Michail Wassiljewitsch Lomonossow

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Michail Lomonossow

Michail Wassiljewitsch Lomonossow (russisch Михаи́л Васи́льевич Ломоно́сов, wiss. Transliteration Michail Vasil'evič Lomonosov; * 8.jul. / 19. November 1711greg. in Mischaninskaja, Gouvernement Archangelgorod; † 4.jul. / 15. April 1765greg. in Sankt Petersburg) war ein russischer Naturwissenschaftler, Dichter und Reformer der russischen Sprache. Er gilt als Universalgelehrter in der Zeit der Aufklärung.

Leben

Studentenbude in der Wendelgasse 2 in Marburg
Bescheinigung des Prorectors der Universität Marburg für Michael Lomonosoff Matheseos et Philosophiae Studiosus

Lomonossow stammte aus einer Fischerfamilie aus dem hohen Norden Russlands. Schon als Junge lernte er Navigation und Wetterkunde, erwarb aber auch Grundkenntnisse in russischer Grammatik. Seine Wissbegier war so ausgeprägt, dass er gegen den Willen des Vaters die Familie verließ und 1000 Kilometer zu Fuß nach Moskau ging, um dort ein Studium an der Geistlichen Akademie zu beginnen. Vier Jahre später wurde er zusammen mit einigen Kommilitonen an die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg gesandt.

1736 setzte er sein Studium in Deutschland an der Universität Marburg (insbesondere bei dem Philosophen Christian Wolff) in den Fächern Philosophie, Mathematik, Chemie und Physik und von 1739 bis 1740 im Freiberger Laboratorium von Johann Friedrich Henckel in Mineralogie, Bergbau und Hüttenwesen fort. In Freiberg beschäftigte er sich auch intensiv mit Literatur. 1740 kehrte er nach Marburg zurück, wo er die Tochter seiner Vermieterin heiratete.

1741 reiste er nach St. Petersburg, um seine Doktorarbeit bei Georg Wolfgang Krafft[1] zu schreiben. Zwei Jahre später folgte ihm seine Frau Elisabeth-Christina mit dem gemeinsamen Kind nach. Ab 1745 lehrte er als Professor der Chemie in einem von ihm eingerichteten Unterrichts- und Forschungslabor, war aber auch als Dichter sehr produktiv. 1750 forderte die Kaiserin Elisabeth ihn zusammen mit dem Dichter Trediakowski auf, Schauspiele für das neue Nationaltheater zu verfassen, was er auch mit Erfolg tat.

1754/1755 wirkte er mit der tatkräftigen Unterstützung des Favoriten der Kaiserin, Iwan Iwanowitsch Schuwalow, an der Gründung der Moskauer Staatsuniversität, der nach ihm benannten Lomonossow-Universität, mit. 1760 wurde er Direktor der Universität der St. Petersburger Akademie der Wissenschaften. Im Alter von 54 Jahren starb er in St. Petersburg.

Leistungen

Lomonossow-Effekt: Ablenkung des Lichts beim Venustransit
Lomonossows größtes Glasmosaik (6,44 × 4,81 m): Schlacht bei Poltawa

Lomonossow gilt als Universalgelehrter und als Begründer der russischen Wissenschaft, insbesondere als Mitbegründer der Wissenschaften Metallurgie, Geologie und Meteorologie, Geographie und Kartografie, aber auch der Geschichtswissenschaft in Russland. Wissenschaft war in Russland seinerzeit noch eine Domäne ausländischer Experten, vor allem von Deutschen und Franzosen. Alexander Puschkin sagte über Lomonossow, er habe nicht nur die erste Universität Russlands geschaffen, sondern er selbst sei eine ganze Universität gewesen. Viele wissenschaftliche Pionierleistungen auf zahlreichen Gebieten sind mit seinem Namen verbunden:

  • Lomonossow widersprach der – seinerzeit weithin akzeptierten – Phlogistontheorie. 1748 postulierte er das Prinzip der Massenerhaltung bei chemischen Prozessen, das 1789 von Lavoisier ausformuliert wurde. Daher wird der Massenerhaltungssatz auch als „Lomonossow-Lavoisier-Gesetz“ bezeichnet.
  • Er war ein Vertreter der atomistischen Theorie und bereitete die Kinetische Gastheorie konkret vor: Nach Lomonossow ist Wärme eine Form der Bewegung der kleinsten Teilchen.
  • 1748 entwickelte er eine mechanische Gravitationserklärung.
  • Er bestimmte den Gefrierpunkt von Quecksilber.
  • Er nahm an, dass sich Licht wellenartig ausbreitet.
  • Beim Venustransit im Jahr 1761 beobachtete er rund um die Planetenscheibe einen schmalen Lichtring (Lomonossow-Effekt) und leitete daraus die Vermutung ab, die Venus habe eine Atmosphäre.
  • Er stellte als Erster einen Zusammenhang zwischen Polarlichtern und elektrischer Ladung in der Erdatmosphäre her.
  • Die Corioliskraft wurde erstmals im Jahre 1763 von Lomonossow beschrieben.

Lomonossow erklärte zudem ungefähr im Jahre 1750 als Erster die für Schiffe verhängnisvolle Natur der Eisberge richtig: Da die Dichte des Eises nur 0,92 g/cm³ beträgt (Dichte des Meerwassers 1,025 g/cm³), müssen sich 90 Prozent des Volumens der Eisberge unter der Wasseroberfläche befinden. Sein Studium in Deutschland und seine deutsche Frau sind wahrscheinlich der Grund dafür, dass der Universalgelehrte das Wort Eisberg (russisch: Айсберг, transkribiert Aisberg) in der russischen Sprache verankert hat.

1763 verfasste er die Denkschrift Kurzgefasste Beschreibung verschiedener Forschungsreisen auf den Nordmeeren und Angabe einer möglichen Durchfahrt auf dem Sibirischen Ozean nach Ostindien. Er gab genaue Anweisungen zur Ausrüstung und Durchführung einer Expedition zur Erforschung dieses Seewegs, der nach seiner Ansicht direkt über den Nordpol führen sollte. 1765, einen Monat nach Lomonossows Tod, fand diese mit drei Schiffen unter der Leitung von Wassili Jakowlewitsch Tschitschagow statt, traf aber westlich von Spitzbergen auf kompaktes Meereis und musste umkehren.[2]

Noch während seiner Studienzeit in Freiberg entwickelte Lomonossow – ausgehend von den Ideen des russischen Dichters Trediakowski – ein neues Metrum für seine Dichtungen. Er propagierte Russisch als Unterrichtssprache und verfasste 1757 eine russische Grammatik, mit der die russische Schriftsprache grundlegend reformiert wurde. Diese Grammatik stellt eine Kombination von Kirchenslawisch und der damaligen russischen Umgangssprache dar. 1760 veröffentlichte er die erste Geschichte Russlands.

Im Sinne der Vorstellungen von Zar Peter wirkend, war Lomonossow zweifellos der bedeutendste Erneuerer des Bildungswesens im Russischen Kaiserreich; gleichzeitig war er der erste russische Wissenschaftler von Weltrang.

Außerdem kümmerte er sich um die Wiederbelebung der russischen Mosaikkunst. Auf ihn geht die Gründung einer Mosaik- und Buntglasfabrik im jetzigen Lomonossow (ehemals: Oranienbaum) bei St. Petersburg zurück.

Ehrungen

Namensgeber

Lomonossows Grabstein in St. Petersburg
Russische Gedenkmünze aus Gold (1992)

Nach Lomonossow wurden benannt:

in der Geographie:

in der Astronomie:

in der Raumfahrt:

Münzen

Zum 275. Geburtstag Lomonossows wurde 1986 eine sowjetische 1-Rubel-Gedenkmünze aus Kupfer-Nickel geprägt. 1992 wurde eine russische Goldmünze mit Nennwert 100 Rubel geprägt (Feingehalt 15,55 Gramm Gold, 5700 Exemplare).

Werke

  • Первые основания металлургии или рудных дел. (Erste Grundlagen der Metallurgie oder des Hüttenwesens), St. Petersburg 1763.
  • Aufsätze: О слоях земных. (Über die Erdschichten), Зрелище природы и художеств. (Das Bild der Natur und der Kunst), Слово о рождении металлов от трясения земли. (Rede über die Geburt der Metalle durch Erdbeben), veröff. im Bd. V der gesammelten Werke Lomonossows (Полное собрание сочинений в 11 томах / Gesammelte Werke, Moskau & Leningrad 1950–1959).
  • Полное собрание сочинений/Polnoje sobranije sochinenij. (Gesammelte Werke), 11 Bände, Moskau & Leningrad 1950–1959.
  • Ausgewählte Schriften in zwei Bänden. Band 1: Naturwissenschaften. Band 2: Geschichte, Sprachwissenschaft und anderes. Akademie, Berlin 1961.
  • A chronological abridgment of the russian history. Übersetzer und aktualisierende Fortführung durch Georg Forster. Reihe: Print Editions. Gale Ecco, Independence, KY 2010, ISBN 1-171-48444-5.[3]

Literatur

(Lomonossows Aufenthalt in Deutschland)

  • B. N. Menautkin: Lomonosov in Marburg. Übersetzt und zusammengestellt von Tatjana Högy-Lanko. In: alma mater philippina. Wintersemester 1966/1967, S. 15–20.
  • Peter Scheibert: Lomonosov, Christian Wolff und die Universität Marburg. In: Academia Marburgensis. Bd. 1: Beiträge zur Geschichte der Philipps-Universität Marburg. Für den Fachbereich Geschichtswissenschaften hrsg. von W. Heinemeyer, Th. Klein, H. Seier. Marburg 1977, S. 231–240.
  • Michail W. Lomonossow 1711–1765. Mittler zwischen Ost und West (= Schriften des Hessischen Staatsarchivs Marburg, Band 6). Marburg 1990, ISBN 3-88964-149-0.
  • Markus Bauer: Passage Marburg. Ausschnitte aus vierundzwanzig Lebenswegen. Mit Beiträgen von Ullrich Amlung und Rolf Bulang. Jonas, Marburg 1994, ISBN 3-89445-181-5 (darin: Michail Vasilevic Lomonosov, S. 81–89).
  • Marburger Spuren im Werk Michail Vasil'evič Lomonosovs. In: Inge Auerbach: Der hessische Löwe und der russische Bär. Hessen-Kassel und Rußland vom 16. bis ins 20. Jahrhundert; Ausstellung des hessischen Staatsarchivs Marburg vom 22. Sept. 2003 – Ende Februar 2004, Hessisches Staatsarchiv, Marburg 2003, ISBN 3-88964-190-3, S. 72–90.
  • Peter Hoffmann: Michail Vasil'evič Lomonosov (1711–1765). Ein Enzyklopädist im Zeitalter der Aufklärung. Lang, Frankfurt am Main [u.a.] 2011, ISBN 978-3-631-61797-7.
  • Norbert Nail: Russi intra muros: Studenten aus St. Petersburg 1736-1739 bei Christian Wolff in Marburg. Zum 300. Geburtstag des Universalgelehrten Michail Vasil'evič Lomonosov am 19. November 2011. In: Studenten-Kurier. 1/2012, S. 15–19.
  • Konstantin Filippov und Liubov Grigorieva (St. Petersburg): Michail Lomonossov und die deutsche Sprache und Kultur im XVIII. Jahrhundert – Ein Bericht zu aktuellen Forschungsprojekten über einen russischen Universalgelehrten. In: Sprache & Sprachen. 45. 2013, S. 1–16.
  • Friedrich Naumann: Michael Lomonossows Weg in die Wissenschaft (auch russisch: Путь Михаила Васильевича Ломоносова в науку). In: M. W. Lomonossow in Freiberg. Hrgg. anlässlich der Einweihung des Lomonossow-Hauses in der Freiberger Fischerstraße am 7. Februar 2014. Freiberg 2014, S. 3–48.
  • Friedrich Naumann: Das Lomonossow-Haus und seine Geschichte (auch russisch: «Дом Ломоносова» и его история). In: M. W. Lomonossow in Freiberg. Hrgg. anlässlich der Einweihung des Lomonossow-Hauses in der Freiberger Fischerstraße am 7. Februar 2014. Freiberg 2014, S. 49–61.

Weblinks

Commons: Michail Wassiljewitsch Lomonossow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Conrad Grau: Lomonosov, Schlözer, Pallas: Deutschrussische Wissenschaftsbeziehungen im 18. Jahrhundert.
  2. Karl H. Salzmann: Der Kampf um den Nordpol, Teil 1: Von den Anfängen bis zum Jahr 1882 (= Die Kosmos-Bibliothek. Band 200), Stuttgart 1958, S. 29–41.
  3. Zuerst T. Snelling, London 1767. Zur Festlegung des Übersetzers siehe die Anm. in dessen Lemma