Priwall

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Strand an der Norderfähre und Passat im Segelhafen
Segelhafen mit Passat und Travemünder Altstadt
Priwall-Strand an der Lübecker Bucht, im Hintergrund das Maritim-Hotel.

Der Priwall ist eine etwa drei Kilometer lange Halbinsel an der Travemündung im Osten Schleswig-Holsteins. Er gehört seit 1226 zum Ortsteil Travemünde der Hansestadt Lübeck.

Der Priwall ist vor allem im Sommer sehr frequentiert, weil sich auf dem nordöstlichen Teil der Halbinsel ein breiter Sandstrand zum Bad in der Lübecker Bucht befindet.

Lage

Die Halbinsel wird im Norden von der Ostsee, im Westen von der Trave und im Süden von der Pötenitzer Wiek, einer haffartigen Erweiterung in der Trave, begrenzt. Das östliche Ende der Halbinsel bildet die Landesgrenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Diese Grenze geht auf den Lübecker Reichsfreiheitsbrief aus dem Jahr 1226 zurück. Bis 1990 verlief hier die innerdeutsche Grenze, so dass der Priwall viele Jahre nicht auf dem 35 km langen Landweg über Dassow um den Dassower See auf der B 105 nach Selmsdorf und Schlutup erreicht werden konnte.

Verkehr

Fähranleger und Seniorenresidenz Rosenhof
Personenfähre Priwall VI

Die Priwallfähre (Autofähre) für Motorisierte und Fußgänger verbindet Travemünde über die Straße Auf dem Baggersand mit der Mecklenburger Landstraße auf dem Priwall. Die Mecklenburger Landstraße führt in West-Ost-Richtung quer durch den Priwall nach Mecklenburg.

Eine weitere Fährverbindung für Fußgänger und für Radfahrer verkehrt nur im Sommer zwischen der Travepromenade in Travemünde Höhe Nordermole und dem Dünenweg auf dem Priwall.

Geschichte

Reichsfreiheitsbrief

Im Jahre 1226 wurde der Priwall Teil des Lübecker Stadtgebietes (Lübecker Reichsfreiheitsbrief). Im gleichen Jahrhundert entstand auch ein Steindamm zwischen dem Priwall und dem Festland nach Mecklenburg, was darauf hindeutet, dass der Priwall bis dahin eine Insel war.

Tourismus, Luftfahrt, Flugzeugbau

Flugboot Rohrbach Romar auf der Pötenitzer Wiek vor dem Flughafen Travemünde auf dem Priwall

1803 bestätigte der § 9 des Reichsdeputationshauptschlusses den Priwall als ausschließliches Eigenthum der Stadt Lübeck; Mecklenburg-Schwerin erhielt als Abgeltung alter Ansprüche dafür die Lübecker Hospitaldörfer auf Poel - gegen den öffentlichen Einspruch des damaligen Eigentümers von Johannstorf und Pötenitz, Michael Gottfried Eckermann.[1] 1847 wurde auf dem Priwall eine Badeanstalt eingerichtet. Ab 1880 erhielt der Priwall einfache Unterkünfte für bedürftige Familien, die der Verein für Ferienkolonien baute. Ab 1922 wurde es erlaubt, direkt vom Strand aus in der Ostsee zu baden.[2]

Eine Pferderennbahn wurde 1882 gebaut und bis 1934 genutzt. Sie wich 1940 dem Bau eines U-Boot-Hafens, dem heutigen „Passathafen“, der jetzt als Segelboothafen genutzt wird.

Anfang des 20. Jahrhunderts landeten und starteten Zeppeline auf dem Priwall, z. B. im Jahr 1931 der LZ 127 Luftschiff Graf Zeppelin.[3] Auf dem Priwall gab es seit 1926 einen Flugplatz der Lufthansa für den Passagierverkehr zu innerdeutschen Zielen und nach Skandinavien, der auch von Wasserflugzeugen genutzt wurde.

Die Caspar-Werke bauten ab 1914 Wasserflugzeuge und erprobten sie.[4]

Seit März 2013 steht eine Ferienhaussiedlung auf dem Priwall.

Zeit des Nationalsozialismus

Die Reichsluftwaffe beanspruchte 1935 das Gelände für sich. Es gab Linienverkehr in die Ostsee-Anrainerstaaten. Ein schmaler Weg der alten Flughafen-Landebahn mit Betonplatten verläuft auf dem Priwall am Ende des Fliegerweges.[4]

Von 1939 bis 1945 war der Priwall für Zivilisten gesperrt. Im benachbarten Pötenitz sind heute noch die von Küstenwald überwucherten Ruinen des Luftzeugamtes Pötenitz und die dazugehörige Anlegermole in der Pötenitzer Wiek zu sehen.

In den 1930er Jahren wurde auf dem Priwall eine Klinik errichtet, die zunächst vom Militär genutzt wurde. Später kam das während des Zweiten Weltkriegs als Lazarett genutzte Priwall-Krankenhaus mit 124 Betten in kommunale Trägerschaft und wurde in den letzten Jahren des Betriebs von den privaten Sana-Kliniken übernommen. 2004 wurde die Klinik geschlossen und stand ab September 2005 leer. Als Ersatz wurde eine Praxis-Klinik mit Bettenhaus in Travemünde geschaffen. Zwei der Gebäude werden als Magazin für Bestände der Stadtbibliothek Lübeck genutzt.[5]

Während der NS-Zeit befanden sich auf dem Priwall drei Lager für Zwangsarbeiter der Flugerprobungsstelle der Luftwaffe (Erprobungsstelle See). Im Lager I waren 150 ausländische Zwangsarbeiter untergebracht, im Lager II 80 und im Lager III 250 Zwangsarbeiter.[6]

Nachkriegszeit

Die Rollbahn des Flugplatzes wurde von Briten zerstört.[7]

DDR-Grenzgebiet

Grenzzschild am Priwall, Juli 1959
Grenzübergang Pötenitz, 1990

Bis 1990 gehörte ein kleiner Abschnitt des Priwalls zur DDR und war der nordwestlichste Teil der DDR-Grenze. Der Wachturm der Grenztruppen der DDR auf dem Priwallstrand bot den Grenzern einen ungehinderten Blick auf den in der Bundesrepublik gelegenen FKK-Strand.

21. Jahrhundert

Zwischen 2002 und 2007 wurde auf dem Priwall die Sandskulpturenschau Sand World veranstaltet.

2005 hatte der Priwall 1567 Bewohner; 2014 waren es 1448.[8]

Öffentliche Einrichtungen

Berufsbildungsstätte Travemünde in der Wiekstraße

Der Priwall ist Standort einer Seemannsschule und der Landesberufsschulen für Augenoptiker, Schuhtechnik/Orthopädieschuhtechnik und Glaserei.

Wirtschaft

Auf dem Priwall gibt es eine große Senioren-Residenz, eine Ferienhausanlage und große Sportboot- und Yachthäfen, die insbesondere während der Travemünder Woche internationales Flair bieten. Weiter befindet sich auf dem Priwall ein Reiterhof mit Offenstallhaltung und Gelegenheit zum Reitunterricht.[9] Ferner sind hier zahlreiche private Wochenendhäuser.

Der Priwall soll nun erneut umgestaltet werden. Ende 2007 wurde eine sieben Hektar große Teilfläche des Priwalls an die Waterfront-AG verkauft. Diese beabsichtigt den Bau von Häusern und Hotels entlang der Wasserlinie.[10] Gegen das Bauprojekt wendet sich die „Bürgerinitiative behutsame Priwallentwicklung e. V.“ Sie legte 2010 ein alternatives Konzept mit eingeschränkter Bebauung vor.[11][12]

Sehenswürdigkeiten

Ein schmaler Weg der alten Flughafen-Landebahn mit Betonplatten verläuft auf dem Priwall am Ende des Fliegerweges.[4]

Das Museum Ostseestation Priwall am Priwallhafen zeigt in mehreren Aquarien im Meer lebende Tiere von der Qualle bis zur Scholle. Auch das giftige Petermännchen gibt es zu sehen. Anhand von Gehäusen der Miesmuschel wird gezeigt, dass Muscheln in der salzhaltigen Nordsee größer werden als Muscheln in der Ostsee.

An der Trave kann man unter anderem auch die Viermastbark Passat besichtigen. Dieses Schiff war ein Flying P-Liner der Hamburger Reederei F. Laeisz, die 1920 mit der Priwall auch ein ähnliches Schiff nach der Halbinsel benannte. Die Priwall wurde 1941 in Valparaiso interniert, dann an die chilenische Regierung verschenkt, die sie als Schulschiff Lautaro einsetzte; 1945 ging das Schiff nach einem Ladungsbrand (Guano) verloren.

Die Passat liegt beim Passat-Hafen, dem ehemaligen U-Boot-Hafen. Dieser bietet Platz für 500 Segelboote, die im Winter an Land verholt werden müssen.[13]

An der Pötenitzer Wiek liegt das NaturschutzgebietSüdlicher Priwall“. Auf der mecklenburgischen Seite, im Höftland von Pötenitz, schließt das Naturschutzgebiet Küstenlandschaft zwischen Priwall und Barendorf mit Harkenbäkniederung an.

Der Priwall-Wanderweg beginnt bei der Priwall-Autofähre, umrundet das Natur- und Vogelschutzgebiet Südlicher Priwall entlang dem Ufer der Trave und der Pötenitzer Wiek. Über den Fliegerweg geht der circa 8,5 km lange Rundweg zurück zur Mecklenburger Landstraße und zur Priwall-Autofähre.[14]

Gedenkstätten

Denkmal mit Propeller in der Wiekstraße zur Erinnerung an die Toten der Seeflugzeug-Erprobungsstelle Travemünde
Gedenkstein an die Grenzöffnung am Priwall im Februar 1990 zwischen Schleswig Holstein und der ehemaligen DDR

Das Flieger-Denkmal an der Wiekstraße mit Propeller auf einer Backsteinstele erinnert an die Opfer der See-Fliegerei.

An der Mecklenburger Landstraße zwischen Travemünde-Priwall und Pötenitz erinnert ein Findling mit der Inschrift „Nie wieder geteilt“ und den Wappen von Travemünde und Mecklenburg an den 3. Februar 1990, an dem die ehemalige Grenze zur DDR zunächst im Strandabschnitt für Fußgänger gegen 09:35 Uhr geöffnet wurde. Der Findling an der Landstraße steht bereits auf Mecklenburger Gebiet. Hier verlief 1945 die Demarkationslinie, in der Folge die innerdeutsche Grenze zwischen Bundesrepublik Deutschland und DDR. Seit der Wiedervereinigung verläuft hier die Grenze zwischen den Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein.[15][16]

Auf dem Strand am Priwall wurde ein Kreuz aufgestellt zur Erinnerung an die Menschen, die bei Fluchtversuchen aus der DDR über die Ostsee starben. Das Kreuz dokumentiert die Namen der Opfer. Bekannt wurden (Stand November 2014) 129 Opfer.[17]

Söhne und Töchter

Literatur

  • Gottfried Renatus Häcker: Lübeckische Flora. Aschenfeldt, Lübeck 1844 (Digitalisat)
  • Antjekathrin Graßmann: Lübecks Priwall. Eine Betrachtung 750 Jahre nach Verleihung des Reichsfreiheitsbriefes. In: Lübeck 1226. Reichsfreiheit und frühe Stadt. Lübeck 1976, S. 63–76.
  • Rolf Fechner: Die Halbinsel Priwall, 1900–1990. Bildband, Sutton Verlag, April 2014. (Historische Bilder, u. a. Flugwesen).

Weblinks

Commons: Priwall – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Downloadable map (nature reserve in green), (PDF; 345 kB). Archiviert vom Original am 19. Juli 2011; abgerufen am 6. August 2015.
  • Grenzerinnerungen, Fotos aus den 1980er-Jahren
  • Ausführliche Geschichte des Priwall
  • Naturschutzgebiet Südlicher Priwall, Informationen der Hansestadt Lübeck

Einzelnachweise

  1. Promemoria den § 9 des Reichs-Deputations-Recesses de dato Regensburg den 22. November 1802 und die darinn gedachte Halbinsel Priwall betreffend: der Hochansehnlichen und erlauchten ausserordentlichen Reichs-Deputation in Regensburg ehrerbietigst gewidmet von Michael Gottfried Eckermann als Besitzer und Eigenthümer des im Herzogthum Mecklenburg belegenen Lehnguts Johannistorf, und der dazu als Pertinenz gehörenden obgenannten Halbinsel Priwall. 1803
  2. Maike Wegner: Eine historische Reise über den Priwall. In: Lübecker Nachrichten vom 23. April 2014, S. 16.
  3. Maike Wegner: Eine historische Reise über den Priwall. In: Lübecker Nachrichten vom 23. April 2014, S. 16.
  4. a b c Rad- und Wanderkarte Dassow-Travemünde. Verlag Grünes Herz, Ilmenau/Thüringen, 3. aktualisierte Auflage 2006, Rückseite: Beschreibung zur Rad- und Wanderkarte, Stichwort Priwall.
  5. EHEMALIGES KRANKENHAUS PRIWALL. Abgerufen am 6. August 2015.
  6. Werner Petrowsky / Arbeitskreis „Geschichte der Lübecker Arbeiterbewegung“: Lübeck – eine andere Geschichte, Einblicke in Widerstand und Verfolgung in Lübeck 1933–1945. Zentrum – Jugendamt der Hansestadt Lübeck (Hrsg.), Lübeck 1986, ISBN 3-923814-02-X, S. 202.
  7. Maike Wegner: Eine historische Reise über den Priwall. In: Lübecker Nachrichten vom 23. April 2014, S. 16.
  8. Peer Hellerling: „Auf dem Priwall wird zu sehr auf Tourismus gesetzt“. In: Lübecker Nachrichten, 19. Juli 2015, S. 12.
  9. Kim Meyer: Neue Ideen für den Priwall-Reiterhof. In: Lübecker Nachrichten vom 15. November 2014, S. 13.
  10. Waterfront-Projekt bei der Stadtentwicklung Lübeck
  11. Bürgerinitiative Priwall
  12. Josephine von Zastrow: Alternative Pläne für den Priwall: Nur 22 neue Häuser. In: Lübecker Nachrichten, 27. April 2010, S. 16.
  13. Auszeichnung aus Kiel: Drei ‚Blaue Sterne‘ für den Passat-Hafen. In: Lübecker Nachrichten vom 26. November 2010, S. 13.
  14. Stadtverkehr Lübeck (Hrsg.): Priwall-Wanderweg. Faltblatt von April 2011.
  15. Aufräumen am Gedenkstein. In: Travemünde aktuell, 12, 2011, S.16
  16. Grenzöffnung. In: Travemünde aktuell, November 2014, S. 4.
  17. Kreuz erinnert an die Toten bei Fluchtversuchen. In: Lübecker Nachrichten vom 29. November 2014, S. 13.

Koordinaten: 53° 57′ 0″ N, 10° 53′ 0″ O