Düppel (Radartäuschung)

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Düppel aus Kohlenstofffasern (links im Container, rechts freigesetzt)
Window aus metallbedampften Kunstfaserstreifen

Als Düppel (englisch chaff oder Window) bezeichnet man ein Täuschmittel, mit dem Radargeräte gestört werden können. Es wurde in der Zeit des Zweiten Weltkriegs entwickelt.

Namensgeschichte

Der Name Düppel ist ein militärischer Eigenname, der dadurch entstand, dass dieses Mittel von der deutschen Luftwaffe in der Nähe von Berlin-Düppel getestet wurde. Die Kriegsgegner des Zweiten Weltkriegs hatten Düppel etwa gleichzeitig entwickelt. Bei der britischen Royal Air Force hatten sie den Tarnnamen Window, in den USA und in anderen Ländern werden sie chaff (Spreu) genannt. Zunächst wagte es jedoch keine der Kriegsparteien, sie einzusetzen, um dem Gegner das Geheimnis nicht zu verraten. Nachdem 1942 dem Luftwaffenchef Hermann Göring die Ergebnisse von Düppel-Versuchen vorgetragen wurden, befahl er, alle Berichte zu vernichten, damit der Feind davon keine Kenntnis erlangte. Ein Teil der britischen Militärs lehnte den Einsatz ebenfalls lange Zeit ab. Erst nach dem gefährlichen Ansteigen der Bomberverluste befahl 1943 Premierminister Winston Churchill die Verwendung – zu einem Zeitpunkt, als Window schon ein Jahr lang einsatzbereit war.[1]

Funktionsweise

Effekt abgeworfener Düppel, wie er sich auf dem Monitor eines Radargeräts vom Typ Würzburg-Riese darstellte

Die Düppel bestehen aus leitfähigen Fäden unterschiedlicher Länge. Früher wurden Stanniol-Streifen verwendet, heute handelt es sich meist um metallbedampfte hauchdünne Kunstfasern oder leitfähige Kohlenstofffasern. Sie werden auf unterschiedliche Weise in der Luft verteilt. Wenn ein Radarstrahl das Material trifft, wirken die Fäden als Reflektoren und senden einen Teil der Strahlung zurück. Am effektivsten ist diese Reflexion, wenn die Fäden halb so lang sind wie die verwendete Wellenlänge des Radargeräts. Dieses empfängt dann ein Falschecho und kann die echten Flugzeuge nicht mehr von den zahlreichen Düppelstreifen unterscheiden. Moderne Radaranlagen sind durch diesen Effekt allerdings nur noch sehr begrenzt zu stören, unter anderem, weil sie in der Lage sind, durch den Dopplereffekt die Geschwindigkeit des Objekts zu ermitteln. Da die Düppel in der Luft schnell abgebremst werden, können ihre Echos elektronisch herausgefiltert werden. Große Düppelwolken erzeugen Radarabschattungen (engl. chaff corridor) und können auch von modernen Radargeräten nicht durchdrungen werden, so dass Ziele hinter einer solchen Wolke nicht erfasst werden.

Militärischer Einsatz

Ein Lancaster-Bomber der Royal Air Force beim Abwurf von Window

Es gibt unterschiedliche Verfahren des Düppeleinsatzes. Von einem Flugzeug aus kann das Material wie ein Vorhang abgeworfen werden, den Radaranlagen kaum durchdringen und womit Aktivitäten getarnt werden können. Der erste Einsatz erfolgte im Jahre 1942 durch Japan auf den Salomon-Inseln gegen US-amerikanische Radaranlagen. Diese Unternehmung war jedoch nicht erfolgreich, wahrscheinlich weil eine zu geringe Anzahl der Streifen abgeworfen wurde. Japan hatte Schwierigkeiten diese in großen Mengen zu produzieren.[2] Erster bekannter Einsatz war in der Nacht zum 25. Juli 1943 während des Operation Gomorrha genannten schweren Luftangriffes auf Hamburg, bei dem britische Bomber 40 Tonnen Window abwarfen, was ungefähr 92 Millionen Stanniolstreifen entsprach.[3] Diese Streifen überfluteten die deutschen Radarschirme mit falschen Radarechos, wodurch die Würzburg-Riese-Radargeräte für die Feuerleitung der Flak und auch die Steuerung der Flakscheinwerfer vollständig ausfielen. Die britischen Angreifer verloren mit zwölf abgeschossenen Maschinen nur drei Prozent ihrer eingesetzten Flugzeuge, sonst waren es oft mehr als zehn Prozent.[4] Die Amerikaner setzten die Düppel zum ersten Mal am 20. Dezember 1943 bei einem Angriff auf Bremen ein.[5]

Da schnell herausgefunden werden konnte, dass sich solch eine Stanniolwolke im Gegensatz zu den angreifenden Bombern nicht bewegte, standen schon wenige Monate später Radargeräte in Form des Würzlaus-Verfahrens als wirkungsvolle Gegenmittel zur Verfügung, die den Dopplereffekt messen konnten. Durch weitere Maßnahmen, wie die Umstellung auf andere Radarwellenlängen, hatte Window in kürzester Zeit seine Wirkung fast gänzlich verloren.[6]

Düppel–Werfer am Bug eines Schnellbootes der Ystad-Klasse
Abwurfvorrichtung für Düppel und Flares an einer Transall

Eine defensive Möglichkeit des Düppeleinsatzes besteht darin, im Falle eines Angriffs von Flugkörpern oder Flugzeugen einzelne kleinere Düppelwolken mit Raketen oder anderen Geschossen zu verschießen, um den Angriff auf diese Falschziele zu lenken. In der Zeit des Kalten Krieges hatten große amerikanische Bomber Radarempfänger, welche die Wellenlänge der gegnerischen Radaranlagen messen konnten, sowie Düppelschneidemaschinen, die aus kilometerlangen aufgerollten Stanniolstreifen Düppel der passenden Länge schnitten. Kleinere weiterentwickelte Geräte sind in diversen Kampfflugzeugen noch im Gebrauch. Zusammen mit Flares sind Düppel auch heute noch ein wichtiger Bestandteil der defensiven Schutzmaßnahmen moderner Kampfflugzeuge.

Störung des Wetterradars durch Düppelabwurf über der Nordsee

Verschiedentlich – so z. B. am 19. Juli 2005[7] – traten über der Nordsee Falschbilder in der Wetterradarbeobachtung auf. Dabei wurden über Zeiträume von bis zu zehn Stunden Regenschatten beobachtet, obwohl es keine Bewölkung gab. Teilweise wird angenommen, dass diese Phänomene auf militärische Versuche mit Düppeln über der Nordsee zurückzuführen sind.[8] Nach weiteren wissenschaftlichen Forschungen scheint sich diese These mit großer Wahrscheinlichkeit zu bestätigen.[9] Insbesondere im Temporary Restricted Airspace über dem Pfälzerwald[Anmerkung 1] und dem nordöstlichen Saarland („TRA Lauter“), das von der US-Armee als militärisches Übungsgebiet genutzt wird, sind derartige Phänomene zu beobachten.[10] Entsprechend seiner Herkunft ist Düppel meist zuerst als punktförmiges Echo in ein bis zwei Kilometer über dem Boden zu erkennen. Die Partikel bewegen sich mit dem Wind in der entsprechenden Höhe, breiten sich dabei aus und sinken zu Boden.[11]

Meteorologischer Einsatz

Außer zur Radartäuschung werden Düppel in der Erdatmosphärenforschung zur Untersuchung von Winden in der Hochatmosphäre verwendet. Hierfür werden sie mit Hilfe von Höhenforschungsraketen in die entsprechenden Schichten gebracht und ihre Flugbahnen mit Radar verfolgt. Auf diese Weise können hochatmosphärische Luftströmungen vermessen werden.

Anmerkungen

  1. Eine Radaranimation des Düppel–Niedergangs am 1. August 2000 über dem Pfälzer Wald ist online archiviert (Memento vom 9. Juni 2010 im Internet Archive)

Einzelnachweise

  1. Brian Johnson: Streng Geheim. Wissenschaft und Technik im Zweiten Weltkrieg. Wiener Verlag, Seite 122.
  2. Gaspare Galati: 100 Years of Radar, Springer Science+Business Media, 2015, ISBN 9783319005843 S. 110 [1]
  3. Brian Johnson: Streng Geheim. Wissenschaft und Technik im Zweiten Weltkrieg. Wiener Verlag, Seite 122.
  4. Entwicklung der Funkmesstechnik auf geschichtsspuren.de von Markus Scholz, 14. Juni 2005
  5. Charles W. McArthur: Operations Analysis in the U.S. Army Eighth Air Force in World War II, American Mathematical Society, 1990 ISBN 9780821801581 S. 254 [2]
  6. Cajus Bekker: Augen durch Nacht und Nebel. Die Radar-Story. Heyne Verlag, 1988, ISBN 978-3-453-00583-9.
  7. Markus Becker: Radarbilder: Rätsel um Geisterwolke gelöst. In: Spiegel Online. 31. Oktober 2006, abgerufen am 14. Dezember 2014.
  8. Rätselhafte Geisterwolken (Memento vom 30. November 2007 im Internet Archive), Artikel auf wdr.de, via archive.org
  9. Stellungnahme der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft zu ungewöhnlichen atmosphärischen Radarbildern („Geisterwolken“). Auf dmg-ev.de (PDF-Datei; 10 kB)
  10. Bernd Konantz: Rätselhafte Niederschlagsfront über der Schweiz (Memento vom 7. Oktober 2014 im Internet Archive). Am 8. Februar 2008 auf meteoschweiz.admin.ch
  11. Kees Floor: Rare Radarbeelden. Auf keesfloor.nl (flämisch)

Weblinks

Commons: Düppel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien