Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen

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Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen wurde am 5. November 1992 vom Europarat gezeichnet.

Ziel

Ziel der Charta ist es, dass Regional- oder Minderheitensprachen als ein einzigartiger Bestandteil des kulturellen Erbes Europas anerkannt werden. Sie setzt sich dafür ein, dass die Zusammengehörigkeit von regionalen Sprachminderheiten nicht durch politische Grenzen behindert wird. Durch das verbindende Element der Charta soll die grenzübergreifende Zusammenarbeit von Anhängern einer Sprachgruppe gestärkt werden. Die Regional- und Minderheitensprachen sollen vor dem Aussterben geschützt und ihr Gebrauch im Bereich des Rechts, der Schulen, des öffentlichen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens sowie der Medien ausgeweitet werden. Dazu gehören der fremdsprachliche Unterricht und das Studium der jeweiligen Sprache, auch und vor allem für ihre dachsprachlichen Mitbürger. Die Charta setzt explizit auf die Verbindung verschiedener Bevölkerungsteile, nicht auf eine Abschottung voneinander.

Gliederung

Die Sprachencharta gliedert sich in fünf Abschnitte.

  • Der erste („Allgemeine Bestimmungen“) enthält eine sehr weite Definition des Gegenstandes, die nicht zwischen Regional- und Minderheitensprachen differenziert. Die Charta definiert sie als von einer historisch siedelnden Bevölkerungsminderheit eines Staates gebrauchte Sprache, die sich von der Amtssprache unterscheidet. Sie schützt damit weder Dialekte noch die Sprachen von Immigranten.
  • Der zweite Teil („Ziele und Grundsätze“) formuliert allgemeine Zielsetzungen und es ist den Staaten möglich, eine oder mehrere Sprachen lediglich dem „Schutz“ dieses Abschnittes zu unterstellen (der weniger verbindlich ist als der dritte Abschnitt).
  • Dieser dritte Teil („Maßnahmen“) enthält einen Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Stellungen der Regional- oder Minderheitensprachen in den Bereichen „Bildungswesen“, „Justiz“, „Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe“, „Medien“, „Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen“, „Wirtschaftliches und soziales Leben“ und „Grenzüberschreitender Austausch“. Jede Vertragspartei verpflichtet sich, mindestens 35 von 98 möglichen Maßnahmen aus diesem Katalog umzusetzen.
  • Der vierte Teil („Anwendung der Charta“) regelt die Berichtspflicht der Unterzeichnerstaaten.
  • Der fünfte („Schlußbestimmungen“) enthält Regelungen zur Unterzeichnung und zum Inkrafttreten.

Geltung

Die Charta wurde bisher von 25 Staaten des Europarates ratifiziert (Stand: 11/2012). Staaten, die die Charta bis jetzt nicht unterzeichnet haben, sind: Albanien, Andorra, Belgien, Bulgarien, Estland, Georgien, Griechenland, Irland, Lettland, Litauen, Monaco, Portugal, San Marino und die Türkei.
Aserbaidschan, Frankreich, Island, Italien, Malta, Mazedonien, Moldawien und Russland haben die Charta zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert.

Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen: Status der Charta in den Staaten des Europarates[1]
Staat Unterzeichnung Ratifikation Inkraftsetzung
Albanien Albanien
Andorra Andorra
Armenien Armenien
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Osterreich Österreich
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Aserbaidschan Aserbaidschan
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Belgien Belgien
Bosnien und Herzegowina Bosnien und Herzegowina
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Bulgarien Bulgarien
Kroatien Kroatien
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Zypern Republik Zypern
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Tschechien Tschechien
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Danemark Dänemark
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Estland Estland
Finnland Finnland
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Frankreich Frankreich
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Georgien Georgien
Deutschland Deutschland
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Griechenland Griechenland
Ungarn Ungarn
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Island Island
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Irland Irland
Italien Italien
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Lettland Lettland
Liechtenstein Liechtenstein
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Litauen Litauen
Luxemburg Luxemburg
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Malta Malta
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Moldau Republik Moldau
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Monaco Monaco
Montenegro Montenegro
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Niederlande Niederlande
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Norwegen Norwegen
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Polen Polen
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Portugal Portugal
Rumänien Rumänien
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Russland Russland
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San Marino San Marino
Serbien Serbien
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Slowakei Slowakei
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Slowenien Slowenien
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Spanien Spanien
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Schweden Schweden
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Schweiz Schweiz
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Nordmazedonien Nordmazedonien
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Turkei Türkei
Ukraine Ukraine
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Vereinigtes Konigreich Vereinigtes Königreich
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Anwendung der Charta

In Deutschland

Die Charta wurde durch die Bundesregierung 1998 ratifiziert und trat am 1. Januar 1999 in Kraft. Durch Hinterlegung beim Europarat verpflichtet sich Deutschland fünf Minderheitensprachen und eine Regionalsprache zu schützen, wobei sich die Maßnahmen auf die Bundesländer beschränken, in denen die Sprache verbreitet ist. Die Minderheitensprachen: Dänisch in den drei Varianten Reichsdänisch, Sydslesvigdansk und Sønderjysk (in Schleswig-Holstein), Sorbisch (Obersorbisch in Sachsen, Niedersorbisch in Brandenburg), Nordfriesisch (in Schleswig-Holstein), Saterfriesisch (in Niedersachsen) und Romanes (geschützt nach Teil 2 seit 1998, erst später Hinzufügung nach Teil 3 in Hessen). Die Regionalsprache Niederdeutsch (in Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein nach Teil 3, in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt nach Teil 2). Für jede Sprache wurden getrennt und unterschiedlich weitreichende Maßnahmen benannt, über deren Umsetzung die Bundesregierung in Berichten an den Europarat informiert. In den Berichten können auch Vertreter der Sprachgemeinschaften Stellungnahmen anfügen.

In Luxemburg

Luxemburg hat die Charta zwar ratifiziert, wendet sie jedoch nicht an, da keine entsprechenden Minderheitensprachen im Land vorhanden sind.

In Österreich

Österreich hat die Charta 2001 ratifiziert. Minderheitensprachen im Sinne der Charta sind Burgenlandkroatisch (im Burgenland), Slowenisch (in Kärnten und der Steiermark), Ungarisch (im Burgenland und Wien), Tschechisch (in Wien), Slowakisch (in Wien) und Romani (im Burgenland).

In der Schweiz

Die Schweiz ist der einzige Staat Europas, in dem Jenisch als „territorial nicht gebundene“ Sprache anerkannt wurde[2]. In den bei der Ratifizierung geltend gemachten Vorbehalten präzisiert die Schweiz, inwiefern sie die Charta auf das Rätoromanisch und die italienische Sprache als «weniger verbreitete Amtssprachen»[3] anwenden will. Durch das herrschende Territorialitätsprinzip haben die einzelnen Kantone im Bereich der Sprachen jedoch besondere Kompetenzen und so ist es möglich, dass die Charta im Kanton Graubünden auf Bündnerromanisch und Italienisch angewendet werden kann, da sie als kantonale Minderheitensprachen anerkannt sind. Dasselbe gilt für das Italienische im Kanton Tessin.

Würdigung und Kritik

Die Charta stellt das erste völkerrechtliche Abkommen dieses Ausmaßes zum Schutz von Minderheiten- und Regionalsprachen dar. Sie kann damit auch über Europa hinaus Referenzcharakter haben. Mit ihr wurde „erstmals in der europäischen Nachkriegsgeschichte ein völkerrechtliches Instrument geschaffen ..., das kollektivrechtlich, essentialistisch und positiv diskriminierend ausgerichtet ist.“[4].

Der Maßnahmenkatalog der Charta ist gestaffelt gehalten, so dass Staaten unter Berücksichtigung sowohl ihrer Möglichkeiten als auch der Bedürfnisse zum Schutz der Einzelsprachen Verpflichtungen eingehen können. Damit liegt die Auswahl der Stärke der Maßnahmen jedoch bei den Regierungen der Staaten und wird von finanziellen und politischen Ansprüchen eingeengt.

Die Charta enthält keine Möglichkeit des Einklagens von Sprachrechten auf europäischer Ebene, sondern ist auch hier von der Übernahme in das Gesetzeswerk der Staaten abhängig.

Die Beschränkung auf autochthone Sprachminderheiten und der damit verbundene Ausschluss der Sprachen von Migranten, folge „einem eigentümlichen Pragmatismus“.[5] Auch finden Sprachen keine Beachtung, die mehrheitlich nicht als Einzel- bzw. Ausbausprachen sondern als Dialekte kategorisiert werden. „Bei der Charta wird das Prinzip der Territorialiät angewendet, um zu bestimmen, was als Minderheiten- oder Regionalsprache anzusehen ist, auch wenn es problematisch ist, dieses Prinzip auf sprachliche Realitäten anzuwenden“.[6] In seiner Untersuchung zum Territorialprinzip der Sprachencharta bezweifelt Felix Tacke die sprachwissenschaftliche Substanz des Begriffs Regionalsprache.[7]

Ebenfalls problematisch ist der Ausschluss von offiziellen Sprachen, was z. B. das Luxemburgische oder das in Portugal ansässige Mirandés. Die „Allgemeine Erklärung der Sprachenrechte“ von 1996 betont dagegen stärker das persönliche Recht auf den Gebrauch einer eigenen Sprache und ist damit in ihrem Anspruch weitgehender als die Charta, wird jedoch so nicht umgesetzt.

Durch die Verpflichtung der Unterzeichnerstaaten, in regelmäßigen Abständen über ihre Fortschritte in der Förderung ihrer jeweiligen Minderheitensprachen zu berichten, wird auf die Staaten ein gewisser Druck ausgeübt, die Forderungen auch wirklich zu erfüllen. Es drohen jedoch keine Sanktionen, wenn diese nicht eingehalten werden.

Siehe auch

Literatur

  • Franz Lebsanft, Monika Wingender (Hrsg.): Die Sprachpolitik des Europarats. Die "Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen" aus linguistischer und juristischer Sicht. De Gruyter, Berlin 2012, ISBN 978-3-11-024083-2.
  • Ulf-Thomas Lesle: Identitätsprojekt Niederdeutsch: Die Definition von Sprache als Politikum. In: Robert Langhanke (Hrsg.): Sprache, Literatur, Raum. Verl. für Regionalgeschichte, Bielefeld 2015, S. 693-741, ISBN 978-3-89534-867-9.
  • Ulf-Thomas Lesle: Imaginierte Gemeinschaft: niederdeutsche Identitätskonstruktionen. In: Martin Rheinheimer (Hrsg.): Schriftlichkeit und Identität in der Neuzeit. Wachholtz, Neumünster 2004, S. 241–256, ISBN 3-529-02938-6.
  • Samuel Salzborn: Ethnisierung der Politik: Theorie und Geschichte des Volksgruppenrechts in Europa. Campus Verl., Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-593-37879-5.
  • Felix Tacke: Belgien. Territorialprinzip und Minderheitenproblematik vor dem Intergrund der ECRM. In: Franz Lebsanft, Monika Wingender (Hrsg.): Die Sprachpolitik des Europarats. Die "Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen" aus linguistischer und juristischer Sicht. De Gruyter, Berlin 2012, S. 87-104. ISBN 978-3-11-024083-2.

Weblinks

Wiktionary: Sprachencharta – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelanmerkungen und -belege

  1. European Charter for Regional or Minority Languages CETS No.: 148. Europarat, 5. November 2012, abgerufen am 5. November 2012 (englisch).
  2. Die Schweiz anerkennt das Jenische als nicht territorial gebundene Sprache
  3. Charta und Vorbehalte auf admin.ch
  4. Samuel Salzborn (Hrsg.): Minderheitenkonflikte in Europa. Historische Entwicklung, aktuelle Kontroversen und Lösungsstrategien. Innsbruck 2006, S.17.
  5. Samuel Salzborn (Hrsg.): Minderheitenkonflikte in Europa. Historische Entwicklung, aktuelle Kontroversen und Lösungsstrategien. Innsbruck 2006, S.17.
  6. Ulf-Thomas Lesle: Identitätsprojekt Niederdeutsch. Die Definition von Sprache als Politikum. In R. Langhanke (Hrsg.): Sprache, Literatur, Raum. Fs. für Willy Diercks. Bielefeld 2015, S. 704.
  7. Felix Tacke: Belgien. Territorialprinzip und Minderheitenpolitik vor dem Hintergrund der ECRM. In: F. Lebsanft/M. Wingender (Hrsg.): Die Sprachpolitik des Europarats. Berlin 2012, S. 92.