Mohammad Chātami

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Mohammad Chātami, 2007 in Davos
Unterschrift von Chatami
Unterschrift von Chatami

Mohammad Chātami (persisch محمد خاتمی, DMG Muḥammad Ḫātamī, [mohæˈmmːæd xɑtæˈmiː], nach der englischen Transkription häufig auch Mohammed Khatami; * 14. Oktober 1943 in Ardakan) war 5. Staatspräsident des Iran. Er wurde am 23. Mai 1997 gewählt und 2001 für eine zweite Amtszeit wiedergewählt, die im August 2005 endete. Sein Nachfolger war Mahmud Ahmadinedschad.

Seit Chatami bei der von Vorwürfen der Wahlfälschung überschatteten Präsidentschaftswahl im Jahre 2009 Mir Hossein Mussawi gegen Ahmadinedschad unterstützte, darf Chatami in den iranischen Medien nicht mehr genannt werden, noch darf sein Bild – außer in seiner Heimatstadt Ardakan – gezeigt werden.[1]

Leben

Chātami studierte Theologie in Ghom und Philosophie in Isfahan und hat den Rang eines Hodschatoleslam val-moslemin („Beweis des Islam und der Muslime“). Ab 1978 war er Direktor des Islamischen Zentrums Hamburg. Nach seiner Rückkehr wurde er 1980 Abgeordneter, 1981 Minister für islamische Kultur und erwarb sich den Ruf eines gemäßigt islamischen Intellektuellen. Wegen Differenzen mit Radikalen trat er 1992 zurück und wurde Direktor der Nationalbibliothek in Teheran.

Innenpolitik

Erste und zweite Amtszeit

Seinen überraschend eindeutigen Sieg in der Präsidentenwahl am 23. Mai 1997, mit einem Stimmenanteil von 70 %[2] verdankte Chātami zu einem großen Teil den weiblichen und jungen Wählern, da er vor der Wahl versprach, deren Rechte deutlich zu stärken. Er war Kandidat der zweitstärksten Partei „Diener des Wiederaufbaus“ und schlug überraschend den Favoriten Ali Akbar Nateq Nuri, einen radikalen Mullah. Am 3. August übernahm er das Amt von Alī Akbar Hāschemī Rafsandschānī, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren durfte. Chātami stieß mit seinen Reformbestrebungen auf großen Widerstand der Religiöskonservativen und enttäuschte manche seiner Wähler. Dennoch wurde er bei den Präsidentenwahlen am 8. Juni 2001 mit der deutlichen Mehrheit von 78,3 % wiedergewählt; sein direkter Gegner, Ahmad Tavakkoli, kam gerade auf 15,9 %.

Politische Vorstellungen

Chātami gilt als erster Reformer im Amt des Staatspräsidenten, da er seine Wahlkampagne auf Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Gleichberechtigung aufbaute. Diese Grundsätze führten zu Konflikten mit den islamistischen Kräften der iranischen Staatsführung.[3]

In einem Gesetzesvorschlag zur Begrenzung der Macht des Wächterrates berief er sich auf Artikel 113[4] der Verfassung der Islamischen Republik, in dem es heißt, der Staatspräsident sei nach dem Revolutionsführer der ranghöchste Vertreter des Staates. Er habe neben der Führung der Exekutive die Aufgabe, die Einhaltung der Verfassung zu kontrollieren.[5] Der Gesetzesvorschlag wurde jedoch vom Wächterrat kassiert.

Erneute Kandidatur

Am 8. Februar 2009 erklärte Chātami seine erneute Kandidatur zur Wahl des iranischen Staatspräsidenten am 12. Juni 2009.[6] Durch das Ansinnen seiner Anhänger aus dem Reformlager gedrängt, soll er geantwortet haben: „Man kann doch schlecht Nein sagen, wenn alle ein Ja wollen“.[7] Am 16. März 2009 gab er bekannt, dass er doch nicht als Kandidat antreten, dafür den gemäßigten Kandidaten Mir Hossein Moussavi unterstützen werde,[8] um eine „Spaltung der Wählerschaft zu vermeiden“.[9]

Iranische Sicherheitskräfte haben am 31. Mai 2009 einen Bombenanschlag auf eine iranische Passagiermaschine vereitelt. Eine Viertelstunde nach dem Start der mit 131 Passagieren besetzten Maschine, entdeckten sogenannte Sky Marshals einen selbstgebauten Sprengsatz in einer der Flugzeugtoiletten.[10] Unter den Passagieren sollte sich ursprünglich Mohammad Chātami befinden. Dieser nahm jedoch, aus unbekannten Gründen, einen früheren Flug.[11]

Außenpolitik

In einem Interview, gegeben der CNN-Reporterin Christiane Amanpour im Januar 1998, lobte er die amerikanische Zivilisation und zollte dem großen amerikanischen Volk seinen Respekt.[12] Für diese Äußerung wurde er später von der Zeitschrift 'Dschomhuri-ye Eslami' mit den Worten kritisiert: „Der Präsident hat alles gesagt, bis auf das, was er hätte sagen sollen.“

2003 in Genf während der Pressekonferenz zum WSIS
Chātami am 27. Februar 2004 in Caracas

Bei einem Besuch in Weimar warb er in seiner Rede vom 12. Juli 2000[13] für einen Dialog zwischen Orient und Okzident und „vor allen Dingen die Suche nach mitfühlendem und vertrauensvollem Kontakt“.[14]

Im Mai 2003 versuchte Chātami, anscheinend in Absprache mit dem Revolutionsführer, die stockenden Verhandlungen im Atomstreit aufzubrechen. Das als „Schweizer Memo“ bekannte Fax[15] des Schweizer Botschafters Tim Guldimann[16] – die Schweiz übernimmt seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen Iran/USA die Verbindung auf dieser Ebene – konnte der US-Außenminister Colin Powell „im Weißen Haus nicht verkaufen“.[17]

Während der Trauerfeierlichkeiten[18] anlässlich des Todes von Johannes Paul II. am 8. April 2005 kam es zu einer Begegnung zwischen Chātami und dem damaligen israelischen Staatspräsidenten Mosche Katzav.[19]

Im Zusammenhang mit den Unruhen in der islamischen Welt nach der Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. gehörte Chātami zu den moderaten Stimmen. Er sprach sich dafür aus, „die Rede erst einmal zu lesen, ehe man sie kritisiert“.[20] Chātami wurde am 5. April 2007 von Papst Benedikt XVI. unter ausdrücklicher Würdigung als „moderater Reformer“ in einer Privataudienz im Vatikan empfangen.[20]

Im Unterschied zu manch anderen iranischen Politikern und Geistlichen hält Chātami den Holocaust für eine „absolute, historische Tatsache“[21].

Familie

Chātamis Vater, Ajatollah Ruhollah Chātami, war ein hochrangiger Kleriker in Yazd. Mohammad Chātami ist seit 1974 mit Zohreh Sadeghi, der Tochter eines Religionsgelehrten und Nichte von Musa as-Sadr, verheiratet. Der Ehe entsprangen zwei Töchter und ein Sohn. Leila (geboren 1975) hat eine Professur in Mathematik, Narges (geboren 1982) und Emad (geboren 1988); der Adoptivsohn heißt Mehdi.

Chātamis jüngerer Bruder, Dr. Mohammad-Reza Chātamī, wurde als einer der Ersten für das Parlament der 6. Wahlperiode gewählt, dabei erhielt er den Posten des stellvertretenden Madschles-Sprechers. Mohammad Reza Chātami ist mit Zahra Eshraghi, der Enkelin Chomeinis, verheiratet, Führer einer reformistischen Partei und regimekritisch. Chātamis älterer Bruder, Ali Chātami, mit dem Diplomabschluss Wirtschaftsingenieurwesen ist Geschäftsmann. Chātamis ältere Schwester, Fatemeh Chātami, wurde 1999 in das Stadtparlament von Ardakan gewählt.

Neben Persisch spricht Chātami Arabisch, Englisch und Deutsch.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Mohammad Chatami – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Friederike Böge: Der Mann, der nicht genannt werden darf. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. April 2016, S. 5.
  2. http://www.cnn.com/WORLD/9705/24/iran.elex/index.html
  3. http://www.bpb.de/publikationen/SI1YYD,0,Gibt_es_in_Iran_noch_einen_Reformprozess.html
  4. http://www.servat.unibe.ch/law/icl/ir00000_.html
  5. http://archiv.hamburger-illustrierte.de/arc2002/downloads/iranreport092002.pdf
  6. Spiegel online vom 8. Februar 2009
  7. Financial Times Deutschland vom 8. Februar 2009 (Memento vom 4. August 2012 im Webarchiv archive.today)
  8. Kurier: Hoffnungsträger tritt doch nicht an (Memento vom 18. März 2009 im Internet Archive)
  9. Die ZEIT online vom 17. März 2009
  10. Sicherheitskräfte entschärfen Bombe in Passagierflugzeug Spiegel online vom 31. Mai 2009
  11. Violence mars Iranian election campaign Jerusalem Post, 2. Juni 2009
  12. http://www.cnn.com/WORLD/9801/07/iran/interview.html
  13. http://www.druckversion.studien-von-zeitfragen.net/Chatami-Diwan.htm
  14. bundespraesident.de (Memento vom 30. Oktober 2010 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt
  15. http://www.washingtonpost.com/wp-srv/world/documents/us_iran_1roadmap.pdf
  16. http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2007/02/13/AR2007021301363.html
  17. http://www.stern.de/politik/ausland/582642.html?eid=583173
  18. http://www.stern.de/politik/panorama/538815.html?backref=%2Fpolitik%2Fpanorama%2F538814.html%3Fnv%3Dct_mt&cp=18
  19. http://www.hagalil.com/archiv/2005/04/vatikan.htm
  20. a b Bernardo Cervellera: Benedict XVI and Khatami: the good trail is Regensburg. AsiaNews.it, 4. Mai 2007
  21. American "Conceit and Pride" Led to Iraq Mess." www.time.com 8. September 2006