Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft

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Das Gebäude des auch als „Ernährungsministerium“ bzw. „Landwirtschaftsministerium“ bezeichneten Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft in der Wilhelmstraße 72 während der Zeit des Nationalsozialismus. Nach Kriegszerstörung des Innern wurde das 1956 zum Wiederaufbau vorgesehene Palais[1] 1960/62 vom Ost-Berliner Magistrat gesprengt.[2]

Das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft (RMEL) war während der Zeit der Weimarer Republik von 1919 bis 1933 und während der Zeit des Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 eine oberste Reichsbehörde. Dem Ministerium oblagen die landwirtschaftspolitischen Angelegenheiten des Deutschen Reiches. Es wurde von einem Reichsminister geleitet, dem wiederum ein Staatssekretär unterstand. Am 1. Januar 1935[3] wurde das Ministerium mit dem 1879 gegründeten Preußischen Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten („Preußisches Landwirtschaftsministerium“) zusammengelegt und erhielt bis 1938 die Bezeichnung „Reichs- und preußisches Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft“.[4] Nach dem Ende des Nationalsozialismus 1945 und der Besatzungszeit wurde 1949 für die in den Westzonen gegründete Bundesrepublik Deutschland das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Nachfolger eingerichtet.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bescheinigung des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft über die Kriegswichtigkeit der Opekta (1943)

Im März 1919 entstand aus dem Reichsernährungsamt zunächst das „Reichsministerium für Ernährung“. Dieses wurde im September 1919 mit dem Reichswirtschaftsministerium vereinigt und während des Kapp-Putsches im März 1920 unter der Bezeichnung „Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft“ neugegründet. Noch im selben Jahr bezog das Ministerium das Palais der Prinzen Alexander und Georg an der Wilhelmstraße 72 in Berlin.[5] Ab 1924 befanden sich in dem Gebäude vier großformatige Gemälde von August Weber als Leihgabe, die seit 1945 als verschollen gelten.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 stand das Ministerium zunächst unter der Leitung von Alfred Hugenberg. Nach seinem erzwungenen Rücktritt im Juni 1933 wurden Kurt Schmitt (Reichswirtschaftsminister) und Walther Darré (Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft) seine Nachfolger.[6] Letzterer übernahm am 30. Juni 1933 als „Reichsbauernführer“ die Leitung des Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft,[7] wobei ihm in dieser Funktion ebenso der zur Gleichschaltung der Landwirtschaft geschaffene Reichsnährstand unterstand. In Personalunion leitete Darré gleichsam das zum Behördenapparat der Partei gehörende Amt für Agrarpolitik (ab 1936 „Reichsamt für Agrarpolitik“; ab 1942 „Reichsamt für das Landvolk“), dem die Führung und die Betreuung des Reichsnährstandes oblag.[8] Das RMEL übernahm gleichsam die Staatsaufsicht über die Organisation des Reichsnährstandes.[9] In der Folge wurden nach und nach einzelne Aufgabengebiete an andere NS-Behörden übertragen. So entstand 1934 durch Ausgründung aus dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft das unter die Führung von Hermann Göring gestellte Reichsforstamt als oberste Reichsbehörde für Forst- und Jagdwesen, Holzwirtschaft, Naturschutz und Naturdenkmalpflege.[10] Das Reichsforstamt wurde wiederum am 1. Januar 1935 mit dem preußischen Landesforstamt vereinigt.[11] Görings Stellvertreter und faktischer Leiter des Reichsforstamtes wurde Generalforstmeister Walter von Keudell, ab 1937 Friedrich Alpers. Ferner wurden in den Jahren 1934 und 1935 das landwirtschaftliche Berufs- und Fachschulwesen in das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung und die Veterinärmedizin in das Reichsministerium des Innern ausgegliedert.[4] Am 22. September 1938 folgte zudem per Erlass des Reichsministers eine Zusammenfassung aller Forschungsinstitute aus dem Fischereibereich durch die Gründung der Reichsanstalt für Fischerei.[10]

Liste der Reichsminister[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Name Amtsantritt Ende der Amtszeit Partei Kabinett
Robert Schmidt 13. Februar 1919 26. März 1920 SPD Scheidemann, Bauer
Andreas Hermes 27. März 1920 10. März 1922 Zentrum Müller I, Fehrenbach, Wirth I, Wirth II
Anton Fehr 31. März 1922 21. November 1922 BBB Wirth II
Karl Müller 22. November 1922 25. November 1922 Zentrum Cuno
Hans Luther 1. Dezember 1922 4. Oktober 1923 Parteilos Cuno, Stresemann I
Gerhard Graf von Kanitz 6. Oktober 1923 5. Dezember 1925 Parteilos Stresemann II, Marx I, Marx II, Luther I
Heinrich Haslinde 20. Januar 1926 17. Dezember 1926 Zentrum Luther II, Marx III
Martin Schiele 28. Januar 1927 12. Juni 1928 DNVP Marx IV
Hermann Dietrich 28. Juni 1928 27. März 1930 DDP Müller II
Martin Schiele 30. März 1930 30. Mai 1932 DNVP/CNBL1 Brüning I, Brüning II
Magnus Freiherr von Braun 1. Juni 1932 28. Januar 1933 DNVP Papen, Schleicher
Alfred Hugenberg 30. Januar 1933 29. Juni 1933 DNVP Hitler
Richard Walther Darré 30. Juni 1933 23. Mai 1942 NSDAP Hitler
Herbert Backe 23. Mai 19422 23. Mai 1945 NSDAP Hitler, Goebbels, Schwerin von Krosigk
1 
ab 22. Juli 1930 CNBL
2 
offiziell ab 1. April 1944

Liste der Staatssekretäre[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Name Amtsantritt Ende der Amtszeit Partei
Ludwig Huber1 1920 1922 Parteilos
Carl Heinrici 1922 1923 Parteilos
Fred Hagedorn 1923 1926 Parteilos
Erich Hoffmann 1926 1929 Parteilos
Hermann Heukamp 1929 1932 Parteilos
Fritz Mussehl 1932 1933 Parteilos
Hansjoachim von Rohr 1933 1933 DNVP
Herbert Backe 1933 1944 NSDAP
Werner Willikens 1934 1945 NSDAP
Hans-Joachim Riecke 1943 1945 NSDAP
1 
Unterstaatssekretär

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Laut Register der historischen Berliner Städtebau- und Baudenkmale im Stadtbezirk Mitte. Abgedruckt bei Hans Müther: Berlins Bautradition. Verlag Das Neue Berlin, Berlin (DDR) 1956, S. 85–108, hier S. 88.
  2. Laurenz Demps: Berlin-Wilhelmstraße. Eine Topographie preußisch-deutscher Macht. Ch. Links Verlag, Berlin 1994, S. 305, mit Nachweisen.
  3. Wolfgang Neugebauer (Hrsg.): Handbuch der preussischen Geschichte. Bd. 2. Berlin / New York 1992, S. 603, ISBN 3-11-008322-1.
  4. a b Joachim Tauber u. a. (Hrsg.): Archivführer zur Geschichte des Memelgebiets und der deutsch-litauischen Beziehungen. Oldenbourg, München 2006, ISBN 3-486-57902-9, S. 284.
  5. Riki Kalbe, Moshe Zuckermann: Ein Grundstück in Mitte. Das Gelände des künftigen Holocaust-Mahnmals in Wort und Bild. Göttingen 2000, S. 22, ISBN 3-89244-400-5.
  6. Hans Kehrl: Krisenmanager im Dritten Reich. Mit kritischen Anmerkungen und einem Nachwort von Erwin Viefhaus. Düsseldorf 1973, S. 49 ff.
  7. Horst Gies: NSDAP und landwirtschaftliche Organisationen in der Endphase der Weimarer Republik. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. 15. Jg., 1967, Heft 4, S. 375 (PDF).
  8. Rudolf Kluge, Heinrich Krüger: Verfassung und Verwaltung im Großdeutschen Reich. Reichsbürgerkunde. 2., neubearb. Aufl., Berlin 1939, S. 196.
  9. Horst Gies: Die Rolle des Reichsnährstandes im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. In: Gerhard Hirschfeld, Lothar Kettenacker (Hrsg.): Der „Führerstaat“. Studien zur Struktur und Politik des Dritten Reiches (= Veröffentlichung des Deutschen Historischen Instituts London. Band 8). Stuttgart 1981, ISBN 3-12-915350-0, S. 274.
  10. a b Joachim Tauber u. a. (Hrsg.): Archivführer zur Geschichte des Memelgebiets und der deutsch-litauischen Beziehungen. Oldenbourg, München 2006, S. 286 f.
  11. Joachim Radkau u. a. (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Frankfurt a. M. / New York 2003, ISBN 3-593-37354-8, S. 88 f., Anm. 52.

Koordinaten: 52° 30′ 55″ N, 13° 22′ 52″ O