Ernst Polaczek

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Ernst Polaczek (geboren 6. Juli 1870 in Reichenberg, Österreich-Ungarn; gestorben 26. Januar 1939 in Freiburg im Breisgau) war ein österreichischer Kunsthistoriker.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ernst Polaczek einer Fabrikantenfamilie studierte ab dem Jahre 1893 an der Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg. Zuvor hatte er bereits an den Universitäten in Prag, München und Wien einige Semester belegt.

Polaczek meldete sich mit dem Thema Der Übergangsstil im Elsass. Ein Beitrag zur Baugeschichte des Mittelalters zur Promotion an der Philosophischen Fakultät der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg an.[1] Zuvor hatte er sich bereits im Selbstverlag u. a. mit baugeschichtlichen Themen seiner Geburtsstadt Reichenberg befasst.[2]

Nach erfolgreicher Verteidigung seiner Doktorarbeit bei dem Kunsthistoriker Georg Dehio, der von 1892 bis 1918 an der Straßburger Universität lehrte, absolvierte Polaczek seinen einjährigen Militärdienst als österreichischer Staatsbürger in Wien. Bei seinem Doktorvater Dehio erhielt der Kunsthistoriker eine Assistentenstelle und habilitierte sich 1899.

Als Autor betätigte sich Polaczek in der von Anton Seder und Friedrich Leitschuh herausgegebenen Schriftenreihe Das Kunstgewerbe in Elsass-Lothringen. Ausführlich behandelte Polaczek u. a. die Geschichte der Glasindustrie.[3] Im Jahre 1901 wurde Polaczek Privatdozent und zwölf Jahre später Honorarprofessor an der Strassburger Universität. Der ehemalige Rektor der Straßburger Universität Johannes Ficker hat 1922 als nunmehriger Professor in Halle (Saale) ein Verzeichnis von elsass-lothringischer Schriften sowie der Strassburger Universität von 1872 bis 1916 zusammengestellt und darin Ernst Polaczek als Herausgeber mit aufgeführt:

  • Denkmäler der Baukunst im Elsass (zusammen mit Hausmann), 1906;
  • Regesten der Bischöfe von Strassburg (zusammen mit Bloch und Wentzke) 1. Band, 1908;
  • Verzeichnis des Kunstmuseums der Stadt Strassburg, Dehio, zusammen mit Polczek u. a., 1899 ff.[4]

Hauptberuflich wirkte der Kunsthistoriker seit 1907 als Direktor des Städtischen Kunstgewerbemuseums und ab 1913 als Direktor des Museums der schönen Künste in der Metropole des Reichslandes Elsaß-Lothringen. Als sich Polaczek als Buchautor mit der Kunstgeschichte seiner zweiten Heimat Strassburg betätigte,[5] lebte er in Folge der Ergebnisse des Ersten Weltkriegs in München. Im Vorwort zu Strassburg schrieb Polaczek, dass diese Stadt „… zwanzig Jahre des Verfassers Wohnsitz gewesen ist und mit deren vergangenem Leben er sich verbunden fühlen wird bis an sein Ende“.[6] Über den Einfluss der Politik auf die Kultur im Elsass, während Elsass-Lothringen zum deutschen Kaiserreich gehörte, stellte Polaczek fest: „Es gibt kaum ein Gebiet des öffentlichen Lebens im Elsass, dessen Gestaltung und Entwicklung zwischen 1870 und 1918 nicht durch Politik beeinflusst gewesen wäre. Auch Kunst- und Denkmalpflege sind Politica gewesen.“[7]

Von 1928 bis 1933 wirkte Polaczek durch Vermittlung einer Münchner staatlichen Fürsorgestelle als Direktor der Oberlausitzer Gedenkhalle und des dazugehörigen Kaiser-Friedrich-Museums in Görlitz. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde Polaczek gleich zu Beginn der Naziherrschaft diskriminiert. Zunächst verlor er seine Mitgliedschaft im Rotary Club in Görlitz.[8] Obwohl sich Ernst Polaczek um die Neißestadt große Verdienste erworben hatte, wurde er offenbar wegen seines jüdischen Elternhauses von den Machthabern im Nationalsozialismus in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. Danach zog er von Görlitz nach Freiburg im Breisgau.

Polaczek wurde auf einem Friedhof im nun französischen Strasbourg begraben.[9]

Er war in erster Ehe seit 1906 verheiratet mit der Historikerin Else Gütschow, der ersten Frau, die an der Universität Straßburg promoviert worden war. Sie starb jedoch schon 1908 im Kindbett. Nach dem Tod von Ernst Polaczek wurde seine zweite Frau Friederike bei einer Razzia verhaftet und im Konzentrationslager Auschwitz 1942 ermordet.[10][11]

Ein Porträt Polaczeks ist bei den Persönlichkeiten der Stadtgeschichte von Görlitz abgebildet.[9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Polaczek, Ernst, in: Ulrike Wendland: Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Leben und Werk der unter dem Nationalsozialismus verfolgten und vertriebenen Wissenschaftler. München: Saur, 1999, ISBN 3-598-11339-0, S. 525–527

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wikisource: Ernst Polaczek – Quellen und Volltexte

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Druckexemplar, 77 Seiten, Verlag Hertz & Minde, Strassburg 1894
  2. Ernst Polaczek: Reichenberg und die Musen. 1891.
  3. Ernst Polaczek: Zur Geschichte der Glasindustrie. In: Das Kunstgewerbe in Elsass-Lothringen, Band 2. 1901–1902, S. 231–236
  4. Die Kaiser Wilhelms-Universität Straßburg und ihre Tätigkeit. Rede bei der Gedenkfeier der Reichsgründung gehalten am 18. Januar 1922 von Johannes Ficker. Hallische Universitätsreden 17. Verlag von Max Niemeyer, Halle (Saale) 1922
  5. Ernst Polaczek: Strassburg. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1926, mit 146 Abbildungen.
  6. Ernst Polaczek: Strassburg. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1926, S. 1
  7. Ernst Polaczek: Die Kunstpflege 1870–1918. In: Süddeutsche Monatshefte, 29, 3, 1931, S. 207
  8. Aus der Geschichte des Rotary Club Görlitz (Memento vom 16. Januar 2014 im Internet Archive) unter der Zwischenüberschrift: Der Weg in die Selbstauflösung
  9. a b Heiner Mitschke: Professor Ernst Polaczek. In: Stadtportrait von Görlitz / Stadtgeschichte. (Memento des Originals vom 28. Dezember 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.goerlitz.de Europastadt Görlitz/Zgorzeletc
  10. „Möge der Mond erlöschen, wir sind, wie wir sind“. In: Die Zeit, Nr. 37/2005. Der elsässische Germanist Robert Minder beabsichtigte, Friederike Polaczek vor ihrer Verhaftung ein Versteck zu besorgen.
  11. Weiterführende Informationen über das Schicksal von Friederike Polaczek finden sich in Zusammenhang mit Raub und Restitution der Faycence-Sammlung. (Quelle: Katharina Siefert: Nach geltendem Recht. Raub und Restitution der Fayence-Sammlung Polaczek, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg, Bd. 50, München 2015, S. 35–46)