Ravené

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Ravené ist der Name einer Berliner Unternehmerfamilie und Teil der Firma ihres Unternehmens, das sich mit der Produktion und dem Handel von Eisen- und Stahlprodukten befasste. Mehrere Patrone wurden auch als Kunstmäzene bekannt.

Unternehmen

Das Unternehmen wurde 1775 von Jacques Ravené (1751–1828) gegründet. Er befasste sich gemäß seiner Ausbildung mit der Eisengießerei, hatte aber auch bald von seinem Schwiegervater die 1722 gegründete Eisenwarenhandlung „Samuel Gottlieb Butzer“ geerbt.

Bald bemerkte man, dass mit dem Handel bessere und einfachere Geschäfte zu machen sind als mit der schmutzigen und aufwändigen Fertigung von Eisenteilen. Durch die folgenden zwei Generationen verlegte sich das Unternehmen auf den Großhandel mit Stahl- und Eisenwaren. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stellte man die eigene Produktion (im Sinne des Urformens) ein. Weiterhin wurden aber große Lager unterhalten, vor allem für Halbzeuge, jedoch auch für haushaltsübliche Kleinteile.

Der Produktion blieb man aber durch Finanzierungen und Beteiligungen verbunden – so 1837 beim Bau des Eisenwalzwerks von Carl Justus Heckmann am damaligen Schafgraben vor dem Schlesischen Tor, heute Landwehrkanal und Heckmannufer in Kreuzberg.

Vor allem der Aufbau von Eisenbahnnetzen in den folgenden Jahrzehnten brachte große Gewinne in Preußen und seinen Nachbarländern. Die Ravenés wurden auch die „Eisenkönige“ genannt. In den zentralen und östlichen Provinzen Preußens hatten sie eine führende Marktposition und waren damit dort etwa das, was in den westlichen, rheinischen Provinzen die Familie Krupp war.

Im Lauf der Zeit wurden mehrere Handelsgesellschaften gegründet, die in verschiedenen Bereichen tätig waren. Niederlassungen gab es in Nürnberg, Leipzig, London und Birmingham. Zum 1. Januar 1910 wurden einige der Teilunternehmen in die Deutsche Eisenhandels AG des Georg von Caro eingebracht.

In der vierten Generation wird das Familienkapital für kaufmännische Aktivitäten aller Art eingesetzt. Bis 1945 besteht die Unternehmensgruppe in Form einer OHG.

Heute lebt der Name Ravené noch weiter als Bestandteil der beiden Firmen

  • Ravené Possehl
  • Ravené-Schäfer

die sich traditionell mit dem Eisenhandel befassen. Eine Verbindung zu Familienmitgliedern besteht nicht mehr. Im Bereich der Sowjetischen Besatzungszone war das Unternehmen enteignet worden und wurde 1949 in West-Berlin neu gegründet.

Familie

Die Familie kam Ende des 17. Jahrhunderts mit vielen anderen als verfolgte Hugenotten aus Lothringen nach Brandenburg. Zunächst betrieb man intensiv Gartenbau wie die Familie Bouché. Der Ahnherr François David († 1748) bleibt wie auch seine Nachkommen der Französischen Gemeinde in Berlin verbunden. 1775 begann der Enkel der Einwanderergeneration, sich mit Eisenwaren zu beschäftigen.

Die folgenden Namensträger leiteten die Unternehmungen durch fünf Generationen:

Die deutschen und französischen Fassungen der Vornamen wurden gleichzeitig und in mehrmals täglich wechselnder Zusammenstellung geführt.

Das zweite bis vierte Familienoberhaupt war bei den jeweiligen Zeitgenossen als Louis Ravené bekannt; dies wurde auch als Firma benutzt. Während man zu Lebzeiten genau wusste, wen man meinte, hat das seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu unzähligen Verwechslungen geführt; in beiläufigen Bemerkungen der gedruckten Literatur und besonders im Internet.

Standorte

Mehrere Orte waren mit den Familienmitgliedern verbunden.

Berlin

Mitte

Das erste Unternehmensgelände lag auf zurückgebauten Anlagen der Festung, der 5. Bastion. Hier war die Gefahr einer Brandausbreitung durch die noch umgebenden Wassergräben deutlich gemindert; ähnlich war bereits mehr als ein Jahrhundert zuvor beim Gießhaus auf der Bastion I verfahren worden. Ansonsten mussten diese Betriebe sich außerhalb der Stadt (Feuerland) ansiedeln. Somit lag diese frühe Industrie auch am Rand der Stadt, wo es keine unmittelbar benachbarten Wohnhäuser gab, die durch Lärm und Qualm belästigt wurden, und der ehemalige Festungsgraben ermöglichte auf dem Wasserweg den Transport von Brennmaterial, Roherz und der erzeugten Produkte. Das Grundstück befand sich in Berlin-Mitte an der Wallstraße in der Nähe der Grünstraßenbrücke. In der Wallstraße zum heutigen Ufer des Spreekanals wurde das Stammhaus gebaut, das wegen Erweiterung der Wallstraße Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen werden musste.

1896 wurde auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Wallstraße 5–8 der neue Hauptsitz gebaut.[1] Es beherbergte auch bis zur Zerstörung 1945 das Kaufhaus Ravené, in dem einzelne Haushaltsartikel (vorwiegend aus Metall) erworben werden konnten. Zeitweilig war geplant, in diesem Gebäude den „Volksgerichtshof“ einzurichten. Bei Bauarbeiten wurde am 23. August 1982 die Grundsteinkassette aufgefunden.

In unmittelbarer Nähe in der Neuen Grünstraße 17 hatte Louis Jacques im 19. Jahrhundert bereits eine Filiale eröffnet.

In der Wallstraße 93 wurde im 19. Jahrhundert ein weiteres Wohnhaus der Familie genutzt.

Moabit

Louis Fréderic Jacques baute eine große Villa in der Werftstraße in Berlin-Moabit. In der Umgebung im Nordwesten Berlins machte er sich durch mehrere wohltätige Stiftungen um die Kommunen verdient. Deshalb erhielt 1895 die Ravenéstraße in Berlin-Gesundbrunnen seinen Namen.

1968 wurde die Handelsschule in der Ravenéstraße ebenfalls nach ihm benannt. 1981 zog die Schule um in einen Neubau in der Straße Alt-Moabit 10, mehr zufällig in unmittelbarer Nähe der Villa. Seit 1996 ist das Ravené-Gymnasium Teil des Oberstufenzentrums Banken und Versicherungen.[2]

Wannsee

Eine weitere Villa wurde für Louis Auguste um 1900 vom Architektenbüro Ende & Böckmann in Berlin-Wannsee gebaut.[3] Hermann Ende war der Schwiegervater des Familienoberhaupts.

Marquardt bei Potsdam

Schon 1892 kaufte Louis Auguste Gut und Schloss Marquardt bei Potsdam als Sommersitz. 1912 ließ er es aufstocken und den Westflügel anbauen. 1900 stiftete er den Neubau der evangelischen Dorfkirche, in der er auch begraben liegt. 1932 verpachtete er das Schloss an den Hotelier Kempinski, 1942 wurde es nach dessen „Arisierung“ an Aschinger verkauft.

Cochem

Jacob Louis Fréderic kaufte 1868 die Ruine der Reichsburg bei Cochem an der Mosel. Er ließ die Burg wieder aufbauen, die bis 1942 im Familienbesitz blieb und als Sommersitz genutzt wurde. Ursprünglich wollte er die Ruine Grevenburg in Traben-Trarbach erwerben, jedoch wollten dort die Winzer nicht ihre Weinstöcke aufgeben, die sich mittlerweile auch auf Flächen der Burg befanden.

Kunstsammlungen

Mehrere Patrone förderten die Kunst. Pierre Louis begründete die Gemäldesammlung. Zu einer Zeit, als es noch keine öffentlichen Gemäldegalerien und Ausstellungen gab, machten reiche Berliner ihre privaten Sammlungen allgemein zugänglich. Die von den Ravené gezeigten Galerien waren:

  • Pierre Louis und Louis Jacques: Stammhaus Wallstraße[4]
  • Louis Auguste: Kunstsammlung auf Burg Cochem

Ein Gemälde von Menzel aus der Sammlung, Friedrich der Große auf Reisen (1853/54),[5] musste schließlich für einen Spottpreis an die Nationalsozialisten abgegeben werden. Es hatte im Arbeitszimmer der Münchner „Führerwohnung“ am Prinzregentenplatz gehangen und war für das geplante „Museum Linz“ vorgesehen gewesen, ging nach dem Zweiten Weltkrieg an die Stadt München.

Einige der Stücke gehören heute zum Bode-Museum.

Literatur

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Internetpräsenz der Wallstraße
  2. Ravené-Gymnasium
  3. Fotos 1 2 im Digitalen Architekturmuseum der TU Berlin
  4. Gemäldegalerie in der Wallstraße im Baedeker von 1855 auf lexikus.de
  5. Hierzu gibt es auch eine abweichende Ölskizze von 1852 (zeno.org), welche die Berliner Alte Nationalgalerie im Bestand hat. Auf kleinen Reproduktionen leicht unterscheidbar, weil der Geheimrat v.Brenckenhof auf der Skizze seinen Kopf dem König zuwendet, beim Gemälde in seine Baupläne vertieft ist.