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Clotrimazol

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Strukturformel
Clotrimazol
Allgemeines
Name (INN) Clotrimazol
Name (IUPAC) 1-[(2-Chlorphenyl)diphenyl-
methyl]-1H-imidazol
Präparatenamen Canesten®, Antifungol®, Cloderm®, Desenex®, Mycofug®
Aurizon® (Tiermedizin)
Summenformel C22H17ClN2
CAS-Nummer 23593-75-1
Eigenschaften
Molmasse 344,84 g/mol
Schmelztemperatur 147 bis 149 °C
Basizität pKS = ??
Löslichkeit praktisch unlöslich in Wasser (0,5 mg/L)
Toxizität
LD50 (Ratte, oral) 708-923 mg/kg
Soweit möglich und gebräuchlich,
werden SI-Einheiten verwendet.Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Normbedingungen.

Clotrimazol ist ein Arzneistoff, der in Form von Tinkturen, Salben, Vaginal-Tabletten oder Pudern gegen Mykosen, also Pilzinfektionen, der Haut angewendet wird. Zu den häufigsten dieser Infektionen gehören der als Fußpilz bezeichnete Hautpilz im Bereich der Zehen sowie vaginale Pilzinfektionen bei Frauen. Clotrimazol gilt als so genanntes Breitbandantimykotikum, ist also gegen eine Vielzahl unterschiedlicher Pilze wirksam.

Clotrimazol wurde Ende der 1960er Jahre von der Bayer AG entwickelt und 1973 erstmals in Deutschland unter dem Markennamen Canesten® zugelassen. Es gehört in den meisten Zubereitungsformen zu den als „Over the Counter“-Präparate bezeichneten nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten und ist als Generikum von verschiedenen Herstellern erhältlich.

Wissenschaftliche Grundlagen

Wirkmechanismus

Clotrimazol wirkt zum einen über die Hemmung der Ergosterol-Synthese, speziell die Hemmung des Enzyms Lanosteroldemethylase, das für den Zwischenschritt der Bildung von Desmethylsterol aus Lanosterol essentiell ist. Da es sich bei Ergosterol um einen wichtigen Bestandteil der Zellmembran von Pilzen handelt, kommt es durch diese Wirkung zu einer Schädigung des Membranaufbaus.

Zum anderen bindet Clotrimazol direkt an Phospholipide in der Zellmembran und bewirkt auch auf diesem Weg Störungen der Membranstruktur und eine Änderung der Permeabilität (Durchlässigkeit) der Membran. Durch beide Wirkungen kommt es entweder zu einer Hemmung des Pilzwachstums bei geringen Konzentrationen von ein bis fünf Milligramm pro Liter (fungistatische Wirkung) oder bei höheren Konzentrationen ab zehn bis 20 Milligramm pro Liter zu einer Abtötung der Pilze (fungizide Wirkung).

Des Weiteren wird eine Anregung des Immunsystems, also eine immunstimulatorische Wirkung, postuliert.

Pharmakokinetik

In experimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass Clotrimazol nach oraler Gabe zu etwa 90 Prozent resorbiert wird und sich innerhalb von vier Stunden in den meisten Geweben verteilt. Die höchsten Spiegel werden nach 25 Stunden im Fettgewebe, in den Nebennieren, in der Leber und in der Haut gemessen. Die Inaktivierung erfolgt in der Leber, die Ausscheidung zu etwa 90 Prozent über die Galle in den Magen-Darm-Trakt und damit über den Kot und zu etwa 10 Prozent über den Urin. Die wichtigsten Metaboliten sind:

  • 2-Chlorophenyl-4-hydroxyphenyl-phenyl-methan
  • 2-Chlorophenyl-4-hydroxyphenyl-phenyl-methanol
  • 2-Chlorophenyl-bis-phenyl-methan
  • 2-Chlorophenyl-bis-phenyl-methanol
  • Benzophenon

Toxikologie

Die letale Dosis LD50 als Maß für die akute Toxizität bei einmaliger Aufnahme liegt für Mäuse und Ratten bei 708 bis 923 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht bei oraler Aufnahme und bei 347 bis 445 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht bei intraperitonealer Verabreichung. Eine karzinogene, also krebserzeugende, Wirkung wurde in experimentellen Langzeitstudien nicht beobachtet, eine embryotoxische Wirkung war nachweisbar bei Verabreichung des 100fachen der üblichen therapeutischen Dosis. Clotrimazol ist also als minder giftig einzustufen.

Zum Übertritt in die Muttermilch liegen keine Angaben vor.

Chemie

Clotrimazol ist eine schwache Base (pKS = xyz), die in Wasser und Toluol kaum, in Aceton, Chloroform und Ethylacetat hingegen gut löslich ist.[1] Optimale Stabilität ist bei einem pH-Wert von 7 bis 8 gewährleistet, ein pH-Wert unter 5 desaktiviert den Wirkstoff durch hydrolytische Zersetzung. Die Substanz ist schwach hygroskopisch (wasseranziehend).

Struktur von Imidazol

Der chemische Name von Clotrimazol nach IUPAC-Nomenklatur lautet 1-[(2-Chlorphenyl)diphenylmethyl]-1H-imidazol, der Trivialname 1-(2-Chlortrityl)imidazol. Es gehört zur Gruppe der Imidazol-Derivate. Mit Clotrimazol verwandte Antimykotika sind Itraconazol und Ketoconazol.

Synthese: Clotrimazol (3) entsteht durch eine exotherme SN1-Reaktion von Imidazol (1) mit o-Chlortritylchlorid (2). Die Aufreinigung geschieht durch Zugabe von Aktivkohle und anschließender Druckfiltration. Es wird auskristallisiert und mehrfach mit Aceton und Wasser gewaschen.

Synthese von Clotrimazol

Gefährdungspotential und ökologische Aspekte

Clotrimazol ist als gesundheitsschädlich (Xn) und umweltschädlich (N) eingestuft[2]. Als R-Sätze gelten für Clotrimazol:

  • R22 - "Gesundheitsschädlich beim Verschlucken"
  • R50 - "Sehr giftig für Wasserorganismen"
  • R53 - "Kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkung haben"

Für Clotrimazol existiert derzeit in der Europäischen Union eine Produktionsanlage mit einer jährlichen Produktion von etwa zehn Tonnen, etwa die gleiche Menge wird in die EU importiert. Von den nach dem EU Technical Guidance Document (TGD) definierten Standards sind die Kriterien Persistenz (Persistence, Halbwertzeit in der Umwelt von mehr als 60 Tagen) und Toxizität (Toxicity, Crustaceen als sensitivste Stufe in der Nahrungskette) erfüllt, das Kriterium Bioakkumulation (Bioaccumulation, basierend auf dem Bioconcentration Factor for Fish, BCF) hingegen nicht. Clotrimazol wird aufgrund des Verhältnisses zwischen abgeschätzter Konzentration in der Umwelt (Predicted Environmental Concentration, PEC) und abgeschätzter Nicht-Effekt-Konzentration (Predicted No Effect Concentration, PNEC) nicht als PBT-Substanz nach EU TGD eingestuft.

Während der Produktion und Verarbeitung erfolgen bei normalen Ablauf keine nennenswerten Freisetzungen von Clotrimazol in die Umwelt. Die Abgabe ins Abwasser, vor allem über Körperhygiene, wird auf etwa 17,8 Kilogramm pro Tag in der gesamten Europäischen Union geschätzt.

Therapeutische Anwendung

Clotrimazol gilt zur Behandlung von Hautpilzinfektionen im Allgemeinen als gut wirksam und verträglich. Es wirkt gleichermaßen gegen die drei Hauptgruppen der an Hautmykosen beteiligten Pilze - Dermatophyten (Fadenpilze), Hefepilze mit dem bekanntesten Vertreter Candida albicans, sowie Schimmelpilze wie beispielsweise Aspergillus fumigatus, dem häufigsten Erreger der Aspergillose. Clotrimazol wirkt bei Pilzen nicht gegen ruhende Sporen, wodurch es sich beispielsweise von anderen relevanten antimykotischen Substanzen wie Nystatin unterscheidet.

Neben seinem Haupteinsatzgebiet gegen Pilzinfektionen ist Clotrimazol auch gegen viele gram-positive Bakterien wirksam, so dass es bei einigen durch Bakterien hervorgerufenen Hauterkrankungen eingesetzt wird, vor allem kombinierten Infektionen. Nicht alle gram-positiven Bakterien gelten jedoch als ausreichend empfindlich für eine Behandlung mit Clotrimazol. Darüber hinaus wirkt Clotrimazol gegen Infektionen mit Trichomonaden (Trichomonas vaginalis). Es gilt für diese Anwendung jedoch nicht als Mittel der Wahl, da es weniger effektiv ist als beispielsweise Metronidazol. Darüber hinaus sind für eine Wirkung gegen Trichomonaden im Vergleich zur Anwendung gegen Pilzinfektionen um ein Vielfaches höhere Konzentrationen notwendig.

Zu den bekanntesten Anwendungen gehört die Behandlung von Fußpilz sowie von Scheideninfektionen. Weitere Erkrankungen, bei denen Clotrimazol häufig eingesetzt wird, sind zum Beispiel die durch Bakterien verursachte Erythrasma und die durch Hefepilze hervorgerufene Pityriasis versicolor. In beiden Fällen handelt es sich um harmlose, jedoch kosmetisch störende Infektionen der obersten Hautschicht.

Die Heilungsraten bei einer Behandlung mit Clotrimazol liegen je nach Art und Ort der Infektion bei 85 bis 90 Prozent. Es sind fast keine signifikanten Resistenzen von klinisch relevanten Pilzen gegen Clotrimazol bekannt. Eine erwähnenswerte Ausnahme sind Nachweise einer Resistenz bei Candida glabrata, dem häufigsten Erreger vaginaler Infektionen.

Dosierung und Darreichungsformen

Die am häufigsten verwendeten Arzneiformen für Clotrimazol sind Salben und Tinkturen zum Auftragen oder Aufsprühen auf die betroffenen Hautstellen. In beiden Zubereitungen ist der Wirkstoff in Konzentrationen von ein bis zwei Prozent enthalten. Die Häufigkeit der Anwendung, in der Regel ein- bis dreimal täglich, hängt von der Schwere der Infektion ab und sollte mit einem Arzt abgestimmt werden. Eine Behandlung mit Clotrimazol dauert bis zum Ende der Infektion im Regelfall zwei bis vier Wochen. Auch nach dem Abklingen der Symptome wird eine weitere Behandlung für ein bis zwei Wochen empfohlen. Eine Anwendung in Form eines Puders kann bei Infektionen in bestimmten Bereichen die Behandlung unterstützen, da die trocknende Wirkung des Puders dem von Pilzen bevorzugtem feuchten Milieu entgegenwirkt.

Nebenwirkungen und Kontraindikationen

Je nach Schweregrad der Infektion kann es beim Auftragen vorübergehend zu Hautrötungen, Juckreiz, Brennen oder Hautreizungen kommen. Aufgrund bestimmter Hilfsstoffe in flüssigen Zubereitungen dürfen diese nicht im Bereich der Augen, auf Schleimhäuten oder im Genitalbereich angewendet werden. Generell sollte Clotrimazol nicht auf offene Wunden aufgebracht werden.

Clotrimazol gilt als Mittel der Wahl zur Behandlung von Pilzinfektionen während und nach der Schwangerschaft. Eine Anwendung im ersten Drittel der Schwangerschaft sollte generell, besonders jedoch im vaginalen Bereich, vermieden werden. Gleiches gilt für die Behandlung von Pilzinfektionen im Bereich der Brustwarzen während der Stillzeit.

Interaktionen

Clotrimazol kann die Wirkung von bestimmten anderen äußerlich angewendeten antibakteriell oder antimykotisch wirkenden Substanzen vermindern, vor allem Amphotericin B, Nystatin und Natamycin. Da der Wirkstoff über die Haut beziehungsweise die Schleimhäute nur zu weniger als 0,5 Prozent und damit in vernachlässigbar geringen Mengen resorbiert wird, erfolgt keine signifikante Aufnahme in den Blutkreislauf. Relevante Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind deshalb nicht bekannt und auch nicht zu erwarten.

Systemische Applikation

Für eine früher durchgeführte systemische Anwendung in Form von oral verabreichten Tabletten gilt Clotrimazol aufgrund von Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt und einer potentiell leberschädigenden Wirkung nicht mehr als geeignet. Darüber hinaus kommt es bei einer solchen Anwendung zu Auswirkungen auf den Cytochrom-P450-Enzymkomplex, eine Familie von fremdstoffabbauenden Enzymen in der Leber, in Form eines starken Anstiegs (Induktion) bestimmter Cytochrom-P450-Enzyme, insbesondere der Isoform CYP3A4. Durch diese Induktion erfolgt eine Absenkung des Plasmaspiegels, also der im Blut verfügbaren Konzentration, sowohl des Clotrimazols als auch anderer Wirkstoffe, und damit ein Verlust der Wirkung. Ebenso ist das verstärkte Auftreten von Nebenwirkungen durch die Abbauprodukte möglich. Weitere beschriebene Nebenwirkungen nach oraler Aufnahme sind Harndrang und Depressionen. Für die systemische Behandlung von Pilzinfektionen stehen mittlerweile besser verträgliche Alternativen zur Verfügung.

Anwendung in der Tiermedizin

In der Veterinärmedizin wird Clotrimazol ebenfalls topisch, also bei lokalen Pilzerkrankungen der Haut (Dermatophytose), und bei Entzündungen der Maulschleimhaut (Stomatitis) durch Candida ssp. eingesetzt. Der Wirkstoff wird vor allem bei Kleintieren und Reptilien angewendet. Das Mittel ist meist gut verträglich, nur selten kommt es zu lokalen Hautreizungen mit Rötungen, unter Umständen auch Blasenbildung, Ödemen und Juckreiz. In diesen Fällen ist das Mittel abzusetzen.

Die Anwendung von Clotrimazol bei Lebensmittel liefernden Tieren ist arzneimittelrechtlich nicht erlaubt, da der Wirkstoff in keinem Anhang zur Verordnung 2377/90 (EWG) aufgeführt ist.

Das einzige zugelassene Tierarzneimittel mit Clotrimazol ist Aurizon®, das den Wirkstoff in Kombination mit Dexamethason und Marbofloxacin enthält. Es wird zur Behandlung von Ohrentzündungen insbesondere bei Beteiligung mit Malassezia pachydermatis eingesetzt.

Historische Informationen

Clotrimazol wurde zwischen 1967 und 1969 in der Forschungsabteilung der Bayer AG unter der Bezeichnung Bay b 5097 entwickelt.[3] [4] Zwischen 1970 und 1972 wurden experimentelle und klinische Studien zur Wirksamkeit und Verträglichkeit veröffentlicht. Die relevanten US-Patente 3.660.576[5] und 3.660.577[6] wurden am 2. Mai 1972 erteilt. 1973 erfolgte unter dem Markennamen Canesten® in Deutschland die Zulassung der ersten Arzneimittel auf der Basis von Clotrimazol. Zu den ersten zugelassenen Darreichungsformen gehörten dabei eine Creme, eine Lösung sowie Vaginaltabletten. Vier Jahre später kam es aufgrund der guten Verträglichkeit zur Freigabe als Medikamente ohne Verschreibungspflicht. Anfang der 1980er Jahre wurde in mehreren Studien der Wirkmechanismus aufgeklärt.[7]

Clotrimazol ist auch heutzutage noch Mittel der Wahl und Referenzsubstanz zur Behandlung der meisten Hautpilzinfektionen.

Quellen

  1. Quelle?
  2. OSPAR Commission: Hazardous Substances Series: OSPAR background document on clotrimazole. OSPAR Publication 2005/199, 2005, ISBN 1-904426-38-7
  3. M. Plempel, K. Bartmann, K.H. Büchel, E. Regel: Experimentelle Befunde über ein neues, oral wirksames Antimykotikum mit breitem Wirkungsspektrum. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift. 94/1969. Georg-Thieme-Verlag, S. 1356-1367, ISSN 0012-0472
  4. K.H. Büchel, W. Draber, E. Regel, M. Plempel: Synthese und Eigenschaften von Clotrimazol und weiteren antimykotischen 1-Triphenylmethylimidazolen. In: Arzneimittel Forschung/ Drug Research. 22/1972. Editio Cantor Verlag, S. 1260–1272, ISSN 0004-4172
  5. United States Patent Office: N-Trityl-Imidazoles for treating fungal infections. Erfinder: Karl H. Büchel (Leverkusen) und Manfred Plempel (Wuppertal-Elberfeld) für die Farbenfabriken Bayer Aktiengesellschaft (Leverkusen). Patent Nummer 3.660.576, erteilt am 2. Mai 1972
  6. United States Patent Office: N-Trityl-Imidazoles as antifungal agents. Erfinder: Karl Heinz Büchel (Leverkusen), Erich Regel (Wuppertal-Kronenberg) und Manfred Plempel (Wuppertal-Elberfeld) für die Farbenfabriken Bayer Aktiengesellschaft (Leverkusen). Patent Nummer 3.660.577, erteilt am 2. Mai 1972
  7. I.J. Sud, D.S. Feingold: Mechanisms of action of the antimycotic imidazoles. In: Journal of Investigative Dermatology. 76(6)/1981. Nature Publishing Group, S. 438-441, ISSN 0022-202X

Literatur

  • G.K. McEvoy, J. Miller, K Litvak: AHFS Drug Information. American Society of Hospital Pharmacists, Bethesda 2006, ISBN 1-58-528142-5
  • A.A. Kyle, M.V. Dahl: Topical therapy for fungal infections. In: American Journal of Clinical Dermatology. 5(6)/2004. Adis International, S. 443-51, ISSN 1175-0561