Eidgenössisches Schützenfest

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Eidgenössisches Schützenfest 1910 in Bern
Diepold Schilling: Schützenfest in Konstanz von 1458
Eidgenössisches Schützenfest in Aarau 1849
Gabentempel Eidgenössisches Schützenfest in Chur 1863
Haus zum Gryffenberg geschmückt zum Eidg. Schützenfest von 1907 in Zürich

Das Eidgenössische Schützenfest (französisch Fête Fédérale de Tir, italienisch Festa tiro federale, rätoromanisch Festa federala da tir) gilt als eine der wichtigsten nationalen Veranstaltungen des modernen Bundesstaates und der modernen Demokratie in der Schweiz. Als Schützenfest spielte es beim Aufbau der Willensnation Schweiz eine tragende Rolle und ist für deren Zusammenhalt weiterhin von Bedeutung. Seine traditionellen Wurzeln sind eng mit der Alten Eidgenossenschaft und deren Bündnis- und Souveränitätsbestrebungen verknüpft.

Geschichte

Das organisierte Schiesswesen in der Schweiz begann im 14. Jahrhundert, als das Schiessen als wichtiger Teil der Wehrhaftigkeit angesehen wurde und in den Städten sich Schützen in Gesellschaften zusammenschlossen. Diese Gesellschaften wurden von den Regierungen unterstützt. Die Wehrpflicht begann mit dem 16. Altersjahr. Der Waffenrodel von 1353 in Luzern weist auf das Bestehen einer organisierten Schützengesellschaft hin. In Bern wurden in der ältesten erhaltenen Stadtrechnung von 1375 Ausgaben für Schützen und ihre Ausrüstung verbucht. Freiburg besass in dieser Zeit Armbrustschützen, in Lausanne werden solche 1378 genannt und 1406 entstand in Neuenburg eine Schützengesellschaft. Im 15. und 16. Jahrhundert gab es in zahlreichen Ortschaften Schützengesellschaften, so in Aarau 1446, Rheinfelden 1460, Mellingen 1485, in Lenzburg, Zug, Brugg und Burgdorf. Genf hatte 1474 die drei Schützengesellschaften der Armbrust- und Bogenschützen und der Arkebusiere.

Im 15. Jahrhundert traten neben den Armbrust – oder Stachelschützen, die Büchsenschützen mit ihren Handrohren in Erscheinung. Um das Schiessen in der Eidgenossenschaft zu fördern, entrichteten die Obrigkeiten Gaben an die Schützen. Anlässlich der Eidgenössischen Schützenfeste wurden Schützentaler als Preise gegeben, die nicht nur Erinnerungsstücke waren, sondern auch als Zahlungsmittel während des Festes dienten. Die lokalen Schützengesellschaften wollten nicht nur ihre eigenen Gemeinschaften ertüchtigen, sondern man wollte sich zu eidgenössischen Wettkämpfen treffen und gemeineidgenössische Zusammengehörigkeit erfahren.

Schützenfeste begannen in der achtörtigen Eidgenossenschaft des 15. Jahrhunderts eine wichtige Rolle zu spielen. Die gemeinsamen Wettschiessen mit der Armbrust bildeten einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenhalt der einzelnen Kantone. Nach dem Alten Zürichkrieg führte das Gesellenschiessen in Sursee von 1452 und die Strassburger Freischiessen - woran die Zürcher Hirsebreifahrt von 1456 erinnert - und die den Bund von 1588 zwischen Strassburg Zürich und Bern zur Folge hatten, zu einem Aufschwung. Das 15. Jahrhundert brachte die erste Schützenordnung und glänzende Feste, wie dasjenige von Zürich im Jahr 1504.

Der Beginn der Reformation entzweite die verschiedenen Orte der Eidgenossenschaft, bewirkte das definitive Ende der Expansionsphase der Alten Eidgenossenschaft und leitete eine Phase der inneren Konflikte und einer Erstarrung der politischen Struktur ein. In der Folge verkümmerten die Schützenfeste über ein Jahrhundert lang.

Ab 1604 wurden in Solothurn, 1605 in Basel und 1608 in Zürich wieder Freischiessen gefeiert. Später hörte der Verband der Schützengesellschaften auf; weil das lokale Interesse das allgemeine eidgenössische verdrängt hatte.

Das uralte Bewusstsein eidgenössischer Wehrhaftigkeit war aber nicht untergegangen. Die Liebe zur Waffe und zum Schiesswesen regte sich wieder und im Jahre 1802 wurde die erste neue waadtländische Schützengesellschaft gegründet, andere folgten auch in anderen Kantonen. Mit dem Militärreglement von 1817 wurden 20 Scharfschützenkompanien zu 100 Mann im Auszug und in der Reserve aufgestellt. Diese Schützenpioniere warben für das Schiesswesen beim Volk.

Im Zusammenhang mit der Entstehung des Bundesstaates von 1848 trat die Pflege der eidgenössischen Verbundenheit wieder in den Vordergrund. Der Aargauer Schützenmeister Schmid-Guiot initiierte anlässlich des ersten eidgenössischen Freischiessens von 1824 in Aarau die Gründung des Schweizerischen Schützenvereins. Die Eidgenössischen Schützenfeste wurden nun wiederholt und gewannen an Ausdehnung und politischer Bedeutung.

Das Eidgenössische Schützenfest von 1849 in Aarau war das erste nach Gründung des modernen Schweizer Bundesstaates und feierte dessen Errungenschaften. Es gelangte durch Gottfried Kellers Das Fähnlein der sieben Aufrechten literarische Berühmtheit. Keller schildert die Schützenvereine und Eidgenössischen Schützenfeste als entscheidend für den Erhalt der direkten Demokratie im jungen Schweizer Bundesstaat.

Zitat

In der Geschichte und im politischen Leben der Schweiz spielten Schützenvereinigungen und Freischießen eine bedeutende Rolle. Hierzu der Artikel in: Pierer's Universal-Lexikon von 1857:

Freischießen, in der Schweiz Benennung der nationalen Schützenfeste, welche alljährlich gefeiert werden. Den Mittelpunkt des Festes bildet das Scheibenschießen, für welches Prämien ausgesetzt sind, deren Betrag sich auf große Summen beläuft, so 1857 in Bern auf 179.000 Frcs. Diese Prämien, sowie die Kosten der Festlichkeit werden durch freiwillige Beiträge bestritten. In der Abhaltung des Festes wechseln die verschiedenen Cantone ab, jedoch nicht nach einem bestimmten Turnus. Jede Genossenschaft führt ihre Fahne mit sich; diese werden auf der Fahnenburg aufgestellt, welche zu oberst mit der eidgenössischen geschmückt ist. Der Abstand der Scheiben vom Schießstande beträgt gewöhnlich 350 Schritte. Alle Schützen tragen das eidgenössische Wappen u. die Kokarde ihres Cantons. Nach Vollendung des Schießens werden die Preise in der Fahnenburg vertheilt. Die Theilnahme an diesen Festen ist von Jahr zu Jahr im Wachsen. Hervorgegangen sind dieselben aus den schon von Alters her üblichen Schützenfesten, welche aus der Zeit des Bundes der 8 Orte stammen. Einen höheren Aufschwung erhielten sie nach dem Zürichkriege, welchem 1452 das Gesellenschießen zu Sursee folgte; 1456 das Strasburger F., das zum Bunde zwischen Strasburg u. der Schweiz führte. Im 15. Jahrhundert entstand auch die alte Schützenordnung, in welcher Bestimmungen über die F. u. die Theilnahme an denselben getroffen wurden. Die Feste wurden sehr glänzend, wie zu Zürich 1504. Doch verkümmerten die bald darauf folgenden religiösen Streitigkeiten über ein Jahrhundert lang die Schützenfeste; nur wurden 1604 zu Solothurn, 1605 zu Basel, 1608 zu Zürich glanzvolle Schießen gefeiert. Später hörte der Verband der Schützengesellschaften auf; das locale Interesse hatte das allgemeine eidgenössische verdrängt. Erst in neuerer Zeit fand sich wieder Sinn für sie. Schmied-Guiot von Aarau ist der Stifter der jetzigen F. Das erste wurde 1822 zu Aarau gefeiert; alljährlich wurden sie nun wiederholt u. gewannen an Ausdehnung u. politischer Bedeutung; 1827 entstand zu Basel der Schweizerische Schützenverein; 1828 schloß sich die französischsprachige Schweiz an. Ferner wurde das Fest u.a. gefeiert 1830 in Bern, 1842 in Chur, 1844 in Basel, zugleich Gedenkfeier der Schlacht von St. Jakob u. Versöhnungsfest Basels mit der Schweiz, 1847 zu Glarus, 1849 zu Aarau, das 25jährige Jubelfest der F., 1851 zu Genf, 1857 zu Bern.“

Freischießen. In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Band 6: Europa–Gascogne. Altenburg 1858, S. 697 (zeno.org).

Das Aarauer Freischießen von 1849 war das erste nach Gründung des modernen Schweizer Bundesstaates und feierte dessen Errungenschaften. Literarisch berühmt wurde es 1860 durch die Novelle Das Fähnlein der sieben Aufrechten von Gottfried Keller. Der Dichter, selbst kein Teilnehmer, ließ sich durch das glanzvolle Schützenfest anregen, das 1859 in Zürich stattfand.[1]

Eidgenössisches Schützenfest heute

Blick vom Schießstand in Richtung der 300m Scheiben beim Eidg. Schützenfest in Frauenfeld (2005)

Gegenwärtig findet das Eidgenössische Schützenfest alle fünf Jahre statt. Es handelt sich um eine sportliche Grossveranstaltungen mit Sportfestcharakter. 2010 besuchten rund 70.000 Personen das eidgenössische Schützenfest in Aarau, 42.000 Schützen nahmen an den Wettkämpfen teil.

Am jährlichen Eidgenössischen Feldschiessen nehmen rund 150.000 Teilnehmern teil. Es wird über das ganze Land verteilt, dezentral an jeweils zwei Tagen durchgeführt.

Eidgenössische Schützenfeste

  • 1824 Aarau
  • 1827 Basel
  • 1828 Genf
  • 1829 Fribourg
  • 1830 Bern
  • 1832 Luzern
  • 1834 Zürich
  • 1836 Lausanne
  • 1838 St. Gallen
  • 1840 Solothurn
  • 1842 Chur (Quaderwiese)
  • 1844 Basel
  • 1847 Glarus
  • 1849 Aarau
  • 1851 Genf
  • 1853 Luzern
  • 1855 Solothurn
  • 1857 Bern
  • 1859 Zürich
  • 1861 Stans
  • 1863 La Chaux-de-Fonds
  • 1865 Schaffhausen
  • 1867 Schwyz
  • 1869 Zug
  • 1872 Zürich
  • 1874 St. Gallen
  • 1876 Lausanne
  • 1879 Basel
  • 1881 Fribourg
  • 1883 Lugano
  • 1885 Bern
  • 1887 Genf
  • 1890 Frauenfeld
  • 1892 Glarus
  • 1895 Winterthur
  • 1898 Neuenburg
  • 1901 Luzern
  • 1904 St. Gallen
  • 1907 Zürich
  • 1910 Bern
  • 1924 Aarau
  • 1929 Bellinzona
  • 1934 Fribourg
  • 1939 Luzern
  • 1949 Chur
  • 1954 Lausanne
  • 1958 Biel
  • 1963 Zürich
  • 1969 Thun
  • 1979 Luzern
  • 1985 Chur
  • 1990 Winterthur
  • 1995 Thun
  • 2000 Bière
  • 2005 Frauenfeld
  • 2010 Aarau
  • 2015 Raron/Visp
  • 2020 Luzern
  • 2025 Chur

Literatur

  • Werner Meyer: Hirsebrei und Hellebarde. Auf den Spuren mittelalterlichen Lebens in der Schweiz. Walter Verlag, Olten, Freiburg (Breisgau) 1985, ISBN 3-530-56707-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Zur Erinnerung an dieses Fest und seinen Aufwand vgl.: Das Schützenfest von 1859 (PDF) in Neue Zürcher Zeitung vom 31. Juli 1980.