Klassiker (Radsport)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 5. September 2016 um 18:15 Uhr durch (Diskussion | Beiträge) (2 externe Links geändert (1 toter Link)). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Mailand–Sanremo: Das Hauptfeld in Diano Marina 2004
Flandern-Rundfahrt: Roger De Vlaeminck am Koppenberg
Paris–Roubaix: Carrefour de l'Arbre
Lüttich–Bastogne–Lüttich: Andy Schleck an der Côte de la Roche-aux-faucons
Lombardeirundfahrt: Streckenplan 2008.
Rund um den Henninger-Turm 2005: an dritter Stelle der spätere Sieger Erik Zabel

Als Klassiker werden im Straßenradsport besonders bedeutende und traditionsreiche Eintagesrennen bezeichnet.

Definition

Obwohl der Begriff Klassiker im Radsport weder geschützt noch genau definiert ist, lassen sich doch mehrere traditionsbildende Faktoren benennen, die für das Prestige der Radrennen entscheidend sind:[1] das Jahr der Erstaustragung – möglichst vor dem Ersten Weltkrieg –, eine hohe Anzahl von Austragungen, ein während der verschiedenen Auflagen weitgehend unveränderter, von den Anforderungen typischer ("klassischer") Streckenverlauf,[2] die Anerkennung in der Öffentlichkeit und die Qualität der Siegerliste.

„Monumente des Radsports“

Charakteristik

Die bedeutendsten Klassiker sind die fünf „Monumente des Radsports“, welche alle erstmals vor dem Ersten Weltkrieg ausgetragen wurden und einen Palmarès mit zahlreichen bekannten Siegern aufweisen.[3] Jedes dieser Rennen hat eine besondere Charakteristik: Mailand–Sanremo („la Classicissima“ oder auch „la Primavera“)[4] wird an der italienischen Riviera oftmals zugunsten der Sprinter entschieden. Die Flandern-Rundfahrt („de ronde“ bzw. „vlaanderens mooiste“)[5] wird durch kurze, steile Anstiege auf Kopfsteinpflaster, den Hellingen, geprägt. Paris–Roubaix („l'Enfer du Nord“ oder auch „La Reine des Classiques“)[6] ist völlig flach und bezieht seine besondere Schwierigkeit aus den ca. 50 Kilometern oftmals extrem groben Kopfsteinpflasterpassagen, den Pavés. Das älteste Monument, Lüttich–Bastogne–Lüttich („la doyenne“),[7] wird in den wallonischen Ardennen mit zahlreichen steilen, meist kürzeren, teils aber auch bis zu vier Kilometer langen Anstiegen ausgetragen. Während diese vier Klassiker im Frühjahr zu Beginn der Radsportsaison ausgetragen werden, folgt als eines der letzten Rennen der Saison die Lombardei-Rundfahrt („la classica delle foglie morte“),[8] welche auf bergstärkere Fahrer zugeschnitten ist.[9]

Palmarès

Nur drei belgischen Rennfahrern gelang es bisher, bei allen fünf Rennen mindestens einmal zu gewinnen. Zunächst gelang dies Rik Van Looy, der zwischen 1958 und 1965 insgesamt acht Siege erreichte. Danach konnten nebeneinander Eddy Merckx (zwischen 1966 und 1976) sowie Roger De Vlaeminck (zwischen 1970 und 1979) alle Eintagesrennen gewinnen. De Vlaeminck gewann insgesamt elfmal bei einem Klassiker, Merckx gewann insgesamt 19 Mal (und bei jedem Rennen mindestens zweimal).

Rennen Erstaustragung Rekordsieger Termin
ItalienItalien Mailand–Sanremo 1907 Belgien Eddy Merckx (sieben Siege) März
Belgien Flandern-Rundfahrt 1912 Schweiz Fabian Cancellara Belgien Tom Boonen, Belgien Achiel Buysse, Belgien Eric Leman, ItalienItalien Fiorenzo Magni und Belgien Johan Museeuw (je drei Siege) April
FrankreichFrankreich Paris–Roubaix 1896 Belgien Tom Boonen, Belgien Roger De Vlaeminck, (je vier Siege) April
Belgien Lüttich–Bastogne–Lüttich 1892 Belgien Eddy Merckx (fünf Siege) April
ItalienItalien Lombardei-Rundfahrt 1905 ItalienItalien Fausto Coppi (fünf Siege) Oktober

Andere Klassiker, Halbklassiker und moderne Klassiker

Allgemein zu den Klassikern wird auch Paris–Tours gezählt, obwohl der Name und die Strecke des Rennens einige Male wechselten.[10] Strittig ist der Klassikerstatus u.a. für Omloop Het Nieuwsblad (bis 2008: Omloop Het Volk), Gent–Wevelgem, Wallonischer Pfeil, Amstel Gold Race, Clásica San Sebastián, Brussels Cycling Classic, früher: Paris–Brüssel, Piemont-Rundfahrt und Mailand–Turin. Diese und andere Rennen werden oftmals "nur" als "Halbklassiker" angesehen,[11] da bei diesen Rennen einige der genannten Kriterien für klassischen Rennen ganz oder teilweise nicht vorliegen. Für bedeutende Rennen neueren Gründungsdatums, wie die Clásica San Sebastián, Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt und die mittlerweile für Profis eingestellte Meisterschaft von Zürich wird auch der Begriff moderne Klassiker verwendet;[12] hierzu könnte auch das 1966 erstmals ausgetragene Amstel Gold Race gezählt werden.

Eine Besonderheit stellt das in den Jahren 1891–1988 ausgetragene Bordeaux–Paris dar, das über ca. 600 km führte, aber seit den 1960er Jahren an Bedeutung verlor.[13]

Frühjahrs- und Herbstklassiker

Die meisten Klassiker finden überwiegend während zweier zeitlicher Schwerpunkte statt:

Im März und April werden vor allem in Belgien und Nordfrankreich die sogenannten Frühjahrsklassiker ausgetragen, zu denen neben den Monumenten Mailand–Sanremo, Flandernrundfahrt, Paris–Roubaix und Lüttich-Bastogne-Lüttich auch das Amstel Gold Race[14] und die Halbklassiker Gent-Wevelgem[15] und Wallonischer Pfeil[16] gezählt werden. Sie sind häufig von Kopfsteinpflasterpassagen (Pavés bzw. Kasseien), steilen und kurzen Anstiegen, sowie starken Wettereinflüssen geprägt.

In der zweiten Jahreshälfte folgen die Herbstklassiker,[17] zu denen man aufgrund der Austragungszeit Brussels Cycling Classic, Paris–Tours und die Lombardeirundfahrt zählen kann.

Deutsche und Schweizer Klassiker

In Deutschland werden insbesondere die Radrennen Rund um Berlin (seit 1896), Rund um die Hainleite (seit 1907), Rund um Köln[18] (seit 1908) und Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt (von 1962 bis 2008 unter dem Namen "Rund um den Henninger-Turm")[19] als „Klassiker“ bezeichnet. Während „Rund um Berlin“, „Rund um die Hainleite“ und „Rund um Köln“ ihr Prestige vor allem aus ihrem Alter beziehen, wird dem Frankfurter Rennen dagegen der Klassikerstatus vor allem aufgrund seiner sportlichen Bedeutung zugeschrieben. Ob diese Rennen als Klassiker oder Halbklassiker zu bezeichnen sind, ist ebenso wie bei anderen traditionsreichen deutschen und internationalen Rennen eine Frage der subjektiven Einschätzung. Die Vattenfall Cyclassics sind dagegen entgegen ihrem Namen und trotz ihrer Einordnung in die UCI World Tour und der daraus folgenden exzellenten Besetzung kein Klassiker, da sie erst im Jahr 1996 erstmals ausgetragen wurden.

Auch zahlreiche traditionsreiche Schweizer Eintagesrennen werden als Klassiker bezeichnet, neben der Meisterschaft von Zürich z.B. die Berner Rundfahrt (von 1921 bis 1991: Nordwestschweizer Rundfahrt, 1992 Umbenennung in Berner Rundfahrt) und der Grosse Preis des Kantons Aargau in Gippingen (seit 1964).[20]

Breitensport-Klassiker

Von Veranstaltern und manchen Radsportenthusiasten werden auch bedeutende Breitensport-Veranstaltungen wie Radmarathons, Radtourenfahren und Jedermannrennen, z.B. Limburgs Mooiste, De Hel van Twente, Paris–Brest–Paris oder der Alpenbrevet, als Radklassiker bezeichnet.[21]

Siehe auch

Weblinks

Wiktionary: Klassiker – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. ähnlich wie hier: "Die Radsportklassiker" auf strassenradsport.com, abgerufen am 3. April 2011
  2. Rolf Gölz: Mythos Klassiker, Bielefeld 2003, S.6
  3. Der Begriff wird u.a. vom Weltradsportverband UCI vorausgesetzt, vgl. UCI-Presseerklärung vom 18. Juni 2010 : Second day of the UCI Management Committee meeting (englisch/französisch), welche hier allerdings die Grand Tours in den Begriff einbezieht.
  4. classicissima = it. Steigerungsform von „Klassiker“, la Primavera = „der Frühling“
  5. ned. für „die Runde“ bzw. „Flanderns Schönste“
  6. frz. „die Hölle des Nordens“ bzw. „die Königin der Klassiker“
  7. frz. „die Dienstälteste“ oder „die Ehrenwerte“
  8. it. „Klassiker der toten Blätter“, meist übersetzt mit „Rennen der fallenden Blätter“
  9. Top-5: Die Monumente des Radsports - und ihre Eigenheiten. n24.de, 21. März 2015, abgerufen am 23. März 2015.
  10. Das Rennen hieß zeitweise Grand Prix d'Automne (dt.: Großer Herbstpreis) bzw. nach den wechselnden Start- und Zielorten. Es wurde abweichend vom heutigen Namen auf folgenden Strecken ausgetragen: Tours–Versailles (1974–75), Blois–Chaville (1976/77 und 1979–1984), Blois–Autodrome de Montlhéry (1978) und Créteil–Chaville (1985–1987).
  11. z.B. sport.freenet.de vom 27. März 2011: Halbklassiker Gent-Wevelgem: Tom Boonen siegt im Sprint
  12. Philippe Bouvet/Philippe Brunel/Pierre Callewaert/Jean-Luc Gatellier/Serge Laget: Klassiker des Radsports. Die großen Eintagesrennen. Kiel/Bielefeld 2008, S. 148ff
  13. zur Einordnung als Klassiker, vgl. z.B. Gilbert Duclos-Lassalle - Wie ein guter Wein auf radsport-seite.de abgerufen am 23. November 2014
  14. vgl. Tour-Service: Die Frühjahrsklassiker 2014 auf tour-magazin.de abgerufen am 23. November 2014
  15. radsport-news.com vom 24. März 2013: Frühjahrsklassiker in Eiseskälte
  16. vgl. radsport-news.com vom 17. März 2014: La Flèche de Wallonie: der "Pfeil" fliegt für alle
  17. zur Verwendung des Begriffs Herbstklassiker vgl. z.B. rad-net.de vom 13. Oktober 2013: Ergebnisse vom Herbst-Klassiker Paris-Tours
  18. vgl. news.de vom 30. März 2011: Deutsche Rad-Auswahl bei «Rund um Köln» am Start
  19. vgl. freiepresse.de vom 1. Mai 2010: Wegmann gewinnt erneut Frankfurter Radklassiker
  20. Kurt Graunke/Walter Lemke/Wolfgang Rupprecht: Giganten von einst bis heute. Geschichte der deutschen Profi-Straßenradrennfahrer. München 1993, S. 6
  21. vgl. für den Alpenbrevet: rad-net.de vom 30. August 2012 Komplett ausgebucht: Samstag der Klassiker «Alpenbrevet» rad-net.de vom 30. August 2012