Prager Straße (Dresden)

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Prager Straße
Wappen
Wappen
Straße in Dresden
Prager Straße
Prager Straße
Prager Straße, Blickrichtung Altstadt, im Hintergrund die Plastik „Völkerfreundschaft“
Basisdaten
Ort Dresden
Ortsteil Seevorstadt
Angelegt 1851 bis 1853
Neugestaltet 1965 bis 1978
Anschluss­straßen Waisenhausstraße
Querstraßen Ferdinandstraße, Trompeterstraße
Plätze Wiener Platz
Bauwerke Rundkino Dresden, Centrum-Galerie
Nutzung
Nutzergruppen Fußverkehr, Radverkehr
Straßen­gestaltung Plastiken, Brunnenanlagen

Die Prager Straße in der Dresdner Seevorstadt verbindet den Hauptbahnhof mit dem Altmarkt. Zwischen 1851 und 1853 erbaut, entwickelte sie sich schnell zu einer bedeutenden Einkaufsstraße. Beginnend mit dem Wiederaufbau nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges ist sie seit den 1970er Jahren Fußgängerzone.

Geschichte

Der Stadtplan aus dem Jahr 1851 zeigt die Situation vor dem Bau der Prager Straße, die jedoch schon ohne Namen von der Waisenhausstraße aus in Richtung Süden eingezeichnet ist.

Im Zuge der Industrialisierung wurden neue Wohnungen und Straßen benötigt, die auch die engen Gassen der Altstadt entlasten sollten. Anwohner beschwerten sich bereits um 1840 und als schließlich der Böhmische Bahnhof südlich des Altstadtkerns erbaut werden sollte, wurde eine Verbindung zwischen Innenstadt und Bahnhof nötig. Als Prager Straße entstand diese Verbindung zwischen 1851 und 1853. Durch den Abriss des Höferschen Wollbodens an der Waisenhausstraße entstand eine neue Bresche, und von diesem innenstädtischen Ausgangspunkt aus wurde die neue Straße in Verlängerung der Seestraße zum Wiener Platz vor dem Böhmischen Bahnhof geführt.

Innerhalb kürzester Zeit siedelten sich erst reiche Bürger, später Bankiers, Anwälte, aber auch Bäcker usw. an. Aufgrund der Knappheit an Bauland wurde beschlossen, die Prager Straße geschlossen zu bebauen. Sie entwickelte sich zu einer der prächtigsten Straßen in Dresden mit zahlreichen Einkaufs- und Vergnügungsmöglichkeiten. Einige architektonisch besonders bemerkenswerte Bauten waren das Viktoriahaus, das Residenzkaufhaus und das Gebäude der Feuerversicherungsgesellschaft. Die Lage an der Prager Straße als bedeutendster Geschäftsstraße Dresdens war ein wichtiger Beweggrund für die Standortwahl des neuen Hauptbahnhofs, der in den 1890er Jahren anstelle des Böhmischen Bahnhofs entstand.

Im Jahr 1945 wurde das Areal bei den Luftangriffen auf Dresden stark zerstört, die beschädigten Gebäude wurden abgerissen. Nur ein Hotel wurde vorläufig weitergenutzt, bis es ein paar Jahre später abgerissen wurde.

Wiederaufbau

Von Trümmern geräumte Fläche (1958)
Modell der Prager Straße im Stadtmuseum

Mit einem Architekturwettbewerb wurde der Wiederaufbau 1962 eingeläutet. Es gab verschiedene Meinungen über die Umsetzung. Während einige Architekten für den teilweise originalgetreuen Aufbau plädierten, lehnten andere diese Vorstellung ab und befürworteten eine völlige Neubebauung. Keiner der Architekten war jedoch für die Wiederherstellung der platzsparenden geschlossenen Bauweise. Ein Grund hierfür war, dass die Menschen im Feuersturm nur sehr schwer aus den engen Häusern fliehen konnten. Zwischen 1965 und 1978 entstand mit der neuen Prager Straße nach dem Vorbild der Rotterdamer Lijnbaan eine der ersten Fußgängerzonen Deutschlands.

Auf der westlichen Seite wurden zwischen 1967 und 1970 drei nach Felsen im Elbsandsteingebirge benannte Hotelbauten Lilienstein, Königstein und Bastei errichtet. Der Hotelkomplex wurde von 1968 bis 1969 von den Architekten Kurt Haller, Manfred Arlt und Karl-Heinz Schulze „in Kammstellung zur Prager Straße“ erbaut. Die drei Gebäude verfügen über zwölf Geschosse. Zweigeschossige Flachbauten mit Läden verbinden die Hochhäuser miteinander. Der Komplex wurde in Plattenbauweise mit einer horizontalen Fassadengliederung und Betonbrüstungen mit Glas-Keramik-Mosaik ausgestattet. Jürgen Seidel und Karl Bergmann schufen die schmiedeeisernen Wandreliefs.[1] Die drei Hotels verfügten zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung über insgesamt 1917 Betten und in den Restaurants standen 330 Sitzplätze zur Verfügung. Der Hotelbetrieb wurde von der Interhotel-Kette übernommen.[2]

Neubau-Ensemble Prager Straße, links das Wohnhaus, rechts die Hotels (1969)

Das nach einem 330 Meter langen Wohngebäude in Leipzig-Probstheida mit 250 Metern Länge zweitlängste Wohnhaus Deutschlands wurde 1966–1969 mit 614 Kleinwohnungen nach Le Corbusiers Vorbild „Unité d’Habitation“ auf der östlichen Seite der Prager Straße erbaut. Die als Prager Zeile bezeichnete Wohnanlage (St. Petersburger Straße 26–32) wurde 2007 so umgebaut, dass durch veränderte Zuschnitte insgesamt 561 Wohneinheiten (Ein- und Zweizimmerwohnungen sowie 12 Dreizimmer-Appartements und 4 Penthouse-Wohnungen) entstanden.[3]

Auf der breiten Straße entstanden verschiedene Wasserspiele von Leoni Wirth und Vinzenz Wanitschke sowie Grünanlagen. So entstand die Terrasse des Eiscafés „Pinguin“ mit Trinkbrunnen von Vinzenz Wanitschke (1969) auf der Prager Straße, im Hintergrund Keramikwand von Dieter Graupner (1966/1967).

Zwischen den Hotels Königstein und Lilienstein wurde ein Touristengarten eingerichtet, der mit einem Brunnen von Josef Pietsch sowie Bronzeplastiken gestaltet wurde. Dazu gehören das Lesende Mädchen von Johannes Peschel (1969), eine Jünglingsplastik aus dem Jahr 1967 von Wilhelm Landgraf, zwei Mütter mit Kindern von Karl Schönherr, Ringende Knaben geschaffen von Siegfried Schreiber (heute im Museum Bautzen) und eine Plastik von Constantin Meunier, die einen Lastenträger darstellt. Im März 1996 wurde die Jünglingsplastik entwendet und erst 2015 zurückgegeben.[4] Die übrigen Plastiken sind aufgrund von Bauarbeiten und Neugestaltung entfernt, so steht zum Beispiel der Lastenträger im Neustädter Hafen. Darüber hinaus befindet sich auf der Straße eine weitere Plastik von Karl Schönherr, die das Märchen Tischchen deck dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack darstellt. Weiterhin wurde die Straße mit einer freistehenden Keramikwand von Dieter Graupner aus den Jahren 1966/1967, dem Wandbild Dresden grüßt seine Gäste am Restaurant Bastei aus bemalten Keramikplatten von Kurt Sillack und Rudolf Lipowski aus den Jahren 1969/1970 und einem Natursteinmosaik von Franz Tippel, das eine Newalandschaft am gleichnamigen Hotel darstellt, gestaltet.[5]

Im Zuge der Wiederaufbaus wurde die Prager Straße teilweise unterführt. Eine Einfahrt befindet sich im Norden zwischen Rundkino und UFA-Kristallpalast und ist von der St. Petersburger Straße aus erreichbar. Über diese gelangt man in eine Tiefgarage, die die Fußgängerzone zwischen Prager Zeile und den beiden Ladenpavillons bis hin zum Hotel Pullman unterkellert. Seit dem Bau werden die Geschäfte in den Pavillons und das Hotel unterirdisch darüber beliefert.[6] Außerdem wird über die Tiefzufahrt die Müllabfuhr aus diesen Gebäuden und der Prager Zeile ermöglicht. Die Ausfahrt verläuft an der Südhälfte der Prager Zeile auf der Seite der St. Petersburger Straße.

Die Prager Straße entwickelte sich in den 1970er und 1980er Jahren durch ihre Bebauung zum wichtigsten Fußgänger-Boulevard in Dresden. Im Nordosten der Straße wurde von 1970 bis 1972 das 25 Meter hohe Rundkino errichtet. Nur wenige Jahre später, in den Jahren 1976 bis 1978, wurde das bekannte Centrum Warenhaus erbaut. Dieses Gebäude war durch seine markante Aluminiumfassade gekennzeichnet. Nach 1990 zog dort Hertie ein, schräg gegenüber baute Karstadt ein Warenhaus mit Glasfassade. Rund 12 Jahre nach der Übernahme von Hertie durch Karstadt wurde das alte Warenhaus ab Dezember 2006 abgerissen. An seiner Stelle entstand als neues Einkaufszentrum die Centrum-Galerie. Der Architekt Peter Kulka zitiert dabei mit der Verwendung der Wabenelemente und der daraus entstandenen charakteristischen Fassade den Vorgängerbau. Ursprünglich sollten sogar die originalen Waben wieder verwendet werden, sie mussten nachgebaut werden, da die alten Waben verschlissen waren. Die Galerie wurde im Oktober 2010 eröffnet.

Im Vorfeld gab es eine heftige Kontroverse um den Abriss des markanten Kaufhauses. Kritiker des Abrisses sprachen sich für eine Erhaltung aus, da es ein bauhistorisches Zeugnis der modernistischen Epoche ist. Zusammen mit dem Rundkino und dem Kulturpalast war es ein herausragendes Beispiel für die DDR-Architektur der 1960er und 1970er Jahre abseits von Wohnbauten. Diese Gebäude zeigen eindrucksvoll die größere Gestaltungsfreiheit der Architekten von Gesellschaftsgebäuden, weshalb sie aus kulturgeschichtlicher Sicht erhaltenswert sind.[7] Demgegenüber wird die sozialistische Architektur heute oft als eine städtebauliche Fehlentwicklung betrachtet, welche nun Schritt für Schritt korrigiert werden soll.

UFA-Kristallpalast

Am 8. Oktober 1989 wurde auf der Prager Straße während der Demonstrationen gegen die SED-Herrschaft die Gruppe der 20 gegründet. Daran erinnern heute eine Gedenkplatte und ein in den Boden eingelassener Schriftzug. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands entstanden im Nordosten der Straße neue Kaufhäuser, unter anderem von Karstadt. Seitlich der Prager Straße befindet sich auch der UFA-Kristallpalast. Dieses Kino wurde in den Jahren 1997/98 nach Plänen des Wiener Architekturbüros Coop Himmelb(l)au erbaut und ist durch die dekonstruktivistische Konstruktion aus Glasbeton gekennzeichnet. Auch wenn die ursprüngliche Idee aus wirtschaftlichen Gründen nicht vollständig umgesetzt werden konnte (der Glaskristall sollte ursprünglich den Betonteil vollständig umhüllen), erhielt das Architekturbüro im Jahr 1999 den deutschen Architekturpreis.

Beim Elbhochwasser 2002 wurde die Prager Straße von der über die Ufer getretenen Weißeritz vom Hauptbahnhof aus komplett überflutet. Im Zuge der Renovierungsarbeiten im Dezember 2004 wurden unter anderem die Brunnen saniert, der Bodenbelag komplett neu gestaltet und neue Bäume gepflanzt. In diesem Zusammenhang wurden auch die Pavillonbauten komplett neu gestaltet und aufgestockt.

Veranstaltungen

Jeden Mai findet für eine Woche in Dresden das Dixieland-Festival, neben anderen Stellen in der Stadt, auch auf der Prager Straße statt. Es hat sich seit seinem Beginn im Jahr 1970 zu einem internationalen Ereignis der Jazz- und Blues-Szene entwickelt.

Situation heute

Pusteblumenbrunnen in der von Leoni Wirth nicht autorisierten Neufassung[8]
Der südliche Zugang zur Prager Straße mit dem Glaskugelhaus (links) und der Prager Spitze (rechts)

Das nördliche Ende der Prager Straße wird durch ein Karstadt-Warenhaus, das 1995/96 erbaute „Wöhrl-Plaza“, das Haus des Buches sowie die Centrum-Galerie begrenzt.

Als südlicher Abschluss wurde Ende April 2006 zwischen Prager und St. Petersburger Straße die sogenannte „Prager Spitze“ nach einigen baulichen Verzögerungen fertiggestellt und erste Läden eröffneten darin. Der Name symbolisiert die spitz zulaufende Form des Gebäudes und die Lage am Ende der Prager Straße.

Für das große westliche Nachbargrundstück konnte jahrelang kein Investor gefunden werden. Wegen des baulich-organisatorischen Zusammenhangs mit dem Straßentunnel und der Tiefgarage wurde es meist dem Wiener Platz zugerechnet und trug – da fast zwanzig Jahre lang eine unverfüllte Baugrube – den Spitznamen „Wiener Loch“. Nachdem die Stadt das Grundstück 2013 unter Wert verkaufen konnte, entsteht dort seit dem Sommer 2014 ein als „Prager Carrée“ vermarkteter Gebäudekomplex mit Wohnungen und Ladengeschäften. Die Fertigstellung ist für 2016[veraltet] geplant.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Prager Straße (Dresden) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. May et al., Nr. 1 (h) Interhotel Bastei, Königstein, Lilienstein
  2. Friedrich Reichert: Goldbroiler und spezitex-knitterarm. DDR-Lebensverhältnisse der sechziger Jahre in Dresden. In: Stadtmuseum Dresden (Hrsg.): Dresdner Geschichtsbuch. Dresden (DZA-VERLAG für Kultur und Wissenschaft) 1997 S. 176
  3. Exklusives Wohnen in der Innenstadt. In: Dresdner Nachrichten vom 21. Juni 2007, S. 3 (pdf-Version, 3 MB).
  4. Nach 19 Jahren: Kunstdieb gibt Dresden-Statue zurück Artikel der Morgenpost Dresden vom 10. November 2015; abgerufen am 25. April 2016
  5. Kunst im öffentlichen Raum. Informationsbroschüre der Landeshauptstadt Dresden, Dezember 1996.
  6. Walter May, Werner Pampel, Hans Konrad: Architekturführer DDR – Bezirk Dresden. 2., unveränderte Auflage, VEB Verlag für Bauwesen Berlin, 1979, unveränderter Nachdruck 1981
  7. Gunter Wölfle et al.: Die Prager Straße in Dresden. Zum Umgang mit dem Erbe der Nachkriegsmoderne. In: Kunsttexte.de, Nr. 1 (2006), 21 Seiten, www.kunsttexte.de
  8. Tina Schneider: Müssen die Pusteblumen weg? Eine Künstlerin wehrt sich gegen die Verstümmelung ihres Brunnens. In: Sächsische Zeitung. 19. Februar 2004 (Online (Memento vom 17. September 2012 im Internet Archive)).

Koordinaten: 51° 2′ 42,1″ N, 13° 44′ 9,6″ O