„Ehrenmord“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[ungesichtete Version][ungesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
→‎Siehe auch: relevantes siehe-auch-Link wiederhergestellt
Zeile 72: Zeile 72:
In westlichen (Industrie-)Ländern geschehen Ehrenmorde vorwiegend in Großstädten und Ballungszentren. Manchmal geschehen diese als Folge eines Konflikts von [[Immigrant]]en der dritten oder vierten [[Generation]]. In Großbritannien beispielsweise laufen derzeit Mordermittlungen in rund 100 Fällen sogenannter Ehrenmorde.<ref name="Welt120607">[[Welt]] online: [http://www.welt.de/vermischtes/article939810/Banaz_musste_sterben_weil_sie_zu_westlich_lebte.html Banaz musste sterben, weil sie "zu westlich" lebte], 12. Juni 2007</ref>
In westlichen (Industrie-)Ländern geschehen Ehrenmorde vorwiegend in Großstädten und Ballungszentren. Manchmal geschehen diese als Folge eines Konflikts von [[Immigrant]]en der dritten oder vierten [[Generation]]. In Großbritannien beispielsweise laufen derzeit Mordermittlungen in rund 100 Fällen sogenannter Ehrenmorde.<ref name="Welt120607">[[Welt]] online: [http://www.welt.de/vermischtes/article939810/Banaz_musste_sterben_weil_sie_zu_westlich_lebte.html Banaz musste sterben, weil sie "zu westlich" lebte], 12. Juni 2007</ref>


Die Bedrohung durch Ehrenmord wird von Polizei und Justiz westlicher Staaten oft nicht ernst genommen.<ref>Nina Magoley: [http://www.wdr.de/themen/panorama/kriminalitaet10/moenchengladbach_familiendrama/070312.jhtml?rubrikenstyle=panorama&rubrikenstyle=panorama Zwei Morde, weil Justiz langsam war?], [[WDR]], 12. März 2007</ref> Im Fall der von ihrem Ex-Ehemann Kazim Mahmud Raschid auf offener Straße in München lebendig verbrannten 24-jährigen Sazan Bajez-Abdullah wurden Verstöße gegen das seit einem Jahr bestehende Kontaktverbot erst nach der Gewalttat geahndet und das Verwaltungsgericht München lehnte einen Antrag der Ermordeten auf Prozesskostenbeihilfe für einen Asylantrag postum ab, weil "Gefährdungen wegen Familienehre" lediglich "Probleme [seien], die in den allgemeinen Regeln des Iraks und den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und religiösen Normen wurzeln".<ref>Rupp Doinet: [http://www.stern.de/politik/panorama/599446.html Ein gespenstisches Bekenntnis], [[Stern (Zeitschrift)|Stern]], 4. Oktober 2007</ref> Ganz ähnlich ist im Fall der von ihrer Familie ermordeten 20-jährigen Kurdin Banaz Mahmod die Polizei in Birmingham trotz konkreter Hinweise auf die Gefährdung gänzlich untätig geblieben.<ref name="Welt120607">[[Welt]] online: [http://www.welt.de/vermischtes/article939810/Banaz_musste_sterben_weil_sie_zu_westlich_lebte.html Banaz musste sterben, weil sie "zu westlich" lebte], 12. Juni 2007</ref>
Polizei und Justiz westlicher Staaten nehmen die Bedrohung durch Ehrenmord oft nicht ernst genug, nicht selten mit fatalen Folgen für die Opfer.<ref>Nina Magoley: [http://www.wdr.de/themen/panorama/kriminalitaet10/moenchengladbach_familiendrama/070312.jhtml?rubrikenstyle=panorama&rubrikenstyle=panorama Zwei Morde, weil Justiz langsam war?], [[WDR]], 12. März 2007</ref><ref>Nina Magoley: [http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,517330,00.html Seine Blicke waren fürchterlich], ''Spiegel online'', 14. November 2007</ref> Im Fall der von ihrem Ex-Ehemann Kazim Mahmud Raschid auf offener Straße in München lebendig verbrannten 24-jährigen Sazan Bajez-Abdullah wurden Verstöße gegen das seit einem Jahr bestehende Kontaktverbot erst nach der Gewalttat geahndet und das Verwaltungsgericht München lehnte einen Antrag der Ermordeten auf Prozesskostenbeihilfe für einen Asylantrag postum ab, weil "Gefährdungen wegen Familienehre" lediglich "Probleme [seien], die in den allgemeinen Regeln des Iraks und den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und religiösen Normen wurzeln".<ref>Rupp Doinet: [http://www.stern.de/politik/panorama/599446.html Ein gespenstisches Bekenntnis], [[Stern (Zeitschrift)|Stern]], 4. Oktober 2007</ref> Ganz ähnlich ist im Fall der von ihrer Familie ermordeten 20-jährigen Kurdin Banaz Mahmod die Polizei in Birmingham trotz konkreter Hinweise auf die Gefährdung gänzlich untätig geblieben.<ref name="Welt120607">[[Welt]] online: [http://www.welt.de/vermischtes/article939810/Banaz_musste_sterben_weil_sie_zu_westlich_lebte.html Banaz musste sterben, weil sie "zu westlich" lebte], 12. Juni 2007</ref>


<!--
<!--

Version vom 20. November 2007, 16:16 Uhr

Ehrenmord ist ein Begriff, der die vorsätzliche Tötung (Ermordung) eines Menschen bezeichnet, durch die – aus der Sicht des Täters – die Ehre des Getöteten, des Täters oder einer dritten Person oder Personengruppe wiederhergestellt werden soll. Hierbei handelt es sich um einen so genannten Fehmemord, ein Verbrechen aus niederigen Beweggründen. Bei der Wahl zum Unwort des Jahres 2005 belegte „Ehrenmord“ hinter Entlassungsproduktivität den zweiten Platz (siehe auch Euphemismus).

Laut Weltbevölkerungsbericht der UNO werden alljährlich weltweit mindestens 5.000 Mädchen und Frauen wegen „sittlicher Ehre“ ermordet. Grundlage für diese Mordtaten ist ein so genannter uralter Ehrenkodex, der bestimmte Verhaltensregeln festlegt. Insbesondere stark traditionsbewusst verwurzelte Menschen, Gruppen oder Gesellschaften, wie sie häufig in islamisch geprägten ärmeren Ländern – dort sogar bei nicht-muslimischen Minderheiten, z.B. Jesiden (vgl. Du’a Khalil Aswad) – vorzufinden sind und die sich stark an alten Sitten, Gebräuchen und Ritualien orientieren, wird die Ehre einer Person oder der Familie, einer Gruppe oder sogar des Landes als besonders hohes und schützenwertes Gut eingestuft, das es zu wahren und zu verteidigen gilt. Bei Gesichtsverlust, d. h. Verstoß gegen einen Ehrenkodex, werden zur „Wiederherstellung der Ehre“ in bestimmten Fällen auch Mordtaten ausgeübt.

Ausdrücklich festzuhalten ist aber, dass diese Art der Morde vielfach eine vorislamische Praxis darstellen, die mit der Theologie des Islam nicht begründet werden kann.[1] Die auffällige Häufung von Ehrenmorden im islamischen Kulturkreis, auch innerhalb von Einwandererpopulationen, lässt allerdings darauf schließen, dass islamisch-fundamentalistische bzw. islamisch-antiwestliche Grundeinstellungen bei den Tätern[2] die Anwendung der vorislamischen Praxis eher begünstigt. In Kreisen des „aufgeklärten Islam“ wird daher das Fehlen einer dezidierten Frontstellung bei moslemischen Einwanderern gegen Ehrenmorde beklagt: „Migranten tun zu wenig gegen Ehrenmorde“, so die deutsch-türkische Anwältin Seyran Ates gegenüber dem Tagesspiegel.[3]

Ehrbegriff

Im Wertesystem vieler traditionell streng patriarchaler Gesellschaften hängt die „gesellschaftliche Ehre“ der Männer in einer Familie auch vom normgerechten Verhalten ihrer weiblichen Angehörigen ab. „Ehrenmorde“ richten sich primär gegen Frauen, auch wenn Männer in diesem Zusammenhang ebenfalls Opfer werden. Männer werden Opfer anderer traditioneller „Ehrenverbrechen“ wie „Blutrache“.

Als Verletzung der sittlichen Ehre gilt, wenn eine Frau die ihrem Geschlecht auferlegten Regeln und Normen verletzt, beispielsweise wenn eine Frau eine außereheliche sexuelle Beziehung eingeht bzw. auch nur im Verdacht steht, dies getan zu haben. Von der Verletzung der sexuellen Ehre gilt die ganze Familie als betroffen, vor allem ihre männlichen Verwandten, die als verantwortlich für den Schutz der Ehre gelten. Die „Ehre“ gilt auch als verletzt, wenn eine Frau vergewaltigt wird oder wenn sie sich mit „falschen“ Versprechen zu außerehelichem sexuellem Kontakt verleiten lässt.

Diese Art von Fehmemord bezieht sich auf eine traditionelle Vorstellung von Ehre, welche nichts mit der Achtungswürdigkeit im Sinne der Aufklärung zu tun hat.

Um das Phänomen des Fehmemordes aufgrund der "Ehre" zu verstehen muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass eine junge Frau in einer streng patriarchalischen Kultur, etwa in ländlichen Gebieten der Türkei oder Pakistans, mit vorehelichem Beischlaf und deren Angehörige gesellschaftlich geächtet wird, wenn sie die ehrverletzende Person nicht umbringen. Es gilt dann, dass die Frauen dieser Familie beliebig belästigt werden können und deren Männer von ihrem sozialen Umfeld geschnitten, gemobbt oder gar zusammengeschlagen werden - so lange, bis der psychische und physische Leidensdruck der betroffenen Familie so groß wird, dass sie die betreffende Frau doch umbringen. Dieser "Ehrendruck" sorgt, gerade auch aus Sicht der Islamisten, für eine Aufrechterhaltung der Sexualmoral, dass Sexualität (und darunter wird bereits Händchenhalten und das Schreiben von Liebesbriefen verstanden) tatsächlich nur und ausschließlich in der meist arrangierten Ehe stattfindet.

Ehrverletzung

Je nachdem, wie streng der Ehrbegriff ausgelegt wird, verletzt eine Frau die Familienehre sehr schnell. Es reicht, wenn sie ihre von der UNO garantierten Menschenrechte in Anspruch nimmt und beispielsweise einen für sie auserwählten Ehemann ablehnt (siehe Zwangsheirat) oder ihren Ehemann verlassen will. In Ländern wie Afghanistan oder Pakistan reicht je nachdem bereits der Wille zu einer solchen „Tat“ oder gar der Verdacht, diesen Willen zu haben, damit sich die männlichen Verwandten in ihrer Ehre gefährdet sehen.

Ein Mann und seine Familie sind in diesem kulturellen Verständnis auch dann „entehrt“, wenn die Frau keine „Schuld“ an den Vorkommnissen trägt: zum Beispiel, wenn sie vergewaltigt wird oder wenn sich ein „unpassender“ Mann in sie verliebt. Die afghanische Frauenrechtsorganisation RAWA machte Fälle von Ehrenmorden infolge eines zufälligen Blickes einer Frau auf einen Mann bekannt.

Im Verständnis dieser Kulturen geht es weniger darum, die Frau, die Schande über die Familie gebracht hat, zu bestrafen, sondern eher darum, den „Fleck“, den „Schmutz“ aus der Familie zu entfernen. In der Zielsetzung ist der Ehrenmord daher mit einer Verstoßung vergleichbar. 2002 hatte eine Strafkammer in Mardin (Türkei) über die Familie Allak zu richten. Semse Allak war von der Familie gesteinigt worden. Sie hatte eine außereheliche Beziehung zu einem 55-Jährigen. Beide starben. Das Gericht verurteilte den Bruder zu lebenslänglicher Haft. Die Strafe wurde später auf 20 Jahre reduziert.

Für Aufsehen in Deutschland sorgte 2005 die Ermordung der jungen Kurdin Hatun Sürücü aus der Türkei durch ihren jüngsten Bruder. Die eingebürgerte Frau lebte zusammen mit ihrem Sohn in Berlin, nachdem sie sich zuvor von ihrem Ehemann in der Türkei, einem Cousin, getrennt hatte. Die Verbindung mit ihrem Mann war eine Zwangsehe gewesen, die traditionell von ihrer Familie arrangiert worden war. Der Geschwistermord wurde 2006 mit einer Jugendstrafe von 9 Jahren und 3 Monate geahndet. Dabei wurde die „besondere Schwere der Schuld” festgestellt, was eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung ausschließt. Die zwei mitangeklagten kurdischen Brüder wurden wegen mangelnden Tatnachweises freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft, die ein höheres Strafmaß gefordert hatte, hat Revision gegen das Urteil eingelegt. Das Berliner Gericht erklärte in seiner Urteilsbegründung, dass die Rechtfertigung eines Mordes mit Religion und familiärem Ehrgefühl nicht als mildernder Tatumstand, sondern im Gegenteil als niederer Beweggrund gewertet werden müsse. Der BGH hat die Freisprüche gegen die Brüder der ermordeten Hatun Sürücü aufgehoben und den Fall zur erneuten Entscheidung an eine andere Kammer des Berliner Landgerichts zurückverwiesen.

Wiederherstellung der Familienehre

Aufgrund der sozialen Struktur in den von Ehrenmorden betroffenen Ländern werden Ehrverletzungen vom sozialen Umfeld sehr streng sanktioniert. Deshalb darf die Ehrenmordproblematik nicht als „Männerproblem“ verstanden werden. Es handelt sich dabei vielmehr um eine „Familiensache“: Üblicherweise wird die gesamte erweiterte Familie über die Angelegenheit informiert und entscheidet gemeinsam über das weitere Vorgehen.

So sind zwar meist nahe männliche Verwandte (Väter, Brüder, Ehemänner) die Täter, an der Tatvorbereitung sind jedoch auch Frauen beteiligt. Da die Anstiftung zum Mord in den meisten Ländern ebenfalls als schwere Straftat gilt, sind juristisch gesehen häufig auch Frauen Täterinnen, auch wenn bei Ehrenmorden die Schuld häufig nicht zweifelsfrei den Familienoberen zugeordnet werden kann.

Geschichte

Altertum

Die Todesstrafe wegen sexueller Vergehen ist seit den Zeiten des antiken Babylon (1700 v. Chr.) (Codex Hammurabi) bekannt.

Wenn die Ehefrau eines Mannes mit einem anderen Mann beim Beischlaf ergriffen wird, bindet man beide und wirft sie ins Wasser.
Wenn jedoch der Herr der Ehefrau seine Ehefrau am Leben lässt, dann wird auch der König seinen Diener am Leben lassen.
Wenn die Ehefrau eines Mannes wegen eines anderen Mannes ihren Ehemann töten lässt, dann wird man diese Frau pfählen.
Wenn ein Mann nach dem Tode seines Vaters im Schoße seiner Mutter schläft, wird man beide verbrennen.
§§ 127 ff.

Die ältesten den Ehrenmord legitimierenden Gesetze stammen aus dem Recht des assyrischen Reichs. Ehrenmorde basierten auf der Vorstellung, die Jungfräulichkeit einer Frau sei der Besitz ihrer Familie.

Amerika

In Peru wurden 1200 v. Chr. bis 1532 angebliche Ehebrecher damit bestraft, dass man sie mit Händen und Füßen an eine Wand fesselte und sie dem Hungertod preisgab. Ein Mann durfte seine Frau töten, wenn er sie bei außerehelichem Verkehr überraschte oder einen solchen vermutete, hingegen verfiel eine Frau selbst der Todesstrafe, wenn sie ihren Ehemann wegen der gleichen Sache tötete. 150 v. Chr. - 1521 praktizierte man im Tal von Mexiko die Steinigung bzw. Erdrosselung für den Ehebruch der Frau, nachdem der Ehemann diesen bewiesen hatte.

Asien

Innerhalb bestimmter Chinesischer, Japanischer und anderer südostasiatischer Kulturen war den Ehemännern die Ermordung untreuer Frauen zum Schutze der Familienehre gestattet. In einigen (historischen wie auch gegenwärtigen) indischen bzw. Hindu-Kulturen kommt es vor, dass frisch verheiratete Frauen von ihren Ehemännern wegen unzureichender Mitgift ermordet werden.

Europa

In Westeuropa praktizierte man die Tötung ehebrecherischer Frauen bei bestimmten germanischen Stämmen.

Im alten Rom war dem pater familias oder dem Familienältesten das Recht vorbehalten, eine unverheiratete aber sexuell aktive Tochter oder eine ehebrecherische Frau zu töten.

Neuzeit

Selbst in der historischen Rechtsprechung einiger US-Staaten galt bis in die Gegenwart die Tötung von Frauen durch ihre Ehemänner nicht als Verbrechen. Zwar findet gegenwärtig in Nordamerika diese Praxis weithin keinen Gebrauch mehr, allerdings wurde sie durch bestimmte Einwanderergruppen aus Nordafrika und dem nahen Osten in den letzten Jahrzehnten wieder belebt.[4]

Ehrenmorde gelten allgemein als vorsätzliche Delikte und werden normalerweise unterschieden von Verbrechen aus Leidenschaft, die weltweit auftreten. Verbrechen aus Leidenschaft haben häufig einen speziellen Status vor dem Gesetz. Im französischen Strafrecht galt dies als Straftatbestand und wurde erst 1975 ersetzt, nachdem ein Ehemann seine Frau tötete, als er sie beim Ehebruch ertappte.[5] Dieses Gesetz ging in die Rechtsgrundsätze vieler Nationen ein, die ihre moderne Rechtsprechung auf den Code Napoleon gründeten. Jedoch werden Verbrechen aus Leidenschaft auf einen bestimmten Bereich begrenzt und von einem vorsätzlichen Verbrechen gegen einen ehebrecherischen Gatten unterschieden.

Ehrenmorde werden zuweilen selbst an geraubten Frauen verübt, da eine alleinstehende geraubte Frau bei der Heirat keinen Brautpreis erbringt und folglich der Familie als „wertlos“ gilt.

Auch Homosexualität kann die Ursache für einen Ehrenmord durch Angehörige sein.

Weit verbreitetes Vorkommen

Wie in der Einleitung erwähnt, sind der UNO ungefähr 5.000 belegte Fälle von Ehrenmorden im Jahr bekannt. Nur die wenigsten Fälle kommen jedoch vor Gericht, so dass die Dunkelziffer weitaus höher liegen dürfte. Die Schätzungen liegen zwischen 10.000 und 100.000 Fällen jährlich, so dass hier keine verlässliche Aussage gemacht werden kann.

Opfer sind überwiegend Mädchen und Frauen aus den ärmeren Schichten in allen Kulturen und Religionen. Einem Bericht der pakistanischen Menschenrechtskommission zufolge waren 28 von 36 (78%) in einem Monat registrierten Ehrenmordopfern weiblich.[6]

Ehrenmorde findet man auch in Brasilien und EcuadorQuelle?.

Ehrenmorde kommen gehäuft in armen Ländern und hier in Gemeinschaften, die besonders von Exklusion bedroht sind vor. Auch in der Türkei werden die Morde zur „Ehre“ der Familie „praktiziert“. Häufig werden sie als Selbstmorde getarnt. Die Täter erhalten meist nur eine milde Strafe.

In der islamischen Gesetzgebung jedoch, der Schari'a, verfügt der „Ehrenmord“ über keinerlei Basis (tatsächlich existiert dieser Begriff in der islamischen Gesetzgebung gar nicht, wovon die „Ehrenmörder“ zumeist gar nichts wissen) und fällt somit nach islamischer Erkenntnis in die Kategorie des Mordes, welcher laut Schari'a die Todesstrafe zur Folge hat. Gemäß der Scharia ist ein Menschenleben ein hohes Gut und darf nur aufgrund eines Urteils eines hohen Gerichts ausgelöscht werden - zu einem Urteil berechtigt ist weder ein Dorfmullah noch ein beleidigter Mann. Nach islamischem Recht (das nicht mit dem Recht, das in den derzeit existierenden islamischen Staaten gesprochen wird, identisch ist) kann das Gericht nach der Feststellung der Schuld des Angeklagten ein Todesurteil verhängen. Die Angehörigen des Opfers entscheiden dann, ob das Todesurteil vollstreckt wird oder sie dem Täter verzeihen. In diesem Fall wandelt sich die Strafe zu einer Gefängnisstrafe. Der Koran legt den Gläubigen ans Herz, lieber zu verzeihen als auf der Todesstrafe zu bestehen. Gleichwohl sind Ehrenmorde im wesentlichen ein Phänomen islamischer Gesellschaften oder Parallelgesellschaften.

Ehrenmorde in westlichen Ländern

In westlichen (Industrie-)Ländern geschehen Ehrenmorde vorwiegend in Großstädten und Ballungszentren. Manchmal geschehen diese als Folge eines Konflikts von Immigranten der dritten oder vierten Generation. In Großbritannien beispielsweise laufen derzeit Mordermittlungen in rund 100 Fällen sogenannter Ehrenmorde.[7]

Polizei und Justiz westlicher Staaten nehmen die Bedrohung durch Ehrenmord oft nicht ernst genug, nicht selten mit fatalen Folgen für die Opfer.[8][9] Im Fall der von ihrem Ex-Ehemann Kazim Mahmud Raschid auf offener Straße in München lebendig verbrannten 24-jährigen Sazan Bajez-Abdullah wurden Verstöße gegen das seit einem Jahr bestehende Kontaktverbot erst nach der Gewalttat geahndet und das Verwaltungsgericht München lehnte einen Antrag der Ermordeten auf Prozesskostenbeihilfe für einen Asylantrag postum ab, weil "Gefährdungen wegen Familienehre" lediglich "Probleme [seien], die in den allgemeinen Regeln des Iraks und den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und religiösen Normen wurzeln".[10] Ganz ähnlich ist im Fall der von ihrer Familie ermordeten 20-jährigen Kurdin Banaz Mahmod die Polizei in Birmingham trotz konkreter Hinweise auf die Gefährdung gänzlich untätig geblieben.[7]


Rechtliche Situation

Die Strafgesetzgebung in der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet bei den vorsätzlichen Tötungsdelikten u.a. zwischen Totschlag und Mord. Als Totschlag wird die einfache Tötung bezeichnet; sie ist mit mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Eine Tötung ist dann als Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen, wenn sie aus besonders verachtenswerten Motiven oder auf besonders verwerfliche Weise begangen ist. Ehrenmorde werden häufig als Tötung "aus niedrigen Beweggründen" eingestuft und damit als Mord bestraft. In der Rechtswissenschaft ist jedoch umstritten, ob ein Täter dann lediglich als Totschläger zu bestrafen ist, wenn er sehr eng in einem Kulturkreis verwurzelt ist, in dem Ehrenmorde anerkannt sind.[11] Das wird damit begründet, dass der Täter in solchen Fällen aus seiner Sicht gerade nicht aus besonders verachtenswerter Gesinnung handelt, sondern sein Tun für gesellschaftlich gerechtfertigt, wenn nicht gar zwingend geboten hält. Dagegen wird eingewandt, dass das deutsche Strafgesetzbuch grundsätzlich an jeden Menschen - gleich welcher Herkunft - gleiche Maßstäbe anlegt und ein Zwei-Klassen-Strafrecht nicht duldet. Das deutsche Recht dürfe sich nicht auf diese Weise rückständigen oder sonst rechtlich missbilligten Moral- und Wertevorstellungen öffnen.

Rechtslage in den einzelnen Ländern

Obwohl in allen Staaten der Welt bei Mord und Totschlag in der Regel hohe Strafen verhängt werden, gibt es auch Staaten, in denen Ehrenmorde ungesühnt bleiben. Dies ist besonders der Fall in besonders streng archaisch organisierte Gesellschaften. Richter tolerieren oftmals kulturell-traditionell-motivierte Verbrechen, entgegen den Strafgesetzen. In Ländern, in denen die Rechtsstaatlichkeit Fortschritte macht (wie z. B. in der Türkei), werden oft Minderjährige zur Tat angestiftet, um Strafmilderung zu erreichen. Inzwischen stehen in der Türkei Ehrenmorde auch bei Jugendlichen unter sehr hoher Strafandrohung, was dazu geführt hat, dass die Zahl der Ehrenmorde dort drastisch abgenommen hat.

In anderen Ländern wie etwa Jordanien oder Pakistan gilt die milde oder sogar ausbleibende Strafe für Ehrenmorde als Garant der Aufrechterhaltung der Sexualmoral und die gelegentlich angestrebte Gleichstellung von Ehrenmorden mit "gewöhnlichen" Morden wird aus diesem Grunde gerade von Islamisten wütend bekämpft.

Menschenrechtsorganisationen, Vereinte Nationen und NGOs

Bis weit in die 1990er Jahre wurden Ehrenmorde nicht als Menschenrechtsverletzungen behandelt, sondern als in die jeweilige nationale Gesetzgebung fallende „normale Verbrechen“. Erst auf Druck von Frauenrechtsorganisationen, wie beispielsweise Terre des Femmes, haben in den letzten Jahren nichtstaatliche Organisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch angefangen, diese Problematik aus einer Menschenrechtsperspektive zu betrachten. Terre des Femmes Deutschland hat am 25. November 2004 eine zweijährige Kampagne „NEIN zu Verbrechen im Namen der Ehre“ begonnen. In Schweden hat die Organisation Kvinnoforum[12] mit Unterstützung der EU das europaweite Projekt Shehrazad - Combating violence in the name of honour[13] ins Leben gerufen, um Gewalt gegen Mädchen und junge Frauen in patriarchalen Familien vorzubeugen.

Quellen

  1. Institut für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz e.V.: Der Ehrenmord, 7 September 2007 und zahlreiche andere Quellen
  2. Nigel Bunyan: Father killed family for being too western, Daily Telegraph, 22. Februar 2007
  3. Sabine Beikler: Ates: Migranten tun zu wenig gegen Ehrenmorde, Tagesspiegel, 6. Februar 2007
  4. Matthew A. Goldstein: „The biological roots of heat-of-passion crimes and honor killings“, in: Politics and the Life Sciences • September 2002 • vol. 21, no. 2 (pdf-Datei, archiviert)
  5. Ranwa Yehia: „Getting away with murder“, Daily Star, 27. August 1999
  6. Ali Waqar: Corpses found in a box: Dead couple victim of honour-killing: police, Daily Times (Pakistan), 26. Mai 2007
  7. a b Welt online: Banaz musste sterben, weil sie "zu westlich" lebte, 12. Juni 2007
  8. Nina Magoley: Zwei Morde, weil Justiz langsam war?, WDR, 12. März 2007
  9. Nina Magoley: Seine Blicke waren fürchterlich, Spiegel online, 14. November 2007
  10. Rupp Doinet: Ein gespenstisches Bekenntnis, Stern, 4. Oktober 2007
  11. Herbert Tröndle, Thomas Fischer: Strafgesetzbuch und Nebengesetze. 53. Auflage. C. H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-53900-9, § 211 Rn. 14 ff.
  12. Website Kvinnoforum (engl.)
  13. TERRE DES FEMMES e.V.: Shehrazad - Combating violence in the name of honour

Siehe auch

Literatur

Filme

Weblinks