Bloomsbury Group

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Virginia Woolf, 1902. Foto von George Charles Beresford
Vanessa Bell, Foto von George Charles Beresford, 1902
Selbstporträt von Dora Carrington, um 1910

Die Bloomsbury Group oder Bloomsbury Set oder einfach „Bloomsbury“ beziehungsweise „Bloomsberries“, wie ihre Anhänger/Mitglieder sie bezeichneten, war eine englische Gruppe von Künstlern, Intellektuellen und Wissenschaftlern, die von 1905 bis zum Zweiten Weltkrieg existierte und bedeutsamen Einfluss auf Englands kulturelle Modernisierung hatte.[1] Sie hielt ein „kompliziertes Beziehungsgeflecht zusammen, das fortwährend in Bewegung war, aber stets verbunden blieb, verwoben durch Blutsbande, Freundschaft und Ehen, durch Orte und Leidenschaften“.[2]

Geschichte

Die Gruppe konstituierte sich im Verlauf wiederholter informeller Treffen von Absolventen der Universität Cambridge mit gleichaltrigen und gleichgesinnten Verwandten und Bekannten. Zum Teil waren sie auch Mitglieder der Cambridge Apostles. Diese Treffen fanden in den Häusern der Mitglieder, meistens (vor dem Ersten Weltkrieg sogar fast ausschließlich) im Londoner Stadtteil Bloomsbury statt. Während ihrer Treffen schuf die Gruppe den Rahmen für Diskussionen, Dramenlektüre, Ausstellungen und private Veranstaltungen. Die Mitglieder wurden nicht gewählt wie die Apostles, es gab kein gemeinsames Manifest und keine Mitgliedsbeiträge.[3]

Es war offenbar von grundlegender Bedeutung für die Entstehung der Gruppe, dass die vier Stephen-Kinder Vanessa (* 1879), Thoby (* 1880), Virginia (* 1882) und Adrian (* 1883) 1904, nach dem Tod beider Elternteile, in das Haus am Gordon Square 46 in Bloomsbury gezogen waren. Als Thoby Stephen im November 1906 starb, war die Gruppe bereits so zusammengewachsen, dass dieser Umstand den Zusammenhalt unter den Mitgliedern nicht erschütterte.

Obwohl die Gruppe größtenteils für Literatur (mit Virginia Woolf als berühmtester Vertreterin) bekannt ist, waren in ihr viele verschiedene Interessen und Tätigkeitsfelder vertreten:

Die darstellenden Künste fanden wenig Aufmerksamkeit in der Gruppe. Lydia Lopokova zum Beispiel, die Ehefrau von John Maynard Keynes, die eine professionelle Balletttänzerin gewesen war, wurde von den meisten „Bloomsberries“ als Außenseiterin gesehen und behandelt.

Zu den formellen Zentren Bloomsburys gehörten die von Roger Fry 1913 gegründete Künstlerwerkstatt Omega Workshops, an der sich viele ihrer Mitglieder, unter anderem Duncan Grant, Vanessa Bell und Nina Hamnett beteiligten, sowie die Hogarth Press, die Virginia und Leonard Woolf zunächst in ihrem Landhaus („Hogarth House“) und ab 1924 in ihrem Londoner Wohnhaus betrieben. Hinzu kam die von dem Romancier David Garnett und seinem Freund Francis Birrell zwischen 1919 und 1924 am Gordon Square geführte Buchhandlung Birrell & Garnett, „ein beliebter Treffpunkt für die ‚Bloomsberries‘, die hier ihre Bücher kauften“ und „zeitweise […] die einzigen Kunden“ waren.[4]

Es gab auch enge Verbindungen zu Rupert Brooke und dem Neopaganismus – die Holzschneiderin Gwen Darwin und ihr Mann, der französische Maler Jacques Raverat, zu dem Virginia Woolf einen regen Briefwechsel unterhielt, gehörten zu diesem Kreis. Gwens Schwester war mit Maynards Bruder Geoffrey Keynes verheiratet, dessen Leidenschaft für die Werke William Blakes dazu führte, dass Gwen ein auf seinen Hiob-Radierungen basierendes Ballett schuf, zu dem ihr Cousin Ralph Vaughan Williams die Musik komponierte.

Während und nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Charleston Farmhouse, wo Vanessa Bell mit ihrem Geliebten Duncan Grant und dessen Geliebten David Garnett in einer ménage à trois lebten, zu einem beliebten Treffpunkt der Gruppe und zum Mittelpunkt der bildenden Künste der „Bloomsberries“.

Die Gruppe praktizierte einen für die damalige Zeit ungewöhnlich offenen und akzeptierenden Umgang mit Sexualität, einschließlich bisexueller und homosexueller Orientierungen. Viele ihrer Mitglieder, zum Beispiel John Maynard Keynes, Virginia Woolf, Vita Sackville-West,[5] und Harold Nicolson,[6][7] führten neben ihren Ehen offene Beziehungen, die häufig gleichgeschlechtlich waren und von den jeweiligen Ehepartnern toleriert oder auch gefördert wurden (siehe auch den Abschnitt zu Personen in einvernehmlichen mehrfachen Beziehungen im Artikel Polyamory).

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Christine Frick-Gerke (Hrsg.): Inspiration Bloomsbury. Der Kreis um Virginia Woolf. Frankfurt am Main 2003, S. 9.
  2. Pamela Todd: Die Welt von Bloomsbury. Fischer, Frankfurt am Main 2002, S. 80f.
  3. Hermione Lee: Virginia Woolf, S. 349 ff.
  4. Walther Müller-Jentsch: Die Kunst in der Gesellschaft. 2. Auflage. Springer VS, Wiesbaden 2012, S. 135 f.
  5. Susanne Amarain: So geheim und vertraut. Virginia Woolf und Vita Sackville-West. Suhrkamp, 2006, ISBN 978-3-518-45826-6
  6. Mitchel Leaska, John Phillips: Violet to Vita: The Letters of Violet Trefusis to Vita Sackville-West. Viking, 1990
  7. Nigel Nicolson: Portrait of a Marriage: Vita Sackville-West & Harold Nicolson. Atheneum, 1973