Wirbeltiere

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 29. September 2016 um 10:11 Uhr durch Aka (Diskussion | Beiträge) (deutsch, Links optimiert, zu großen Zeilenabstand entfernt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Wirbeltiere

Vertreter der fünf klassischen Gruppen der Wirbeltiere.
Links: Feuersalamander (Amphibien), Mondfisch (Fische), Rotschulter-Rüsselhündchen (Säuger).
Rechts: Leistenkrokodil (Reptilien), Helmkasuar (Vögel).

Systematik
ohne Rang: Vielzellige Tiere (Metazoa)
Abteilung: Gewebetiere (Eumetazoa)
Unterabteilung: Bilateria
Überstamm: Neumünder (Deuterostomia)
Stamm: Chordatiere (Chordata)
Unterstamm: Wirbeltiere
Wissenschaftlicher Name
Vertebrata
Cuvier, 1812

Wirbeltiere (Vertebrata) sind Chordatiere mit einer Wirbelsäule. Zu diesem Unterstamm gehören fünf traditionell als Klassen geführten Großgruppen: Säugetiere, Vögel, Reptilien, Amphibien sowie Fische (Knochen- und Knorpelfische), als urtümliche Vertreter zudem die Rundmäuler. Ihnen wird die informelle Gruppe der Wirbellosen oder Invertebrata (das sind alle übrigen Tiere) gegenübergestellt, die keine Wirbelsäule haben.

Von vielen Zoologen wird heute der Begriff Schädeltiere (Craniota) für dieses Taxon bevorzugt. Diese Auffassung berücksichtigt, dass die Rundmäuler, wie auch einige andere Wirbeltiere, als Achsenskelett keine Wirbelsäule, sondern eine Chorda dorsalis haben. Doch allen Wirbeltieren gemein ist ein verknöcherter oder knorpeliger Schädel; sein Vorhandensein gehört somit zu den gemeinsam abgeleiteten Merkmalen (Synapomorphien) dieser Chordaten-Gruppe.

Grundplan

Die Monophylie der Wirbeltiere wird durch eine Reihe gemeinsamer abgeleiteter (neuer) Grundplanmerkmale (Synapomorphien) unterstützt:

  • Mehrschichtige Epidermis: Die Epidermis differenziert sich in mehrere übereinander liegende Zellschichten. Innerhalb der Wirbeltiere kommt es zur Ausbildung der „Haut“ mit mehreren Schichten und zugehörigen Strukturen wie Schuppen, Federn etc.
  • Neurocranium: Das Gehirn und die großen Sinnesorgane werden von einer Kapsel geschützt (Hirnschädel).
  • Neuralleiste: Eine embryonale Struktur aus pluripotenten Zellen, welche aus dem Ektoderm an der Grenze zwischen epidermalem Ektoderm und neuralem Ektoderm hervorgehen. Sie bilden unter anderem Skelettstrukturen des Kopfes, Pigmentzellen, neurale Zellen wie Rohon-Beard-Zellen, Ganglien und Odontoblasten.
  • Plakoden: Verdickungen der embryonalen Epidermis. Zellen der Plakoden sind an der Ausbildung neuraler Organe beteiligt
  • Labyrinthorgan: Das Gleichgewichtsorgan
  • Gehirn: Der vordere Teil des Neuralrohres ist zu einem (mehrteiligen) Gehirn ausdifferenziert.
  • Gehirnnerven: Im Grundplan zehn Nerven völlig unterschiedlicher Natur, welche das Gehirn mit der Peripherie verbinden. Sie sind innerhalb der gesamten Wirbeltiere recht konstant vorhanden.
  • Spinalganglien: Den Spinalnerven können Ganglien zugeordnet werden.

Systematik

Äußere Systematik

Die Wirbeltiere haben in der konventionellen biologischen Systematik den Rang eines Unterstamms. Zusammen mit den Manteltieren und den artenarmen Schädellosen bilden sie den Stamm der Chordatiere (Chordata).

Nach der Notochordata-Urochordata-Hypothese gelten die Wirbeltiere als Schwestergruppe der Schädellosen (Acranier/Cephalochordata), daher werden sie oft auch als „Schädeltiere“ (Craniota oder Craniata) bezeichnet. Die alternative, später erschienene Olfactores-Cephalochordata-Hypothese besagt hingegen, dass die Manteltiere (Urochordata/Tunicata) die Schwestergruppe der Wirbeltiere ist. Welche Hypothese stimmt, ist bis heute noch nicht klar.[1]

Innere Systematik

Diversität der rezenten Wirbeltiere: Anteile der Gruppen an der Gesamtzahl der Arten. „Fische“ = Knochen- und Knorpelfische.
Die Wirbeltierevolution seit dem Kambrium nach Benton (1998). Ausgestorben sind die Placodermi und die „Stachelhaie“. Die Breite der Zweige illustriert die Anzahl der Wirbeltier-Familien, was jedoch nur einen ungefähren Anhaltspunkt über die jeweilige Artenvielfalt gibt. Insbesondere die Artenfülle der mesozoischen Reptilien wird nicht ausreichend deutlich. Auch die große Anzahl bisher neu entdeckter Amphibien- und Reptilienarten wird hier noch nicht wiedergegeben

Früher wurden die Wirbeltiere nach dem Kriterium unterteilt, ob ein Kiefer vorhanden ist oder nicht. Dieser Ansatz ist überholt: Den Kiefermäulern (Kiefertieren) werden heute nicht mehr die Kieferlosen (Agnatha) gegenübergestellt, sondern die Rundmäuler (Cyclostomata).

Die innere Systematik der Wirbeltiere bleibt jedoch umstritten, insbesondere die Frage, ob ein Schwestergruppenverhältnis zwischen Kiefermäulern und Neunaugen besteht oder zwischen Schleimaalen und Neunaugen:

Schleimaale + (Kiefermäuler + Neunaugen)
(Schleimaale + Neunaugen) + Kiefermäuler

Die folgende Darstellung berücksichtigt auch ausgestorbene Gruppen. Die klassischen Großgruppen sind fett hervorgehoben.

Wirbeltiere (Vertebrata): über 67.800 Arten

Ausgestorbene Gruppen

Die ausgestorbenen, oft stark gepanzerten, kieferlosen Taxa werden als Ostracodermi zusammengefasst, die gepanzerten, kiefertragenden als Placodermi. Beide Gruppen sind jedoch keine monophyletischen Taxa, ebenso wenig die Acanthodii, die teilweise basal zu Knorpelfischen oder zu den Knochenfischen stehen.

Die Zugehörigkeit der ausgestorbenen Conodonten zu den Vertebrata ist umstritten.

Verbreitung und Zahl der Arten

Diversität der rezenten Wirbeltiere nach Kontinenten und Regionen. Blau = niedrigste Diversität, dunkelrot höchste Diversität.

Wirbeltiere sind weltweit verbreitet. Sie leben auf allen Kontinenten einschließlich der Antarktis, im Meer bis in die Tiefsee, in Süßgewässern, und an Land in allen Biotopen einschließlich der Hochgebirge. Vögel und Fledermäuse verfügen über die Fähigkeit zum aktiven Flug, was die Ausbreitung begünstigt. Die Artenvielfalt ist in den tropischen Regenwäldern am höchsten (Amazonasgebiet, Gebiete in Afrika und Südostasien).

Heute gibt es über 67.000 Wirbeltierarten, mehr als die Hälfte davon sind Fische. Dies sind nach Schätzungen etwa ein Prozent aller Wirbeltierarten, die im Verlauf der Evolution erschienen sind. Die Zahl liegt deutlich höher als in älteren Quellen angegeben wurde, z. B. gab die IUCN für 2004 noch 57.739 bekannte Wirbeltierarten an.[13] Jedes Jahr werden mehrere hundert Wirbeltierarten neu entdeckt, so sind seit 1982 1246 neue Säugetierarten, seit 1996 7227 neue Fischarten, seit 2004 1711 Amphibienarten und seit 2008 1538 Reptilienarten bis zum Jahr 2015 neu beschrieben worden. Daneben sind weltweit bisher mehrere zehntausend fossile Arten entdeckt worden.[14]

Körpergrößen

Wirbeltiere sind insgesamt betrachtet deutlich größer als wirbellose Tiere. Die meisten wirbellosen Tiere werden nur wenige Zentimeter groß, sehr häufig werden die Größen in Millimeter angegeben. Ausnahmen unter den Wirbellosen sind nur die Kopffüßer, einige Krebstiere (Hummer, Langusten) und Riesenmuscheln. Wirbeltiere von wenigen Zentimetern Größe gehören dagegen immer zu den kleinsten Arten ihres Taxons.

Die kleinsten im Wasser lebenden Wirbeltiere sind einige Grundeln (z. B. Schindleria brevipinguis) und Karpfenfische (z. B. Paedocypris progenetica mit einer Länge von 7,9 mm beim Weibchen und 10 mm beim Männchen), kleinstes Landwirbeltier der Frosch Paedophryne amauensis (mit einer Länge von 7,7 mm).[15] Die Etruskerspitzmaus (Suncus etruscus) mit einer Rumpflänge von 2 cm und einem Gewicht von 1 g und die Hummelfledermaus (Craseonycteris thonglongyai) mit einem Gewicht von 1,5 bis 3 g gelten als die kleinsten Säugetiere.

Das größte Wirbeltier ist der Blauwal (Balaenoptera musculus) mit einer Maximallänge von 30 Metern und einem Maximalgewicht von 200 Tonnen. Das größte rezente an Land lebende Wirbeltier ist der Afrikanische Steppenelefant (Loxodonta africana) mit einem Maximalgewicht von 7 Tonnen. Die größten ausgestorbenen Wirbeltiere des Festlandes waren die Sauropoden (Sauropoda), eine sehr artenreiche Gruppe der Dinosaurier.

Voraussetzungen für diese Größenzunahme bei den Wirbeltieren waren ihr einzigartiges, aus Knochen und Knorpel bestehendes Innenskelett, die Entwicklung einer sehr leistungsfähigen Muskulatur und das geschlossene Herz-Kreislauf-System.

Lebensalter

Einige Wirbeltiere erreichen ein Lebensalter, das weit über das übliche Maß der höheren Tiere hinausgeht. Seit einiger Zeit ist bekannt, dass Grönlandwale mehr als 200 Jahre alt werden können. Neuerdings wurde für den Grönlandhai eine Lebenslänge von über 270 Jahren festgestellt, es gilt als wahrscheinlich, dass die Tiere sogar mehr als 400 Jahre alt werden können. [16]

Bildergalerie

Siehe auch

Literatur

  • W. Westheide, R. Rieger: Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere. Spektrum Akademischer Verlag, 2003, ISBN 3-8274-0900-4.
  • G. Mickoleit: Phylogenetische Systematik der Wirbeltiere. Verlag Dr. Friedrich Pfeil, 2004.
  • Joseph S. Nelson: Fishes of the World. John Wiley & Sons, 2006, ISBN 0-471-25031-7.

Weblinks

Wiktionary: Wirbeltier – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Wirbeltiere – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Genome 10K Project (englisch). Eine Sammlung genetischer Codes von 10.000 Wirbeltierarten, etwa ein Genom für jede Gattung

Einzelnachweise

  1. Hynek Burda: Systematische Zoologie. S. 241/242, Eugen Ulmer Stuttgart, 2008, ISBN 978-3-8252-3119-4
  2. Ordnung Myxiniformes auf Fishbase.org (englisch)
  3. Ordnung Petromyzontiformes auf Fishbase.org (englisch)
  4. Greta Carrete Vega, John J. Wiens: Why there are so few fish in the sea? In: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. 279, 2012, S. 2323–2329, doi:10.1098/rspb.2012.0075
  5. Artenanzahl (Stand: 2015) in dem Catalog of Fishes
  6. Ordnung Ceratodontiformes auf Fishbase.org (englisch)
  7. Ordnung Lepidosireniformes auf Fishbase.org (englisch)
  8. Ordnung Coelacanthiformes auf Fishbase.org (englisch)
  9. Artenanzahl in der Datenbank Amphibiaweb.org, abgerufen am 17. August 2015
  10. Testudines In: The Reptile Database Squamata In: The Reptile Database Rhynchocephalia In: The Reptile Database Crocodylia In: The Reptile Database Artenanzahl (Stand: 2016)
  11. IOC World Bird Names (v 3.3). F. Gill, D. Donsker, 2013, abgerufen Format invalid.
  12. Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World: A Taxonomic and Geographic Reference. 3. Auflage. The Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005, ISBN 0-8018-8221-4 (S. xix, S. xxv).
  13. Jonathan E.M. Baillie: A Global Species Assessment. World Conservation Union, 2004;.
  14. Wilfried Westheide, Reinhard Rieger: Spezielle Zoologie Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg/Berlin 2004
  15. E. N. Rittmeyer, A. Allison, M. C. Gründler, D. K. Thompson, C. C. Austin (2012): Ecological Guild Evolution and the Discovery of the World's Smallest Vertebrate. PLoS ONE 7(1): e29797. doi:10.1371/journal.pone.0029797
  16. Julius Nielsen (Universität Kopenhagen) et al.: Eye lens radiocarbon reveals centuries of longevity in the Greenland shark (Somniosus microcephalus). In: Science 12. August 2016 (Vol. 353, Issue 6300), S. 702-704 (doi:10.1126/science.aaf1703), Abstract, zeit.de