Lutherkirche (Berlin-Spandau)
Die Lutherkirche ist ein evangelisches Gotteshaus in Berlin-Spandau. Sie wurde 1895–1896 nach Plänen von Arno Eugen Fritsche als dreischiffige Hallenkirche mit drei Jochen errichtet.
Standort
Die Lutherkirche in der Spandauer Neustadt liegt auf einem repräsentativen Stadtplatz, der bereits seit 1890 den Namen des Kirchenpatrons Martin Luther trägt. Der Lutherplatz liegt nördlich der Altstadt Spandau zwischen Neuendorfer und Schönwalder Straße im Schnittpunkt der Lasiusz-, Neumeister-, Hedwig-, Lynar-, Jagow- und Lutherstraße. Die Spandauer Neustadt war im 19. Jahrhundert schnell gewachsen und hatte sich zu einem typischen Arbeiterviertel entwickelt.
Baubeschreibung
Der rote Ziegelbau wurde nach dem Vorbild des sogenannten Übergangsstils von der Romanik zur Gotik in ungefährer Ost-West-Ausrichtung errichtet und gehört somit zur Neuromanik und Neugotik. Das gedrungen wirkende, durch starke Strebepfeiler gegliederte Kirchenschiff setzt sich in einen rechteckigen Altarraum mit polygonalem Sakristeianbau fort.
Der Turm ist asymmetrisch in der Flucht der Westfassade vor ein Seitenschiff gestellt und mit einer kurzen Spitze gedeckt.
Baugeschichte
Die Kirche wurde mit ursprünglich 1.100 Sitzplätzen und 500 Stehplätzen für rund 40.000 Gemeindemitglieder erbaut. Dachstuhl und Bleiverglasung wurden 1945 bei einem Luftangriff stark in Mitleidenschaft gezogen, das Innere blieb unbeschädigt. Die britische Besatzung nutzte die Lutherkirche als Militärkirche, Mitte der 1950er-Jahre erfolgte eine gründliche Renovierung.
Seit den 1960er-Jahren erwies sich die Kirche als zu groß für die kleiner gewordene, heute in einem Kiez mit über 30 % Ausländeranteil gelegene Gemeinde mit etwa 4.000 Mitgliedern. 1981 fand darum ein Architektenwettbewerb zur Errichtung eines Gemeindezentrums innerhalb des Kirchenschiffs für alle auch außergottesdienstlichen Veranstaltungen und Belange statt. Die Ergebnisse waren seitens der Denkmalpflege nicht genehmigungsfähig und konnten auch aus Kostengründen nicht weiter verfolgt werden.[1]
Der Architekt Dieter Ketterer, der später auch die Umgestaltung der St.-Bartholomäus-Kirche in Berlin-Friedrichshain leitete, entwarf ab 1985 einen Einbau von neun Wohnungen - geplant ursprünglich als Konvent - auf drei Ebenen in zwei Jochen des Kirchenschiffs. Das erste Joch und der Altarraum sind durch eine weiße Trennwand in voller Breite und Höhe des Kirchenschiffs von den Wohnungsebenen getrennt und stehen weiterhin als Kirche zur Verfügung: eine Art Zentralraum mit kreuzförmigem Grundriss. Der Umbau wurde nach zum Teil heftigen Diskussionen in der Fachöffentlichkeit in den Jahren 1994 bis 1997 vorgenommen und stand unter der Maxime, die raumbildenden Glieder des Kircheninneren so gering wie möglich zu zerstören. Neuzeitliche Einbauten sollten als solche erkennbar bleiben, was durch Formgebung und weiße Farbgebung erreicht wurde.
Die beiden seitlichen Emporen blieben mit ihrer historischen Ornamentik bestehen und sind an der Westseite durch eine konkav gebogene Empore brückenartig verbunden, deren weiße Brüstung sich deutlich von den historischen Bauformen abhebt.[2] Die Taufe und die hölzerne Kanzel mit Baldachin wurden im Kirchenraum erhalten. Die übrige Innenausstattung wurde ausgelagert. Der Altar befindet sich seit 1994 in der Melanchthon-Kirche in der Spandauer Wilhelmstadt.
So blieb äußerlich das Bauwerk bestmöglich erhalten. Der nichtsahnende Betrachter wundert sich lediglich über den - bei einer Kirche ungewohnten - Anblick von blühenden Blumen in den Fenstern der nicht sogleich erkennbaren Wohnungen in der Kirche.
Ausstattung
Orgel
Die Lutherkirche bekam bald nach der Fertigstellung 1896 eine Orgel der Orgelbaufirma Gebrüder Dinse mit 36 elektro-pneumatischen Registern auf zwei Manualen und Pedal, die auf der Westempore stand. 1914 wurde sie von Schlag & Söhne um 9 Register und ein weiteres Manual vergrößert. Die Restaurierung und Erweiterung 1929 durch Furtwängler und Hammer kam einem Neubau nahe. Da die Orgel nach dem Zweiten Weltkrieg vernachlässigt und später zudem durch Wasserschäden beeinträchtigt und zuletzt fast nicht mehr spielbar war, wurde sie 1996 im Zuge des Umbaus der Lutherkirche entfernt und stückweise verkauft, auch wegen Platzmangels in der verkleinerten Kirche. Die Gemeinde behalf sich seit 1996 mit einem 4-registrigen Orgelpositiv der Firma Ilisch, das bis dahin im Gemeindehaus gestanden hatte und bei Kindergottesdiensten erklang. Für den Gebrauch in der Kirche wurde es um ein Bassregister und Pedal ergänzt.
Ostern 2015 wurde eine neue Orgel eingeweiht, die von der Orgelbaufirma Hugo Mayer (Heusweiler/Saarland) gebaut wurde. Das Instrument lehnt sich an romantische elsässische Orgeln an und hat 1.572 Pfeifen in 27 Registern auf zwei Manualen und Pedal, ein weiteres Register entsteht durch Vorabzug. Die Disposition entwarf der Berliner Orgelsachverständige Michael Reichert, den Prospekt Dieter Ketterer, der auch den Kirchenumbau geleitet hatte. Für die Planung und Finanzierung gründete sich ein „Freundeskreis der evangelischen Lutherkirchengemeinde e.V.“ („Orgelverein“ genannt). Neben rund 100.000 € an Spenden leistete der Evangelische Kirchenkreis Spandau einen Zuschuss von 300.000 €.[3]
Die Orgel steht in der Mitte der Ostwand hinter dem Altar und verdeckt die Tür zur ehemaligen Sakristei, dem heutigen Kantorenzimmer. Der Korpus hat eine Höhe von rund acht Metern. Die Holzbauteile des Pfeifengehäuses in matt glänzender, rubinroter Lackierung stehen im Kontrast zu den polierten Prospektpfeifen und den horizontalen metallenen Zierstäben, die vor den Prospekt gesetzt sind. Der schmalere Fuß der Orgel bildet die Kulisse für den Altar und ist von quadratischen und rechtwinkligen Ausfachungen geprägt, zwischen deren Abstandsfugen dimmbares LED-Licht austritt. Der Spieltisch ist links am Orgelfuß positioniert.[4]
Disposition
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- Mechanische Koppeln: II/I, II/P, I/P
- Elektrische Oktavkoppeln: 16′ II/II, 16′ II-I, 4′ II-II, 4′ II-I, 4′ II-P, Hyper II-P
- Spielhilfen: elektronische Setzeranlage; Winddrossel; Crescendo-Walze
Glocken
Im Kirchturm hängen drei Stahlgussglocken, gegossen vom Bochumer Verein.[5]
Nr. | Schlagton | Gewicht (kg) |
Durchmesser (mm) |
Höhe (mm) |
Gussjahr | Aufschrift |
1 | e' | 1210 | 1400 | 1120 | 1896 | EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE |
2 | fis' | 860 | 1240 | 1020 | 1896 | UND FRIEDE AUF ERDEN |
3 | a' | 500 | 980 | 820 | 1957 | UND DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN - 1957 |
Luthergemeinde
Die Luthergemeinde liegt im Kirchenkreis Spandau des Sprengels Berlin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz.
Das Gebiet der Luthergemeinde umfasst die Spandauer Neustadt und den südöstlichen Zipfel von Hakenfelde. In ihr sind ein Pfarrer, eine Kantorin, ein Diakonin und eine Küsterin (Leiterin des Gemeindebüros) sowie ein Haus- und Kirchwart hauptamtlich tätig. Das Gemeindebüro befindet sich unter der Anschrift Lutherplatz 3 als Einbau in der Kirche.
Für weitere gemeindliche Arbeit in Gruppen und offenen Veranstaltungen steht das Paul-Schneider-Haus in der Schönwalder Straße zur Verfügung.
Literatur
- Christine Goetz, Matthias Hoffmann-Tauschwitz (Hrsg.): Kirchen Berlin Potsdam. Führer zu den Kirchen in Berlin und Potsdam. Berlin 2003, ISBN 3-87554-368-8 / ISBN 3-88981-140-X.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Christian Maechler: Kirchenumbau - Durchführung. In: Gemeindekirchenrat der ev. Lutherkirchengemeinde Berlin-Spandau (Hrsg.): Eine neue Orgel für die Lutherkirche. Festschrift zur Einweihung der Hugo Mayer-Orgel. 2015, S. 17.
- ↑ Dieter Ketterer: Die neue Orgel - Gestalterisches Konzept. In: Gemeindekirchenrat der ev. Lutherkirchengemeinde Berlin-Spandau (Hrsg.): Eine neue Orgel für die Lutherkirche. Festschrift zur Einweihung der Hugo Mayer-Orgel, 2015, S. 32-34.
- ↑ Matthias Bender: Kirchenumbau - Orgelprospekt. In: Gemeindekirchenrat der ev. Lutherkirchengemeinde Berlin-Spandau (Hrsg.): Eine neue Orgel für die Lutherkirche. Festschrift zur Einweihung der Hugo Mayer-Orgel, 2015, S. 20-22.
- ↑ Dieter Ketterer: Die neue Orgel - Gestalterisches Konzept. In: Gemeindekirchenrat der ev. Lutherkirchengemeinde Berlin-Spandau (Hrsg.): Eine neue Orgel für die Lutherkirche. Festschrift zur Einweihung der Hugo Mayer-Orgel, 2015, S. 32-34.
- ↑ Klaus-Dieter Wille: Die Glocken von Berlin (West). Geschichte und Inventar. Gebr. Mann Verlag, Berlin 1987, ISBN 3-7861-1443-9, S. 136.
Koordinaten: 52° 32′ 54″ N, 13° 12′ 16,6″ O
- Kirchengebäude des Evangelischen Kirchenkreises Spandau
- Baudenkmal in Berlin
- Berlin-Spandau
- Martin-Luther-Kirche
- Hallenkirche
- Neuromanisches Bauwerk in Berlin
- Neugotisches Bauwerk in Berlin
- Erbaut in den 1890er Jahren
- Disposition einer Orgel
- Kirchengebäude in Berlin
- Neuromanisches Kirchengebäude
- Neugotisches Kirchengebäude
- Bauwerk von Arno Eugen Fritsche