Goldenes Horn (Türkei)

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Haliç
Blick auf das Goldene Horn mit der Galata-Brücke im Hintergrund
Blick auf das Goldene Horn mit der Galata-Brücke im Hintergrund

Blick auf das Goldene Horn mit der Galata-Brücke im Hintergrund

Gewässer Bosporus
Landmasse Istanbul (Türkei)
Geographische Lage 41° 1′ 45″ N, 28° 57′ 39,6″ OKoordinaten: 41° 1′ 45″ N, 28° 57′ 39,6″ O
Haliç (Istanbul)
Haliç (Istanbul)
Küstenlänge 16 km
Blick über das Goldene Horn
Karte des spätantiken und mittelalterlichen Konstantinopels mit Goldenem Horn

Das Goldene Horn (türkisch Haliç; griechisch Χρυσοκέρας, Chrysokeras) ist eine ca. 7 km lange Bucht des Bosporus in Istanbul. Es trennt den europäischen Teil der Metropole in einen südlichen und nördlichen Bereich. Der südliche Teil ist eine zwischen Marmarameer und Goldenem Horn liegende Halbinsel mit dem historischen Kern der Stadt, also den Stadtteilen Fatih und Eminönü, wobei sich westwärts, jenseits der alten Stadtmauern, Eyüp erstreckt. Nördlich des Goldenen Horns liegen die an Galata anschließenden Stadtteile. Die Stadtviertel, die unmittelbar an das Goldene Horn grenzen sind Ayvansaray, wo der Blachernenpalast stand, dann Fener, Çarşamba im Süden; nördlich des Goldenen Horns befinden sich die europäisch geprägten Stadtteile Beyoğlu und Beşiktaş.

Das Goldene Horn begrenzt gemeinsam mit dem Marmarameer die auf seiner Südseite gelegene Halbinsel, wo griechische Kolonisten um 660 v. Chr. Byzantion gründeten. Für die Geschichte Istanbuls ist der Haliç von größter Bedeutung.

Name

Benannt ist das Goldene Horn nach der Nymphe Keroessa, der Mutter des Stadtgründers Byzas.

Geschichte

Antike

340/339 v. Chr. belagerte Philipp II. von Makedonien Byzantion; er errichtete für seine Truppen eine erste Brücke über das Goldene Horn.

Byzantinisches Reich

Während des Byzantinischen Reichs war das Goldene Horn der wichtigste Hafen der Hauptstadt Konstantinopel. Mauern entlang der Küstenlinie sicherten die Stadt vor Seeangriffen. Zusätzlich ließ sich die Einfahrt zum Goldenen Horn gegen feindliche Schiffe mit einer starken Gusseisenkette sperren. Sie wurde von der Seemauer bis zum Kettenhaus auf der Nordseite der Bucht gezogen.

Auf der Halbinsel südlich des Horns standen der Kaiserpalast, das Hippodrom (die Pferderennbahn) und viele andere staatliche Gebäude, die alle mit verschwenderischer Pracht ausgestattet waren. Die weitreichende Verwendung von Gold führte zu dem Namen.

Die Mauer am Goldenen Horn wurde im 7. und 8. Jahrhundert angesichts der arabischen Belagerungen mehrfach verstärkt. Zu einer ersten Bewährungsprobe kam es 626 beim Angriff der Perser und Awaren, wobei es der kaiserlichen Flotte nach zehn Tagen gelang, die auf Einbäumen in das Goldene Horn eingedrungenen slawischen Hilfstruppen zurückzuschlagen. Im Norden des Goldenen Hornes, wo die Awaren durchgebrochen waren, ließ Kaiser Herakleios die Mauern schließen und das hügelige Gebiet kastellartig ausbauen. Dort entstand das Blachernenviertel. Insgesamt waren die Mauern etwa 20 km lang.[1]

Anastasios II. (713-715) verstärkte Land- und Seemauern weiter. Alle Bewohner, die keinen Dreijahresvorrat an Getreide nachweisen konnten, mussten die Stadt verlassen. Erstmals fand die Kette Erwähnung, mit der man versuchte, das Goldene Horn abzuriegeln. Insgesamt drei Mal wurde die als Sperre dienende Kette überwunden. Im 10. Jahrhundert ließen die Kiewer Rus ihre Schiffe über Land schleppen, nahe Galata wieder ins Wasser setzen und gelangten so in das Horn. Das Byzantinische Reich empfing die Angreifer mit dem griechischen Feuer und besiegte sie.

Um die Warenversorgung sicherzustellen, wurden Häfen an der Küste zum Goldenen Horn und zum Marmarameer aus- oder neugebaut. 1082 erhielten die Venezianer an der Südseite des Goldenen Horns ein eigenes Quartier, 1111 die Pisaner, 1155 schließlich die Genuesen.

Am 13. April 1204, während des Vierten Kreuzzugs, waren venezianische Schiffe in der Lage, die Kette mit einer Art Rammbock zu zerbrechen und so in die Stadt einzudringen. Drei Achtel der Hauptstadt fielen dabei an Venedig, was bedeutete, dass zwischen Mittelstraße (Mese) und Goldenem Horn alles an Venedig fiel. Kaiser Balduin übernahm den Großen Kaiserpalast, sein Bruder Heinrich zog in den Blachernenpalast. Nachdem Balduin bereits 1205 in bulgarische Gefangenschaft geraten war, blieb sein Bruder und Nachfolger am Goldenen Horn. Mit der Rückgewinnung der Hauptstadt im Jahr 1261 verloren die Venezianer ihre wirtschaftliche und politische Basis in der Stadt.

Stattdessen erhielten die mit Byzanz verbündeten Genuesen 1267 ein Quartier im Stadtteil Pera (heute Beyoğlu) auf der nördlichen Seite des Goldenen Horns. Trotz kaiserlichen Verbots befestigten sie die Stadt 1307. 1348 errichteten sie – erneut gegen den kaiserlichen Willen – einen großen Wehrturm auf der Spitze des Hügels, der sich unter starken Veränderungen bis heute erhalten hat. Venedig konnte erst nach Jahrzehnten sein Quartier zurückgewinnen, doch verlor die Stadt im Laufe des 14. Jahrhunderts erheblich an wirtschaftlicher Bedeutung.

Osmanisches Reich

1453 gelang Sultan Mehmed II. mit der Taktik der Kiewer Rus die Eroberung der Stadt. Nach der Eroberung siedelten vorwiegend Griechen, Juden, Italiener und andere Nichtmuslime entlang des Horns. Der Topkapı-Palast wurde Sitz des Hofes, so dass sich der politische Schwerpunkt wieder vom Blachernenquartier am Goldenen Horn löste. Daher setzte über Jahrzehnte ein Verfall der kaiserlichen Paläste und auch der großen Italienerquartiere ein, jedoch zogen viele Griechen in das Quartier Fener südöstlich des Blachernenquartiers. Sie nannten das Quartier Phanar, und nach diesem sind die Phanarioten benannt, womit eine Gruppe wohlhabender und einflussreicher Adelsfamilien gemeint war, die im Osmanischen Reich des 17./18. Jahrhunderts die Oberschicht des Stadtteils bildeten.

Ein schweres Erdbeben mit einem anschließenden Tsunami zerstörte am 10. September 1509 mehr als tausend Häuser. Vier- bis fünftausend Menschen starben, etwa 10.000 wurden verletzt. Die Mauern von Galata wurden beschädigt, ebenso der Turm über der Stadt. Die Mauern um die Schiffswerften brachen zusammen. Die Stärke des Bebens wurde auf nahe 8,0 geschätzt, die Höhe der Wellen auf mehr als 6 m.[2]

Dennoch erholte sich die Hauptstadt des Weltreichs der Osmanen vor allem unter Süleyman I. (1520–1566) rapide. Der Warenaustausch fand auf den Märkten statt, also vor allem am Großen überdachten Basar und am Goldenen Horn, eine Handelsstruktur, die die Osmanen von den Byzantinern übernommen hatten. In Galata bestand zwischen Karaköy und Kasımpaşa ebenfalls ein äußerst lebhafter Markt. Es blieb nach 1453 weitgehend erhalten und die Bevölkerung wanderte nicht ab. Daher war es auch der bevorzugte Wohnort der später hinzukommenden Europäer, die hier gewohnte Milieus, Sprachen und Kulturen vorfanden. Hinzu kam, dass sich dort Magazine und Geschäfte befanden, aber auch die osmanischen Militäranlagen am Goldenen Horn, die sich bis heute dort befinden. Die Schiffe entstanden in der Tersane, der großen Werft in Kasımpaşa, und Waffen entstanden in Tophane, das dem Stadtteil seinen Namen gab.

Die alte, den Bulgarisch-Orthodoxen zugestandene Holzkirche am Goldenen Horn. Sie wurde 1898 zugunsten des heutigen Bauwerks, das überwiegend aus Gusseisen errichtet wurde, ersetzt.
Die weit fortgeschrittene neue Kirche der Bulgaren im Jahr 1896
Die heutige, restaurierte Kirche

Am Goldenen Horn ballten sich jedoch nicht nur die Händlerquartiere. Die nationalistischen Bewegungen des 19. Jahrhunderts fanden gleichfalls ihren Niederschlag in der Baugeschichte.

Spätestens als die Einwohner von Skopje und Samokow in den 1820er Jahren die griechischen Priester vertrieben und das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel um eine Weihe von einheimischen Kandidaten ersuchten[3], begann der Loslösungsprozess, wenn auch der Konstantinopeler Patriarch zunächst erneut Griechen entsandte. Ein 1839 unter dem Druck der westeuropäischen Mächte von Sultan Abdülmecid I. erlassenes Reformdekret änderte zunächst nichts, doch in Widin gab 1840 der Hof dem Druck der lokalen Bevölkerung nach und schickte den Diakon Dionys nach Istanbul, doch er starb vor der Bischofsweihe.

Erste Erfolge in der Errichtung einer eigenen Kirche konnte die in Istanbul lebende bulgarische Kolonie erzielen. 1848 schrieb Stefan Bogoridi, ein hoher osmanischer Politiker bulgarischer Abstammung, eine Bittschrift, in der er um die Erlaubnis bat, eine bulgarische Kirche in Istanbul zu errichten, in der die Liturgie auf Bulgarisch und von bulgarischen Priestern abgehalten werden sollte. 1849 gestattete ihm Sultan Abdülmecid I. in einem Ferman die Errichtung der bulgarischen Kapelle Sweti Stefan am Goldenen Horn. Dort unterließ Bischof Ilarion Makariopolski am 15. April 1860 im Ostergottesdienst demonstrativ die liturgisch vorgeschriebene Namensnennung des Patriarchen. In den kirchlichen Kanones wurde dies mit der Nichtanerkennung des Patriarchen gleichgesetzt. 1870 sorgte schließlich ein Ferman des Sultans Abdülaziz dafür, dass das Bulgarische Exarchat mit Sitz in Konstantinopel eingerichtet wurde. Auch nach der Unabhängigkeit Bulgariens ab 1878 blieb Konstantinopel das Zentrum der bulgarischen Kirche. Der Altar der Kirche weist Richtung Goldenes Horn.

1812 traf eine schwere Pestwelle die Stadt, die etwa 150.000 Einwohnern das Leben kostete, 1836 folgte eine weitere Epidemie, bei der 80.000 Menschen starben. Dennoch wuchs die Stadt weiter und zählte 1913 mehr als eine Million Einwohner.[4] Ab dem 17. Jahrhundert kam es zu einem erheblichen Zuzug von Armeniern aus allen Gebieten des Reichs. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten bereits über 220.000 Armenier in Konstantinopel, die mit ihrer eigenen Kultur das Bild der Stadt mitprägten.

Türkei

Goldenes Horn bei Sultanahmet im Winter. Im Hintergrund die Hagia Sophia

Die Galatabrücke, 1836 gebaut, verbindet die Altstadt mit den Bezirken von Galata und Beyoğlu (früher unter dem Namen Pera bekannt). Zwei weitere Brücken, die Atatürk-Brücke und die Haliç-Brücke, überqueren das Horn im oberen Teil der Bucht. İstanbul mit den Meerengen Bosporus und Dardanellen wurde nach dem Ersten Weltkrieg von den Alliierten besetzt; Griechenland plante die Wiedereroberung der Stadt, erlitt jedoch eine schwere Niederlage, die die Ausweisung aller Griechen aus der Türkei, mit Ausnahme von Istanbul zur Folge hatte. 1923 wurde der stark von Griechen geprägte Stadtteil Tatavla bzw. Tataulon in Kurtuluş (Befreiung) umbenannt, Istanbul verlor den Status als Hauptstadt der Türkei an Ankara. Im September 1955 kam es zum Pogrom von Istanbul, in dessen Folge die Griechen praktisch ganz aus Istanbul verschwanden. Die Einwohnerzahl stieg vom Tiefpunkt bei 680.000 im Jahre 1927 wieder auf 1,3 Millionen im Jahr 1955 – trotz Vertreibungen. Der Zuzug vor allem aus den asiatischen Gebieten stieg nach 1980 sprunghaft an, bis 1985 verdoppelte sich die Bevölkerungszahl auf rund 5,5 Millionen.

Bis in die 1980er Jahre war das Goldene Horn eine industrielle Müllhalde. Seit der Säuberung[5] ist es eine der touristischen Sehenswürdigkeiten in Istanbul. Am Ende des Horns liegt der Freizeitpark Miniatürk. Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der Aynalıkavak-Palast. Heute ist das Goldene Horn auf beiden Seiten bewohnt und es gibt Parks mit Promenaden entlang der Ufer. Die Istanbuler Handelskammer hat dort ihren Sitz.

1998 entstand die Haliç-Universität mit den Fakultäten für Kunst, Medizin, Betriebswirtschaftslehre, Ingenieurwesen, Pflege- und Sportschulen, einer Abteilung für Fischerei und Aquakultur und ein Institut für Gesundheitswissenschaften.

Weblinks

Commons: Goldenes Horn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Peter Schreiner: Konstantinopel. Geschichte und Archäologie, München 2007, S. 28.
  2. G. A. Papadopoulos, T. Murty, S. Venkatesh, R. Blong: Natural Hazards. State-of-the-art at the End of the Second Millennium, Springer, 2000, S. 187.
  3. Constantin Jireček: Geschichte der Bulgaren
  4. Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München: Beck 2009, S. 369.
  5. Wilfried Heller, Dirk Gerdes: Stadtumbau in Istanbul: Zur Verlagerung von Betrieben des Großhandels, des Handwerks und der Industrie vom "Goldenen Horn" seit 1980. In: Zeitschrift für Wirtschaftsgeographie. H. 1, 1991, S. 24–36.