Carlos Lage Dávila

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Carlos Aurelio Lage Dávila (* 15. Oktober 1951 in Havanna) ist Kinderarzt und von Anfang der 1990er Jahre bis 2009 eine der wichtigen Leitungspersönlichkeiten der kubanischen Regierung.

Politische Karriere

1969 begann der Arztsohn mit dem Studium der Medizin an der medizinischen Fakultät "Victoria de Girón". Nach dem Studium ging er als Kinderarzt nach Äthiopien und war dort Leiter der kubanischen Ärztegruppe. Er nahm als Delegierter an den X., XI. und XII. Weltfestspielen teil. Von 1976 bis 2009 war er Mitglied des kubanischen Parlaments Asamblea Nacional del Poder Popular und von 1980 bis 2009 Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas. Er war zwischen 1981 und 1986 Erster Sekretär des Kommunistischen Jugendverbandes Kubas (UJC – Unión de Jóvenes Comunistas).

Seit 1987 gehörte Lage zu den vier Mitgliedern der Koordinations- und Unterstützungsgruppe Fidel Castros. Mit der Wirtschaftskrise von 1993 übernahm er die Leitung der Umgestaltung der kubanischen Wirtschaft mit dem Ziel einer Anpassung an die neuen Erfordernisse des Weltmarktes, die durch den Wegfall der Handelsbeziehungen mit den Ländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) entstanden sind und besetzte den Posten des Vizepräsidenten des Staatsrates.

Carlos Lage war daneben Sekretär des Exekutivkomitees des Ministerrates und Mitglied des Politbüros der Kommunistischen Partei Kubas (PCC). Lage galt als absolut loyal zum Staatschef Fidel Castro, jedoch nicht als unterwürfig.[1] Auch seine beiden Söhne, Carlos und César Lage Codorniú, waren als Vorsitzender des offiziellen kubanischen Studentenbundes (Federación de Estudiantes Universitarios) bzw. FEU-Vorsitzender an der Elitehochschule UCI jeweils hohe Nachwuchsfunktionäre des kommunistischen Staates.[2][3]

Lage gilt als einer der wesentlichen Architekten der neuen Wirtschaftspolitik nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.[4] Er zeichnete sich unter anderem mitverantwortlich für die Einführung des US-Dollars als Zweitwährung in Kuba und für den Aufbau der Tourismusindustrie. Des Weiteren vertrat er als Vertrauter Fidel Castros den Regierungschef auf wichtigen Auslandsreisen.[5] Das Verhältnis zu Raúl Castro galt dagegen als schwieriger. Zwar sind beide ähnlich pragmatisch veranlagt, jedoch waren sie eher Rivalen denn Freunde.[6] Nach einem Korruptionsskandal im kubanischen Tourismusunternehmen Cubanacán Ende 2003 wurde dessen Chef beurlaubt. Auch der damalige Minister für Tourismus wurde entlassen und durch einen Militär und Vertrauten des damaligen Verteidigungsministers Raúl Castro ersetzt, womit die Armee die Kontrolle über einen wesentlichen Wirtschaftszweig übernahm. Lages Kompetenzen dagegen wurden gestutzt. In der Folge wurde Lage mit der Stabilisierung des Energiesektors betraut. In den Jahren 2004 und 2005 war die Energieversorgung in Kuba extrem instabil. Es kam insbesondere im heißen Sommer zu häufigen Stromabschaltungen, sodass weder Klimaanlagen noch Ventilatoren funktionierten. Mit der 2006 ausgerufenen „Energierevolution“ (Revolución Energética) ließ sich die Lage stabilisieren.[7]

Ende der politischen Laufbahn

Im Rahmen einer größeren Regierungsumbildung durch Staats- und Regierungschef Raúl Castro wurde Lage, der zeitweise sogar als möglicher Nachfolger Fidels gehandelt wurde,[8] am 2. März 2009 seines Postens im Ministerrat enthoben.[9] Einen Tag später trat er von allen politischen Ämtern im Staatsrat, Politbüro der PCC und als Abgeordneter zurück. Lage und der gleichzeitig vom Amt des Außenministers abberufene Felipe Pérez Roque erkannten in ähnlich lautenden Briefen an Raúl Castro an, Fehler gemacht zu haben.[10] Zuvor bemerkte der erkrankte Ex-Staatschef Fidel Castro, einige der entlassenen Minister seien vom „Honig der Macht“ vergiftet gewesen. „Der äußere Feind verband gewisse Illusionen mit ihnen.“, schrieb er[11], ohne konkretere Angaben zu machen.[12][13] Laut einem Artikel der New York Times wurden bei einer Hausdurchsuchung von Conrado Hernández, kubanischer Staatsbürger und Handelsvertreter der baskischen Regionalregierung, heimlich mitgeschnittene, möglicherweise für den spanischen Geheimdienst bestimmte Aufnahmen gefunden, in denen Lage und Pérez Roque, die sich auf Hernández' Bauernhof regelmäßig zu Partys trafen, vulgäre Witze über Fidel und Raúl Castro sowie Vizepräsident José Ramón Machado Ventura gerissen hätten.[14] Im Sommer 2009 wurde ausschließlich Parteimitgliedern im ganzen Land eine rund dreistündige Video-Dokumentation vorgeführt, die die Verfehlungen der Entlassenen und ihre Beurteilung durch das Politbüro unter Führung von Staatspräsident Raúl Castro darstellt.[15]

Lage wurde durch den Brigadegeneral José Ricardo Guerra ersetzt, einem Raúl-Vertrauten aus den Streitkräften.[16][17] Seit dem Ende seiner Politikerkarriere lebt Lage abgeschirmt von der Öffentlichkeit und den Medien und arbeitet seit Sommer 2009 wieder als Arzt.[18]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Bernd Wulffen: Kuba im Umbruch, S. 141
  2. Carlos Lage Jr: 'La gente tiene que ver que el socialismo también es material'. In: Cuba Encuentro. 12. September 2007, abgerufen am 1. Januar 2016 (spanisch).
  3. Student Denies Arrest, Says Criticism Was ‘Within the System’ in: IPS news vom 12. Februar 2008, abgerufen am 17. Oktober 2011 (englisch)
  4. Der Spiegel 13/2000
  5. Generalprobe auf Kuba, faz.net, 3. August 2006
  6. Haroldo Dilla: Morsche Balken, ila 299, Oktober 2006
  7. Bernd Wulffen: Kuba im Umbruch, S. 141–144, vgl. Google-Books
  8. Kuba/China: Bereichert uns! Die Zeit 01/2008
  9. Spiegel Online Raúl Castro wirbelt Regierung durcheinander vom 2. März 2009
  10. Granma: Brief von Carlos Lage Dávila an Raúl Castro (spanisch) vom 3. März 2009
  11. Fidel Castro: Heilsame Veränderungen im Ministerrat vom 3. März 2009
  12. RIA Novosti Castro erläutert Regierungsumbildung: Vom „Honig der Macht“ vergiftet vom 4. März 2009
  13. El País/Mauricio Vicent: Lage y Pérez Roque se autoinculpan en la prensa de sus "errores" (Spanisch) vom 6. März 2008
  14. New York Times: In Cuba, Change Means More of the Same, With Control at the Top (englisch) vom 10. April 2009
  15. Financial Times/Marc Frank: Cuba's Raúl conducts purge by video (englisch), vom 15. Juli 2009, abgerufen am 25. April 2011
  16. Peter Burghardt: Das kubanische Signal. In: Süddeutsche Zeitung. 4. März 2009, abgerufen am 1. Januar 2016.
  17. Tim Padgett: What Lies Behind the Cuban Purge. In: TIME. 5. März 2009, abgerufen am 1. Januar 2016 (englisch).
  18. CubaNet.org: Nuevo empleo para Carlos Lage (spanisch), vom 13. Juli 2009, abgerufen am 27. Dezember 2015