Steinriegel

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Steinriegellandschaft als Schafweide bei Bieberehren im Taubertal
Winterliche Steinriegellandschaft zwischen Weikersheim und Elpersheim.

Steinriegel sind Aufschichtungen von aufgelesenen Steinen und prägen das Bild zahlreicher süddeutscher Weinlagen. Je nach Region werden sie auch Steinrasseln, Steinrutschen, Rollmauern oder Karmauern genannt.[1]

Entstehung

Ab dem Spätmittelalter wurde in Deutschland auch auf ungünstigeren Lagen vermehrt Wein angebaut. Dies war nur möglich, wenn die Weinberge (häufig flachgründige Muschelkalkböden) stets gehackt wurden. Größere Steine, die durch Bodenerosion und Frosthebung aus dem Boden traten, wurden herausgehackt und in der Falllinie der Hänge entlang der Eigentumsgrenzen aufgehäuft. Diese oft mehrere Meter hohen und breiten Ansammlungen hatten den willkommenen Nebeneffekt, das Klima zu regulieren. Die Steine heizten sich tagsüber auf, speicherten die Wärme und gaben sie nachts wieder ab. Zusätzlich hielten sie kalte Winde von den Nutzflächen ab. Gelegentlich gibt es auch Steinwälle von ca. 1 m Höhe im rechten Winkel zu den Steinriegeln und parallel zur Hangkante verlaufend. Diese dienten zusätzlich als Barrieren gegen die kalte Luft von den Hochebenen, die sonst durch ihr höheres Gewicht in die Täler abgeflossen wäre. An den Seiten der Steinriegel finden sich seltener mit Platten ausgelegte Gräben für das ablaufende Wasser, um bei starkem Regen die Abschwemmung des wertvollen Bodens zu verhindern. Einer der längsten Steinriegel wurde mit 234 m im Pfitzinger Tal bei Niederstetten gemessen. Es ist unklar, warum die Wälle in dieser Form angelegt wurden und die „Wengerter“ ihre Arbeitskraft nicht in quer zum Hang verlaufende Terrassen, wie im Steillagenweinbau sonst üblich, verwandt haben.

Rückgang und heutige Bedeutung

Unbewachsener Steinriegel inmitten eines inzwischen verwilderten Gebietes unterhalb des Winterbergs in Weikersheim.

Die Einschleppung der Reblaus im 19. Jahrhundert führte zu einem Rückgang des Weinanbaus und zu einer Verringerung der Rebfläche. Durch Abtrag und Nutzung der Steine, die verstärkte Wohnbebauung von Hanglagen und Flurbereinigungen verschwanden in der Folge vielerorts die Steinriegel. Wo dies nicht der Fall ist, sind die Steinriegel zwar überwachsen, allerdings werden hierdurch nutzungshistorisch bedeutsame Reliefformen konserviert. So haben Steinriegel einen Erdkern, der die ursprüngliche Erdoberfläche zu Beginn der Weinbauzeit anzeigt. Um der zunehmenden Verbuschung entgegenzuwirken, wird durch Naturschutzvertreter und Kommunen (zusätzlich zu mechanischen Hangpflegemaßnahmen) versucht, die Beweidung mit Schafen zu fördern.

Schutz

Seit 1992 gelten Steinriegel in Baden-Württemberg nach § 32[2] des Landesnaturschutzgesetzes als Naturdenkmale und Biotope und werden auf der Roten Liste der Biotoptypen als „gefährdete Biotope“ nach Gefährdungsrungskategorie 3 geführt und naturschutzfachlich als Biotoptyp „von mittlerer bis hoher Bedeutung“ bewertet.[3]

Flora und Fauna

Der Schmalblättrige Hohlzahn kommt häufig auf den Steinriegeln entlang von Tauber, Kocher und Jagst vor.

Gelegentlich wurden die kahlen Riegel für Sonderkulturen genutzt. So schrieb Karl Esslinger in seiner Heimatkunde des Oberamtes Gerabronn: „Um 1750 wurden in der Gegend von Niederstetten auf den zwischen den Weinbergen befindlichen Steinwällen so viel Quitten gezogen, dass aus ihnen Wein bereitet wurde.“[4] Wenn aber Steinriegel nicht weiter aufgehäuft oder anderweitig frei gehalten werden, gewinnen Hecken, Gebüsch und Wald schnell die Oberhand. Die Landschaftspflege ist aufwändig und wird nur von wenigen Idealisten geleistet. Hierdurch verschwinden weiter in zunehmendem Maße die für Fauna und Flora wichtigen offenen, trockenwarmen, gehölzarmen Standorte.

Den Beginn machen gewöhnlich anspruchslose Arten wie Weiße Fetthenne, Sempervivum globiferum, Tripmadam und Scharfer Mauerpfeffer. Wimper-Perlgras fasst ebenfalls leicht Fuß und Königskerzen sind häufig anzutreffen. Danach folgen Büsche wie die Schlehe, Wilde Brombeeren und die Weiße Waldrebe. Hopfen, der zu früheren Zeiten als zusätzliche Einnahmequelle an den Rändern der Steinriegel angepflanzt worden war, überwuchert diese inzwischen recht häufig flächendeckend. Die letzte Phase im Bewuchs der Steinriegellandschaft bilden Bäume wie Walnuss, Kirsche und Hartriegel ebenso wie Haselnusssträucher und Heckenrosen. Seltener sind Weißdorne, Liguster, Holunder und Zwetschgenbäume.

Die Steinriegellandschaft beherbergt alle in Deutschland vorkommenden Grasmückenarten. Wendehälse sind zahlreich, da ihnen reichhaltige Nahrung in Form von Ameisen zur Verfügung steht. Zauneidechsen und Blindschleichen fühlen sich auf den warmen Steinen ebenso wohl wie deren Fressfeind, die Schlingnatter. Der Steinkauz kam in früheren Zeiten häufig vor, ist aber aus ungeklärten Gründen inzwischen aus der Steinriegellandschaft verschwunden.

„Mostloch“

Mostloch in einem Steinriegel

Ein „Mostloch“ bezeichnet in Süddeutschland eine Nische, die bei der Errichtung eines Steinriegels mit größeren Steinblöcken kunstvoll eingefügt wurde. Es diente zum Kühlhalten des Mostes und der Speisen für die im Weinberg tätigen „Häcker“ und Hilfskräfte. Es wurde auf der schattigen Seite eines Steinriegels errichtet, um eine höchstmögliche Kühlung zu gewährleisten. Pro Weinberg gab es ein Mostloch.[5]

Siehe auch

Literatur und Quellen

  • Günter Hüttl: Steinriegel in unserer Landschaft. In: Historischer Verein für Württembergisch Franken (Hrsg.): 650 Jahre Niederstetten. Veröffentlichungen zur Ortsgeschichte und Heimatkunde in Württembergisch Franken. Band 4. Schwäbisch Hall 1991.
  • Carlheinz Gräter: Hohenloher Raritäten: Geschichte und Geschichten. Silberburg-Verlag, Tübingen 2010, ISBN 978-3-87407-901-3

Weblinks

Commons: Steinriegel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Carlheinz Gräter: Hohenloher Raritäten: Geschichte und Geschichten. S. 53.
  2. § 32 (1) 6.
  3. lubw.baden-wuerttemberg.de: Rote Liste der Biotoptypen Baden-Württemberg – Liste (PdF, Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, 2002. S. 5, 23.00 Morphologische Sonderformen anthropogenen Ursprungs, 23.20)
  4. Carlheinz Gräter: Hohenloher Raritäten: Geschichte und Geschichten. Seite 56
  5. Tauber-Zeitung, 9. Juni 2011, Bürgerforum Stadtbild, swp.de: Wengerterschlupf mit Mostloch (abgerufen am 27. Februar 2014)