Mühlgraben (Gera)

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Mühlgraben
Wiederhergestelltes Bett des Mühlgrabens in der Nähe der Wasserkunst (2009)

Wiederhergestelltes Bett des Mühlgrabens in der Nähe der Wasserkunst (2009)

Daten
Lage Gera, Thüringen, Deutschland
Flusssystem Elbe
Abfluss über Weiße Elster → Saale → Elbe → Nordsee
Quelle als Abzweig der Weißen Elster in Gera-Zwötzen
50° 51′ 25″ N, 12° 4′ 41″ O
Mündung in Gera-Untermhaus wieder in die Weiße ElsterKoordinaten: 50° 53′ 40″ N, 12° 3′ 55″ O
50° 53′ 40″ N, 12° 3′ 55″ O

Länge 6,4 km (vor der Verrohrung)

Der Geraer Mühlgraben ist rechter Seitenarm der Weißen Elster, welcher ausschließlich innerhalb der Stadtgrenzen von Gera verläuft.

Verlauf

Ursprünglich war der Mühlgraben ein natürlicher Seitenarm der Elster, der auch das Wasser vom Gessenbach mitsamt Zaufensgraben sowie vom Leumnitzer Bach und Bieblacher Bach aufnahm. Alternativ kann der ursprüngliche Mühlgraben auch als Unterlauf des Gessenbaches angesehen werden, in den ein Abzweig der Elster und die genannten Bäche mündeten. Sein Verlauf änderte sich ebenso wie bei der Elster des Öfteren, insbesondere nach Hochwassern in dem dortigen relativ breiten und flachen Elstertal. Begradigung und Kanalisierung im Zuge der Besiedlung des Tales waren weitere Faktoren, die den Verlauf des Mühlgrabens beeinflussten. Vor seiner Verrohrung Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts war der Mühlgraben als offenes Fließ 6350 m lang. Seinen Anfang nahm er wie heute oberhalb des großen Elsterwehres in Gera-Zwötzen, welches im 17. Jahrhundert errichtet wurde. Er durchfloss die Stadt von Süd nach Nord und durchquerte das Zentrum nur wenige Meter westlich am Goethegymnasium und Museum (ehemaliges Waisenhaus) vorbei. In Gera-Untermhaus mündete er mit zwei Armen um die Fasaneninsel wieder in die Elster. Die im 19. Jahrhundert errichtete Bahntrasse durch Gera kreuzt den Mühlgraben zweimal. Da der Gessenbach nach starken Regenfällen häufig Sedimente aus dem Gessental heranschwemmte und die Wasserqualität des Mühlgrabens beeinflusste, wurde dieser über den Mühlgraben in einer Trogbrücke hinweggeleitet und mündete danach direkt in die Elster. Mit dem Wiederaufbau und der Umgestaltung des zentralen Teils Geras ab Mitte der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde der Mühlgraben zunehmend verrohrt und verschwand aus dem Stadtbild. Mit dem Bau der Südoststraßentangente wurde der Mühlgraben direkt Richtung Westen in die Elster eingeleitet. In Zusammenhang mit der Bundesgartenschau 2007 in Gera gab es Bemühungen, den Mühlgraben zu renaturieren und wieder als offenes Gewässer in das Stadt- und Landschaftsbild einzubeziehen, aber das Flussbett ist auch heute weitestgehend ausgetrocknet.

Geschichtliches

Der Mühlgraben war über Jahrhunderte Lebensader von Gera. Seit Urzeiten wurde er zu Wasserversorgung und Fischfang, aber auch als Bade- und Waschgelegenheit genutzt. Im Mittelalter war unweit des Badertores eine offizielle Badestelle ausgewiesen. Die ersten Mühlen entstanden kurz nach der ersten Jahrtausendwende. Von den drei Amtsmühlen Angermühle, Klotzmühle und Hausmühle wurden die beiden letzteren 1360 urkundlich erwähnt. Die herrschaftliche Walkmühle wurde von Tuch- und Zeugmachern genutzt und erbrachte der Herrschaft 1738 einen Pachtzins von 360 Gulden. Goethe beschwert sich nach einer Übernachtung im Hotel „Grüner Baum“ am 18. August 1813 in seinem Tagebuch, dass ihn das Hämmern in der Walkmühle um den Schlaf gebracht hat. Auch die Cubamühle entstand vor 1500. Durch die 1766 erbaute Wasserkunst in der Nähe der heutigen Himmelsleiter wurde mit Hilfe der Wasserkraft Wasser auf den Geiersberg gepumpt, von wo es vermengt mit Quellwasser in die Stadt als Trinkwasser und Brauwasser für die zahlreichen Brauereien geleitet wurde. Der Kupferschmied Hans Kleindienst wollte am Mühlgraben eine Hammermühle zur Metallbearbeitung errichten. Dies wurde ihm jedoch verwehrt, und er wurde 1575 verpflichtet, am anderen Elsterufer einen zweiten Mühlgraben zu errichten, um diese Mühle zu betreiben. Wahrscheinlich im Dreißigjährigen Krieg verschwand diese Mühle, aber die Straße „Am Kupferhammer“ weist noch heute auf deren frühere Existenz hin. Alle genannten Wassermühlen am Mühlgraben hatten unterschlächtige Wasserräder. Die durch Nikolaus de Smit und Balduin Konrad begründete Geraer Textilindustrie nutzte das Wasser des Mühlgrabens zum Färben, Waschen, Spülen und Walken ihrer Erzeugnisse. Auch Gerbereien siedelten sich am Mühlgraben an. So gab es 1609 31 Lohgerber. Straßennamen wie Färbergasse und Gerbergasse weisen auf die Ansiedlung dieser Gewerbe hin. 1679 wurde die Nutzung des Mühlgrabens durch landesherrschaftliche Verordnung, den sogenannten Mühlgrabenrezess, geregelt. Carl Louis Hirsch baute ab Mitte des 19. Jahrhunderts seine Großfärberei am Mühlgraben auf. Noch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts war der Mühlgraben an manchen Tagen deutlich in den verschiedensten Farben zu erleben. Im 19. Jahrhundert wurde kurz vor der Mündung des Mühlgrabens eine Furnierschneidemühle errichtet, die jedoch 1911 abbrannte. Auch durch die Justiz wurde der Mühlgraben genutzt. In der Nähe der Färbergasse, die bezeichnenderweise vormals „Hinter dem Korbe“ hieß, wurden Verurteilte nach Artikel 39 der Geraer Stadtstatuten von 1658 mit „Korbfallen“ bestraft.

Literatur