Sage

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Eine Sage (v. ahd. saga, „Gesagtes“; Prägung durch die Brüder Grimm) ist, dem Märchen und der Legende ähnlich, eine zunächst auf mündlicher Überlieferung basierende, kurze Erzählung von fantastischen, die Wirklichkeit übersteigenden, Ereignissen. Da diese mit realen Begebenheiten, Personen- und Ortsangaben verbunden werden, entsteht der Eindruck eines Wahrheitsberichts.[1] Die ursprünglichen Verfasser sind in der Regel unbekannt, im Gegensatz zu den Sammlern und Herausgebern, welche die schriftlich fixierten Fassungen oft inhaltlich und sprachlich bearbeitet und literarisch geformt haben. Stoffe und Motive werden häufig von anderen Völkern und Kulturen übernommen (Wandersagen) und mit landschaftlichen und zeitbedingten Eigentümlichkeiten und Anspielungen vermischt.

Begriffsbestimmung und Einordnung

Entscheidend wurde der Begriff der Sage durch die Brüder Grimm geprägt. Das Grimmsche Wörterbuch (Bd. XIV, 1893) spricht von der „Kunde von Ereignissen der Vergangenheit, welche einer historischen Beglaubigung entbehrt“ und von „naiver Geschichtserzählung und Überlieferung, die bei ihrer Wanderung von Geschlecht zu Geschlecht durch das dichterische Vermögen des Volksgemüthes umgestaltet wurde“. Dabei greifen subjektive Wahrnehmung und objektives Geschehen so ineinander, dass übernatürliche, unglaubhafte Begebenheiten zum Wesenskern der Sage werden. So gehört wie im Märchen die Vermenschlichung von Pflanzen und Tieren zur Sagenwelt, aber auch übernatürliche Wesen wie Elfen, Zwerge und Riesen zählen dazu und ebenso kommt es oft zur Benennung eines Helden. Jedoch anders als beim zeitlosen Märchen („Es war einmal...“) mit den allgemeinen Ortsangaben (Wald, Brunnen) und dem typisierten Personal (Prinzessin, Stiefmutter) sind tatsächliche Ereignisse, Lokalitäten und Persönlichkeiten, die im Weiteren fantastisch ausgeschmückt und umgestaltet werden, Anlass für die Erzählung. Damit steht der Realitätsanspruch der Sage über dem des Märchens.

Formen

Stark generalisiert kann man thematisch drei Zentren unterscheiden, die sich in vielfältiger Weise verzweigen und miteinander vermischen:

  • Die Göttersagen oder Mythen erzählen die Entstehung der Welt, das System beispielsweise der griechischen bzw. germanischen Gottheiten, ihre Kämpfe um die Herrschaft, ihre Rollen und Zuständigkeiten für Naturkräfte und ihre Beziehung zur Menschenwelt, in die sie unterstützend oder feindlich eingreifen.
  • Das Personal der sprachlich einfachen Volkssage agiert zumeist an Handlungsorten der Alltagswelt und in einer von, in Relation zur Göttersage, kleinen Naturgeistern wie Feen und Zwergen, aber auch dämonischen Kräften (Drachen, Zauberer, Baumnymphen usw.) bewohnten und beseelten Natur.

Ein Charakteristikum der Volkssage, teilweise auch der beiden anderen Themenkreise[2], ist die Überlagerung von Lokalsage, Natursage und ortsgebundener bzw. regionaler Geschichtssage mit dem Aspekt der Erklärung (Ätiologische Sagen):

  • Ätiologische Sagen erläutern, wieso, beispielsweise, eine Felsgruppe (Teufelsstein, Wildfrauhaus im Odenwald) oder eine Landzunge am Havelufer (Schildhorn) ihren Namen erhielt, wie sich eine typische landschaftliche Formation gebildet hat (z. B. ein Felsenmeer durch sich mit Steinblöcken bekämpfenden Riesen), wie es dazu kam, dass eine Burg an einem bestimmten Platz (Minneberg am Neckar) gebaut und nach ihm benannt wurde oder warum der größte Binnensee Chinas Bosten-See heißt.

Moderne Sagen

Die Entwicklung der Sage als literarische Form ist nicht, wie die oben genannten Beispiele vermuten lassen, abgeschlossen. In der Zeit der Romantik entstand in Weiterführung der tradierten Stoffe und Motive u. a. durch Clemens Brentano und Achim von Arnim, die Form der Kunstsage, wobei manche der damals entstandenen Erzählungen heute allgemein für tatsächlich alte Sagen gehalten werden (z. B. die Erzählung von der Loreley). In der Gegenwart des Medienzeitalters entwickelt sich eine urbane Moderne Sage [3] (urban legend[4]), die häufig als schauermärchenartige Wandererzählung (Hoax) anonym über E-Mail und Facebook verbreitet wird. Sie variiert in aktualisierter Form bekannte Sagenstoffe zu den Angst-Themen Tod, Krankheit, Krieg, Wahnsinn, Verbrechen... und suggeriert durch Quellenangaben („Friend of a friend tales“) Glaubwürdigkeit.

Einzelnachweise

  1. Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Kröner Stuttgart 2001.
  2. Hunger, Herbert und Harrauer, Christine: Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Reinbek 2006.
  3. Brednich, Rolf Wilhelm: Die Spinne in der Yucca-Palme, sagenhafte Geschichten von heute. Beck, München 1990.
  4. Brunvand, Jan Harold: Encyclopedia of Urban Legends. 2001.

Siehe auch

Literatur

  • Brüder Grimm: Deutsche Sagen. I–II, Berlin 1816, 1818, 2. Aufl. 1865, 3. Aufl., hrsg. von Herman Grimm, 1891, 4. Auflage 1905; Neudruck Stuttgart 1986.
  • Hanns-Peter Mederer: Der unterhaltsame Aberglaube. Sagenrezeption in Roman, Erzählung und Gebrauchsliteratur zwischen 1840 und 1855. Shaker Verlag, Aachen 2005, ISBN 3-8322-4201-5 (= Diss. Hamburg 2005).
  • Leander Petzoldt: Einführung in die Sagenforschung, 3. Aufl., UVK-Verl.-Ges., Konstanz 2002, ISBN 3-8252-2353-1. (Rezension)
  • Kristina Hammann, Katharina Hammann: Deutsche Städtesagen als Hörbuch. www.stadtsagen.de
  • Vinz de Rouet: Frankfurter Sagen und Geschichten. Berlin 2010, ISBN 3-8693-1733-7.
  • Thomas Post: Volksmärchen, Märchen, Fantastik. Die fantastische Märchenwelt von Otfried Preußler. Berlin 2015. ISBN 3-7375-4003-9

Weblinks

Wiktionary: Sage – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Märchen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Legende – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
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