Wilhelm Schlötterer

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Wilhelm Schlötterer im Dezember 2009 in München

Wilhelm Schlötterer (* 30. Oktober 1939 in Regensburg) ist ein deutscher Verwaltungsjurist und Buchautor. Während seiner Tätigkeit in der bayerischen Finanzverwaltung in den 1970er Jahren wies er, selbst seit 1975 CSU-Mitglied, beharrlich auf Einflussnahmen von CSU-Spitzenpolitikern zugunsten von Prominenten und wohlhabenden Freunden in Steuerangelegenheiten hin, zum Beispiel zu Gunsten von Franz Beckenbauer.[1]

Er versuchte wiederholt, mit behördeninternen Mitteln und mit Kontaktaufnahmen zum bayerischen Landtag dagegen vorzugehen. Dies brachte ihm erhebliche berufliche Nachteile ein, bis hin zu Strafverfahren und beamtenrechtlichen Disziplinarverfahren. Nach seinen Angaben ergab jedes dieser Verfahren, dass er sich rechtmäßig verhalten habe.[1]

Im Jahr 2009 veröffentlichte er ein Sachbuch, das zahlreiche der von ihm kritisierten damaligen Vorgänge detailliert beschreibt. Max Strauß (Sohn von Franz Josef Strauß, † 1988) zeigte ihn an, klagte auf Unterlassung und gewann diesen Zivilrechtsstreit im Februar 2013 vor dem Landgericht Köln (Az. 28 O 773/11) in erster Instanz.[2][3] Im Verlaufe der Verfahren kamen im Juni 2012 mehrere Zeugenaussagen an die Öffentlichkeit, die offenbar einige von Schlötterers zentralen Behauptungen stützen. Schlötterer legte gegen das Urteil Berufung ein.[4]

Werdegang

Schlötterer studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten in Berlin und Würzburg. Im März 1967 promovierte er in Würzburg zum Dr. iur. und trat 1968 in die bayerische Finanzverwaltung ein. Von 1973 bis 1974 war er Vertreter des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen an der Landesvertretung des Freistaates in Bonn. Nach seiner Rückkehr nach München wurde ihm 1974 bis 1978 die Leitung des Referats für Steuerfahndung, Steuerstrafrecht, Steuererlass, Abgabenordnung und Außensteuerrecht übertragen. In dieser Zeit war er mit anrüchigen Steuerfällen betraut, die sich im weiteren Verlauf zu spektakulären Affären ausweiteten. Sein Vorwurf lautet, Franz Josef Strauß habe gezielt in die Steuerermittlung Einfluss genommen, um befreundete Unternehmer zu begünstigen, indem er genehme Beamte einsetzte und in laufende Verfahren eingegriffen habe. Auf eine solche Instrumentalisierung des Freistaats zu privaten Zwecken hat Schlötterer mit internen Beschwerden, Briefen und Petitionen an den Landtag entgegenzuwirken versucht. Daraufhin wurden fällige Beförderungen verweigert, es gab Straf- und Disziplinarverfahren gegen ihn und er wurde deshalb 1978 in das Referat Verteidigungslasten versetzt. Die Auseinandersetzungen mündeten Anfang der 1990er Jahre in der Aufdeckung der so genannten Amigo-Affäre. 1998 wechselte er als Generalbevollmächtigter zur Landeswohnungs- und Städtebaugesellschaft Bayern. Nach Erreichen der Altersgrenze wurde er im Rang eines Ministerialrats pensioniert.

2009 legte er das Sachbuch Macht und Missbrauch vor, in dem er anhand dokumentierter Einzelfälle gegen den ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß und seine Nachfolger Max Streibl und Edmund Stoiber Vorwürfe der gezielten Einflussnahme in die Steuerermittlung erhebt.

Schlötterer berichtet in seinem Buch von einem Vermögen von rund 400 Millionen D-Mark, das Franz Josef Strauß hinterlassen habe.[5] Im Zuge eines Prozesses, den daraufhin die Familie Strauß gegen ihn anstrengte, kamen im Juni 2012 Zeugenaussagen von Bankmitarbeitern aus München und Luxemburg an die Öffentlichkeit. Demnach soll das Erbe rund 300 Millionen Mark betragen haben, und der Sohn Max Strauß habe versucht, diese Summe 1992 in Form von Bargeld nach Luxemburg zu transportieren. Die Familie Strauß ließ diese Angaben umgehend als „baren Unfug“ dementieren.[6][7] Das Oberlandesgericht Köln untersagte Schlötterer in einem Zivilverfahren eine Wiederholung der Äußerung, Strauß habe seinen Kindern 300 Millionen Mark vererbt. Der Versuch der drei Strauß-Kinder, ihn auch strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, scheiterte jedoch. Diese hatten gegen Schlötterer Strafantrag wegen Verleumdung gestellt. Der Erlass eines Strafbefehls, der von der Staatsanwaltschaft infolge des Strafantrags beantragt worden war, wurde jedoch vom Amtsgericht München sowie vom Landgericht München I abgelehnt, weil kein hinreichender Tatverdacht gegeben sei.[8][9]

In seinem 2013 erschienenen Buch Wahn und Willkür thematisiert Schlötterer ausführlich den Fall Gustl Mollath.[10]

Er ist Präsident der Dante-Gesellschaft München e.V. Im Jahre 2004 wurde er vom italienischen Staatspräsidenten Ciampi mit dem Titel Commendatore ausgezeichnet.

Veröffentlichungen

  • Der Übergang vom beratenden zum beschließenden Organ. Unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung der Parlamente. Dissertation. Würzburg 1967
  • Macht und Missbrauch. Franz Josef Strauß und seine Nachfolger. Aufzeichnungen eines Ministerialbeamten. Fackelträger, Köln 2009, ISBN 978-3-7716-4434-5; aktualisierte Taschenbucherstausgabe: Macht und Missbrauch. Von Strauß bis Seehofer. Ein Insider packt aus. Heyne, München 2010, ISBN 978-3-453-60168-0
  • Wahn und Willkür. Strauß und seine Erben oder wie man ein Land in die Tasche steckt. Heyne, München 2013, ISBN 978-3-453-20047-0

Weblinks

Commons: Wilhelm Schlötterer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Siehe auch

Fußnoten

  1. a b FAZ.net / Christoph Becker 28. April 2013: Die Bayern und die Steuern: Gute Freunde kann niemand trennen.
  2. Klage vor dem Landgericht Köln – Max Strauß will Ehre des Vaters verteidigen. In: Süddeutsche Zeitung. 18. Januar 2013
  3. Prozesse: Max Strauß gewinnt juristischen Streit über Erbschaftsfragen. In: Die Welt. 13. Februar 2013
  4. abendzeitung-muenchen.de 21. Juli 2013:„Die nächste Abrechnung“
  5. aktualisierte und erweiterte Auflage 2010 (Taschenbuch), S. 161 f.
  6. Spekulationen um 300 Millionen Mark in bar – Max Strauß weist Geldtransfer-Vorwürfe zurück. In: Süddeutsche Zeitung. 27. Juni 2012
  7. Egmont R. Koch: Das Millionenrätsel. In: Stern. Nr. 27, 28. Juni 2012
  8. Strauß-Kinder scheitern mit Strafanzeige gegen Ex-Beamten Schlötterer; in: Süddeutsche Zeitung Online vom 31. März 2016
  9. Rechtsstreit um FJS-Erbe - Strauß-Kinder scheitern mit Strafanzeige; in: FAZ.net vom 31. März 2016
  10. Kapitel 5 (S. 309 bis 435, aktualisierte und erweiterte Taschenbuchauflage 8/2015)