Vanth (Mond)

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(90482) Orcus I (Vanth)
Vorläufige oder systematische Bezeichnung S/2005 (90482) 1
Zentralkörper (90482) Orcus
Eigenschaften des Orbits[1]
Große Halbachse 9000 ± 9[2] km
Exzentrizität 0,0009 ± 0,0006[2]
Periapsis 8991 km
Apoapsis 9007 km
Bahnneigung
zum Äquator des Zentralkörpers
90,2 ± 0,6[3]°
Umlaufzeit 9,53916 ± 0,00002[2] d
Mittlere Orbitalgeschwindigkeit 0,034 km/s
Physikalische Eigenschaften[1][4]
Albedo 0,08 ± 0,02[5]
Scheinbare Helligkeit 21,97 ± 0,05[6] mag
Mittlerer Durchmesser [7] km
Masse 8,7 × 1019 kg
Oberfläche 615.000 km2
Mittlere Dichte ≈ 1,5 g/cm3
Siderische Rotation 9,53916 ± 0,00002 d
Oberflächentemperatur ≈ 44 K
Entdeckung
Entdecker

Michael E. Brown
Terry-Ann Suer

Datum der Entdeckung 13. November 2005
Anmerkungen Wahrscheinlich gebundene Rotation.

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Vanth ist der erste bekannte Mond des Plutinos und Zwergplanetenkandidaten (90482) Orcus, der bahndynamisch als Plutino eingestuft wird.[8][9][10] Nach aktuellem Wissensstand weist Vanth etwa die Hälfte des Durchmessers des Mutterasteroiden auf; daher kann dieses System auch als Doppelasteroidensystem verstanden werden.

Entdeckung und Benennung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vanth wurde von Mike Brown und Terry-Ann Suer auf Bildern des Hubble-Weltraumteleskops vom 13. November 2005 entdeckt. Vanth wurde bei 0,25 ± 0,1 Bogensekunden Abstand zu Orcus gefunden, mit einer Differenz der scheinbaren Helligkeit von 2,7 ± 1,0. Die Entdeckung wurde am 22. Februar 2007 bekanntgegeben;[11] der Mond erhielt die vorläufige Bezeichnung S/2005 (90482) 1.

Am 23. März 2009 forderte Brown die Leser seiner wöchentlichen Kolumne auf, einen passenden Namen für den neuen Mond vorzuschlagen, um den besten davon am 5. April 2009 an die IAU zu übermitteln. Der Name Vanth wurde aus einer großen Palette von Vorschlägen ausgewählt. Vanth war der einzige Name, der vom Ursprung her rein etruskisch war. Es war der populärste Vorschlag, der als erstes von Sonya Taafe kam.

Am 7. April 2010 wurde der Mond von der Internationalen Astronomischen Union (IAU) dann offiziell nach dem Psychopompos Vanth, einer Dämonin in der etruskischen Mythologie benannt, die die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt begleitete. Manchmal trug sie Schriftrollen, auf denen die Taten der Verstorbenen verzeichnet waren. Vanth taucht auf Grabgemälden oder Sarkophagen auf, wo sie in der Regel mit großen Flügeln, weißen Kleidern und einer Fackel porträtiert wird. Sie tritt gelegentlich als jugendliche Begleitung von Charun auf, weswegen Vanth oft mit Charon assoziiert wird, so wie Orcus (Spitzname: „Anti-Pluto“, da die Bahnresonanz zu Neptun Orcus fast auf der gegenüberliegenden Seite der Sonne hält) Parallelen zu Pluto aufweist.

Seit seiner Entdeckung wurde Vanth durch verschiedene Teleskope wie das Spitzer- und das Hubble- sowie erdbasierte Teleskope beobachtet und dabei konnten seine Bahnelemente bestimmt werden. (Stand 4. März 2019)

Bahneigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orbitalsimulation von Orcus und Vanth.

Vanth umkreist Orcus auf einer beinahe perfekt kreisförmigen Umlaufbahn in 8999 Kilometer mittlerem Abstand zu dessen Zentrum (19,63 Orcusradien bzw. 40,67 Vanthradien). Die Bahnexzentrizität beträgt maximal 0,001, die Bahn ist 90,20° (andere Angaben: 73° oder 109°) gegenüber der Ekliptik geneigt.

Vanth umrundet den gemeinsamen Schwerpunkt mit Orcus in 9 Tagen, 12 Stunden und 56,4 Minuten, was 9421,5 Eigendrehungen („Tage“) in einem Orcus-Jahr (rund 246,06 Erdjahre) entspricht. In diesem Binärsystem dauert ein Monat – ausgehend von den derzeit wahrscheinlichsten Rotationsperioden von Orcus – dementsprechend 23,6 bis 24,0 Orcus-Tage. Brown nimmt an, dass Vanth wie die meisten Planetenmonde eine gebundene Rotation aufweist, Orcus also immer dieselbe Seite zeigt.

Es wird angenommen, dass der Mond wahrscheinlich ein eingefangenes Objekt des Kuipergürtels ist, da er den anderen „Kollisions-Monden“ nicht sehr ähnelt. Dabei wäre Vanth vom sogenannten Kozai-Effekt beeinflusst, was bedeutet, dass die Bahnneigung und Exzentrizität aneinander gekoppelt sind (Die Bahnneigung und die Periapsis nimmt ab, wenn sich die Exzentrizität erhöht, und umgekehrt). Da die fast kreisrunde Bahn jedoch eher dagegen spricht, ist eine Entstehung durch eine Kollision nicht auszuschließen.

Größe und Masse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zunächst ging man vom gleichen Rückstrahlvermögen und der gleichen Dichte wie der des Zentralkörpers aus und nahm einen Durchmesser von 262 km an, der etwa einem Viertel des Durchmessers von Orcus entspräche. Brown ging 2009 von einer Größe von 31 % des Hauptkörpers aus, woraus ein Durchmesser 280 km abgeleitet wurde.[12] Beobachtungen einer Sternbedeckung im März 2017 ergaben jedoch einen Durchmesser von 442,5 km, was die Größe auf die Hälfte von Orcus erhöht und daher mit dem Größenverhältnis des Pluto-Charon-Systems vergleichbar ist. Daraus resultiert auch eine im Vergleich zum Hauptkörper wesentlich dunklere Albedo von etwa 9 %; das Rückstrahlvermögen von Orcus beträgt für ein transneptunisches Objekt dagegen ungewöhnlich hohe 23 %. Da Vanth im Gegensatz zu Orcus zudem eher rötlich gefärbt ist, ist es durchaus möglich, dass die Albedo um den Faktor zwei dunkler ist, was einem Durchmesser von sogar 640 Kilometern entspräche (mehr als der Hälfte des Durchmessers von Orcus).

Durch die Analyse der Umlaufbahn konnte die Masse des Systems Orcus-Vanth auf 6.41 ± 0.19 · 1020 kg bestimmt werden.[13] Dabei hat der Mond Vanth selbst wohl etwas über 10 % der Gesamtmasse, womit eine Masse von 8.7 ± 0.8 · 1019 kg zustande kommt.[4] Für Vanth eine mittlere Dichte von 1,5 g/cm3, ähnlich wie die von Orcus angenommen.

Bestimmungen des Durchmessers für Vanth
Jahr Abmessungen km Quelle
2010 280,0 Brown u. a.[12]
2011 312,6 Grundy u. a.[6]
2011 267,0 ± 100,0 Carry u. a.[13]
2013 276,0 ± 17,0 Fornasier u. a.[14]
2014 <225,0 Thirouin u. a.[15]
2017 370,0 +170,0−70,0 Brown u. a.[16]
2018 475,0 ± 75,0 Brown u. a.[5]
2018 442,5 ± 10,2 Sickafoose u. a.[7]
Die präziseste Bestimmung ist fett markiert.

Oberfläche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fiktive Darstellung von Orcus und Vanth.

Der Mond ist zu nahe an Orcus, um die Zusammensetzung seiner Oberfläche mit erdgebundenen Teleskopen spektroskopisch ermitteln zu können. Bei Beobachtung durch das Hubble-Weltraumteleskop konnte immerhin die von Orcus abweichende rote Farbe festgestellt werden. Im infraroten Spektrum konnte im Gegensatz zu Orcus keine Absorptionen von Wassereis nachgewiesen werden.

Ausgehend von einem Durchmesser von 442,5 km ergibt sich eine Gesamtoberfläche von etwa 615.000 km2. Die scheinbare Helligkeit von Vanth beträgt 21,97 m,[6] die mittlere Oberflächentemperatur wird anhand der Sonnenentfernung auf 44 K (−229 °C) geschätzt.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Wm. R. Johnston: Asteroids with Satellites – (90482) Orcus and Vanth. Johnston’s Archiv, 20. September 2014, abgerufen am 4. März 2019.
  2. a b c W. Grundy: TNBs with known P, a, and e. Lowell-Observatorium, 14. September 2014, abgerufen am 2. Februar 2024.
  3. M. Brucker u. a.: High Albedos of Low Inclination Classical Kuiper Belt Objects (PDF). In: Icarus. 201. Jahrgang, Nr. 1, 18. Dezember 2008, doi:10.1016/j.icarus.2008.12.040, arxiv:0812.4290, bibcode:2009Icar..201..284B.
  4. a b Michael E. Brown, Bryan Butler: Masses and densities of dwarf planet satellites measured with ALMA. In: The Planetary Science Journal. 4. Jahrgang, Nr. 10, 10. Oktober 2023, 193, S. 6, doi:10.3847/PSJ/ace52a, arxiv:2307.04848, bibcode:2023PSJ.....4..193B.
  5. a b M. Brown u. a.: Medium-sized satellites of large Kuiper belt objects. In: The Astronomical Journal. 156. Jahrgang, Nr. 4, 22. Januar 2018, S. 164, 6, doi:10.3847/1538-3881/aad9f2, arxiv:1801.07221, bibcode:2018AJ....156..164B.
  6. a b c W. Grundy u. a.: Five New and Three Improved Mutual Orbits of Transneptunian Binaries (PDF). In: Icarus. 213. Jahrgang, Nr. 2, 14. März 2011, S. 678–692, doi:10.1016/j.icarus.2011.03.012, arxiv:1103.2751, bibcode:2011Icar..213..678G.
  7. a b A. Sickafoose u. a.: A stellar occultation by Vanth, a satellite of (90482) Orcus (PDF). In: Earth and Planetary Astrophysics. 21. Oktober 2018, S. 37, doi:10.1016/j.icarus.2018.10.016, arxiv:1810.08977.
  8. Marc W. Buie: Orbit Fit and Astrometric record for 90482. SwRI (Space Science Department), abgerufen am 4. März 2019.
  9. MPC: MPEC 2010-S44: Distant Minor Planets (2010 OCT. 11.0 TT). IAU, 25. September 2010, abgerufen am 4. März 2019.
  10. W. Grundy: Orbit Status of Known Binary TNOs. Lowell-Observatorium, abgerufen am 4. März 2019.
  11. D. Green: Satellites of 2003 AZ_84, (50000), (55637), and (90482). In: IAU: Central Bureau for Astronomical Telegrams (CBAT). 22. Februar 2007, bibcode:2007IAUC.8812....1B.
  12. a b M. Brown u. a.: The size, density, and formation of the Orcus-Vanth system in the Kuiper belt (PDF). In: The Astronomical Journal. 139. Jahrgang, Nr. 6, 26. Oktober 2009, S. 2700–2705, doi:10.1088/0004-6256/139/6/2700, arxiv:0910.4784, bibcode:2010AJ....139.2700B.
  13. a b B. Carry u. a.: Integral-field spectroscopy of (90482) Orcus-Vanth. In: Astronomy & Astrophysics. 534. Jahrgang, A115, 18. Oktober 2011, doi:10.1051/0004-6361/201117486, arxiv:1108.5963.
  14. S. Fornasier u. a.: “TNOs are Cool”: A survey of the trans-Neptunian region. VIII. Combined Herschel PACS and SPIRE observations of nine bright targets at 70-500 µm. In: Astronomy and Astrophysics. 555. Jahrgang, A15, 19. Juni 2013, S. 22, doi:10.1051/0004-6361/201321329, arxiv:1305.0449v2, bibcode:2013A&A...555A..15F.
  15. A. Thirouin u. a.: Rotational properties of the binary and non-binary populations in the Trans-Neptunian belt. In: Astronomy and Astrophysics. 569. Jahrgang, A3, 5. Juli 2014, S. 20, doi:10.1051/0004-6361/201423567, arxiv:1407.1214, bibcode:2014A&A...569A...3T.
  16. M. Brown: The Density of Mid-sized Kuiper Belt Objects from ALMA Thermal Observations. In: The Astronomical Journal. 154/1. Jahrgang, 7. Juli 2017, S. 19, 7, doi:10.3847/1538-3881/aa6346, arxiv:1702.07414, bibcode:2017AJ....154...19B.