos: The Variational Principles of Mechanics. Courier Dover Publications, New York 1986, ISBN 0-486-65067-7, S. 88–110. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). S. 88: „We now define a vector I by the equation I = -m A. This vector I can be considered as a force created by the motion. We call it the "force of inertia". With this concept the eqation of Newton can be formulated as follows: F + I = 0.
  6. Mahnken: Lehrbuch der Technischen Mechanik. Dynamik. Springer, 2012, ISBN 978-3-642-19837-3 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).Wir bemerken noch, dass die Zentrifugalkraft jeweils mit der Zentripetalkraft im Gleichgewicht ist, welche zum Mittelpunkt hin gerichtet ist
  7. Ekbert Hering, Rolf Martin, Martin Stohrer: Physik für Ingenieure. 11. Auflage. Springer, 2012, ISBN 978-3-642-22568-0., S. 51–52. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  8. Martin Mayr: Technische Mechanik. Hanser, 2008, ISBN 978-3-446-41690-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Walter Greiner: Klassische Mechanik I. Harri Deutsch, 2007, ISBN 978-3-8171-1815-1 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Hans J. Paus: Physik in Experimenten und Beispielen. 3., aktualisierte Auflage. Hanser, München 2007, ISBN 3-446-41142-9, S. 33–35 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Bruno Assmann, Peter Selke: Kinematik und Kinetik (= Technische Mechanik. Band 3). 15., überarbeitete Auflage. Oldenbourg, München 2011, ISBN 978-3-486-59751-6, S. 252 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche). „Die Zentrifugalkraft ist die Reaktionskraft der Zentripetalkraft, die die gekrümmte Bahn erzwingt.“
  12. Delo E. Mook, Thomas Vargish: Inside relativity. Princeton University Press, Princeton NJ 1987., S. 47. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
  13. Ludwig Bergmann, Clemens Schaefer: Mechanik, Relativität, Wärme. Hrsg.: Thomas Dorfmüller (= Lehrbuch Der Experimentalphysik. Band 1). 11., völlig neubearbeitete Auflage. de Gruyter, Berlin 1998, ISBN 3-11-012870-5, S. 240 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  14. Verena Heintz, Ann-Marie Martensson-Pendrill, Anette Schmitt, Klaus Wendt: Achterbahn fahren im Physikunterricht. In: Physik in unserer Zeit. 2009, Heft 2

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[[Kategorie:Klassische Mechanik]] [[Kategorie:Zentrifugation]]