Unterernährung

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Unterernährung, auch quantitative Mangelernährung genannt, ist jene Form der Fehlernährung, die zu einer negativen Energiebilanz und zu einem geringeren Körpergewicht führt. Grundsätzlich kommt es zu einer Gewichtsreduktion, wenn dem Körper beim Stoffwechsel weniger Energie oder Substanzen in Form von Lebensmitteln zugeführt wird als durch Grundumsatz und körperliche Aktivität verbraucht werden oder wenn die Nährstoffe schneller ausgeschieden werden, als sie ersetzt werden können.[1]

Unterernährung kann, besonders im Kindesalter, zum Zurückbleiben in der körperlichen und geistigen Entwicklung (Untergewicht, Kleinwuchs, kognitive Retardierung), zu schweren Krankheiten und im Extremfall zum Tod führen. Damit einhergehend leiden Betroffene meist unter Eiweiß-, Fett-, Vitamin- und Mineralmangel; dieser Zustand der zurückgebliebenen Entwicklung wird auch mit dem englischen Begriff Stunting bezeichnet.[2]

Ursachen für Hunger und damit verbundene Unterernährung

Der Globalisierungskritiker Jean Ziegler (2000–2008 UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung) nennt als Ursachen für Unterernährung

  • Prinzipielle Armut
  • Für Arme nicht bezahlbare Preise von Grundnahrungsmitteln
  • Genereller Mangel an Lebensmitteln
    • Mangel durch ungleicher Verteilung von bebaubarem Land
    • Unrentabilität des Eigenanbaues, weil Nahrungsmittelimporte von Lebensmitteln erfolgen, deren Marktpreise durch Exportsubventionen der Produzentenländer reduziert wurden
    • Anbau von Biosprit-Grundstoffen (Zuckerrohr, Ölpalmen) anstelle von Nahrungsmitteln
    • Verwendung von Nahrungsmitteln wie Weizen und Mais als Rohstoffe für die Biospriterzeugung
    • Verfütterung von Nahrungsmitteln an Haustiere und Reservierung von Nahrungsmittelanbauflächen für die Gewinnung von Futtermitteln.

Überbevölkerung oder das Bevölkerungswachstum sei nur im familiären Rahmen ein Problem, global könnten laut Ziegler die jährlichen Ernteerträge alle Menschen ausreichend mit pflanzlichen Nahrungsmitteln ernähren.[3]

Der Klimawandel als Ursache

Laut WHO drohe sich bis ins Jahr 2020 die Anzahl an unterernährten Frauen und Kindern in Entwicklungsländern um 20 Prozent zu erhöhen, unter anderem als Folge ständig unzureichender Nahrungsverfügbarkeit. Als Ursache werden die steigenden Preise von Nahrungsmitteln und der Klimawandel, welche eng miteinander verbunden sind, angesehen. Der extrem kalte Winter in Europa sorge für einen enormen Anstieg der Weizenpreise, Trockenheit und starke Hitze sorgte für Preisanstiege auf Zucker, Mais und Soja beispielsweise in Südamerika. Erhöhungen der Lebensmittelpreise setzen der ärmeren Bevölkerung mehr zu. Während Familien in Industrieländern zehn Prozent des Einkommens für das Essen ausgeben, sind es in Entwicklungsländern 50 bis 80 Prozent. Arme essen in Folge weniger, seltener, mit schlechterer Qualität und weniger Abwechslung in der Nahrung.[4][5]

Es wird angenommen, dass bis 2050 – wenn der Klimawandel nicht gebremst wird – die Zahl der Hungernden weltweit um 10–20 Prozent zusätzlich steigen wird und dass bis 2050 24 Millionen Kinder zusätzlich unter Mangelernährung leiden werden. Knapp die Hälfte, rund 10 Millionen Kinder, wird in Sub-Sahara-Afrika leben. Zwischen 1980 und 2006 hat sich die jährliche Zahl der klimabedingten Wetterdesastern vervierfacht. Bis 2015 wird die Zahl der Menschen, die unmittelbar von Wetterdesastern betroffen sind, jährlich auf 375 Millionen ansteigen. 2010 wurden 300 Millionen Menschen Opfer von klimabedingten Naturkatastrophen und Desastern – oftmals in Ländern, die wenig Mittel haben um die Folgen aufzufangen. Laut Experten der FAO werden durch den Klimawandel bis 2025 zwei Drittel der momentan verfügbaren Ackerbauflächen unbrauchbar werden. Wie ein Bericht von Oxfam voraussagt, werden aufgrund des Klimawandels die Nahrungsmittelpreise bis 2030 um 50–90 Prozent mehr steigen, als dies ohnehin der Fall wäre.[5]

Nachweis

Es gibt verschiedene Verfahren, um festzustellen, ob ein Mensch unterernährt ist. Die WHO nimmt den Body Mass Index (BMI) als Messgröße und definiert Unterernährung so, wenn der BMI unter 18,5 liegt;[6] Die WHO verwendet aber die Begriffe Mangelernährung und Unterernährung teilweise als Synonyme.[7] Daneben kommt auch beispielsweise das in Großbritannien entwickelte MUST oder das auch bei Kindern angewandte STAMP zum Einsatz.

Mit MUST kann in fünf Schritten festgestellt werden, ob ein Erwachsener untergewichtig ist und das Risiko einer Unterernährung besteht, wobei auch fettleibige Erwachsene berücksichtigt werden. Die 5 Schritte des MUST sind:

  • Schritt 1 und 2 – Erfassung der Ernährungskenngrößen (Größe, Gewicht, BMI, kürzlicher ungewollter Gewichtsverlust)
  • Schritt 3 – Einschätzung der Auswirkungen einer akuten Erkrankung
  • Schritt 4 – Berechnung des Gesamtrisikos für eine Mangelernährung bzw. des Grades der Mangelernährung
  • Schritt 5 – Ausarbeitung eines angemessenen Versorgungsplans anhand der Therapieleitlinien und/oder lokaler Richtlinien.[8]

Vorkommen

Anteil unterernährter Menschen an der Gesamtbevölkerung nach Staat

Hunger war im Mittelalter so weit verbreitet, dass er neben Krieg, Pestilenz und Tod als einer der „vier Apokalyptischen Reiter“ galt. Hungersnöte kommen in Industrieländern heute praktisch nicht mehr vor, aber weiterhin in Entwicklungsländern.

Unterernährung in Entwicklungsländern

In Entwicklungsländern sind Menschen häufig aus Mangel an Nahrungsmitteln unterernährt oder aus Unkenntnis über die optimale Nahrungszusammensetzung mangelernährt. Selbst wenn Menschen genügend zu essen haben, können sie an Unterernährung leiden, falls ihr Essen nicht genügend Mikronährstoffe wie Mineralien und Vitamine enthält, um den täglichen Bedarf zu decken. Und die Überreste des Essens, Urin und Kot, werden von rund 1,1 Milliarden Menschen weltweit im Freien „abgelegt“. Das führt dazu, dass jeder neunte Erdenbewohner nur verkeimtes Wasser, das krank machen kann, als tägliches Trinkwasser zur Verfügung hat.[9]

Dazu kommt noch, dass der Großteil der Bevölkerung in Entwicklungsländern keinen bedürfnisgerechten Zugang zu einer Gesundheitsversorgung hat und wenn, sich den Arztbesuch und Medikamente oft nicht leisten kann. Zugleich führt die Talentabwanderung, die Abwanderung von Fachpersonal in Gegenden, wo höhere Verdienste winken, zu einer Ausdünnung medizinischer Versorgung gerade in strukturschwachen Regionen. Wobei die wenigen Krankenstationen nur kurative Versorgung erledigen, ohne auf die nötige ursachenbezogene Prävention von Krankheiten eingehen zu können.[10]

Mann und Kind in Indien, unter Marasmus leidend (1972)

60 Prozent der Hungernden sind weiblich; besonders in Asien und Südamerika leiden mehr Frauen als Männer unter Hunger. Die Ursachen liegen darin, dass Frauen tendenziell weniger verdienen und meist nicht den gleichen Zugang zu Ressourcen wie Männer haben.[11] Außerdem haben Mädchen in Entwicklungsländern oft eine schlechtere Schulbildung als Jungen. Beispielsweise im Jemen gehen weit mehr als doppelt so viele Mädchen nicht zur Schule wie Jungen; in Indien besuchen nur ein Viertel so viel Mädchen eine Schule wie Jungen.[12]

Etwa drei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Unzureichende Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist in Entwicklungsländern die Hauptursache für die meisten Krankheiten und Todesfälle, vor allem für die hohe Kindersterblichkeit. Zahlreiche Entwicklungsprojekte widmen sich der Lösung dieses Problems, doch 2–3 Milliarden Menschen werden von keinem dieser Projekte erreicht.

Rund 1,5 Millionen Menschen sterben jährlich an verunreinigtem Wasser. Ein Grund dafür ist der Müll, der in Entwicklungsländern nicht entsorgt wird, sondern unbehandelt in Seen und Flüssen landet. Hinzu kommen fehlende sanitäre Einrichtungen sowie Abfälle aus der Landwirtschaft, die ungeklärt den Wasserkreislauf verunreinigen. Wasserleitungen, Kläranlagen und Kanalisationen sind in den Ländern der Dritten Welt oft nicht vorhanden. Gibt es diese Infrastruktur, ist sie meist marode oder hält dem Bevölkerungswachstum nicht stand.[13] Dennoch ist ein positiver Trend zu erkennen: 1990 waren 77 % der Weltbevölkerung an sichere Trinkwasserquellen angebunden. Zwölf Jahre später waren es bereits 83 %. In Südasien stieg die Anschlussrate von 71 auf 84 %. Im Gebiet südlich der Sahara ist der Fortschritt nicht so rasant: 49 % der Menschen hatten 1990 Zugang zu sauberem Wasser, 2002 waren es 58 % der Menschen. Gerade weil in diesen Regionen die Bevölkerung stark wächst, sind diese Zuwachsraten ein Erfolg. Im ostafrikanischen Staat Tansania stieg der Anteil der Bevölkerung mit Zugang zu sauberem Trinkwasser von 38 % auf 73 %.[14]


Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ist von allen globalen Problemen das größte soziale Problem die Unterernährung beziehungsweise der Hunger. Pro Jahr sterben mehr als zehn Millionen Menschen an den Folgen von Hunger und Unterernährung – das ist rechnerisch etwa ein Todesfall alle 3,5 Sekunden. Mehr als die Hälfte von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren. An Hunger bzw. Unterernährung leiden mehr Menschen als an AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen.[15]

Neben einer besseren Ernährung mit ausreichend Zufuhr von Energie (siehe: physiologischer Brennwert), Vitaminen und Mineralstoffen zeigte eine Studie an Kindern in Malawi, dass eine zusätzliche antibiotische Therapie die Gewichtszunahme verbessert und die Mortalität senkt.[16]

Unterernährung in der Europäischen Union

Umfangreiche Studien in Großbritannien und den Niederlanden ergaben, dass bei der Aufnahme ins Krankenhaus bei jedem vierten Patienten das Risiko einer Unterernährung besteht.[17]

In ganz Europa steht Mangelernährung mit erhöhter Sterblichkeit, längerer Verweildauer und höheren Kosten für das Gesundheitswesen in Zusammenhang.[18] Nach Schätzungen verursacht Mangelernährung allein in der EU Kosten von 120 Milliarden Euro pro Jahr.[19]

Daneben kommt in den Industrieländern Unterernährung durch Essstörungen (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa) vor. Auch ältere, allein lebende Menschen und Patienten in Alten- und Pflegeheimen[20] sowie Obdachlose sind gefährdet.

Unterernährung in den USA

In den USA hungerten im Jahr 2005 10,8 Millionen US-Bürger. Insgesamt waren es gar 35 Millionen, also jeder achte US-Amerikaner, die „Schwierigkeiten hatten, sich zu ernähren“. Offiziell gibt es jedoch keine „Hungernden“, da die US-Regierung seit dem November 2006 stattdessen von Menschen mit „sehr geringer Nahrungssicherheit“ spricht.[21] Die Hilfsorganisation New York Food Bank gab im Juni 2008 bekannt, dass drei Millionen New Yorker, also mehr als jeder dritte, nicht genug Geld für Lebensmittel haben. 2007 nahmen 1,3 Millionen New Yorker die Hilfe von Suppenküchen in Anspruch.[22] In den USA haben nach Schätzungen des CDC 30 % der Einwohner einen BMI von über 30 kg/m² und gelten damit als fettleibig. Ökonomisch schlechter Gestellte (Ungebildetere, Ärmere) sowie diskriminierte Minderheiten (Indianer, Schwarze) sind sehr viel stärker von Übergewicht und Fettleibigkeit betroffen.[23]

Im Januar 2010 hat Feeding America (FA), früher America’s Second Harvest genannt, ihren Bericht „Hunger in America 2010.“ publiziert. Die in Chicago beheimatete Organisation betreut jährlich 37 Millionen Personen. Nach ihren Umfrageergebnissen bekommen 37 Millionen Menschen in den USA, davon 14 Millionen Kinder und 3 Millionen Senioren, nicht genug zu essen.[24]

Lage 2012

Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (englisch UN World Food Programme, WFP) ist die größte humanitäre Organisation der Welt. Laut dieser Organisation und Recherchen der FAO haben 2012 870 Millionen Menschen nicht genug zu essen, 98 Prozent davon leben in Entwicklungsländern. 35 Prozent der globalen Getreideernte werden an Nutztiere verfüttert.[25]

In den letzten Jahren ist zwar der Anteil an hungernden Menschen in der Welt zurückgegangen, trotzdem ist die tatsächliche Zahl der unterernährten Menschen im letzten Jahrzehnt kontinuierlich angestiegen. Diese Diskrepanz ist vor allem auf ein steigendes Bevölkerungswachstum sowie auf die steigende Nachfrage an Nahrungsmitteln in den Entwicklungsländern zurückzuführen.[26]

Auswirkungen

Unterernährte, vom Hunger geschwächte Kinder

Während einer Fasten- oder Hungerzeit kommt es zu einer gewissen Anpassung an den Nährstoffmangel. Diesen Vorgang nennt man Hungeradaption. Der Stoffwechselumsatz kann sich auf etwa 50 Prozent reduzieren. Herzfrequenz, Blutdruck und Körpertemperatur sinken, ein extremes Beispiel ist der Winterschlaf bei Tieren. Der restliche Energiebedarf wird durch Ketonkörper gedeckt. Der Insulin­spiegel fällt ab. Durch den Nahrungsmangel bzw. Nährstoffmangel stellt sich der Stoffwechsel auf Katabolismus um. Nach etwa acht bis zehn Tagen wird der Grundumsatz gesenkt und der Stoffwechsel verlangsamt sich. Der Körper muss bei Nahrungsentzug die notwendige Energie zum Erhalt wichtiger Körperfunktionen aus seinen Energiespeichern gewinnen. Nacheinander werden so zur Deckung des Energiebedarfs Energievorräte in Form von Kohlenhydraten (z. B. Glykogen), Fetten (z. B. subkutanes Fettgewebe) und letztlich auch Proteinen (z. B. Muskulatur) angegriffen. Die Folge des längeranhaltenden Nahrungsmangels ist die Auszehrung oder Inanition. Sie kann zum völligen Kräfteverfall führen, der auch Kachexie genannt wird.

Bei Meerschweinchen wurde festgestellt, dass bei Unterernährung die Schilddrüse nicht mehr arbeitet, bei Ratten wurde erforscht, dass das Wachstum stoppt, auch wenn genügend Wachstumshormone im Körper zirkulieren. Studien an der Bevölkerung in Mexiko haben gezeigt, dass es bei Unterernährung zu einer allgemeinen Insuffizienz der Hypophyse kommt und in der Folge zu einer Insuffizienz der Keimdrüsen und Nebennieren.[27]

Folgen von Mangel- und Unterernährung auf den Körper[28]
Bereich Auswirkung (unvollständige Aufzählung)
Allgemeinbefinden zunehmende Schwäche und Gebrechlichkeit
Haut verzögerte Wundheilung,
Herz reduzierte Herzleistung
Immunsystem Verminderung der Immunkompetenz
verzögerte Wund- und Infektheilung und Genesung
Lunge erhöhte Anfälligkeit für Lungenentzündung
Muskulatur reduzierte Muskelmasse und Muskelkraft,
Niere erhöhte Infektrate
Psyche Reizbarkeit, Schwäche, Apathie, depressive Verstimmung, Konzentrationsschwäche
Skelett verminderte Knochendichte
Verdauungstrakt Durchfall

Auswirkung von Unterernährung auf Frauen

Unterernährung (wie sie bei Nahrungsmittelmangel oder bei Magersucht vorkommt) kann zu Amenorrhoe (Ausbleiben der Menstruation) führen. Die Monatszyklusfunktion setzt einen minimalen Körperfettanteil von 22 Prozent voraus. Der Effekt kann entwicklungsphysiologisch als natürliche Empfängnisverhütung bei schlechter Ernährungslage und ungünstigen Voraussetzungen für den Nachwuchs abgeleitet werden.[29]

Auswirkung von Unterernährung auf Kinder

Jugendlicher nach einer Noma-Erkrankung

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO sind rund ein Viertel aller Kinder unter fünf Jahren unterernährt.[30] Unterernährung kann, besonders im Kindesalter, zum Zurückbleiben in der körperlichen und geistigen Entwicklung (Retardierung), zu schweren Krankheiten wie beispielsweise Dystrophie, Kwashiorkor (Hungerödeme, Hungerbauch), Marasmus (Auszehrung nach Abbau aller Energie- und Eiweißreserven), Noma (Gewebszersetzung) und in der Folge meist zum Tod führen. Damit einhergehend leiden Betroffene meist unter Eiweiß-, Fett-, Vitamin- und Mineralmangel.

Unterernährung ist Mitverursacher von 53 % der jährlich 10,6 Millionen Todesfälle von Kindern unter 5 Jahren in Entwicklungsländern. Umgerechnet bedeutet das, alle 5 Sekunden stirbt ein Kind (2012) an den Folgen des Hungers.[31]

Weltweit sind über 147 Millionen Kinder im Vorschulalter von „Stunting“ beeinträchtigt, damit wird eine zu geringe Körpergröße im Vergleich zu Gleichaltrigen bezeichnet.[32]

Unterernährung hat Auswirkungen auf die Schulleistungen und führt Studien zufolge auch oft zu einem geringeren Einkommen als Erwachsener.[33]

Menschenrecht auf Nahrung

Das Menschenrecht auf Nahrung gilt als verletzt, wenn durch dauerhaften Entzug von Nahrung oder Ernährungsgrundlagen die Würde des Menschen verletzt ist. Umgekehrt ausgedrückt heißt es im Allgemeinen Kommentar Nr. 12 des Sozialausschusses der Vereinten Nationen: „Das Recht auf angemessene Nahrung ist dann verwirklicht, wenn jeder Mann, jede Frau und jedes Kind, einzeln oder gemeinsam mit anderen, jederzeit physisch und wirtschaftlich Zugang zu angemessener Nahrung oder Mitteln zu ihrer Beschaffung haben.“ Angesichts der von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO geschätzten 1.000.000.000 Hungernden weltweit und über 24.000 Hungertoten pro Tag dürfte es sich um eines der über viele Jahrzehnte hinweg am massivsten verletzten Menschenrechte handeln. Während der FAO zufolge die Zahl der Hungernden in China rückläufig ist, stagniert sie in Indien und wächst in Afrika. Die Demokratische Republik Kongo hat mit 70 Prozent den weltweit höchsten Anteil von unterernährten Menschen in ihrer Bevölkerung. Alle Zahlenangaben sind allerdings mangels empirischer Grundlagen mit Vorsicht zu verwenden.

Bekämpfung und Gegenmaßnahmen

Drei von vier Hungernden leben als Kleinbauern, Viehzüchter und Landarbeiter auf dem Land. Wenn das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen Lebensmittel für Hungernde einkauft, dann erfolgt das weitgehend durch lokale und regionale Einkäufe („Purchase for Progress“ Programm), bei Kooperativen von Kleinbauern. Dabei werden auch langfristige Verträge geschlossen, um den Bauern zu Überschüssen und sicheren Absatzmöglichkeiten zu verhelfen. Das Programm unterstützt auch die lokale Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln, um zugleich das Nahrungsmittelangebot auf lokalen Märkten auszuweiten.[34]

Neuerdings wird über „Cash for Work“- und „Food for Work“-Programme (Hilfe zur Selbsthilfe) versucht, Bedürftige nicht mehr über Nahrungsmittelhilfe zu unterstützen, die Bedürftigen bekommen stattdessen Geld oder Nahrungsmittel für gemeinnützige Arbeiten, wie den Bau von Bewässerungskanälen, welche zugleich die Ernährung und Zukunft ihres Dorfes sichern. Dabei werden statt Geld auch auf bestimmte Lebensmittel ausgestellte Gutscheine verteilt, die Menschen in Not in lokalen Läden einlösen können, das stärkt die lokale Wirtschaft, anstatt die Marktpreise durch kostenlose Nahrungsmittelverteilung zu ruinieren.[35]

In Ländern, in denen Kinder nicht in die Schule geschickt werden, sondern zum Arbeiten herangezogen oder zum Betteln geschickt werden, erhöhen Schulspeisungen die Bereitschaft der Eltern, ihr Kind in die Schule zu schicken. Die Aussicht auf wenigstens eine nahrhafte Mahlzeit am Tag fördert die Anzahl der Schulanmeldungen und auch die regelmäßige Anwesenheit der Schüler.[36][37]

Auswanderer und Migranten, die Rücküberweisungen ihrer Einkommen tätigen, bewirken eine Reduzierung von Armut und ergeben einen positiven Effekt auf die Volksgesundheit in den Herkunftsländern.[38]

Siehe auch

Literatur

  • Maximilian Ledochowski: Klinische Ernährungsmedizin. Springer, Wien / New York 2010, ISBN 978-3-211-88899-5.
  • Christian Löser, Angela Jordan, Ellen Wegner: Mangel- und Unterernährung. Strategien und Rezepte wieder zu Kräften zu kommen. Trias-Verlag, Kassel 2012, ISBN 978-3-8304-6063-3.
  • Jean Ziegler: Wir lassen sie verhungern: Die Massenvernichtung in der Dritten Welt. C. Bertelsmann Verlag, 2012, ISBN 978-3-570-10126-1.
  • Jean Ziegler: Wie kommt der Hunger in die Welt? Ein Gespräch mit meinem Sohn. Bertelsmann, München 2002, ISBN 3-570-30059-5.

Weblinks

Commons: Unterernährung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. EUFIG: Es ist an der Zeit, Mangelernährung in Europa anzuerkennen. (Memento des Originals vom 4. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eufic.org.
  2. Thomas Wagner: Versteckter Hunger – Einseitige Ernährung gefährdet die Gesundheit. dradio.de/dlf, Umwelt und Verbraucher, 4. März 2013. (9. März 2013).
  3. Jean Ziegler: Wir lassen sie verhungern: Die Massenvernichtung in der Dritten Welt. C. Bertelsmann Verlag, 2012, ISBN 978-3-570-10126-1.
  4. Carole Presern, Direktorin der „Partnership for Maternal, Newborn & Child Health“ bei der WHO, zitiert bei Mütter und Kinder leiden an Unterernährung wegen Klimawandel bei nachhaltigleben.ch.
  5. a b 7 Fakten über Klimawandel und Hunger. wfp.org.
  6. Maximilian Ledochowski: Klinische Ernährungsmedizin. S. 83.
  7. Mangelernährung (E40-E46). ICD-10-WHO Version 2006 (Memento vom 6. März 2010 im Internet Archive)
  8. Es ist an der Zeit, Mangelernährung in Europa anzuerkennen. (Memento des Originals vom 4. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eufic.org bei eucif.org
  9. Weltwasserbericht der Vereinten Nationen 2012, zitiert bei Urin und Kot im Freien. Millionen haben keine Toiletten. bei n-tv.de.
  10. Thomas Löscher, Gerd-Dieter Burchard (Hrsg.): Tropenmedizin in Klinik und Praxis. mit Reise- und Migrationsmedizin. 4. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-13-785804-1.
  11. Frauen im Fokus. wfp.org.
  12. Frauen & Hunger – 10 Fakten. (Memento vom 28. Januar 2013 im Internet Archive) wfp.org.
  13. Jeder sechste Mensch hat keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. In: www.europarl.europa.eu. Europäisches Parlament, 21. Mai 2011, archiviert vom Original am 28. Juni 2011; abgerufen am 28. Juni 2011.
  14. Uschi Eid: Wasser für alle: Best Practice Modelle – Erfahrungen aus dem UN Water Board und der deutschen EZ. (PDF; 108 kB) S. 5, archiviert vom Original am 28. Juni 2011; abgerufen am 28. Juni 2011.
  15. Bundeszentrale für politische Bildung: Unterernährung.
  16. I. Trehan, H. S. Goldbach, L. N. LaGrone, G. J. Meuli, R. J. Wang, K. M. Maleta, M. J. Manary: Antibiotics as Part of the Management of Severe Acute Malnutrition. In: N Engl J Med. 2013, 368, S. 425–435, doi:10.1056/NEJMoa1202851.
  17. Rebecca J Stratton, Ceri J Green, Marinos Elia (Hrsg.): Disease-Related Malnutrition: An Evidence-Based Approach To Treatment. CABI Publishing, Wallingford, United Kingdom 2003; C. Russell, M. ELia: Nutrition Screening Survey in the UK in 2008: Hospitals, care homes and mental health units. Redditch, BAPEN 2009; H. M. Kruizenga u. a.: Screening of nutritional status in The Netherlands. In: Clin Nutr. 22(2003), S. 147–152; J. M. Meijers u. a.: Malnutrition prevalence in The Netherlands: results of the annual Dutch national prevalence measurement of care problems. In: Br J Nutr. 101(2009), S. 417–423; zitiert bei Es ist an der Zeit, Mangelernährung Europa anzuerkennen. (Memento des Originals vom 4. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eufic.org bei eufic.org.
  18. R. J. Stratton, M. Elia: A review of reviews: A new look at the evidence for oral nutritional supplements in clinical practice. In: Clin Nutr Suppl. 2(1)2007, S. 5–23, zitiert bei Es ist an der Zeit, Mangelernährung Europa anzuerkennen. (Memento des Originals vom 4. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eufic.org, bei eufic.org.
  19. O. Ljungqvist u. a.: The European fight against malnutrition. In: Clin Nutr. 29(2)2010, S. 149–150. zitiert bei Es ist an der Zeit, Mangelernährung Europa anzuerkennen. (Memento des Originals vom 4. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eufic.org, bei eufic.org.
  20. Pflege forscht: Mangelernährung bei alternden Menschen; Deutsche Seniorenliga.
  21. US-Regierung benennt hungernde Bürger um. In: Der Tagesspiegel. 22. November 2006, S. 32, Weltspiegel.
  22. Armut – Hungrig in New York. In: Süddeutsche Zeitung. 14. Juni 2008.
  23. C. L. Odgen, M. D. Carroll, L. R. Curtin, M. A. McDowell, C. J. Tabak, K. M. Flegal: Prevalence of overweight and obesity in the United States. 1999–2004. In: JAMA. 295, Nr. 13, April 2006, S. 1549–1555.
  24. Stephen Lendman: Growing Hunger in America. In: Baltimore Chronicle. 9. Februar 2010.
  25. World Food Programme: Statistiken.
  26. World Food Programme: Millenniumsziele.
  27. H. E. Voß: Der Einfluß endokriner Drüsen auf den Stoffwechsel der Säugetiere. In: Helmcke, Lengerken: Handbuch der Zoologie. Achter Band. Verlag de Gruyter, Berlin 1956, DNB 456894365.
  28. Christian Löser, Angela Jordan, Ellen Wegner: Mangel- und Unterernährung. Trias-Verlag, Kassel 2012, ISBN 978-3-8304-6063-3.
  29. Walter Siegenthaler, Hubert E. Blum: Klinische Pathophysiologie. 9. Auflage. Thieme Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-13-449609-7, S. 389.
  30. Welthungerhilfe (Memento des Originals vom 22. Dezember 2011 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.welthungerhilfe.de.
  31. Hunger fordert hohen Preis. Folgen von Unternährung für Frauen und Kinder. (PDF; 68 kB) Welternährungsprogramm, bei wfp.org.
  32. SCN World Nutrition Report, zitiert bei Unterernährung. World Food Programme.
  33. Unterernährung. World Food Programme.
  34. Purchase for Progress (P4P) – Chancen für Kleinbauern. wfp.org.
  35. Innovationen im Kampf gegen den Hunger. wfp.org.
  36. Schulspeisungen. wfp.org
  37. Haiti: „Wenn die Schulglocke läutet, stehen die Kinder Schlange“. wfp.org.
  38. Richard H. Adams, Jr: Evaluating the Economic Impact of International Remittances On Developing Countries Using Household Surveys: A Literature Review. In: Journal of Development Studies. 47, (6)2011, S. 809–828.