Esther Duflo

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Esther Duflo auf der Poptech-Konferenz 2009

Esther Caroline Duflo (* 25. Oktober 1972 in Paris) ist eine französische Ökonomin und Hochschullehrerin am Massachusetts Institute of Technology, wo sie die Abdul-Latif-Jameel-Professur für Armutsbekämpfung und Entwicklungsökonomie innehat. Der Schwerpunkt von Duflos Forschung liegt auf mikroökonomischen Themen in Entwicklungsländern, darunter das Verhalten von Haushalten, Bildungspolitik, Zugang zu Finanzdienstleistungen, Gesundheitspolitik und die Bewertung wirtschaftspolitischer Maßnahmen.[1]

The Economist zählte sie 2008 zu den acht einflussreichsten Ökonomen der Welt.[2] Das Magazin Time zählte sie 2011 zu den 100 einflussreichsten Personen der Welt.[3] Ihr Buch Poor Economics wurde von der Financial Times zum Wirtschaftsbuch des Jahres 2011 erklärt.[4] US-Präsident Barack Obama hat am 21. Dezember 2012 angekündigt, sie in den präsidentialen Beratungsrat für globale Entwicklung zu berufen. Ihre Aufgabe besteht darin, den US-Präsidenten und hochrangige Mitglieder der Regierung zu beraten.[5] Linke Kritiker werfen ihr vor, die Disziplinierung der Armen statt gesellschaftlicher Veränderungen zu vertreten. Die makroökonomischen und politisch-strukturellen Ursachen der Armut seien kein Gegenstand ihrer Analyse und sie wolle keine Umverteilung der gesellschaftlichen Ressourcen zugunsten der Armen.[6]

Leben

Kindheit und Ausbildung

Esther Duflo ist die Tochter der Ärztin Violaine Duflo und des Mathematikers Michel Duflo. Sie studierte an der Grande école École normale supérieure (Paris), von welcher sie 1994 Maitrise-Diploma in Geschichte und Volkswirtschaftslehre erhielt. 1995 beendete sie ihr Hauptstudium an der späteren Paris School of Economics (damals DELTA - Département et Laboratoire d’Économie Théorique et Appliquée) mit einem DEA in Volkswirtschaftslehre. Hiernach wechselte Duflo an das Massachusetts Institute of Technology und promovierte dort 1999 mit der Dissertation "Drei Essays in Empirischer Entwicklungsökonomie" (Three Essays in Empirical Development Economics).

Beruflicher Werdegang

Nach dem Erhalt ihres Ph.D. in Volkswirtschaftslehre wurde Duflo Assistant Professor für VWL am MIT, bevor sie 2002 zum Associate Professor und 2004 zum vollwertigen Professor für VWL befördert wurde. Von 2001 bis 2002 lehrte Duflo des Weiteren als Gastprofessor an der Princeton University. 2003 gründete Duflo gemeinsam mit Sendhil Mullainathan und Abhijit Banerjee am M.I.T. das Poverty Action Lab, dessen Direktor Duflo 2004 wurde. Das Poverty Action Lab ist ein Forschungsnetzwerk, das sich der Entwicklung neuer Methoden zur Armutsbekämpfung und der Bewertung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen durch randomisierte kontrollierte Feldexperimente widmet[7] und 2005 in Abdul Latif Jameel Poverty Action Lab umbenannt wurde. 2015 arbeiteten dort mehr als 100 Wissenschaftler.[8]

2005 erhielt Duflo die neu geschaffene Abdul-Latif-Jameel-Professur für Armutsbekämpfung und Entwicklungsökonomie am M.I.T. Neben ihrer Lehr- und Forschungsarbeit arbeitet sie seit 2007 als Redakteurin für die wirtschaftswissenschaftliche Fachzeitschriften Annual Review of Economics und The American Economic Journal: Applied Economics, wobei sie Mitgründerin letzterer Publikation ist. Zuvor war Duflo redaktionell für die Review of Economics and Statistics (2002–2007), das Journal of Development Economics (2004–2006), das Journal of Economic Perspectives (2004–2007) und das Journal of the European Economic Association (2002–2006) tätig.

Forschung

Gemäß der wirtschaftswissenschaftlichen Publikationsdatenbank IDEAS gehört Duflo im Gesamtranking deutlich zu den besten 1 % Ökonomen (Rang 110, Stand Oktober 2015).[9] Auch unter Kriterien wie „Anzahl an Publikationen“ oder „Anzahl an Zitaten“ gehört Duflo zu den besten 5 % der in der Datenbank erfassten Ökonomen. Der am häufigsten zitierte Artikel Duflos trägt den Titel How Much Should We Trust Differences-in-Differences Estimates (2002) und wurde zusammen mit Marianne Bertrand und Sendhil Mullainathan verfasst.[10] In diesem Artikel analysieren Bertrand, Duflo und Mullainathan Difference-in-Difference Estimation (DID), eine Schätzmethode für Kausalbeziehungen, und kommen zu dem Schluss, dass DID in seiner herkömmlichen Verwendung den Standardfehler der geschätzten Wirkung des untersuchten Eingriffs erheblich unterschätzt. Um dem Autokorrelationsproblem zu begegnen, machen Bertrand, Duflo und Mullainathan abschließend drei Lösungsvorschläge: einen Zusammenfall der Daten in Zeiträume vor und nach dem Eingriff, die Verwendung einer speziellen Kovarianz-Matrix oder eine Anpassung der Randomisierungsinterferenz-Testmethoden.[11]

Duflos Institut führte Studien zu Mikrokrediten in mehreren Ländern durch und fand, dass der Einfluss viel geringer war als oft angenommen.[8] Die Wissenschaftlerin plädiert dafür, in der Entwicklungshilfe Belege für Erfolge bestimmter Maßnahmen einzufordern, bevor man diese in großem Stil umsetzt.[8]

Ehrungen und Auszeichnungen

Trivia

Esther Duflo besitzt sowohl die französische Staatsbürgerschaft als auch seit 2012 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft. Sie lebt seit Herbst 2010 mit Abhijit Banerjee, der ebenfalls Professor für Volkswirtschaftslehre ist und mit dem Duflo bei mehreren ihrer Forschungsarbeiten zusammengearbeitet hat; sie haben ein gemeinsames Kind.[16]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • mit Abhijit V. Banerjee: Poor Economics. Barefoot Hedge-Fund Managers, DIY Doctors and the Surprising Truth about Life on Less than 1 $ a Day. Penguin Books, London 2012, ISBN 978-0-7181-9366-9.
  • Is decentralized iron fortification a feasible option to fight anemia among the poorest? In: David A. Wise (Hrsg.): Explorations in the economics of aging. University Press, Chicago, Ill. 2011, ISBN 978-0-226-90337-8, S. 317–344.
  • Giving credit where it is due. In: The journal of economic perspectives. A journal of the AEA. Band 24 (2010), ISSN 0895-3309, S. 61–80.
  • Requiescat in pace? The consequences of high-priced funerals in South Africa. In: David A. Wise (Hrsg.): Explorations in the economics of aging. University Press, Chicago, Ill. 2011, ISBN 978-0-226-90337-8, S. 351–373.
  • mit Abhijit Banerjee: Poor Economics. A Radical Rethinking of the Way to Fight Global Poverty. PublicAffairs, New York 2011, ISBN 978-1-58648-798-0.
  • mit Abhijit Banerjee: Aging and death under a dollar a day. NBER, Cambridge, Mass. 2007.
  • Rema Hanna und Esther Duflo: Monitoring works. Getting teachers to come to school. CEPR, London 2006.
  • Interview der Zeit mit Banerjee und Duflo

Weblinks

Commons: Esther Duflo – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. economics.mit.edu
  2. International bright young things. In: The Economist. 30. Dezember 2008.
  3. Rana Foroohar: The 2011 Time 100. (HTML) Esther Duflo. In: Time. 21. April 2011, abgerufen am 17. Oktober 2012 (englisch).
  4. Christine Mattauch: Wie Armut abgeschafft werden kann. (HTML) In: Zeit-Online. 30. August 2012, abgerufen am 17. Oktober 2012.
  5. President Obama announces intent to appoint Esther Duflo to Global Development Council. MIT development economist nominated for presidential policy council. In: MIT news. Massachusetts Institute of Technology, 3. Januar 2013, abgerufen am 5. Januar 2013.
  6. Gerhard Klas: Kampf gegen Armut? In: junge Welt. 22. Juli 2013.
  7. povertyactionlab.org
  8. a b c Pia Ratzesberger: ‚Ich bin nicht einfach zu schocken.‘ Esther Duflo gehört zu den einflussreichsten Ökonominnen und will die globale Armut bekämpfen - ihr eigener Wohlstand hat sie immer schon belastet. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 244, 23. Oktober 2015, S. 24.
  9. Gesamtranking der wirtschaftswissenschaftlichen Publikationsdatenbank IDEAS (englisch)
  10. Autorenprofil von Esther Duflo auf IDEAS (englisch)
  11. Bertrand, Marianne, Esther Duflo, Sendhil Mullainathan (2004): Should We Trust Differences-in-Differences Estimates? (englisch)
  12. Prix du meilleur jeune économiste 2010. lecercledeseconomistes.fr, 18. Mai 2010, abgerufen am 9. Dezember 2015 (französisch).
  13. Social Science Research Council: The Albert O. Hirschman Prize, 2014. Abgerufen am 30. April 2014.
  14. Esther Duflo, Premio Princesa de Asturias de Ciencias Sociales; abgerufen am 13. Mai 2015.
  15. [1]; abgerufen am 16. September 2016.
  16. John Gapper: Lunch with the FT: Esther Duflo. In: The Financial Times. 17. März 2011.