Truppenübungsplatz Grafenwöhr

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 22. August 2016 um 15:42 Uhr durch Drgkl (Diskussion | Beiträge) (→‎Geschichte: BKL herausgenommen. Bei Bedarf zielgerichtet ersetzen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Warnschild an der Grenze zum Truppenübungsplatz, 2005

Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr ist ein Übungsplatz der US-Streitkräfte (Grafenwöhr Training Area (GTA))[1]. Er liegt in der Nähe der Stadt Grafenwöhr im Landkreis Neustadt an der Waldnaab (Oberpfalz) in Bayern und gehört großteils zur Gemarkung von Grafenwöhr. Er hat eine Fläche von 226 km². Auf dem Areal, dem drittgrößten Truppenübungsplatz Europas, wird mit scharfer Munition geschossen. Nach der Fläche wird er von Bergen-Hohne und Army Training Estate Salisbury Plain (SPTA) in Großbritannien übertroffen.

Geschichte

Truppenlager Grafenwöhr, Postkarte um 1910
Kommandantur und Garnisonsverwaltung, Postkarte um 1915

Das Königreich Bayern ließ in dem dünn besiedelten, waldreichen Gebiet in der nördlichen Oberpfalz von 1907 bis 1910 einen Schießplatz für das III. Korps der Armee einrichten. Dazu mussten rund 230 Menschen ihre Heimat verlassen. Folgende Ortschaften wurden aufgelöst und abgesiedelt: Annahütte, Erzhäusl, Flügelsburg, Grünhund, Grünhunder Schmierhütte, Hirschmühle, Schwarzenhäusl, Wolfslegel und Ziegelhütte.

Nachdem das NSDAP-Regime ab 1935 die Aufrüstung der Wehrmacht vorangetrieben hatte, wurde das Gebiet 1936 bis 1938 stark erweitert. Man gründete die „Reichsumsiedlungsgesellschaft RUGES“. Es gibt einen Amateurfilm über die Umsiedlung: „Das vergessene Land“ von Peter Ponnath (Telefilm, Fürth). Für die Menschen war die Aufgabe ihrer angestammten Heimat sehr schwer. Viele wurden in Wolfskofen/Mintraching bei Regensburg in einer bäuerlichen Mustersiedlung untergebracht. Dort entstand, um die Menschen zu beruhigen, der wohl einzige katholische Kirchenbau, den die Nationalsozialisten bezahlten. In dieser Kirche befinden sich die Altäre und das Marien-Gnadenbild (das Original kam im Dreißigjährigen Krieg in das Strahov-Kloster nach Prag) der Kirche von Pappenberg. Die nachfolgenden Orte sind durch die Erweiterung des Geländes durch die Nationalsozialisten erloschen:

Altenweiher, Altneuhaus, Baumühle, Beilenstein, Bergfried, Bernhof, Bernreuth, Betzlhof, Boden im Thal, Braunershof, Dorfgänlas, Dörnlasmühle, Dornbach, Ebersberg, Eibenstock, Erlbach, Fenkenhof, Fronhof, Grünwald, Haag, Hammergänlas, Hebersreuth, Hellziechen, Hermannshof, Hirschmühle, Höhenberg, Hopfenohe, Kaundorf, Kittenberg, Kotzmanns, Kühberg, Kumpf, Langenbruck, Leuzenhof, Luisenhof/Hub, Meilendorf, Netzaberg, Netzart im Thal, Nunkas, Oberfrankenohe, Pappenberg, Pinzig, Pommershof, Portenreuth, Römersbühl, Sommerhau, Schindlhof, Schloßfrankenohe, Schwarzenhäusl, Stegenthumbach, Unterfrankenohe, Walpershof, Weihern, Wirlhof, Wolframs, Zeltenreuth, Zissenhof.

Insgesamt wurden 780 Familien (mehr als 3500 Personen) umgesiedelt. Die Ortschaften wurden zerstört und abgetragen, einige wenige Reste stehen heute noch als Geisterstädte, z. B. die Ruinen der Kirchen Hopfenohe und Pappenberg. Für militärische Übungen im Häuserkampf wurden spezielle neue Ortschaften aufgebaut.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden etwa 300 sowjetische Kriegsgefangene in Arbeitskommandos zur Zwangsarbeit eingesetzt. Dabei wurden durch die Gestapo bei sogenannten „Überprüfungen“ Juden, Kommissare und „Hetzer“ ausgesondert und zur „Sonderbehandlung“ dem KZ Flossenbürg überstellt, wo sie erschossen wurden. Das geschah z. B. am 25. August 1941 mit 41 dieser Kriegsgefangenen. Viele weitere Sowjetbürger kamen durch Krankheit und Hunger ums Leben. Ein Offizier wurde wegen Befehlsverweigerung erschossen. 32 von ihnen sind seit 1987 auf dem Friedhof von Auerbach in der Oberpfalz begraben.[2]

Amerikanische Soldaten bei einer Übung mit einer M777A2-Haubitze auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr, 2009

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die US Army den Truppenübungsplatz und nutzte ihn in seiner ursprünglichen Bestimmung weiter. Am 2. September 1960 schlug eine zu weit geschossene, 203-mm-Granate in ein Zeltlager von Angehörigen der 3. US-Panzerdivision ein, wobei 17 Soldaten starben und 25 verletzt wurden; das Unglück war das opferreichste, das sich bisher bei den US-Truppen in Deutschland ereignet hat.

Mit Kosten von rund 210 Millionen D-Mark wurden von 1979 bis 1984 computergesteuerte Schießbahnen errichtet. Der Truppenübungsplatz Grafenwöhr galt damals als modernste Schießeinrichtung der NATO.

Seit der Absiedlung und Auflösung der Gemeinden Haag, Höhenberg , Hopfenohe, Kaundorf, Leuzenhof, Nunkas, Oberfrankenohe und Pappenberg 1938/39 waren diese gemeindefrei[3] (nachträglich durch Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 22. August 1951 verfügt) und bildeten das Kerngebiet des gemeindefreien Gebietes Truppenübungsplatz Grafenwöhr, das am 1. Juli 1978 in die Stadt Grafenwöhr eingegliedert wurde, das gemeindefreie Gebiet war damit aufgelöst.

Zur Geschichte des Truppenübungsplatzes gehört auch ein sechswöchiger Manöveraufenthalt von Elvis Presley, der im Museum dokumentiert ist. 1958 wurde der Film Zeit zu leben und Zeit zu sterben in den Ruinen der Orte Hopfenohe, Bernreuth und Altenweiher gedreht.

Heutige Nutzung

Der Truppenübungsplatz nennt sich seit 2006 Joint Multinational Command Training Center (JMCTC). Kürzlich wurden die neuen Quartiere des 2nd Stryker Cavalry Regiment bezogen. Nahe dem Truppenübungsplatz entstand die damals so genannte „New Town“, heute die Siedlung Netzaberg, die einen eigenen Stadtteil der Stadt Eschenbach in der Oberpfalz bildet, als neue Heimat für die Soldaten des 2nd SBCT.

In Grafenwöhr üben die Einheiten der United States Army Europe (USAREUR), die United States Air Forces in Europe (USAFE) und andere NATO-Streitkräfte.

Der Truppenübungsplatz ist ein weitläufiges Übungsgelände mit Schießbahnen und Zielgebiet (impact area). Der Verwaltungs- und Unterkunftsbereich sowie die Lager für übende Truppen und der Gleisanschluss befinden sich im Nordosten, die Vilseck Military Community am Südrand und die Siedlung Netzaberg am Nordrand des Platzes. Im Ostteil des Truppenübungsplatzes unterhält die US Army den Flugplatz Grafenwöhr, auf dem hauptsächlich Frachtmaschinen landen.

Der Truppenübungsplatz ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und einer der größten Arbeitgeber in der Region (3600 lokale Arbeitnehmer).

Wegen der Lageentwicklung in der Ukraine wurde 2015 das Material für eine zusätzliche schwere US-Heeresbrigade in Grafenwöhr stationiert.[4]

Koordinaten: 49° 43′ N, 11° 54′ O

Netzaberg Housing Area

Netzaberg Housing Area im Bau, 2008
Eine der 3000 Wohneinheiten der Netzaberg Housing Area, 2008

Am Truppenübungsplatz in der Nähe der Stadt Eschenbach in der Oberpfalz entstand von 2006 bis 2008 die Netzaberg Housing Area. Im Rahmen der Truppenumsiedlung der amerikanischen Streitkräfte nach Eschenbach wurden 832 Häuser für 3600 US-Soldaten und ihre Familien gebaut.[5] Dadurch ist eine neue Stadt mitsamt den benötigten Einrichtungen errichtet worden. Die Häuser baute das Bayreuther Bauunternehmen Zapf. Finanziert wurde das 200-Millionen-Euro-Projekt von der dänischen Investorengruppe NORDICA.

Bis zur zweiten Erweiterung des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr im Jahr 1936 befand sich auf dem Höhenzug, wo heute die New Town steht, bereits das 1938 aufgelassene Dorf Netzaberg.

Der Standort Netzaberg ist für eine Wohnbebauung geologisch umstritten. Bereits 1960 wurde in der Erläuterung zur Geologischen Karte von Bayern festgestellt: „G. Nutzbare Ablagerungen: Bleiglanz und Weißbleierz in nestartigen bis versprengten Auftreten finden sich in sandigen Muschelkalkschichten am Netzaberg östlich von Eschenbach und nordöstlich von Grafenwöhr“.[6]

Dies bedeutet eine erhöhte Bleibelastung im Boden. Außerdem wurde bei Brunnenbohrungen eine erhöhte natürliche radioaktive Strahlung festgestellt.[7]

Bundeswehr

Wappen des DMV TrÜbPlKdtr Grafenwöhr

Die Bundeswehr nutzt den Truppenübungsplatz gegen Bezahlung für Übungen und scharfes Schießen. Die Interessen der Bundeswehr nimmt der Deutsche Militärische Vertreter bei der Truppenübungsplatzkommandantur (DMV TrÜbPlKdtr) wahr. Diese Dienststelle hat 130 Dienstposten und wird im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr auf 110 verkleinert.[8] Sie nimmt aktiv an der Verwaltung des Truppenübungsplatzes teil.

Deutsch-Amerikanisches Volksfest Grafenwöhr

Das Deutsch-Amerikanische Volksfest Grafenwöhr findet jedes Jahr am ersten August-Wochenende auf dem Truppenübungsplatz im Camp Kasserine statt. Mehr als 80.000 Menschen besuchten im Jahr 2011 das Volksfest. Die Einnahmen werden vom Deutsch-Amerikanischen Gemeinsamen Ausschuss Grafenwöhr verwaltet und gemeinnützigen Zwecken zugeführt. Im Jahr 2013 wurde das Volksfest im Zuge von Einsparmaßnahmen der US-Army erstmals abgesagt.[9]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. GTA
  2. Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus. Eine Dokumentation, Band 1. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1995, ISBN 3-89331-208-0, S. 143
  3. Wilhelm Volkert (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Ämter, Gemeinden und Gerichte 1799–1980. C.H.Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1983, ISBN 3-406-09669-7. Seite 459
  4. Truppenverstärkung
  5. Firma Zapf; Pressemitteilung vom 24. Oktober 2008 http://www.zapf-gmbh.de/system/web/zapf/netzaberg/presse/PR-Netzaberg-ist-fertig.pdf
  6. Erläuterung zur Geologischen Karte von Bayern, Blatt Nr 6237 Grafenwöhr; H. Hauenschild, B. Schröder, München, 1960
  7. Oberpfalznetz; Zeitungsartikel vom 14. Juli 2007 http://www.oberpfalznetz.de/zeitung/1042159-127,1,0.html
  8. BMVg: Die Stationierung der Bundeswehr in Deutschland
  9. Oberpfalznetz.de: Deutsch-amerikanisches Volksfest abgesagt. US-Army muss sparen. Artikel vom 30. April 2013, abgerufen am 4. Juni 2013.

Literatur

  • Eckehart Griesbach: Truppenübungsplatz Grafenwöhr – Geschichte einer Landschaft.
  • Hans-Jürgen Kugler: Hopfenohe – Geschichte einer Pfarrgemeinde [1]
  • Hans-Jürgen Kugler: Nitzlbuch / Bernreuth – Geschichte einer bäuerlichen Region in der nördlichen Oberpfalz [2]
  • Gerhard Müller: Geschichte des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr, Ausstellung zur Militärabteilung
  • Dominikus Kneidl, Olaf Meiler: Truppenübungsplatz Grafenwöhr. Bildband
  • Paul Burckhardt: The Major Training Areas – Grafenwoehr/Vilseck, Hohenfels, Wildflecken (1. und 2. Auflage, Englisch)
  • Paul Burckhardt: Die Truppenübungsplätze – Grafenwöhr, Hohenfels, Wildflecken (3. Auflage, Deutsch)
  • Peter Heigl: Sergeant Elvis Presley in Grafenwöhr, deutsch/englisch, Buch & Kunstverlag Oberpfalz, Amberg 2007
  • Gerald Morgenstern: "Truppenübungsplatz Grafenwöhr" gestern - heute, Grafenwöhr 2010

Weblinks

Commons: Truppenübungsplatz Grafenwöhr – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien