Heinrich Rau (Architekt)

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Heinrich „Heinz“ Pinchas Zevi Rau (* 10. November 1896 in Berlin; † 13. Februar 1965 in Bad Teinach) war ein deutsch-israelischer Architekt, Innenarchitekt sowie Stadt- und Raumplaner. Er war ein führender Vertreter des Internationalen Stils in Israel sowie einer der ersten Stadtplaner Jerusalems und Raumplaner Israels in der Phase der jüdischen Einwanderung nach der israelischen Unabhängigkeitserklärung.

Leben

Rau war der zweitälteste Sohn des in Fürth gebürtigen, jüdischen Berliner Arztes Dr. med. Raphael Rau (1866–1947) und dessen Ehefrau Fanny Frumet, geborene Hirsch (1871–1934). Er hatte fünf Brüder, darunter den Juristen, Richter und Berater Arthur Aharon Rau (1895–1962)[1], 1935–1938 Direktor des „Palästina-Amtes“ der Jewish Agency for Israel, sowie zwei Schwestern, darunter Gerda Ziporah Rau, später verheiratete Ochs (auch Oaks, 1809–1999), die Gründerin eines Sozialdienstes für Frauen und Sozialfürsorgerin im israelischen Wohlfahrtsministerium.[2]

Rau wuchs im Berliner Wedding auf. Nach einer Tischlerlehre, die er 1911 begonnen hatte, leistete er von 1914 bis 1918 als Soldat des Deutschen Heeres seinen Militärdienst im Ersten Weltkrieg. 1919 nahm er an der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin (ab 1924 Vereinigte Staatsschulen für freie und angewandte Kunst) ein Studium auf. 1921 war er dort Schüler der Architektur-Klasse von Alfred Grenander. Bis 1924 arbeitete er im Büro des Berliner Architekten Bruno Paul. Er brach das Studium ab und machte sich 1924 als Innenarchitekt selbständig.[3] Zusammen mit Heinrich A. Schäfer bearbeitete er seit spätestens 1926 diverse Innenarchitektur-Projekte. Von 1931 bis 1933 unterhielten sie ein gemeinsames Atelier für Innenarchitektur im Gebäude des Kunstgewerbemuseums Berlin, Prinz-Albrecht-Straße.[4] 1930 heiratete Rau Ida Hackenbrock (auch Hackenbroch, 1904–2005, 1963 geschieden). 1931 erhielt er für Musterentwürfe für Studentenwohnungen, die er zusammen mit Schäfer erarbeitet hatte, einen Ehrenpreis der Deutschen Bauausstellung Berlin, die unter dem Motto „Neues Bauen und Wohnen“ stand.

Im Herbst des Jahres 1933, wenige Monate nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, emigrierte Rau über die Niederlande und Italien in das Gebiet des britischen Völkerbundsmandats für Palästina. Dort arbeitete er bis 1935 im Büro des Architekten und Stadtplaners Richard Kauffmann. 1935 gründete er ein eigenes Architekturbüro, in dem er Wohnbauten im Stil der Moderne entwarf. 1940/1941 arbeitete in seinem Büro der Architekt Gabriel Epstein (1918–2017).

1949 wurde Rau unter Arieh Sharon, dem Chef für das Innenministerium tätigen ersten staatlichen Planungsbehörde Israels, Leiter der 22-köpfigen Abteilung für „Aktive Planung“,[5] nachdem er bereits 1948 zusammen mit David Anatol Brutzkus (1910–1999) den Auftrag erhalten hatte, einen Masterplan als unverbindliches Plankonzept für die städtebauliche Entwicklung Jerusalems zu erarbeiten. Dieser 1949 fertiggestellte Plan, später „Rau-Plan“ genannt, der ganz Jerusalem (einschließlich des damals noch jordanischen Ostjerusalems) und seine Umgebung grenzübergreifend einbezog, eröffnete die Entwicklung von Wohnsiedlungsgebieten in den nordwestlichen Teilen der Stadt sowie entlang der Kuppen und Hänge in der Hügellandschaft von Westjerusalem. Einen Ring um die Jerusalemer Altstadt[6] sowie die Täler zwischen den neuen Baugebieten hielt der Plan als Grünzüge frei; insofern folgte der Masterplan den Gartenstadt-Konzepten früherer britischer Planer Jerusalems. Außerdem sah der „Rau-Plan“ die Ansiedlung von Regierungs-, Kultur- und Universitätsfunktionen in Giwat Ram vor, wo ab den 1960er Jahren der Neubau für das Parlament Israels, die Knesset, errichtet wurde.[7][8] Die Planungen für das israelische Regierungsviertel in Giwat Ram konkretisierte Rau ab 1950 zusammen mit Kauffmann und Ossip Klarwein. Als Raumplaner entwickelte Rau 1949 zusammen mit Artur Glikson (auch Arthur Glücksohn, 1911–1966) und Eliezer Leonid Brutzkus (1907–1987) einen ersten Nationalplan zur Bevölkerungsverteilung in Israel.[9] Seine Tätigkeit für die staatliche Planung endete 1953.

In den Jahren 1954 bis 1958 arbeitete Rau mit dem befreundeten Architekten David Resnick. In dieser Zeit, 1956/1957, entstand eines seiner bedeutendsten Bauwerke, die Israel-Goldstein-Synagoge der Hebräischen Universität Jerusalem in Giwat Ram, für die ihm und Resnick 1964 der Rechter Prize des Israelischen Architektenvereins zuerkannt wurde.[10]

Etwa 1961 übernahm er als Senior Fellow eine Projekt- und Lehrtätigkeit am Institute of Town and Country Planning der Universität Manchester.[11] 1964 zog er nach Bad Teinach im Schwarzwald. Dort verstarb er im Februar 1965 im Alter von 68 Jahren.

Bauten/Projekte (Auswahl)

Vor 1933

  • Arbeitszimmer in einer Mietwohnung, Berlin, 1928 (zusammen mit Heinrich A. Schäfer)
  • Projekt „Neue Küche“, Berlin, 1929 (zusammen mit Heinrich A. Schäfer)
  • Musterentwürfe zweier Studentenwohnräume für die Abteilung „Die Wohnung unserer Zeit“ im Rahmen der Deutschen Bauausstellung Berlin 1931 (zusammen mit Heinrich A. Schäfer)
  • Entwürfe verschiedener Möbel und kompletter Einrichtungen für Büros, private Haushalte und Villen, 1931–1933

1933–1945

Haus Max Rosenbaum, 1938, Foto 2013
  • Haus Philipps und Haus Gidon, Haifa, 1937/1938
  • Mehrfamilienhaus Heinrich Benjamin, Jerusalem, 1938
  • Mietshaus Max Rosenbaum, Jerusalem, 1938
  • Tycho-Villa in Mozah
  • Wohnbauten in Tel Aviv, Tiberias, Gaza

Nach 1945

Israel-Goldstein-Synagoge auf dem Campus der Hebräischen Universität Jerusalem in Giwat Ram, 1957, Foto 1964

Schriften (Auswahl)

  • (mit Heinrich A. Schäfer): Luftschächte. In: Bauwelt, Heft 41/1926.
  • (mit Heinrich A. Schäfer): Die neue Küche Berlin. In: Bauwelt, Heft 17/1929, S. 402 f.
  • Quarters Instead of Zones. In: Engineering Survey, September 1942, S. 26–28 (Hebräisch).
  • (mit Jacob Benor-Kalter): Architects Flay Knesset Design: Plan Must Reflect Needs. In: The Jerusalem Post, 6. September 1957.
  • No Hurry to Build. In: The Jerusalem Post, 7. September 1957.
  • Landschaftsplanung – nur in Entwicklungsländern? In: Bauwelt, Heft 46/1962, S. 1281–1284.

Literatur

  • Walter Münz: Bauten von Heinz Rau in Israel. In: Deutsche Bauzeitung, Heft 67/1962, S. 379–386.
  • Julius Posener: Architekt in drei Ländern. Zum Tode von Heinz Rau. In: Bauwelt, Heft 23/1965, S. 656 f.
  • Rau, Heinz. In: Herbert A. Strauss, Werner Röder (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2/Teil 1 A–K: The Arts, Sciences, and Literature. K. G. Saur, München 1983, ISBN 3-598-10087-6, S. 943 (Google Books).
  • Rau, Heinz. In: Klemens Klemmer: Jüdische Baumeister in Deutschland. Architektur vor der Shoah. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1998, ISBN 978-3-4210-3162-4, S. 276.
  • Heinz Rau. In: Myra Warhaftig: Deutsche jüdische Architekten vor und nach 1933 – Das Lexikon. 500 Biographien. Dietrich Reimer, Berlin 2005, ISBN 978-3-4960-1326-6, S. 402.
Commons: Heinz Rau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Rau, Arthur, in: Hans Bergemann, Simone Ladwig-Winters: Richter und Staatsanwälte jüdischer Herkunft in Preußen im Nationalsozialismus : eine rechtstatsächliche Untersuchung. Eine Dokumentation. Köln : Bundesanzeiger-Verlag, 2004, S. 279
  2. Rau, Arthur Aharon. In: Werner Röder, Herbert A. Strauss (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Öffentliches Leben. K. G. Saur, München 1999, ISBN 3-598-11420-6. S. 585 (Google Books)
  3. Rau, Heinz. In: Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie. 2. Auflage, Band 8: Poethen–Schlüter, K. G. Saur, München 2007, ISBN 978-3-598-25030-9, S. 200 (Google Books)
  4. Andreas Nachama, Julius H. Schoeps, Hermann Simon: Juden in Berlin. Henschel, Berlin 2005, ISBN 978-3-8948-7461-2, Band 2, S. 225
  5. Joachim Nicolas Trezib: Die Theorie der zentralen Orte in Israel und Deutschland. Zur Rezeption Walter Christallers im Kontext von Sharonplan und „Generalplan Ost“. Walter de Gruyter, Berlin 2014, ISBN 978-3-11-033813-3, S. 267 (Google Books)
  6. Wendy Pullan, Maximilian Sternberg, Lefkos Kyriacou, Craig Larkin, Michael Dumper: The Struggle for Jerusalem’s Holy Places. Routledge, New York 2013, ISBN 978-0-415-50535-2, S. 62 (Google Books)
  7. Michael Dumper: The Politics of Jerusalem Since 1967. The Institute for Palestine Studies Series, Columbia University Press, New York 1996, ISBN 0-231-10640-8, S. 95 (Google Books)
  8. Eyal Miron, Doron Bar: Planning and Conserving Jerusalem. The Challenge of an Ancient City 1973–2003. Yad Yizhak Ben Zvi, Jerusalem 2009, S. 23
  9. Avital (Avni) Schechter: Planners, Politicians, Bureaucrats: The Israeli Experience in Physical Planning During Israel’s Early Years. Haifa 1990, S. 123 f.
  10. Timothy Brittain-Catlin: Israel Goldstein Synagogue, Givat Ram campus of the Hebrew University, Jerusalem, Israel, Webseite im Portal c20society.org.uk, abgerufen am 10. Januar 2020
  11. Victoria University of Manchester (Hrsg.): Calendar. Manchester 1961, S. 88