Graues Kloster (Berlin)

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Unzerstörtes Graues Kloster auf einer Ansichtskarte, um 1910

Als Graues Kloster wurde das Franziskanerkloster im mittelalterlichen Alt-Berlin bezeichnet. Nach der Überlieferung des märkischen Chronisten Andreas Angelus geht der Name auf den grauen Habit der Ordensleute zurück. Das Berliner Franziskanerkloster befand sich in der heutigen Klosterstraße im Ortsteil Mitte. Vor der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg galt das Kloster als das wichtigste mittelalterliche Bauwerk der Stadt. Nach dem Ende des Krieges wurde die Ruine der Franziskaner-Klosterkirche baulich gesichert und gilt als Mahnmal des Krieges, zugleich auch als eine der letzten erhaltenen gotischen Sehenswürdigkeiten Berlins.

Geschichte

Ursprünge des Klosters

Ruinen des Klosters 1951
Ruine der Klosterkirche von der Littenstraße aus gesehen

Die Bettelorden hatten einen wichtigen Anteil an der deutschen Besiedlung der Gebiete zwischen Elbe und Oder. Das mittelalterliche Mitteldeutschland gilt neben dem Rheinland als eines der klassischen Länder der Bettelorden. In der Mark Brandenburg setzten die askanischen Landesherren die Bettelorden zur planmäßigen Besiedlung des Landes ein.

Im Jahr 1250 tritt in den Urkunden ein Herman Langelis als Lectoris im Grawen Kloster zum Berlin in Erscheinung. Dieser war geistlicher Berater und Beichtvater der brandenburgischen Prinzessin Mechthild. Diese Tatsache lässt auf eine enge Verbindung der Franziskaner zum brandenburgischen Markgrafenhof schließen.[1]

Gebäude

Weitere Hinweise auf eine Franziskanerniederlassung ab dem Jahr 1249 gehen auf den Chronisten Andreas Angelus zurück. Die ursprüngliche Niederlassung befand sich laut dem Chronisten in der Spandauer Straße (heutige Hausnummer 49). Feldsteinreste einer romanischen Saalkirche aus der Zeit vor 1250, die unter der Klosterkirche gefunden wurden, deuten aber darauf hin, dass die Franziskaner von Beginn an auf dem Areal ansässig waren. Diese Annahme scheint bestätigt zu werden durch die Abhaltung eines Provinzialkapitels der Sächsischen Ordensprovinz bereits im Jahr 1252, wozu geeignete Räumlichkeiten benötigt wurden. Der Berliner Franziskanerkonvent gehörte zur Kustodie Brandenburg der Franziskanerprovinz Saxonia.

Der Chronist Angelus überliefert den Namen Graues Kloster als Bezeichnung für den Berliner Konvent. Das Kloster selbst grenzte direkt an den markgräflichen Hof (Aula) in der Klosterstraße und reichte unmittelbar an die mittelalterliche Stadtmauer heran.[2] Insgesamt umfasste das Kloster das Areal zwischen der heutigen Klosterstraße, Grunerstraße und Littenstraße. Außerdem verfügte das Kloster wahrscheinlich über mehrere Termineien, gesichert ist die bis vor 1493 bestehende Terminei in der Jüdenstraße in Spandau.[1][3]

Lage des Grauen Klosters im Stadtbild

Neben dem Franziskanerkloster in Berlin gab es das Dominikanerkloster Cölln in der Schwesterstadt Cölln. Dieses wird erst seit dem Jahr 1297 erwähnt und entstand vielleicht durch die Auflösung eines möglichen Dominikanerkonvents in der älteren Stadt Spandau.

Eine Inschrift, die sich bis zum Zweiten Weltkrieg im Kloster selbst befand, besagte, dass die brandenburgischen Markgrafen Otto V. und Albrecht III. im Jahr 1271 den Franziskanern das Grundstück nahe der Stadtmauer, in direkter Nachbarschaft zur markgräflichen Residenz (Hohes Haus), schenkten. Außerdem erhielten die Franziskaner im Jahr 1290 eine Ziegelei des Ritters Jakob von Nybede als Schenkung, die den Bau des eigentlichen Klosters erst ermöglichte. Reste dieser Ziegelei wurden nahe der heutigen Kreuzbergstraße gefunden. Der Bau des Klosters wurde wohl im 14. Jahrhundert abgeschlossen. Vom guten Verhältnis der Ordensleute zu den Berliner Bürgern und den brandenburgischen Markgrafen geben zahlreiche Begräbnisstätten Aufschluss. So wurde hier neben anderen Ludwig der Römer, Sohn des römisch-deutschen Kaisers Ludwig des Bayern und der Margarete von Holland und als Ludwig II. Markgraf und erster Kurfürst von Brandenburg, beigesetzt.[1]

Große Beliebtheit erfuhren die Berliner Franziskaner wohl durch die geistliche Unterstützung, die sie der Berliner Bevölkerung während des Interdikts von 1325 bis 1347 gaben. Diese gab möglicherweise auch den Ausschlag für die Ausgestaltung des Totentanzes in der Marienkirche.

Nutzungsänderung infolge der Reformation

Giebel der Turnhalle, Bärengruppe (um 1900), Aufnahme von 1930

Infolge der Reformation, die in Berlin 1539 stattfand, wurde das Kloster von Kurfürst Joachim II. aufgelöst, sein Besitz wurde säkularisiert. Der letzte Franziskaner starb 1571 im Grauen Kloster.[4] In den Gebäuden wurde 1574 ein Gymnasium eingerichtet, das Berlinisches Gymnasium zum Grauen Kloster genannt wurde. Einer der bekanntesten Leiter dieser Schule war der Kirchenliederdichter Michael Schirmer (1606–1673). Die Gebäude des ehemaligen Klosters und die Klosterkirche nahmen im Zweiten Weltkrieg schweren Schaden. Die notdürftig gesicherten Ruinen der Kirche, des Refektoriums und des Kapitelsaals erlitten beim Bau eines U-Bahn-Tunnels 1951 erneut massive Beschädigungen. Die Reste der anderen Gebäudeteile des Klosters wurden zwischen 1959 und 1961 abgeräumt, während Refektorium und Kapitelsaal als Weinrestaurant wiederaufgebaut werden sollten. Im Juni 1968 kam es infolge der Verbreiterung der Grunerstraße jedoch zum oberirdischen Abriss.[5] Seit 1968 ist daher nur noch die Ruine der Klosterkirche zu sehen; das Gymnasium befindet sich seit 1963 im Ortsteil Schmargendorf.[1]

Im 21. Jahrhundert haben die Franziskaner zwei Niederlassungen in Berlin: das Franziskanerkloster im Ortsteil Pankow (Wollankstraße 19, seit 1921), das eine Suppenküche unterhält, und das Franziskanerkloster im Ortsteil Wilmersdorf (Ludwigkirchplatz 10, seit 1986), dessen Hauptaufgabe die Pfarrseelsorge an der Ludwigskirche ist.

Erhaltene unterirdische Reste

Anstelle des Klosterbauwerks hatte der Magistrat von Berlin eine Grünfläche anlegen lassen. Auf diesem Areal erfolgten in den Jahren 2013/2014 archäologische Grabungen. Dabei konnten Fundamente des Kapitelsaals, ein Feldsteinfundament, Pfeilerreste des Kreuzgangs sowie Bodenbeläge ausgegraben werden, wie Senatsbaudirektorin Regula Lüscher auf eine Anfrage im Berliner Abgeordnetenhaus im November 2014 erklärte. Auch nachträgliche Einbauten, ein Treppenturm aus dem 19. Jahrhundert und sogar Leitungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert wurden freigelegt. Weitere Untersuchungen vor Ort sind nicht vorgesehen, und ob einige Fundstücke einer Sammlung zugeführt werden, wurde nicht mitgeteilt.[6]

Literatur

  • Andreas Angelus: Annales Marchiae Brandenburgicae. Frankfurt/Oder, 1598.
  • Gustav Abb, Gottfried Wentz: Das Bistum Brandenburg 1. Teil (Germania Sacra 1,1). De Gruyter, Berlin 1963. (Repr. d. Ausg. Berlin 1929)
  • Karl-Heinz Ahrens: Residenz und Herrschaft. Studien zur Herrschaftsorganisation, Herrschaftspraxis und Residenzbildung der Markgrafen von Brandenburg im späten Mittelalter. Frankfurt/Main 1990.
  • Gerhard Bronisch: Die Franziskaner Kloster-Kirche in Berlin. Verein für die Geschichte Berlins, Berlin 1933.
  • Ursula Creutz: Geschichte der ehemaligen Klöster im Bistum Berlin. St.-Benno-Verlag, Leipzig 1995, ISBN 3-89543-087-0.
  • Erik Hühns: Der Berliner Totentanz. In: Jahrbuch für Volkskunde. 14. Jg. (1968), S. 243–268.
  • Kirchenruine des Grauen Klosters in Berlin. Hrsg. vom Landesdenkmalamt Berlin. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2007 ISBN 978-3-86568-200-0.
  • Gustav Leh: Das Franziskaner Kloster in Berlin. In: Berliner Heimat. 3. Jg. (1958), S. 128–138.
  • Ralf Nickel: Die Minderbrüder in Berlin. In: Dieter Berg (Hrsg.): Franziskanisches Leben im Mittelalter. Studien zur Geschichte der rheinischen und sächsischen Ordensprovinzen. Dietrich-Coelde-Verlag, Werl 1994, ISBN 3-87163-201-5 (Saxonia Franciscana Band 3), S. 1-26.
  • Burchard Thiel: Die Franziskaner im Bereich des Bistum Berlin. St.-Benno-Verlag, Leipzig 1963.
  • Knut Elstermann: Klosterkinder. Deutsche Lebensläufe am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin. be.bra, Berlin 2009, ISBN 978-3-8148-0168-1.

Weblinks

Commons: Graues Kloster (Berlin) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Baugeschichte
  2. Die Bau- und Kunstdenkmale der DDR, Berlin, I; Hrsg. Institut für Denkmalpflege im Henschelverlag, Berlin 1984; S. 64
  3. Ralf Nickel: Die Minderbrüder in Berlin. In: Dieter Berg (Hrsg.): Franziskanisches Leben im Mittelalter. Studien zur Geschichte der rheinischen und sächsischen Ordensprovinzen. Dietrich-Coelde-Verlag, Werl 1994, S. 1-26, hier S. 7.
  4. Otto-Friedrich Gandert u. a.: Heimatchronik Berlin. Köln 1982, S. 146
  5. Benedikt Goebel: Der Umbau Alt-Berlins zum modernen Stadtzentrum. Planungs-, Bau- und Besitzgeschichte des historischen Berliner Stadtkerns im 19. und 20. Jahrhundert, Verlagshaus Braun, Berlin 2003, S. 85–88.
  6. Überreste des Grauen Klosters in Berlin gefunden. In: Berliner Zeitung vom 13. November, S. 23.

Koordinaten: 52° 31′ 6″ N, 13° 24′ 46″ O